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Verhältnis zur "Zivilgesellschaft"/liberale Öffentlichkeit

Junge Linke
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Moderatorin: Schön daß wenigstens ein paar zu dieser Veranstaltung im letzten Schwerpunkt dieses Kongress Konzepte und Strategien gekommen sind. Wir wollen heute mit der Jungen Linken aus Hannover, die ich hiermit herzlich begrüße, das Thema Verhältnis zur "Zivilgesellschaft"/liberale Öffentlichkeit näher beleuchten und diskutieren. Als Einleitung soll die Fragestellung grob umrissen werden:
A) Gibt es eine liberale Öffentlichkeit, gibt es sie noch in Deutschland auf die sich im Kampf gegen die Nazis verlassen werden kann/darf?
B) Was können wir überhaupt noch von den "Überbleibseln" der liberalen Öffentlichkeit verlangen und inwieweit können wir mit ihr zusammenarbeiten? Ist das in Deutschland noch möglich?
Vielleicht könnte man hier noch differenzierter darauf eingehen. Und sich die Frage stellen wer hier überhaupt noch eine liberale Öffentlichkeit darstellt und welche Leute, welche Fraktionen noch dazu gehören. Dann natürlich die Frage: Wie geht ihr in der Zusammenarbeit mit der Liberalen Öffentlichkeit um? Sollten wir uns überhaupt noch auf sie verlassen?

Das Referat

Ich begrüße euch auch, doch bevor ich jetzt anfange das Referat zu halten, was ca. eine halbe Stunde dauert, wollte ich kurz darauf hinweisen, das ich von der Jungen Linken aus Hannover komme und nicht von der Gruppe 3 die aus Göttingen stammen und auch nicht von den Jungdemokraten, was ein Schlag aus NRW und Berlin ist. Mit denen habe ich weniger zu tun. Noch eine Erweiterung, der Kongress wurde angekündigt als Kongress zu antifaschistischen und linksradikalen Strategien, von daher schränke ich mich nicht auf die Frage ein, was taugt die liberale Öffentlichkeit für den Anti-Nazi-Kampf. Ich werde im ersten Referatsteil versuchen darzustellen, und zu der Frage wozu taugt die liberale Öffentlichkeit muß man immer fragen zu welchen Zweck, wie denn überhaupt linksradikale Politik und Anti-Nazi-Kampf im Verhältnis zueinander stehen. Ich glaube da gibt es eine Gemeinsamkeit und da gibt es auch einen Unterschied. Dann wollte ich tatsächlich noch was zu den Menschenrechten sagen oder zu Sachen wie Freiheit, Gleichheit, was gestern auch schon angesprochen wurde (vgl. Selbstorganisation - Radikale Demokratie) und wollte mich nicht darin versuchen, wie man den Bürgerlichen die Menschenrechte wegnehmen kann oder positiv besetzen kann usw., sondern ich möchte nur erklären warum es sie überhaupt gibt. Also warum die bürgerliche Gesellschaft diese Menschenrechte überhaupt in die Welt setzt und was das für eine Realität hat.
Und wollte dann im dritten Teil dazu übergehen zu sagen, was entspringt da jetzt praktisch gegenüber den Liberalen und dann können wir uns nachher ruhig in ein paar Beispielen oder Vorschlägen dazu verlieren.
Als ich das Referatsthema Verhältnis zur "Zivilgesellschaft"/liberale Öffentlichkeit bekommen habe, habe ich nachgefragt was eine Zivilgesellschaft denn überhaupt sein soll. Wurde mir nicht so richtig eine Antwort drauf gegeben, wußte man selber nicht so richtig. Ich habe mich dann in die Bibliothek gesetzt und mal nachgeschlagen was da so derzeit darunter gefaßt wird und habe dann drei neuere Bücher rausgefunden und wie Soziologen so drauf sind. Man erfindet irgendwann einen Begriff wendet ihn dreimal und hinterher hat man eine tolle Ansatzdebatte und einen Begriff der gar nicht so richtig bestimmt ist, aber es ist wichtig daran weiter zu forschen. Von daher kann ich jetzt nicht sagen, so ich beziehe mich jetzt auf den Begriff Zivilgesellschaft bei dem oder der. Ich hab da den allgemeinen gemeinsamen Schnitt rausgesucht. Zivilgesellschaft darstellen: nicht materielle Interessen, auch nicht politischer Staat sondern daß, was die Leute neben den staatlichen Institutionen tatsächlich an öffentlichen Interessen haben und wo sie was sagen oder auch intervenieren. Das würde ich hier auch als liberale Öffentlichkeit bestimmen. Ich würde sagen, daß man dann nachher in der Debatte die Grünen oder von mir aus auch linke Teile der SPD mitreinnehmen kann, was man mit denen anstellen kann, oder was man von denen zu erwarten hat.

