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Abschlußdiskussion

[Zu Beginn wird ein Text der Mumia-Soligruppe Berlin zu der drohenden Todesstrafe gegen Mumia Abu-Jamal verlesen und eine Resolution von den Kongreßmitgliedern verabschiedet]

Resolution:
Die rund 450 TeilnehmerInnen des Antifa-Kongresses in Leipzig fordern den Gouverneur des Bundesstaates Pennsylvania auf, den Hinrichtungsbefehl für Mumia Abu-Jamal zurückzunehmen und keinen weiteren Hinrichtungsbefehl für Mumia zu unterschreiben, sicherzustellen, daß Mumia ein neues Verfahren bekommt, die Todesstrafe in Pennsylvania abzuschaffen. Die Todesstrafe ist ein Instrument rassistischer Unterdrückung, die weltweit geächtet wird. In Pennsylvania warten derzeit 226 Menschen, davon über 50% Afroamerikaner, auf den staatlich angeordneten Tod. Wir verurteilen diese Praxis und verlangen von Ihnen, Gouverneur Ridge, das staatliche Morden in Pennsylvania zu beenden. Gleichzeitig fordern die TeilnehmerInnen des Antifa-Kongresses die Bundesregierung, speziell Außenminister Fischer auf, sich gegenüber den zuständigen Stellen in den USA, Gouverneur Ridge, Präsident Clinton, US-Außenministerin Albright und US-Justizministerin Reno für Mumia Abu-Jamal einzusetzen. D.h., ein neues Verfahren für Mumia und die Abschaffung der Todesstrafe zu fordern. Leipzig, den 24. Oktober 1999.

[Im folgenden sagen die einzelnen Gruppen anstehende Termine mit bundesweiter Bedeutung durch.]

[Es folgen kurze Zusammenfassungen der jeweiligen ReferentInnen aus den Arbeitsgruppen des Themenkomplexes "Strategien/Konzepte"]

Bündnis gegen Rechts: Ich möchte von der ersten Arbeitsgruppe zum Themenkomplex Strategien und Konzepte berichten. Das war die AG "Selbstorganisation und radikale Demokratie". Zentrale Thesen der Referate waren, daß die Organisation selbstbestimmter Politik einen gesellschaftlichen Gegenentwurf sowohl zur bürgerlichen Gesellschaft darstellt als auch der Naziideologie diametral gegenübersteht und damit ein wesentliches Element linksradikaler Politik beinhaltet. Daß dazu zweitens eine politische Praxis gehört, die sich an konkreten gesellschaftlichen Widersprüchen orientiert. Dafür gibt es auch den Begriff "Revolutionären Antifaschismus". Im Referat wurde jedoch festgestellt, daß dieser Ausblick, den so eine Strategie irgendwann mal haben könnte, noch nicht so richtig mit der Realität übereinstimmt. In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, daß es notwendig sein könnte, im Gegensatz zu diesem Konzept der Organisierung selbstbestimmter Politik, also der klassischen autonomen Politik, eher einen grundsätzlichen Gegenentwurf zu haben, das, was man vielleicht als eine revolutionäre Perspektive bezeichnen könnte. Bzw. - das war ein anderes Argument, aber auch dagegen gerichtet - eine grundsätzliche Anti-Haltung aufzubauen. In dem Zusammenhang wurde natürlich auch die Frage des Reformismus aufgeworfen. Da gab es unterschiedliche Position in den beiden Referaten. Beispiel, was Reformismus bedeuten könnte, war das Verhältnis zu bürgerlichen Werten, wo die Diskussion darum ging, ob wir Werte wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, bürgerliche Freiheitsrechte als Ideale, die nicht durchgesetzt sind, für unsere politische Praxis gebrauchen können oder ob sie nicht letztendlich der Legitimation der herrschenden Verhältnisse dienen. Ein sehr gutes Beispiel für letztere Position war der Kosovo-Krieg. Ein nächster Punkt in der Diskussion war die Frage, ob wir überhaupt stark genug sind, solche Begriffe wie "Radikale Demokratie" oder auch "Selbstbestimmung" zu besetzen, ihnen eine andere als die (vor)herrschende Bedeutung zu geben. Haben sie überhaupt das Potential, eine andere Politik zu beschreiben?
Was in der Diskussion gefehlt hat, war die eigene Praxis, selbstbestimmt Politik zu machen.

Antifaschistische Aktion Berlin (AAB): Ich stelle die AG "Antifaschistische Intervention" vor. Schlecht besucht, wir waren nur 25, es war aber trotzdem total gut. Die drei zentralen Thesen, die von uns zur Diskussion gestellt waren, lauteten zum einen: Die Nazis sind nicht die Ursache von gesellschaftlichen Entwicklungen, sondern nur die Auswirkung davon. Läuft oft auch unter: Nationalismus und Rassismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Die zweite These war davon abgeleitet, daß wir nicht nur Politik gegen Nazis machen können, sondern linksradikale Politik wichtig ist: sie sichtbar zu machen und für was gründlich anderes zu werben. Und die dritte These war darauf bezogen, wie sowas funktionieren kann, wie sowas vermittelt werden kann. Dabei ist es wichtig, verständliche Kommunikations- und Ausdrucksformen zu wählen, d.h. auch, Symbole zu verwenden und Begriffe, die über ihre geschichtliche Bedeutung eine gewisse Symbolik beinhalten. Die Diskussion wurde anhand von zwei Punkten geführt: zu Naziaufmärsche und zum 1. Mai, - das ist vielleicht auch in dem Reader ein bißchen falsch verstanden worden, es sollte nicht die ganze Diskussion wiederholen, sondern nur eine Ausformung von den drei Thesen sein. Die Diskussion wurde vor allem über die Bedeutung der Nazis geführt, angelehnt an die Auftaktveranstaltung.
Dann gab es einen wichtigen Einwand. Antifapolitik heißt nicht nur, was gegen Nazis zu machen, sondern es geht darum, daß die Diskussion um Antifaschismus und Faschismus in der BRD-Gesellschaft eine bestimme Rolle spielt, daß sich darum sehr viele symbolische Diskussionen drehen und das auch das für uns als Antifas ein wichtiger Punkt ist, da einzugreifen, wo es um die Anschlußfähigkeit der Nazis an bestimmte gesellschaftliche Diskurse geht.
Der zweite zentraler Punkt war der Ökonomismusvorwurf an uns bzw. ein Mißverständnis, wie wir es im Endeffekt resümiert haben, nämlich daß wir nur ein auf die Ökonomie zentriertes gesellschaftliches Verständnis hätten. Das haben wir so ausgeräumt bzw. uns darauf geeinigt, daß die Ökonomie natürlich ein zentrales gesellschaftliches Organisierungsmoment ist, die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt, was aber nicht heißt, daß sowas wie Rassismus oder Sexismus auf unmittelbare ökonomische Interessen reduziert werden kann.
Eine weitere wichtige Anmerkung war, daß es zu kurz gekommen ist in der gesamten Diskussion, wie Leute erreicht werden können und wer erreicht werden kann.