1. Was unterscheidet linksradikale Politik und Antifa-Arbeit und was ist die Gemeinsamkeit.

Da der Verstärkerkongreß ein Antifakongreß ist, der nach linksradikalen Perspektiven fragt, scheint es mir sinnvoll ein paar Überlegungen zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Antifa-Arbeit und linksradikaler Politik vorweg zu schicken, bevor ich zu der Frage komme, was man mit Linksliberalen anstellen kann.
Linksradikale Politik hat es darauf abgesehen Staat und Kapital zu beseitigen. Sie stellt nicht die soziale Frage in dem Sinne, daß sie sich um alternative Vorschläge zur Verwaltung der Probleme der Gesellschaft kümmert. Ausgangspunkt sind die Probleme, die die Leute mit der Gesellschaft haben. Mit Gesellschaft ist hier nicht die Summe der Kontakte gemeint, die die Leute haben, also daß es um die Probleme geht, die alle so mal miteinander haben. Hier ist die Rede vom Kapitalismus, dessen Gesetze sich hinter dem Rücken der Leute geltend machen und deren gegensätzlichen Bezug aufeinander bestimmt. Mit dem Kapitalismus und dessen politische Gewalt, dem Staat hat man zwangsläufig Probleme. Dabei muß man unterscheiden zwischen Problemen, die man mit der Gesellschaft hat und solchen, die man in der Gesellschaft hat. Ein Beispiel: Als Lohnabhängiger brauche ich in der Gesellschaft einen Arbeitsplatz, damit ich an Geld komme und überleben kann. Arbeitslosigkeit gehört aber zum Kapitalismus notwendig dazu und als Arbeitsloser hat man ein Problem. Falsch ist es dann “Arbeit für alle” zu fordern. Warum sollte man zusätzliche Plackerei einfordern? Richtig ist es aufzuzeigen, daß es in der kapitalistischen Produktionsweise gar nicht um die zielgerichtete Gebrauchswertproduktion geht und dabei versucht wird die Plackerei zu minimieren. Es gilt also in der Agitation aufzuzeigen wie diese Probleme mit der Gesellschaft in dieser selbst ihr Fundament haben und die Agitation fordert ihre Adressaten auf, daraus die richtigen praktische Schritte folgen zu lassen.

Das Vorgehen gegen Nazis kann zwei Gründe haben: Der erste Grund ist, daß die Nazis mit den bürgerlichen Parteien um das bessere Herrschaftsmodell konkurrieren. Gegen die Nazis vorzugehen hat einen Grund schlicht darin, die Nazis daran zu hindern einen neuen Faschismus zu installieren. In ihrem Programm übernehmen sie bürgerliche Vorstellungen, radikalisieren sie oder ziehen eigentümliche Konsequenzen: Der Staat, der für die kapitalistische Produktionsweise notwendig ist, soll seinen ökonomischen Subjekten nicht dienen, sondern diese sollen ihr Engagement voll in dem Dienst für den Staat aufgehen lassen. Das Wohlergehen der Nation ist den Nazis das Höchste und daran muß alles relativiert werden: ”Die nationalsozialistische Staatsführung ist eine so souveräne und eine so über allen wirtschaftlichen Bindungen stehende, daß in ihren Augen die Kennzeichen ‘Arbeitnehmer und Arbeitgeber’ belanglose Begriffe sind. Es gibt keine Arbeitgeber und es gibt keine Arbeitnehmer vor dem höchsten Interesse der Nation, sondern nur Arbeitsbeauftragte des ganzen Volkes” (A. Hitler auf dem Reichsparteitag der NSDAP 1936)
Ein anderes Beispiel ist das Kriterium, nach dem Ausländer und Volk geschieden werden: Die Nazis sind der Ansicht, daß der Staat ”die Zusammenfassung physisch und seelisch gleichartiger Lebewesen”(A. Hitler, Mein Kampf, S. 433) ist. D.h.: Das biologische Wesen des Menschen soll ihn dazu verdammen, nun mal in diesem und keinem anderen Staat zu leben, und wenn jemand nicht in seinem Land lebt, ist er fehl am Platze. Auch hier sind die Nazis mit den Bürgerlichen zusammen ungleiche Geschwister: 1. weil auch manch Konservativer das so sieht, wie die Nazis. 2. weil auch im bürgerlichen Bewußtsein verankert ist, daß irgendwelche vorhandenen oder ausgedachten Gemeinsamkeiten der Leute, mit denen die Nation gemacht wird, der Grund des Nationmachens sein sollen. Daß eben die Leute den gemeinsamen Willen zur Nation deswegen haben, weil sie aus anderen Gründen als ihrer Angewiesenheit auf den staatlichen Zwangszusammenhang zusammengehören: Kultur, Sprache, Geschichte usw.. Dabei ist es ein leichtes zu zeigen, daß die jeweiligen Eigenschaften kein Volk der Welt konsistent begründen können, noch daß es für einen Verein zur Pflege der holländischen Sprache ein Staat notwendig wäre (Ein Kanichenzüchterverein, so bescheuert der Zweck sein mag, kommt doch auch ohne eigenen Staat aus!).
Eine andere Variante dieser falschen Vorstellungen, was die Nation wesentlich zusammenhält, ist es dann, zu behaupten, daß deutsche Kultur und Sprache nur Ausdruck der biologischen Gleichartigkeit der Deutschen seien. Es ergibt sich dann ein Unterschied in der Sortierung der Menschen und dem Umgang mit ihnen: Ein demokratischer Staat, wie die BRD heute, läßt schon die Aussicht offen, sich in die Gesellschaft einzufügen durch kulturelle und sprachliche Anpassung, gutes Staatsbürgerbewußtsein usw. Freilich eine Möglichkeit, Anspruch hat darauf niemand. Wird aber das Volk als biologischer und schicksalhafter Zusammenhang vorgestellt, wie im Nationalsozialistischen Staat, bleibt die Möglichkeit der Assimilation von vorne herein ausgeschlossen.
Ein Nationalist ergreift für das Wohl des eigenen Staates Partei und begreift sich mit ihm und dem Volk zusammen als Nation. Folgerichtig sortiert er auch die weitere Welt in Nationen. Wenn der Nationalist dann ständig mitbekommt, daß es eine Staatenkonkurrenz um den Reichtum der Welt gibt, in der andere Staaten seinen eigenen schädigen, stellt sich für den Nationalisten die Frage, ob ein Ausländer überhaupt nützlich für die eigene Nation sein kann, ja ob er diese nicht prinzipiell schädigen muß. Faßt der Staat aber auch sog. “fremde Volkselemente” mit zusammen, so erklärt sich für die Nazis daraus die Schwäche oder wenigstens eine Bedrohung für den Staat. Bei der Biologisierung ist dann Heilung, Umerziehung etc. nicht möglich, diese “fremden Volkselemente” gehören für die Nazis außer Lande geschafft oder nach der jeweiligen Halluzinierten Gefährlichkeit (im Falle der Juden) vernichtet. Daher ist der Faschismus eine besonders brutale Form der Herrschaft und man muß die Nazis daran hindern überhaupt als relevante Herrschaftsalternative aufzutreten. Bei einem Regierungswechsel SPD oder CDU kann man locker bleiben: Die bürgerliche Demokratie bleibt mit allen ihren Brutalitäten erhalten und beiden Parteien ist gleichermaßen zuzutrauen die eine oder andere politische Verschärfung durchzuziehen. Man kann aber bei diesen Parteien hoffen, daß sie die Selbstbeschränkung des Staates gegenüber den Bürgern, nicht prinzipiell aufheben wollen. Das sieht bei den Nazis anders aus.
Wer einen Begriff von demokratischer und faschistischer Herrschaft hat, der verfällt auch nicht in den demokratischen Antifaschismus. Man weiß, daß ein Demokrat die Faschisten nicht richtig kritisieren kann und erkennt in der Abgrenzung zum Faschismus eine der Legitimationen für den demokratischen Staat, der 1.) seine eigentümliche Grausamkeit und Armut in die Welt setzt und 2.) die Grundlage für einen neuen Faschismus erhält.
Auch die politische Verfolgung ist im Faschismus konsequenter. Für die Möglichkeit linksradikaler Agitation ist die Presse- und Meinungsfreiheit im demokratischen Staat eine wichtige Grundlage. Aber auch hier soll man sich nichts vormachen: Die Meinungsfreiheit gilt halt für Meinungen, die vorgebracht werden können und dann am Allgemeinwohl relativiert werden. Sie werden von vornherein nur wahrgenommen, wenn sie sich konstruktiv auf diese Gesellschaft beziehen. Eine Position, die den gesamten gesellschaftlichen Rahmen kritisiert, wird verfolgt, sobald sie auch nur ein bißchen Beachtung findet.