Antifa Halle: Ich spreche zur AG "Perspektiven von Öffentlichkeitsarbeit". Das Referat ist im Wesentlichen so gehalten worden, wie es im Vorbereitungs-Reader steht - bis auf punktuelle Ergänzungen. In der Diskussion wurde dann intensiver darüber geredet, wer die Adressaten der Öffentlichkeitsarbeit sein könnten. Als Problem wurde festgestellt, daß es keine per se linken Subjekte mehr gibt, die sich aus einer Sozialstruktur ergeben. Es wurde da oft - fast ironisch - von der Arbeiterklasse gesprochen. Deshalb stoßen wir an Grenzen klassischer Öffentlichkeitsarbeit. Es war Konsens, daß trotz der Marginalisierung die Öffentlichkeitsarbeit wichtig ist und daß die vielen Möglichkeiten oft sehr schlecht genutzt werden. D.h., das ist noch ausbaufähig und die eigenen Schwächen sollten nicht überbetont werden. Also dem Trend, immer zu sagen "Es ist alles so schlecht, wir haben kaum noch Möglichkeiten" wurde sowohl im Referat als auch in der Diskussion versucht, etwas entgegenzusetzen. Wegen der rechten Hegemonie gibt es natürlich bestimmte Einschränkungen, Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit, Leute, mit denen wir nicht zusammen arbeiten wollen oder können.
Es wurde diskutiert, wie die Intervention in gesellschaftlichen Widersprüchen möglich sein kann. Es war klar, daß dort versucht werden soll, linke Inhalte sichtbar zu machen.
Dann gab es eine Diskussion darüber, ob es wesentlich ist, den Gruppenaspekt zu betonen oder die Inhalte. Ist es wichtig, einen Aufruf mit bestimmten Logo zu unterzeichnen, was dann für sich spricht, oder sind die Inhalte wichtiger? Das führt dann auch zum Referat hin, weil dafür plädiert wurde, einen relativ offenen Umgang mit Bündnissen und Öffentlichkeitsarbeit zu praktizieren. Bündnisse sind wesentlich für die Vermittelbarkeit und Darstellbarkeit der eigenen Position. Der Charakter von Bündnissen hängt aber sehr stark von den politischen Inhalten und den Zielen ab. Wegen der unterschiedlichen Vorstellungen von Bündnissen wurde bei der Diskussion ein wenig aneinander vorbeigeredet.
Ein weiterer Punkt, der angeschnitten wurde, war die Jugendarbeit. Es war klar, daß Jugendarbeit ein wesentlicher Punkt linker Öffentlichkeitsarbeit ist. Es wurde mehrfach aber darauf hingewiesen, daß die Jugendarbeit nicht der Strohhalm ist, an dem wir uns mit letzter Hoffnung klammern, sondern daß es noch andere Gruppen gibt, die wir erreichen sollten.

Autonome Antifa (M): Ich spreche für die Arbeitsgruppe "Wie baue ich eine Jugendbewegung". Ich wiederhole nicht die Thesen aus dem Reader. Wir konnten uns auf verschiedene Punkte der Diskussionen vom Vortag beziehen. Zum einen bei dem Begriff der kulturellen Hegemonie und welche Rolle die Nazis darin einnehmen, zum anderen auf Subjektwerdung im Kapitalismus, was wir dann nicht mehr vertiefen mußten.
Es ging einmal um die Inhalte in der Antifabewegung und wie die Forderung, daß die Antifa mehr sein sollte als nur gegen Nazis, konkret umzusetzen sei. Dazu gab es eine Situationsbeschreibung, daß das eine unmögliche Forderung ist, da die Antifabewegung zwar kontinuierlich zum Thema Antifaschimus organisiert ist, aber eigentlich aller 2 bis 3 Jahre implodiert oder die Gruppen tendenziell eine Halbwertszeit von 2, 3 Jahren haben. Viele Gruppen sind Jugendgruppen, was das Alter der Beteiligten angeht. Dann ging es darum, wie man diese Inhalte überhaupt vermittelt. Da waren sich die Diskutierenden einig, daß es sowas wie einen Rahmen geben muß, der über eine Organisierung hinausgeht. Es wäre falsch zu behaupten, die Antifa wäre nicht organisiert - zumindest im Vergleich zum Anfang der 90er Jahre. Auch wenn linke Ideen und Strukturen allgemein am zerfallen sind, ist die Antifa organisierter als noch vor einigen Jahren. Was aber nicht gleichzusetzen ist mit dem gesellschaftlichen Einfluß, den sie in der breiten Öffentlichkeit hat.
Dieser Rahmen kann soetwas sein wie dieser Kongreß, ein großes Camp oder aber, was wir dann vertreten haben, eine Organisation. Als wir den Widerspruch Organisierung/Organisation aufgebaut haben, kam die Frage nach einer Partei. Diese Antwort konnte aufgrund der realen gesellschaftlichen Verhältnisse abschlägig beschieden werden, weil klassische Organisationsmodelle überhaupt nicht greifen können. Die Menschen ordnen sich einer Idee nicht mehr grundsätzlich auf Lebenszeit zu und sagen "Die Partei ist alles". Deshalb wird jeder Versuch in diese Richtung scheitern. Ein Organisationsmodell muß eher so aussehen, daß sich die Organisation als Teil einer gesamten Bewegung verortet, sie dort Impulse reinbringt, einen Rahmen schafft, daß Leute zusammen kommen können. Auf den Einwand, wenn wir uns da einig sind, könnten wir ja dann sofort die Organisation schaffen, gab es leider keine Äußerung. Die Diskussion war insgesamt kaum konfrontativ. Dann ging es noch um Utopien und den Begriff des "Revolutionären Antifaschismus". Wenn von Utopien geredet wird, ist nicht die Rede von einem Gegenentwurf in Form von utopischen Vorstellungen von der herrschaftsfreien Gesellschaft, sondern von einer konkreten inhaltlichen Eckpunktbestimmung, was der "Revolutionäre Antifaschismus" ist.
Dann ging es darum, wenn man diesen Rahmen geschafft hat, wie man den Mangel beheben kann, daß sich die Leute auch wirklich darauf beziehen, d.h. in der Diskussion und in der Praxis, die auch weiterzuentwickeln ist. Das ist nicht vorhanden. Es gibt die zahlreichen organisierten Antifagruppen, die sich zersplittert irgendwo in der BRD entwickeln und einfach der Bezug nicht da ist, auch wenn es Organisierungsansätze wie das BAT oder die AA/BO gibt. Es gibt keinen gemeinsamen Bezug, der eine gesamte Weiterentwicklung ermöglichen würde. Einig war man sich, daß es inhaltlich verschiedene Ansätze geben wird, vom praktischen Ansatz als auch von der inhaltlichen Ausrichtung der Gruppen. Hier geht es nicht um inhaltliche Vereinheitlichung, sondern um Einigkeit darin, daß man sich in einen gemeinsamen Rahmen stellt und diese inhaltlichen Differenzen weiter bestehen, und die Praxis zeigen wird, welche Politik machbar ist und welche nicht.

Antifa-Schulnetz Leipzig (ASN): Es geht jetzt um die AG "Antifaschistische Jugendarbeit" und sowohl ich vom ASN als auch jemand von der RAAL werden kurz etwas sagen.
Es ging sehr viel um Hierarchien, wobei festgestellt wurde, das Hierarchien eigentlich in allen politischen Gruppen ein Problem darstellen und daß es sehr wichtig ist, sich damit auseinanderzusetzen.
Thematisiert wurde außerdem, daß sich die heutige Linke zu sehr auf die autonomen Modelle der 80er Jahre bezieht, obwohl dafür heute nicht die Attraktivität da ist, da gewisse Identifikationsmomente, die früher viele Jugendliche mit der autonomen Bewegung verbanden, einfach weggebrochen sind und durch andere Kulturen, wie der Techno-Bewegung eingenommen wurden. Die Autonomen haben sich zu sehr auf soziale Identitäten verlassen und sind davon ausgegangen, daß die Politisierung vornehmlich in sozialen Zusammenhängen vonstatten geht. Und deswegen ist es bei antifaschistischer Jugendarbeit wichtig, auch allgemein zu politisieren, weil das heutzutage durch die Subkulturen nicht mehr geleistet wird, da es kaum noch politische Subkulturen gibt. Wir müssen also offensiv auf Jugendliche zugehen, sie verstärkt politisieren und nicht nur auf vermeintliche subkulturelle Attraktivität setzen, die die Linke nicht mehr ausstrahlt.

Rote Antifaschistische Aktion Leipzig (RAAL): Problematisch war, daß wir von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgegangen sind. Das Schulnetz ist ein eigenständiges Jugend-Projekt, wir dagegen wollten eher aufzeigen, wie man als bestehende Antifagruppe mit älteren Mitgliedern auf dem Gebiet aktiv werden kann. Überraschend war, daß die Probleme bei der Jugendarbeit als weitgehend übereinstimmend eingeschätzt wurden. Probleme gibt es durch Hierarchien, Cliquenbildung, Zerfall der Gruppe durch Drogenkonsum, na gut, durch übermäßigen Drogenkonsum, oder Probleme durch mackermäßiges Machoverhalten, wodurch sich andere Jugendliche ausgegrenzt fühlen. Insgesamt war die AG recht erfolgreich. Bei ähnlicher Sicht auf die Probleme ist nur die Herangehensweise verschieden. Bestehende Vorurteile konnten ausgeräumt werden und unterschiedliche Ansätze wurden dargestellt.

JungdemokratInnen: Ich habe das Referat zu "Zivilgesellschaft/liberale Öffentlichkeit" gemacht. Es waren 20 Leute da. Im Referat habe ich versucht darzustellen, was linksradikale Politik mit der Antifa-Arbeit gemeinsam hat und was sie auch unterscheiden kann. Mir ging es darum, darzustellen, welche Ziele man überhaupt verfolgt, um im Anschluß zu sehen, welche Ziele man denn jetzt mit der liberalen Öffentlichkeit in Form von BündnispartnerInnen verwirklichen kann. Ich habe dann dargestellt, daß linksradikale Politik nicht darum umhinkommt, dafür zu werben, daß die Masse der Gesellschaft die Gefolgschaft aufkündigen muß, daß man Staat und Kapital abschaffen muß, daß das kein reformistischer Prozeß ist oder eine Aufweichung der Strukturen, sondern tatsächlich ein Bruch. Dann habe ich zwei Gründe genannt, warum man gegen Faschisten vorgehen kann und muß a) Faschisten daran hindern, neuen Faschismus zu installieren. Ich bin dann darauf eingegangen, inwieweit eine faschistische Herrschaft andere Qualitäten hat als die demokratische Form der bürgerlichen Herrschaft, warum es also egal ist, ob CDU oder SPD die regieren, daß das aber bei den Faschisten eine andere Sache ist, b) Der zweite Grund ist der Eigenschutz und der Schutz der Betroffenen des Naziterrors. Ich behaupte, das ist erstmal kein revolutionärer Zweck, sondern das ist schlicht eine gutwillige Sache. Weil die Nazis da Leute überfallen und der demokratische Staat, dessen Aufgabe es eigentlich ist, die Verletzung des Gewaltmonopols zu bestrafen, da nicht konsequent vorgeht. Da hat sich die These entwickelt, daß man, indem man die Betroffenen schützt, an dieser Stelle eine eigene Politik entwickelt und z.B. indem man auf Schweinerein hinweist, z.B. der Gerichtsprozeß in Lübeck nicht den neutralen Standpunkt eines Gerichtsverfahren einhält, daß man damit auf den rassistischen Charakter des Gerichtsverfahren aufmerksam macht. Das ist aber auch kein revolutionärer Zweck, sondern das macht man, weil es die linksliberale Öffentlichkeit, deren Job das normalerweise ist, den demokratischen Staat auf seine Prinzipien hinzuweisen, das momentan nicht macht und auch nicht da ist.
Dann der Umgang mit den Linksliberalen: Ich habe gesagt, wenn man für eine Revolution wirbt, dann kann man das nicht mit den Linksliberalen machen, das liegt auf der Hand. Wenn man Bündnisarbeit macht, um z.B. auf das rassistische Gerichtsverfahren hinzuweisen, dann arbeitet man mit den Linksliberalen zusammen, wenn die das ähnlich sehen. Da gibt es das gemeinsame Ziel, den Angeklagten aus dem Gerichtverfahren herauszubekommen. Wenn es um die Räumung eines besetzten Hauses geht, und es gibt noch liberale Grüne oder PDSler, denen was an dem Haus liegt und die stellen sich dann davor, dann arbeitet man mit denen zusammen, aber nur für den Zweck. Da ist der Zweck, das Haus zu retten und nicht revolutionäre Politik.
In der Debatte ging es dann darum, inwiefern mit ein paar Reformen, Bündnisarbeit usw. nicht doch revolutionäre Politik verfolgt wird. Mein Einwand dagegen ist aber, daß man immer genau sehen muß, welcher Zweck da gerade verfolgt wird. Man kann sich zwar linksradikal nennen, aber manchmal verfolgt man aber auch Zwecke, die nicht auf eine Revolution hinwirken. Die müssen ja deswegen nicht falsch sein.
Eine Sache war dann noch, daß man hier und jetzt anfangen muß, was zu verändern und daß es doch recht aussichtslos ist. Daß man, wenn man für Reformen streitet, den revolutionären Zweck nicht aus den Augen verlieren soll. Es wurde darauf hingewiesen, daß es nicht ausreicht, das nur im Hinterkopf zu haben, sondern man muß schon aktiv dafür werben. Sonst wird es mit der Revolution nie was. Und das ist halt unvereinbar damit, wenn man mit den Liberalen was zusammen macht.
Wir haben uns dann auf die Formel geeinigt, daß man mit den Liberalen zusammen arbeiten kann, wenn man gegen etwas ist, gegen eine Verschärfung der Politik, z.B. Asylgesetzabschaffung. Wenn es aber darum geht, sich für etwas einzusetzen, verbietet sich eine Zusammenarbeit mit den Liberalen. Es macht jetzt keinen Sinn, mit der PDS und den Grünen für die Einsetzung des alten Asylgesetzes zu streiten. Man argumentiert dann beschissen und wirbt für den falschen Zweck.