Der zweite Grund gegen Nazis vorzugehen: Aus den oben genannten Vorstellungen erklärt sich auch das derzeitige brutale Vorgehen der Nazis gegen ausländisch Aussehende und diejenigen, die nicht nur bei den Nazis als asozial gelten (Homosexuelle, Punks, Linke). Den Nazis geht die derzeitige Abschiebe- und Abschottungspolitik und die Pflege des Volkskörpers nicht weit genug und sie legen, weil der Staat zu lasch sei, selber Hand an. Nazistrukturen anzugreifen und zu behindern kann also auch seinen Grund im Selbstschutz und dem Schutz der anderen Betroffenen vor diesem Terror haben. Eigentlich wäre der Schutz vor diesem Terror die Aufgabe des demokratischen Staates, dessen Büttel dieses ja hin und wieder machen. Das macht der demokratische Staat aber nicht, weil er eigentlich die Unterscheidung zwischen Aus- und Inländern falsch findet, im Gegenteil, diese Unterscheidung wird vom Staat ja erst praktisch in die Welt gesetzt. Der Staat stört sich 1. an der Verletzung des Gewaltmonopols durch die Nazis. Wenn Ausländer raus sollen, dann rechtmäßig. 2. Kritisieren Demokraten die Nazis dafür, daß sie nicht unterscheiden können, zwischen Ausländer, die nützlich sind für Deutschland und solchen die auch aus demokratischer Sicht überflüssig sind. Hinzu kommt auch noch die Sorge um das Ansehen der Nation im Ausland: Auch kein vernünftiger Zweck, den man teilen sollte. Nur, man kann sagen, daß der Schutz durch den Staat, derzeit nicht besonders konsequent verfolgt wird und das macht Antifas zum Schutz der vom Naziterror Betroffenen notwendig. Nur, bleibt es dabei, so machen sich die Antifas zu Hilfspolizisten mit anderen Motiven oder man ersetzt die liberale Öffentlichkeit, weil sie nicht vorhanden ist und organisiert den einen oder anderen Protest gegen besondere Schweinereien. Zur Revolution trägt diese Arbeit kein Stück bei und die Grundlage, auf die die Nazis bauen, der Nationalismus, ist damit auch noch kein Stück aus der Welt.

2. Inwieweit kann man sich auf westliche Werte, also Freiheit, Gleichheit und sonstige Menschenrechte beziehen.

Die Garantie von Freiheit in der bürgerlichen Gesellschaft ist weder nur eine hohle Phrase, noch deswegen eine gute Sache, sondern darin steckt ein hartes Brett: Die Freiheit des Menschen mit Bewußtsein und Willen ausgestattet, also kein Reiz-Reaktionsschema zu sein, ist etwas, was dem Menschen immer zu eigen ist und dafür braucht man auch keinen Staat. Wenn der Staat also Freiheit garantiert, dann verbirgt sich dahinter die Garantie einer Sphäre, in der nur der eigene Wille gilt oder er verpflichtet den Willen auf Bahnen, innerhalb dessen Betätigung überhaupt zugelassen ist. Diese Sphäre der Freiheit ist das Eigentum. Dieses ist ein Verhältnis, worin jeder andere Wille über eine Sache zu bestimmen, ausgeschlossen wird. Der Eigentümer kann mit seinem Eigentum machen, was er will und der Staat garantiert ihm, daß ohne seine Erlaubnis, niemand anders mit der Sache was anstellen kann. Bei Zahnbürsten ist das noch nicht weiter schlimm, spannend wird dieses Verfahren dann, wenn es um den Besitz der Bedingungen geht, Lebensmittel und Gebrauchsgüter herzustellen: Produktionsmittel und Natur. Denjenigen, die so was nicht besitzen, bleibt nur ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Den eigentümlichen Gesetzen der kapitalistischen Produktionsweise gemäß, sind nicht alle Sorten Eigentum gleichermaßen brauchbare Mittel, um sich ein gutes Leben zu organisieren und neben dem Reichtum, der sich in manchen Händen ansammelt, stellt sich die Armut ein. Gleichheit besteht dennoch: Der Staat abstrahiert von den ungleichen materiellen oder auch körperlichen Mitteln, um allen Bürgern gleichermaßen das Recht zu garantieren und auf dieses zu verpflichten. Jedem ist es gleichermaßen in Paris verboten unter Brücken zu schlafen und jeder darf sich gleichermaßen ein Schloß kaufen und darin thronen.
Indem der Staat das Eigentum und den Schutz der Person, welche die Voraussetzung für Vertragsfähigkeit ist, schützt und Mittel in der Konkurrenz verbietet, die den Willen über das Eigentum nicht respektieren, wie unmittelbare physische Gewalt, beschränkt der Staat die Eigentümer in der Wahl der Waffen, wie sie ihre Konkurrenz untereinander auszutragen haben und ermöglicht damit überhaupt das Konkurrieren.
Hinzu kommen weitere Leistungen des Staates: Damit die bornierten Privatinteressen nicht die Flüsse in Kloaken verwandeln, die Kinder vor der Zeit totarbeiten lassen und im Straßenverkehr die billigen, aber gefährlichen Schrotthaufen unterwegs sind, entzieht der Staat bestimmte Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ganz konsequent der Profitmacherei und dem privaten Geschäftsinteresse. Er herrscht der Gesellschaft bestimmte Regeln auf, deren Verletzung er bestraft. Der Staat beschränkt also die freie Verfügung über das Eigentum, damit die Gesellschaft mit diesem Prinzip weiterläuft. Um den Eigentümern zu dienen, beschränkt der Staat diese.
Die Leistungen der politischen Gewalt, die in der Tat die Funktionsfähigkeit der gesamten Gesellschaft im Auge hat, erscheint den meisten Menschen als Schutz vor der harten Welt der privaten Interessen. Der Staat ist für diese Sorte Gesellschaft unverzichtbar – und die positive Stellung zu ihm ergibt sich zumindest für alle, die sich über die Verhältnisse nicht so viel Gedanken gemacht haben.
An sich kennen die meisten den Widerspruch zwischen Staatsbürger und Privatsubjekt – und zu Recht vermuten sie auch bei allen anderen den Konflikt zwischen dem eigenen Interesse und dem Allgemeinwohl. ”Wo kämen wir denn dahin, wenn das alle machen wollen” – das kann sich der Staatsbürger schon vorstellen, was die Privatsubjekte so machen würden, wenn kein Staat da wäre, der das verhindert. Die feindselige Stellung der Einzelnen gegeneinander ergänzen diese darum durch den positiven Bezug auf das gemeinsame Interesse an dem Spielregler der wechselseitigen Feindseligkeit: Das allgemeine Wohl, das Wohlergehen der Nation. Sich um dieses zu kümmern ist der Beruf der Politiker und sowohl bei diesen, als auch bei ihrem Fußvolk sind Übergänge vorhanden, auf welches Moment des Wohles der Nation der Schwerpunkt gelegt wird: Das Allgemeinwohl kann so vorgestellt werden, daß es als ständige Aufgabe begriffen wird, der Reichtumshäufung in privater Hand zu dienen, indem man Wirtschaftspolitik betreibt und für einen geregelten Wirtschaftsablauf sorge tragen will. Also: BSP steigt, dann hat sich der Reichtum der Nation gesteigert, wobei bei dieser Rechnung natürlich nicht die Lage jedes Einzelnen interessiert. Die Staatsgewalt hat so volles Verständnis dafür, wenn die Bürger ihr materielles Interesse auf Grund des Eigentums auch gegenüber dem Staat geltend machen. Für den Faschisten dagegen hat sich das Einzelinteresse stets am Staatswohl zu relativieren: Du bist nichts, dein Volk ist alles.
Resultat der Überlegungen: Auf die Menschenrechte kann man sich nicht positiv beziehen, weil sie für eine Ordnung sorgen, in der Armut beständig vorhanden ist; eine Ordnung, in der die Leute aus ihrem Verhältnis zum Staat beständig nationalistische Schlüsse ziehen und in der der Übergang zum Faschismus immer möglich ist.
Aber: Daß demokratische Staaten Ausländer wie Dreck behandeln (nur beleidigen darf man sie nicht), die Meinungsfreiheit in Berufsverbot und regelmäßig das Demonstrationsrecht in Verbote umschlägt, ist kein Vorgang der Faschisierung, sondern ein Ausweis dafür, wozu demokratische Staaten fähig sind.