Moderation: Dann würde ich was zu Moses (AG "Müssen wir uns um den Aufbau einer attraktiven Subkultur bemühen") erzählen, der leider schon abgereist ist nach Hardcore-Hausen... Der Unterhaltungswert von ihm hielt sich in Grenzen. Also die, die mit dem Vorsatz hergekommen sind, da viel zu erleben, wurden enttäuscht. Ein paar heitere Einlagen gab es schon...
Er hat gesagt, daß er denkt, daß Subkulturen Zufallsprodukte sind und er sieht, daß sich die Subkulturen symbolisch ausgrenzen aus der Gesellschaft. Es gäbe einen Unterschied zur Nazisubkultur. Die progressiven Subkulturen entledigen sich schnell ihrer Mitläufer durch irgendwelche Sachzwänge, bei den Nazis soll es so sein, daß die Mitläufer aufgrund des Führerprinzips den Nazis hinterherlaufen.
Die Diskussion ging darum, inwieweit das mit dem Zufallsprinzip stimmt, wenn sich herausstellt, daß die ganze Hardcore-Bewegung nur aus weißen Jüngelchen bestanden hat. Das ist schon bezeichnend, daß sich das als ein so homogener Haufen darstellt. Es haben sich dann zum Thema Subkultur viele geäußert, leider wurden viele Sachen nur wiederholt. Es war eine sehr oberflächliche Diskussion.

Moderation: Das waren jetzt alle. Ich habe versucht, einen roten Faden zu finden, und erfreulicherweise festgestellt, daß es um Inhalte geht. Das ist ja durchaus was neues, auch für die Antifas, sag ich mal provokativ. Ich werfe jetzt mal ein paar Fragen auf:
- Linksradikale Politik – werben für etwas anderes?
- Linke Inhalte oder symbolisch Gruppen sichtbar machen?
- Inhalte in der Antifabewegung und deren Vermittlung?
- Was hat linksradikale Politik mit Antifa gemeinsam und was unterscheidet sie?
Ich schlage vor, folgende Frage zu diskutieren: Welche linken Inhalte hat die Antifa? Nicht: Welche Inhalte hat die Antifa, sondern welche konkret linken Inhalte?

[Schweigen]

Moderation: Vielleicht vermittle ich es doch noch ein bißchen. Es ist ja so, daß ein Konsens herrscht, daß es so, wie es bisher gelaufen ist, nicht weitergeht – das ist die platte Variante. Die etwas subtilere ist, zu sagen, daß die Anti-Nazi-Schiene letztendlich unser Untergang ist, Richtung Sackgasse führt oder schon in die Sackgasse geführt hat und wir uns verständigen müssen, welches Bekenntnis zum Linksradikalismus es gibt. Und dieses Bekenntnis beschwört die Inhalte ja unwiderruflich herauf. Letztendlich macht dies es notwendig, über die Inhalte zu reden. Was versteht man unter Linksradikalismus, wann kann man nein sagen, welchen gesellschaftlichen Sachzwängen kann man sich entziehen, soll man sich entziehen, was vermittelt man da, was bedeutet Antikapitalismus, was bedeutet die symbolische Ebene, inwieweit kann man die inhaltlich überhaupt füllen, daß nicht nur die symbolische Ebene übrig bleibt. Daß wir solche Dinge nochmal aufgreifen für eine halbe Stunde. Und dann danach drüber reden, welches Fazit aus dem Kongreß zu ziehen ist, und zwar so diskutiert, welche Perspektiven oder Optionen die Gruppen sehen, wie man genau diesen Kongreß als Anknüpfungspunkt für weitere Theorien und Praktiken, strukturell und nichtstrukturell nutzen kann.

M1: Ich möchte mich auf einen Punkt beschränken, weil der gestern in der Strategiediskussion eine Rolle gespielt hat und auch in dem Vortrag in der AG "Liberale Öffentlichkeit". Welche linken Inhalte hat Antifa, hast du soeben gefragt, und in welchem Verhältnis steht das zueinander und dann wurde auch noch unglücklicherweise das Beispiel Lübeck gewählt. Ich denke, es ist eine eindeutige Fehleinschätzung, wenn man davon ausgeht, daß man da noch mit Liberalen zusammenarbeitet. Da müssen die Linken, Antifas oder auch antirassistische Kräfte tatsächlich linksliberale Positionen übernehmen. Erstens weil es sich ganz profan um ein bürgerliches Verfahren handelt, in das nur mit bürgerlichen Mitteln eingegriffen werden kann. Wenn ich die Verteidigung durchaus politisch führen will, muß ich mich auch an dieser Vorgabe, die da steht, orientieren. Ich darf dann natürlich nicht da stehenbleiben, nur einen Freispruch zu fordern, auch wenn es das ist, auf daß das dann hinausläuft in so einem Verfahren. Ich muß natürlich versuchen, aus dieser Position - und das ist immer ein ganz großer Spagat - gesamtgesellschaftliche Verhältnisse auch anzusprechen und die Funktion von Rassismus bei kapitalistischen Verhältnissen, politischer Ökonomie zu thematisieren. Das muß man beides tun. Das macht man nicht aus einem großen Bündnis heraus. Insofern fand ich die Einteilung "Da kann man zusammenarbeiten und da nicht" schlecht und möchte dem die Frage entgegenhalten, kann man irgendwo zusammenarbeiten, gibt es das noch?
Gestern ging es ja darum, ob man bürgerliche Werte besetzen kann. Ich finde das mit den Werten ein bißchen schlecht. Ich denke, daß es einen gewissen bürgerlichen Bestand an linksliberalen Überbleibseln gibt. Den würde ich auch verteidigen. Ich will ja nicht das Eigentum verteidigen. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß bestimmte Prozesse im Rahmen bürgerlicher Herrschaft stattfinden und ich mich da nicht gänzlich davon abgrenzen kann. Die politische Aufgabe ist dann, nicht nur Antifa zu machen, sondern sich als Antifa zu überlegen, wie ich mit antirassistischen Kräfte zusammenarbeite.

W1 (AAB): Ich wollte an der Stelle mal eingreifen, da ich finde, daß sich der Kongreß dadurch ausgezeichnet hat, daß er fundiert aufgebaut war, erst die Situationsanalyse, dann eine inhaltliche Diskussion und dann die Strategien, die sich daraus ableiten.
Ich denke, daß durch die Diskussion hier, in einer halben Stunde die Inhalte der Antifa festlegen zu wollen, das ganze verwässert wird. Und ich will mir das nicht diese halbe Stunde anhören. Mich würde mehr interessieren, was einzelne Leuten oder Gruppen für ein Resümee ziehen aus dem Kongreß. [Beifall]

Moderation: Na los, dann

M2: Mein Fazit aus dem Kongreß ist: Es war einigermaßen in Ordnung. Das andere ist: Wie vermittle ich meine Politik. Ich denke damit, daß ich Temporäre Autonome Zonen schaffe, daß mensch zeitlich begrenzte Räume auftut, wo mensch selber bestimmt, was innerhalb dieser Räume passiert. Das andere Ding ist, daß mensch dadurch Leute gewinnt, die dazu kommen, und linke Diskurse lostreten oder Begriffe besetzen kann.

W1 (AAB): Den Kongreß fand ich natürlich gut, weil es eine notwendige Sache ist, wenigstens einmal im Jahr eine zusammenführende Aktion zu starten und eine Bestandsaufnahme zu machen für alle, die noch aktiv sind, und um zu sehen, was der Diskussionsstand innerhalb der Antifa ist. Was ich schlecht fand, war, daß es so wenige konfrontative Diskussionen gab. Das hat angefangen bei dem Vortrag zu linken Codes und Symbolpolitik und war auch in unserer AG so, wo es um Popkultur und die Verwendung von Symbolen ging, bzw. bei Organisation/Organisierung war es anscheinend genauso. Das waren die Fragen, die innerhalb der letzten zwei Jahre als die diskussionswürdigsten innerhalb der Antifa-Bewegung galten. Und das Forum hier wurde nicht genutzt, diese Diskussion auch mal auszutragen.

Moderation: Siehst du Gründe dafür?

W1 (AAB): Ja, die Gegenposition gibt es nicht mehr.

M3: Vielleicht kann ich ja an den Mangel an Konfrontation anschließen. Ich fand den Aufbau des Kongresses gut, aber bei den Berichten heute morgen hatte ich nicht den Eindruck, daß die Ergebnisse der AG's, in denen ich war (Implizite Politik von Schobert, Diebstahl linker Codes von Volker/Eiko) eingeflossen sind in die Diskussionen um die Strategien. Da hätte ich zumindest was anderes erwartet, als das, was dann kam: wir müßten mit Symbolen arbeiten. Da wurde offensichtlich nicht hinterfragt, mit welchen Symbolen und wie. Genauso bei der Frage, wie gehen wir mit Normalität, Normierung um. Das fand ich schade. Das war zwar vom Aufbau des Kongresses so angelegt, aber ich habe nicht gesehen, daß das in der Praxis umgesetzt wurde.

M4: Ich möchte kritisieren, daß die Situationsanalyse etwas zu kurz gekommen ist und am zweiten Tag auf eine zu abstrakte Ebene gehoben wurde, was dem Thema z.B.: "Welche Rolle spielt der Faschismus in dieser Gesellschaft" eigentlich nicht gerecht wird. Wenn es zu einem weiteren Kongreß kommt, würde ich den Vorschlag machen, für die Situationsanalyse auch Leute einzuladen, die davon betroffen sind. Sie können dann schildern, wie sich die Themen, die wir hier so abstrakt beleuchtet haben, dann ganz konkret darstellen in den sogenannten national befreiten Zonen. Dann hat man auch bessere Möglichkeiten für eine Analyse, die von den konkreten Punkten ausgeht und wird nicht so schnell in abstrakten Diskussionen versanden, die hauptsächlich auf begrifflichen Mißverständnissen beruhen.

M5 (RAAL): Ich kann für unsere Gruppe sagen, daß wir sehr überrascht waren, weil wir eine konfrontativere Diskussion erwartet hatten. Wir dachten, daß es hier entscheidende Durchbrüche für eine Zusammenarbeit geben kann, weil allen bewußt ist, daß wir mehr mit dem Rücken zur Wand stehen als in den vergangenen Jahren. Die kontroversen Meinungen der letzten zehn Jahre, was z.B. die Organisierungsdebatte und verschiedene Ansätze betrifft, die hier auch relativ zementiert vertreten sind (und zwar in beiden Fraktionen), hätten auf dem Kongreß aufeinander prallen müssen. Wir hatten gehofft, daß es da zu einer Diskussion kommt. Zu der kam es aber nicht. Es kann sein, daß sich da eine Position durchgesetzt hat, wie das hier formuliert wurde. Wir denken aber, daß das so abschließend nicht beantwortet werden kann und wollen gleich für die Zukunft ankündigen, daß wir die Organisierungsdebatte nochmal neu führen wollen, da wir das Ziel noch nicht verwirklicht sehen, auch wenn unserer Meinung nach die BO der bessere Ansatz von beiden ist. Wir kündigen an, daß wir in den nächsten Monaten das Thema verstärkt aufgreifen wollen.

W2: Ich wollte demjenigen antworten, der vorhin meinte, daß die AG's zu Gegenstrategien nicht die konsequente Fortführung der theoretischen Unterfütterung vorher waren. Aber das ist ja kein Zufall oder keine böse Absicht. Es gibt sonst kaum Überschneidungen der Gruppierungen, die entweder sich weit in die Theorie begeben und die es dann umsetzen. Andererseits kann man sich auch fragen, wo sind die sichtbaren Symbole der Menschen, die sich theoretisch beschäftigen. Man könnte z.B. sagen, man ist enttäuscht, daß man keine Plakate der Gruppen hier gesehen hat, die uns die Symbole quasi in die Hand geben, damit wir sie auf die Straße tragen können. Darum geht es ja eigentlich nicht. Es ging beim Kongreß darum, die verschiedenen Gruppen zusammenzuführen. Ich denke, was da fehlt, ist der mangelnde Wille, sich mal verbindlich auf was zu einigen. Und daß eine Kritik ab einem bestimmten Punkt nicht mehr zu Ende gedacht wird und versucht, eine Einigung zu den Sachen zu finden und dazu, wie das dann umzusetzen ist. Solange das nicht passiert, wird das eine gewisse Beliebigkeit haben. Gruppen werden von hier wegfahren und sich entweder bestätigt fühlen in ihren Vorurteilen, die sie von bestimmten Gruppen hatten, oder auch nicht. Aber das wichtige ist doch, daß daraus was passiert. Das halt gesehen wird, daß eine gemeinsame Entwicklung, sofern es sie geben soll, auch verlangt, daß sich Leute verbindlich festlegen.