Exkurs: Die Gegenüberstellung der Rassenideologie der Nazis als “Wahn” und der Menschenrechte als normal ist eine falsche: Das theoretische Fundament ist das gleiche. Mit der DNS wird heutzutage so ziemlich alles erklärt: Wie schlau Leute sind, was sie tun, was sie denken, was sie verdienen, woran sie erkranken und in wen sie sich verlieben: Mit dem Alkoholismus, Homosexualitäts-, oder Obdachlosengen wollen DNS-Forscher menschliches Verhalten durch Biologie erklären: Stets werden dabei die Menschen als von ihrer “natürlichen Ausstattung” bestimmt vorstellig gemacht. Der Mensch als staatenbildender Allesfresser!
Die Herleitung der Welt aus der Menschennatur ist eine alte Masche der bürgerlichen Gesellschaft. Mit der Behauptung, der Mensch habe von Natur aus bestimmte Rechte, wie z.B. das Privateigentum, ist das Bürgertum gegen die feudalen Rechtfertigungsideologien von der Gottgegebenheit der Ordnung zu Felde gezogen. Die Herleitung des Staats aus der Wolfsnatur des Menschen ist dabei eine Sache, die Gesellschaftswissenschaftlern locker von der Hand geht: Gäbe es da nicht die Oberwölfe, würden alle über alle herfallen, sich alles wegnehmen und überhaupt Chaos herrschen.
Daß jeder Mensch gewisse unveräußerliche Rechte von Natur (oder von ihrem Stellvertreter, dem Schöpfer) aus haben soll, ist auch so eine Naturalisierung. Menschenrechte werden von Menschen gemacht, sie entspringen einer bestimmten gesellschaftlichen Ordnung, und sind im Gegensatz zu Herz und Leber im Menschen gar nicht zu finden. Daß die Staatsgewalt mit den ihr Unterworfenen nicht einfach willkürlich umgeht, sondern sich an bestimmte, von ihr selbst gesetzte Prinzipien halten will - und das ist der sachliche Gehalt der Menschenrechte - hat mit Natur der soviel zu tun, wie ein Aktienkurs mit der Farbe des Sonnenuntergangs.
Lauter gesellschaftliche Eigenschaften und staatliche Sortierungen werden als Naturprodukte verkauft, und so eben auch die Staatsangehörigen-Kollektive. Wer von “Begabung” und “natürlichen Menschenrechten” redet, sollte bei “arischer Rasse” und “deutschem Blut” nicht die Augenbraue hochziehen. Das theoretische Fundament ist das gleiche.

3. Was für ein Verhältnis entspringt daraus gegenüber Liberalen:

Allgemein folgt daraus, das man Liberale kritisieren muß, teils für ihren Idealismus (“Freiheit und Gleichheit soll der Staat erstmal verwirklichen”), teils dafür, das ihr verwirklichter Idealismus auch ein großer Dreck wäre. In Protesten gegen einzelne Verschärfungen z.B. in der Ausländerpolitik ließe sich sicherlich zusammen protestieren, wobei man sich allerdings nicht ihren eigenen Kriterien der Sortierung von Aus- und Inländern anschließen darf und dieses auch deutlich machen muß. In der Regel ist dann damit allerdings auch die Zusammenarbeit von ihrer Seite beendet, weil sie Linksradikale zu Recht als Gegner ihres Staatsidealismus betrachten und fix die Gleichung Links=Rechts auf dem Kasten haben.
Zwei Beispiele: Bei der Änderung des Asylrechts gab es eine große Demonstration in Bonn von den Autonomen bis hin zu den Grünen. Richtig war es weiterhin für die einzig vernünftige Forderung “offene Grenzen” einzutreten und sich nicht den alternativen oder alten Sortierungsmodellen von In- und Ausländern der linken Parteien und des Bürgerrechtsspektrum anzuschließen. Diese Sortierungsmodelle gehören kritisiert, ebenso die Grundrechtsidealisten für ihre Fehleinschätzung in Sachen was ein Staat alles machen kann. Heute dagegen für die Rücknahme der Änderung einzutreten wäre dagegen falsch. Es verbietet sich sie Praxis, mit der man die Bevölkerung erstmal nach “links” ziehen will, um hernach mit der richtigen Kritik an dieser Gesellschaft herauszukommen. In der Werbung für diese Forderung, würde man die Leute in der Forderung nach Ausländergesetzen überhaupt bestätigen und darin den Rassismus in einer light-Form erhalten, statt bekämpfen.
Wenn man gegen einen Abschiebeknast demonstriert, so kann man hoffen, daß einige Knäste auf Grund des öffentlichen Drucks geschlossen werden (In Deutschland derzeit undenkbar, in Italien möglich). Man sollte aber gleichzeitig wissen, daß als Ersatz andere Formen der Aufbewahrung geschaffen werden. Daher kann der Protest weiterhin als Willensäußerung gegen die Sonderbehandlung von Ausländern überhaupt genommen werden. Eine Praxis, die es auf die Abschaffung dieser Sonderbehandlung abgesehen hat, wird aber an einer prinzipiellen Staatskritik nicht herum kommen.
Damit läßt sich auch Beantworten, inwiefern man die liberale Öffentlichkeit (Presse, Veranstaltungen etc.) nutzen kann: So lange es um das Hinweisen auf irgendwelche Schweinereien oder dem Protest dagegen geht, kann man Aufmerksamkeit in der liberalen Öffentlichkeit erreichen. Beginnt man damit darauf hinzuweisen, worin z.B. die Abschiebepraxis ihre Wurzel hat, so ist es auch schnell vorbei mit der Aufmerksamkeit.

Die Diskussion:

Auditorium A(männlich): Was würdest du statt dessen machen? (45:26)

Referent: Liegt es in meiner Macht, was da zu machen? Das ist doch der Staat der die Gesetze macht. Das sind doch die Berufsnationalisten. Da hast du keinen Einfluß drauf. Also was du machen kannst, ist die Leute überzeugen, daß so eine Sortierung scheiße ist. Da kann man Flugblätter machen, diskutieren oder von mir aus auch eine Demo machen, aber mehr Möglichkeiten hast du nicht.

A(m.): Ich meine, es gab damals, als es die Verschärfung des Asylgesetzes gab, Proteste auch von autonomen Gruppen gegen die Verschärfung des Asylgesetzes, sie haben sich auf diese Ebene schon eingelassen.