M6: Mir geht es auch so, daß ich ein Gefälle sehe, zwischen dem, was gestern diskutiert wurde und was heute an Thesen reingebracht wurde. Und ich finde die Erklärung von dir gerade ein bißchen zu einfach: zu sagen, daß die Leute, die schlau denken, keinen Bock auf Antifaarbeit haben oder sich davon entfernen. Das könnte man ja auch mal umdrehen und fragen, ob es für bestimmte Gruppen oder Leute, die auf andere Art und Weise diskutieren, immer unattraktiver wird, mit der Antifa zusammenzuarbeiten. Bestimmte Positionen, die heute früh formuliert wurden, klingen für mich so, als würde die Welt in drei Gruppen zerfallen: Die Kämpfenden, die Feinde und die Betroffenen. Ganz so schlicht stellt sich mir die Welt dann doch nicht dar. Das fehlte mir einfach in den Diskussionen um Strategien.

M7 (BGR): Ich fand gut, daß der analytische Teil sehr prägnant, aber auch zeitlich begrenzt war. Der Schwerpunkt des Kongresses lag ja bei den Konzepten und Strategien. Deswegen wurden sie hier auch nochmal zusammengetragen. Kontraproduktiv finde ich Äußerungen, wie: "Wir sind die besseren" oder "Das ist halt besser". Ich denke, der Kongreß hat klar gezeigt, es stehen Fragen im Raum. Die Praxis der letzten Jahre befriedigt uns nicht mehr, die gesellschaftliche Relevanz ist nicht da. Wir haben die Aufgabe, wieder eine relevante Größe zu werden und da geht es um eine inhaltliche Diskussion und nicht platt im "besser" oder "schlechter". Wir müssen uns perspektivisch Punkte setzen, an denen wir in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden wollen. Daraufhin müssen wir hinarbeiten, damit wir nicht solche Hauruck-Aktionen von heute auf morgen machen müssen. Wir sollten uns die Zeit nehmen, ein linkes, strömungsübergreifendes Medium zu schaffen, wo die Diskussionen geführt werden. Wir sollte nicht 3 Jahre lang diskutieren, ob wir ein Symbole brauchen oder nicht, sondern: haben wir überhaupt etwas, was wir symbolisieren können.

M8: Ich will dafür plädoyieren, die Trennung zwischen Theorie und Praxis aufzuheben. Theorie ist eine Form der Praxis. Das läßt sich nicht so diametral gegenüberstellen. Und um alle zu beruhigen: Die meisten, die theoretische Debatten in der Linken führen, kommen aus der Praxis. Und so stehen wir dann auch alle in der Antifa-Demo oder organisieren sie mit. Diese Trennung stimmt so also nicht. Das ist das eine. Es geht um Meta-Ebenen und diese zu durchschauen ist wichtig. Da habe ich ein positives Beispiel, was ich auf diesem Kongreß sehr beeindruckend fand. Es war 3 Tage lang sehr zentral die Rede von Antisemitismus, dem Arbeitsbegriff und wie dieser ideologisch aufgeladen ist. Das sind Fragen, die man letztendlich erkenntnistheoretisch angehen muß. Wir hatten auf dem Auftaktplenum die Debatte über die Ursachen des Faschismus und des Neonazismus und in diesem Kontext wurde ja auch der Arbeitsbegriff der DDR hinterfragt. Wenn man sich dann der Theorie verschließt, läuft man Gefahr, daß es auf Ursache-Wirkung-Gefasel hinausläuft und man die Sprache der Sozialingeneure bedient, Statistiken abliest, statt Begriffe, die aus dem Faschismus in die postfaschistische Gesellschaft transformiert wurden, zu hinterfragen. Die Beispiele, die hier Thema waren, z.B. die Übernahme der Palästinenser-Tücher-Symbolik, zeigen, daß es die Gefahr gibt, daß man trojanische Pferde mitnimmt, also Begriffe, die nicht genug hinterfragt sind, einfach die Meta- Ebene ausläßt und genau in die Falle tappt. Das ist mir hier aber positiv aufgefallen, daß da bestimmte Denkprozesse eingesetzt haben. Ich denke auf einem Antifakongreß vor 10 Jahren wäre Antisemitismus so zentral kein Thema gewesen. Das ist auch ein Ergebnis der antinationalen Arbeit. Auch der Arbeitsbegriff wäre vor 10 Jahren nicht so hinterfragt worden. Das ist ein deutliches Zeichen, wie wichtig die erkenntnistheoretische Ebene für die Praxis ist. Da gibt es eine ganz klare Rückwirkung. Deswegen bitte die Trennung von Theorie und Praxis aufgeben und als eins sehen.

M9: Ich hab mich auf dem Kongreß ein bißchen aufgeregt: Es ist alles so männlich, stark, intelligent und muskelgestählt. Wir brauchen keine antifaschistische Elite. Das haben wir schon genug. Wenn die AA/BO von linksradikaler Politik redet, dann meint die doch nur kommunistisches Zeugs und so. Das meine ich nicht. Deswegen ist für mich nicht die Frage, ob Bündnis mit Linksliberal, sondern Bündnis mit Kommunistisch? Das möchte ich klar hinterfragen, ob das gut ist.

M5: Was uns im Vorfeld des Kongresses aufgefallen ist, um nochmal auf die Theorie- und Praxisgeschichte zurückzukommen, und was uns sehr verärgert hat, ist, daß praktisch die klassischen Verlautbarungsorgane der Linksradikalen in den letzten Jahren immer mehr und mehr dazu übergangen sind, Gruppen, die eine politische Praxis haben, zu dissen. Aus welchen Gründen auch immer. Was mich wirklich verärgert, daß zahlreichen Publikationen inzwischen suggerieren: Sei politisch, aber mache keine Politik. Da müssen wir auf alle Fälle gegenhalten und ich würde mir wünschen, daß diese Kritik von Gruppen an die Publikationen rangetragen wird.

M4: Ich sehe die Tendenz nicht so und vor allem nicht in der Stärke. Ich vermute, deine Analyse beruht auf dem Alleinvertretungsanspruch der AA/BO, die gleich die gesamte Linke angegriffen sieht, wenn sie mal kritisiert wird. Und damit schafft sie es dann auch, linke Positionen unter den Tisch zu kehren, die eigentlich von der gesamten Linken thematisiert werden müßten. Also verallgemeinere das bitte nicht.