Referent: Ich finde, daß ist ein Unterschied ob du zu einer Demo fährst und dort deinen eigenen Block machst und somit zeigst, hier ist eine Masse mehr dagegen. Das macht ja ein bißchen Eindruck, wenn da ein paar mehr Leute auf einer Demo sind, die diese rassistische Politik kritisieren. Das kann auch heißen, daß du dazu beiträgst, daß es nicht abgeschafft wird. Aber kann man machen, würde ich sagen.
Eine Ergänzung noch. Daß natürlich die Zusammenarbeit mit den Liberalen gegen etwas, sobald man seine richtige Position vorbringt meist von der anderen Seite eh aufgekündigt wird. Die merken ja auch sehr schnell, das man gegen ihren Staatsidealismus auch was einzuwenden hat.

B(weiblich): Ist es für dich völlig außer Frage mit einer liberalen Öffentlichkeit (Parteien, Bürgerrechtsgruppen etc.), also ist es für dich völlig sinnlos bzw. vergeudete Kraft mit diesen Leuten zusammen und für etwas zu kämpfen?

Referent: Deswegen habe ich die Unterscheidung gemacht. Wenn es darum z.B. geht; ich komme aus der Hamburger Ecke, wenn in Toestedt der Broich dort Nazis organisiert und in die FAP eingliedert, hat die ANTIFA daß voll gut hingekriegt mit den Grünen und der SPD dagegen vorzugehen. Und tatsächlich gab es ein Vorgehen von der Stadt gegenüber den Nazis und die haben eine Menge Schwierigkeiten gehabt. Verhindert ist das nicht worden, aber zumindest behindert. Und da würde ich sagen, ja das war Pfiffig daß so zu machen, allerdings revolutionär war daran gar nichts. Also das ist dann schlicht ein anderer Zweck. Man will da Flüchtlinge schützen und sich selber schützen, das ist erstmal ein Abwehrkampf.

B(w.): Aber heiligt da nicht der Zweck die Mittel, also daß man genau das erstmal verhindert hat?

Referent: Ja, allerdings ist eine recht unendliche Aufgabe in dieser Gesellschaft. Da muß man im Kopf behalten was man eigentlich will und daß da die Zusammenarbeit mit den Parteien ausgeschlossen ist, das geht nicht.

C.:(m) Die liberale Öffentlichkeit, daß war ja auch das Thema von Dir, die ist lange Zeit bei linksradikaler Politik ein Moment gewesen, auf das man zurückgreifen konnte, wenn es z. B. um die Forcierung des autoritären Staates ging. Ich halte die liberale Öffentlichkeit für sehr wichtig und ich würde es mir wünschen, daß sie es verstärkt geben würde, so wie in den 70er Jahren.

REFERENT: Wenn es die gibt, habe ich erstens auch was dagegen, aber wenn es die gibt, da nimmt man darauf auch Rücksicht. Dann kann man gegen Verschärfung von bestimmten Gesetzen, mit den zusammen dagegen vorgehen, aber ich weiß nicht, willst Du jetzt liberale Öffentlichkeit organisieren, obwohl Du weißt, daß das auch nicht Dein Zweck ist?

C.:(m) Liberale Öffentlichkeit kann man nicht organisieren, sie entsteht durch die Medien würde ich sagen.

REFERENT: Die Medien müssen das auch irgendwoher haben.

D.:(w) Ich hätte auch erwartet, daß die Entwicklung der liberalen Öffentlichkeit seid den 90ern betrachtet wird. Gibt es liberale Öffentlichkeit überhaupt noch, was ist da weggebrochen und warum? Man kann auch nicht einfach sagen, ich kann mit Liberalen gemeinsam Proteste gegen Ausländergesetze machen. Bei der Asylgesetzverschärfung, da war das noch gegeben, heute, würde ich fast sagen, wird keiner der Grünen mit auf die Straße gehen, denn die erlassen nämlich die Verschärfung. Ich finde es geht ein bißchen daran vorbei, was für eine Situation 1999 herrscht.

E.:(m) Ich denke daß die Modernisierung des Kapitalismus sehr wichtig ist, der sich ständig erneuert, auf jede Situation reagiert und auch Leute einbindet, daß sieht man bei den Grünen ganz deutlich. Der Kapitalismus hat ein ganz anderes Gesicht als in den 60/70er Jahren, er hat viele Leute eingebunden aus den Protestbewegungen, welche jetzt den Neoliberalismus durchsetzen, daß kommt bei Dir ja gar nicht vor.
In Deiner Analyse über die Nazis, hast Du Faschismus und Nationalsozialismus gleichgesetzt. Ist das für Dich das Selbe?
Der bürgerliche Staat hat die humanistischen Ideale durchgesetzt, daß kann ich einfach nicht sehen, daß ein Flüchtling hier, genauso behandelt wird wie ein Weißer, ich würde dem entgegensetzen: Der bürgerliche Staat nutzt die humanistischen Ideale als ein Mäntelchen sich selbst auch ein angenehmes Gesicht zu geben. Er benutzt dies vorallen Dingen als Integration nach Innen. Das heißt wenn gesagt wird: die Flüchtlinge können hierbleiben und sie bekommen ein Asylverfahren, das läuft alles und sie überprüfen dies, dann kann erstemal keiner sagen, die werden gleich wieder abgeschoben, da muß man erst einmal auf den Dreh kommen wie das Verfahren läuft.
Was ich nicht verstanden habe ist, daß der arische Rassenwahn das gleiche Fundament hat wie die Menschenrechte.

REFERENT: Die Naturalisierung von gesellschaftlichen Verhältnissen, daß ist das gemeinsame Fundament, ich sag ja nicht, daß daraus die gleiche praktische Politik entspringt. Man soll aber aufpassen wenn man z. B. von Begabung redet und den ganzen Quatsch mit dieser DNS-Scheiße mitmacht, daß sind Biologiesierungsverfahren von gesellschaftlichen Verhältnissen, von menschlichen Sachen, die erstemal so viel nicht mit Natur zu tun haben, da habe ich gesagt: das ist das gemeinsame Fundament.
Wie Hegel und Kant sagten: das entspricht rein der Vernunft wie Menschen denken, was auch noch mal steiler Idealismus ist, das findest du nicht, das wurde ruck zuck gekippt.

E.:(m) Menschenrechte haben bei mit was mit Humanismus zu tun, was Du jetzt ankreidest ist der Darwinismus. Biologismus hat doch aber nichts mit Menschenrechten zu tun. Das Fundament der Menschenrechte ist doch was anderes als der Biologismus.

F.:(m) Mit dem Rassenwahn ist das doch eher so, daß die einen dort besser leben weil sie dort angepaßt sind und die Sklaven machen die und die Arbeit und haben damit andere Rechte, weil sie eben so und so aussehen und ich denke, da ist irgend etwas faul dran. Wir sagen ja das Menschenrechte etwas Allgemeines sind, sie sind unabhängig von der Rasse, sind unabhängig von deiner Gestalt oder ob du behindert bist. Noch eine andere Frage. Linksradikal ist bei Dir Beseitigung von Staat und Eigentum und Kapital. Diesen Befreiungsaspekt, daß man was ändern kann, daß wir uns verändern können, daß überläßt Du den Liberalen, daß spielt für uns sozusagen keine Rolle mehr.

Moderatorin: Diese Menschenrechtssache ist sicher sehr interessant, würde hier aber jetzt zu einem Zwiegespräch führen, es gab noch andere Wortmeldungen, die Frage ist jetzt aufgeschrieben.

D.:(w) Noch mal wegen der liberalen Öffentlichkeit: Du hast vorhin davon gesprochen daß Antifaarbeit für Dich bedeutet andere Menschen zu schützen, z. B. Hilfspolizei oder ähnliches zu machen, mit anderen Motiven, aber daß der Selbstschutz, der Schutz von Leuten vor den Nazis und Faschisten ein anderer ist als dieser revolutionärer Aspekt, als tatsächlich was verändern zu wollen.
Siehst Du das so, daß es in den 80ern noch eine liberale Öffentlichkeit gab, die gegen Faschisten war, was auch vom Staat getragen wurde? Und daß, weil dieser Teil der liberalen Öffentlichkeit wegfällt und auch der staatliche Widerstand gegen Faschisten, daß wir uns auf die Notwendigkeit Leute zu schützen, beschränken müssen und keine Zeit mehr haben andere Aspekte vorzubereiten?

REFERENT: Zur Entwicklung der liberalen Öffentlichkeit, warum sich da was verändert hat, stimmt da kommt wenig vor im Referat, allerdings zu dem Ergebnis, zu dem ich da gekommen bin, man kann mit den Liberalen gegen etwas demonstrieren, aber das heißt noch nicht für etwas, zu dem Schluß komme ich erstemal ganz ohne festzustellen, ob es eine liberale Öffentlichkeit gibt oder nicht. Zu diesen Schlüssen brauche ich nicht immer die Entwicklung. Die Frage ist auch immer, warum muß ich mir jetzt erklären daß die liberale Öffentlichkeit weg ist? Warum reicht es nicht aus zu konstatieren, so sehen die Verhältnisse jetzt aus und damit muß ich jetzt umgehen. Das ist die eine Sache um mich zu verteidigen, nach dem Motto - hier fehlt was. Ich weiß auch, wenn man darüber redet daß die liberale Öffentlichkeit weggebrochen ist und gemeint wird, da hat sich ja was mit dem Kapitalismus geändert oder mit der Weltmacht oder der verschärften Standortpositionen. Wenn man das als Argument anbringt, warum das weggebrochen ist, dann muß man aufpassen, daß man nicht den Schluß macht, im Kapitalismus ändert sich was, in der Birne der Leute ändert sich was, sondern man muß verfolgen wie die Leute das geschafft haben. Z. B. in der Bezugnahme auf die Politik, wie man diese Gesellschaft gestaltet, da spielt tatsächlich auch die Veränderung oder das was in letzter Zeit als Neoliberalismus fälschlich gekennzeichnet wird ab. Darauf reagieren sie als Nationalisten, als Leute die sich Gedanken machen über den Staat, daß muß man verfolgen wie diese Verwandlung geht. Da ist tatsächlich in Deutschland in den letzten Jahren einiges passiert. Da kann man die Vereinigung sicherlich anbringen, daß würde ich auch teilen daß es da einen nationalistischen Schub gab. Wenn Ihr wollt könnt Ihr untereinander weiter über die Entwicklung der liberalen Öffentlichkeit diskutieren, ich finde die Frage eher unspannend. Ich würde eher konstatieren: Sie ist weg, was machen wir nun?

H.:(m) Wir hatten gestern bei dem Thema Staat als Partner - Staat als Feind eine ähnliche Diskussion, es geht einfach um die Isolation der radikalen Linken, die ist durch den Wegfall der liberalen Öffentlichkeit noch gravierender geworden. Vor diesem Hintergrund wäre es schon mal interessant zu beleuchten wie es dazu kommt. Du hast ja selbst gesagt Nationalismus, Rassismus spielt eine ganz gravierende Rolle in großen Teilen der neuen Bundesländern aber auch in den alten Bundesländern. Daß hat damit zu tun, daß sich die gesellschaftlichen Verhältnisse so geändert haben. In Berlin z. B., bei den letzten Abgeordnetenwahlen, hat sich der Anteil der CDU im Westen erhöht, der Anteil der PDS dagegen im Ostteil, daß heißt es gibt schon ein Ost-West-Gefälle der gesellschaftlichen Ansichten.

Zwischenfrage: Warum ist das von Interesse? Die PDS als Rand zu bezeichnen ist eine konservativ, ideologische Form. Die PDS ist mittendrin, ist eine sozialdemokratische Partei.