M10: Ich fand den Verlauf des Kongresses recht gut: auch mal andere Meinungen außerhalb des eigenen Szenesumpfs mitzubekommen. An die beiden Referenten des Referats "Diebstahl linker Codes": die Fremdwörter ist man ja schon gewöhnt, aber ihr wollt doch was erreichen und macht das nicht nur für euch. Das war so was von abgehoben, so eine Theoriewichserei habe ich schon lange nicht mehr gehört. Das muß so praxisnah formuliert werden, daß es einigermaßen verstanden wird.

W3: Im Namen der Potsdamer Fraktion kann ich sagen, daß uns die Diskussionskultur hier besonders gefallen hat. Weil man hier miteinander ins Gespräch gekommen ist, das Gespräch gesucht hat und alle ihre Meinung sagen konnten, ohne daß man gleich ausgebuht wurde. Uns hat außerdem die gute Organisation des Kongresses gefallen. Ich habe für mich in den AG's viele Informationen und Anregungen erhalten, die ich nach Hause mitnehmen werde. Was mir aber unklar ist, wie wir weiter mit den Ergebnissen der einzelnen AG's umgehen werden, mal abgesehen von dem Nachbereitungsreader. Wie wir weiter machen mit dem Kongreß?
Einen Kritikpunkt haben wir noch: Es ist uns aufgefallen, daß wenig Frauen auf dem Podium saßen und Referate gehalten haben.

M11: Ich will was zu dem Genossen sagen mit dem antikommunistischen Touch. Mir ist es gestern in der Diskussion schon aufgefallen, daß Begriffe wie Anarchie, Kommunismus, Sozialismus gescheut wurden. Wenn ich mittelfristige Konzepte und Strategien aufstellen will, dann bedarf das einer Perspektive, wo wir hinwollen, um nicht reformistisch in dem Land was zu machen ohne revolutionäre Perspektive. Gut fand ich den Ausgangspunkt des Verstärkerkongresses, daß sich die Linke leider in den letzten Jahren primär der Antifaarbeit gewidmet hat, es aber noch andere Bereiche in der Gesellschaft gibt, die in den Angriff genommen werden sollten. Die Antifagruppen sollten sich also um mehr kümmern. Deswegen müßte sich die Antifa öffnen, um mehr Leute zu gewinnen und darüber diskutieren, wen wir wie erreichen und uns nicht immer abgrenzen von anderen.

Moderation: Es geht tatsächlich um die Aufhebung von Theorie und Praxis in eine Gleichzeitigkeit. Ein Vorschlag würde ich aufgreifen: Mindestens einmal im Jahr einen solchen Kongreß durchzuführen, als Bestandsaufnahme, die verbindlich dafür sorgt, daß eine Struktur entsteht, inhaltliche Diskussionen nicht der Beliebigkeit zu überlassen. Wir sollten uns also versprechen, daß das nächstes Jahr tatsächlich passiert. Zum anderen möchte ich darüber informieren, daß es am Rande des Kongresses eine Verständigung mehrerer Gruppen gegeben hat, die Kongreßstruktur für eine praktische Sache zu nutzen. Nächstes Jahr sind 10 Jahre Einheitsfeiern am 3.10. in Dresden. Es ist, glauben wir, die richtige Richtung, den eingefahrenen Antifabegriff in der Form zu erweitern, daß der Versuch gestartet wird, über die hier beteiligten Gruppen dort öffentlich was hinzubekommen. Wenn nichts dagegen spricht, würden wir es so handhaben, daß über den Verteiler des Kongresses die Informationen rausgehen und zu einem Treffen eingeladen wird. Das steht jetzt zur Diskussion.

M12 (BGR): Ich finde das gut, würde aber trotzdem noch zurückdrehen. Es zeigt sich beim Abschlußplenum, daß man den Tag nicht vor dem Abend loben sollte. Zum einen den Vorwurf mit dem Theoriegewichse, daß ist sehr intellektuellenfeindlich. Ich dachte, es hat den Kongreß ausgezeichnet, daß es für die meisten Leute gut war, sich die Referate anzuhören. Ich finde weiterhin, daß es nicht gut ist, jetzt beim Abschlußplenum dieses AAB- oder BO-Dissing zu bringen. Es gab die Möglichkeit, die Gruppen zu kritisieren. Und es wurde ja vorhin schon gesagt, daß das in den AG's nicht wahrgenommen wurde.
Ich denke, daß der Kongreß deshalb so gut war, weil die alten Vorurteile, die sich mit dem Organisierungsmodellen verbinden, eine nicht so große Rolle gespielt haben, was gezeigt hat, daß die inhaltlichen Auseinandersetzungen quer zu den Organisierungsmodellen liegen. Und weil das die Leute kapiert haben, waren die Dikussionen so gut. Wer die Antifa-Szene von vor 2, 3 Jahren kennt, weiß, wenn eine Gruppe es gewollt hätte, den Kongreß mit dem eigenen Ansatz oder den eigenen Symbolen zu dominieren, daß das dann gegangen wäre. Das wurde aber nicht gemacht. Es wurde sich bewußt auf Inhalte konzentriert - das war ein Vorteil und den sollte man jetzt nicht am Ende einreißen.

M13: Ich wollte was zu dem Dissing sagen. Ich kann das verstehen, wenn das die Leute machen und dann liegt das aber an der AAB und der AA/BO. Und ich habe keine Lust, so weiter zu diskutieren, es sollte was von diesen Leuten kommen.

M14: Ich möchte die Diskussionskultur kritisieren. Es wird hier nicht erklärt. Es gibt hier tatsächlich Erkenntnisprobleme: es wird nur bekannt. Man müßte sich hier bekennen. Man müßte hier sagen: Sexismus, Rassismus, das ist alles wichtig. Da erfreut sich der gemeine Autonome, das sind all seine Sachen erfüllt, er geht zufrieden nach Hause und Kritik wird nicht geübt, verstanden wird nichts und geklärt wird auch nichts und so läuft grundsätzlich die Kritik an der AAB oder AA/BO, ohne das jemals eine inhaltliche Aussage getroffen wird oder mal ein Gedanke hergeleitet wird.

W4: Ich will auch nochmal einen Schritt zurück in der Diskussion. Erstmal Lob an die Kongreßvorbereitung. Ich war in der AG "Kritik an der staatlichen Sozialarbeit" und bin Teil der Vorbereitung der AG. Wir haben jetzt aus dieser Veranstaltung einen Schluß gezogen. Wir haben 3x im Antifa-Spektrum diese Veranstaltung gemacht und haben damit vor 2 Jahren angefagen und wollten, daß das Thema bekannter wird, und wollten vermitteln, daß es wichtig ist, auch speziell dazu Position zu beziehen. Da jetzt aber nur noch nach alternativen Konzepten oder Modellen gefragt wird, wollen wir diese AG in dieser Form nicht mehr machen. Wir müssen einen Schritt weiter gehen, weil wir davon ausgehen, daß in den letzten Jahren die Informationen rumgegangen sind. Jetzt müssen die Fragen nach Alternativen aber nicht nur ans Podium gestellt werden. Die Leute auf diesem Kongreß sind ja hergekommen, um über antifaschistische Strategien, Perspektiven und Alternativen zu diskutieren. Ich denke, daß das jetzt am interessantesten wäre.

M15: Ich will was zur Kritik an der AAB sagen. Daß Rassismus, Sexismus und das Kapitalverhältnis eigentständige Unterdrückungsverhältnisse sind - die Diskussion gibt es mindestens seit 1992. Und ich finde es gut, daß das mal gesagt wurde.

W5 (BGR): Ich bin jetzt hier bei der Abschlußveranstaltung überhaupt nicht gewillt, AAB hin oder her. Es gab genug Möglichkeiten, sich an der Diskussion zu beteiligen und zu kritisieren. Deswegen würde ich gern jetzt dort weitermachen, wo wir vorhin angefangen haben.

W6: Vorhin gab es eine kleine Auseinandersetzung zum Thema Zusammenarbeit mit der antirassistischen Bewegung. Ich bin selber auf den Kongreß als Teil der antirassistischen Bewegung gekommen und habe nach Anknüpfungspunkten gesucht. Gut war, daß in allen AG's der gesellschaftlicher Konsens angesprochen wurde, der im wesentlichen durch einen rassistischen Diskurs geprägt ist und der gerade auch von der liberalen Öffentlichkeit getragen wird. An die kann man überhaupt nicht appellieren, die sind ja letztlich die Modernisierer. In diesem Zusammenhang denke ich, daß die antirassistische Bewegung den Schluß gezogen hat, Antirassismus ganz klar von einer linken Position aus zu definieren und anzugehen. Da sollte es auch in der Antifabewegung eine klare Analyse geben und mehr Zusammenarbeit. Das läuft in manchen Städten recht gut, in anderen schlecht. Da ist aber weiter dran zu arbeiten.

Moderation: Ich würde daran anknüpfend vorschlagen, mal einen Antira-Kongreß in dieser Form zu machen. Die Probleme stellen sich ähnlich und es ist zu überlegen, was da falsch gemacht wurde. Es gibt ja die berechtigte Kritik, daß die linke Definition von Antirassismus nicht ersichtlich ist, weil es sich alles in karitativen Engagement erschöpft.

W6: Wenn ich das höre, werde ich ziemlich sauer. Offensichtlich völlig unbemerkt an der Antifa-Bewegung vorbei gegangen ist, daß es in der antirassistischen Bewegung sehr klar einen qualitativen Sprung gab. Ich möchte auf die Organisierung und Durchführung der Karawane im letzten Jahr hinweisen, wo sich gut 300 Organisationen beteiligt haben und wo die zentralen Themen waren: Anstoß von Selbstorganisation, Zusammenarbeit mit MigrantInnen- und Flüchtlingsorganisationen, Stärkung einer eigenen Position jenseits der Stellvertreterpolitik und karitativen Aussprüchen. Das hat gut geklappt und dieses Bündnis besteht immer noch. Wir hatten hier vorhin die Vorstellung des Kongresses von The Voice. Und The Voice ist eine Organisation, die genau das repräsentiert, was Selbstorganisation heißen kann. Und The Voice hat auch einen wesentlichen Push dadurch erhalten, daß diese Frage ins Zentrum der bundesweiten antirassistischen Bewegung gestellt wurde. Insofern scheint da was vorbeigegangen sein, aber ich denke, das sind Aspekte, an die angeknüpft werden könnte. Ich denke, daß das praktische und theoretische Politikverständnis von Antifa und Antira nicht unähnlich sein sollte.

M16: Der Kongreß war der praktische Gegenbeweis zu der der Antifa vorgeworfenen Theoriefeindlichkeit ist. Es gibt aber trotzdem noch das Problem mit der Strategie und den Perspektiven. Erstens ist mir nicht ganz klar geworden, wer soll jetzt wie angesprochen werden (außer bei den Jugendlichen, wo es klare Debatten drüber gab; und der Hinweis auf die antirassistischen Kreise). Ich denke, daß es sinnvoll wäre, den theoretischen Teil mit der eigenen Praxis stärker zu verbinden. Das, was unter Situationsanalyse und Erfahrungsbericht laufen sollte, ist etwas zu knapp gewesen. Weil sich aus dieser Verbindung besser eine Strategie, Taktik ergibt. Letztendlich fahre ich von hier nach Hause und mache so weiter wie bisher, außer daß ich weiß, daß ich am 3.10. auf jeden Fall nach Dresden fahre und im April nach Jena. Das sind zwar schon genug Ergebnisse für mich...
Dann nochmal zu den Inhalten. Hier ist ganz berechtigt kritisiert worden: Auch ich bin ein weißer Mann. Das schlägt sich auch in den theoretischen Debatten nieder (obwohl ich die sehr spannend fand), z.B. bei der AG mit Andreas Benl, wo es um NS-Ideologien und Übernahmen in die heutige Zeit ging, war schwerpunktmäßig vom Arbeitsbegriff die Rede. Es ist aber genauso wichtig, zu besprechen, wie die Übernahme von Familienbildern aus der NS-Zeit funktioniert, Frauenbild aus dem NS und ähnliches. Das steht dem nicht entgegen, das ganze als Teil politischer Ökonomie zu begreifen, auch wenn das eine längere Geschichte hat.

M17: Ich bin mit ziemlich schlechter Laune angekommen, privat...

Moderation: Erzähl mal!

M17: Nö, in der Einführungsrunde - ich bin alter Ostalgiker - da war ich dann etwas allergisch. Aber seitdem hat mir das sehr gut gefallen und man merkt, daß sich viele Leute Mühe gegeben haben, daß miteinander diskutiert werden kann. Und ich denke, daß die Ergebniserwartungen nicht zu hoch gesteckt werden sollten. Allein daß hier ein Diskurs geführt wurde, der größtenteils linksradikal ist, ist schon ein großer Erfolg.

Moderation: Ich würde vorschlagen, wir gehen zum gemütlichen Teil über. Die Spannung steigt ja nicht unbedingt, aber die Atmosphäre wird immer herzlicher. Das soll der harmonischen Worte genug sein. Wir müssen ja nicht unser Zeitlimit ausreizen. 20 Minuten small talk, dann ist es um drei. Dann können wieder alle ins Privatleben abtauchen. Viel Spaß noch, wir sehen uns in einem Jahr. Räumt die Gänge leer, nehmt die Flaschen mit, Besen steht unten...


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