H.:(m) Von den Leuten, die die Totalitarismustheorie aufbringen. Die PDS ist keine sozialdemokratische Partei, es gibt in der PDS sehr wohl radikale Strömungen, sonst würde sie vom Verfassungsschutz nicht beobachtet werden. Du willst offenbar die Isolation der radikalen Linken, wenn Du nicht auf liberale Öffentlichkeit verzichtest, vorantreiben.

D.:(w) Wir können jetzt endlos drüber labern, was in den letzten 10 Jahren passiert ist, aber wir sollten darüber reden was morgen wird.

Moderatorin: Ich würde auch die Frage interessant finden, die vorhin vom Referenten aufgeworfen wurde. Heißt das sich nicht mehr um die liberale Öffentlichkeit zu kümmern, sondern sie zu ignorieren?. Dein Konzept ist, den Staat, den Kapitalismus an sich zu bekämpfen, daß ist die einzige Form, die einzige Möglichkeit. Da frag ich mich, ist sie das wirklich für die radikale Linke. Sicherlich dürfen wir nicht noch die liberale Öffentlichkeit selbst ersetzen, wir haben genug zu tun, mit Faschisten die heutzutage massiv Ausländer und Andersdenkende Menschen angreifen, diese Menschen davor zu schützen, aber müssen wir nicht noch einen anderen Richtung gehen und eben dann doch die liberale Öffentlichkeit ersetzen, in der öffentlichen Politik mitmischen, auf der einen Seite diese Basisarbeit, auf der anderen die öffentliche Politik. Ist denn die soziale Frage nicht wichtig, daß braucht man nicht zu behandeln, daß ist nicht unser Ding, wir müssen sie kritisieren, aber die Frage ist, ob nur kritisieren oder ob man sich mit einmischt. Wir müssen andere Lösungsansätze bringen oder soll man nur sagen wir sind gegen Staat, gegen Kapital gegen Kapitalismus, gegen Strukturen die im Staat herrschen. Da stehen wir irgendwann auf verlorenen Posten.

J.:(m) Ich denke das ist ein Fehler, den es in den 20ern und in den 70ern gegeben hat und der gestern auch in der Diskussion eine ganz große Rolle gespielt hat. Nämlich daß jeder denkt, er weiß was richtig ist. Die einen sagen, wir müssen Revolution machen. Die anderen sagen, wir müssen den Staat reformieren und keiner hat Verständnis für die andere Position, die Leute schießen sich gegenseitig raus, wir spalten uns damit selbst. Für meine Begriffe ist es wichtig eine Option für eine revolutionäre Veränderung zu behalten. Gleichzeitig an den Punkten was gemeinsam zu machen, wo wir noch etwas gemeinsam machen können. Die Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen, Einzelpersonen von den Grünen, Studentenvertretungen usw., es gibt immer noch ein Haufen Leute mit denen wir was machen können. Wir können uns nicht auf sie verlassen, aber wir müssen die immer wieder einbinden, denn sonst sind die ganz weg.

D.:(w) Wenn wir versuchen würden die liberale Öffentlichkeit zu ersetzen, das fände ich ziemlich fatal, daß würde für die radikale Linke auch heißen, ziemlich viele Aufgaben und Ziele, da würde ich gleich von Anfang an sagen, daß das nicht geht. Wenn wir es machen würden, dann gehen wir sozusagen mit dem rechten Konsens und mit der Rechtsverschiebung, die gerade in der Gesellschaft passiert, mit. Dadurch werden wir auch ein Stück weit unsere eigenen Ziele, die grundsätzlich klar sind, aufgeben. Das was bis jetzt funktioniert hat, ist die liberale Öffentlichkeit uns zunutze zu machen, was gerade nicht funktioniert, daß dabei ein Stück weit Isolation dabei rauskommt. Entweder ich gehe mit Isolation um, weil ich sehe die ist da, ich kann da jetzt erstemal keine liberale Öffentlichkeit wieder herstellen, oder fang ich an, wieder eine liberale Öffentlichkeit zu schaffen, oder ist es mir überhaupt möglich diese zu schaffen, darauf Einfluß zu nehmen.

REFERENT: Ich wollte ein Beispiel bringen, was man mit der liberalen Öffentlichkeit anfangen kann, oder nicht. Als 1990 die letzten besetzten Häuser in Berlin geräumt wurden (Mainzerstraße), da haben sich Bündnis90-Leute davor gestellt und haben keine Gewalt gerufen und das waren immer die ersten die die Bullen weggeräumt haben. Klar wenn die das machen ist doch gut, kann man ja gar nichts dagegen haben, bloß das machen die heute leider nicht mehr mit. Es ist aber kein Grund an die irgendwelche Konzessionen zu machen. Das hat deren Standpunkt, daß Eigentum ja eigentlich 'ne gute Sache ist, daß man das nur ein bißchen anders machen soll, selber zu übernehmen, entweder das klappt mal, das man da ein bestimmtes Projekt gemeinsam kritisiert, wegen der Verschärfung des Asylrechts oder so, oder es klappt eben nicht, ich würde nicht darüber hinaus sagen, wir brauchen strategisch ein Bündnis, um nicht so isoliert zu sein. Ich stelle mir die Frage nicht, ob ich isoliert bin oder nicht, jetzt nicht abstrakt, ja wenn ich feststelle das das, was ich machen will, nicht viele andere machen wollen, da habe ich das Problem isoliert zu sein, da muß ich mir trotzdem überlegen, wie ich da weiterkomme.

H.:(m) Willst Du die liberale Öffentlichkeit jetzt durch uns personell ersetzen, oder willst Du das eine liberale Öffentlichkeit entsteht, in der Gesellschaft? (Frage an Mod.:)

Moderatorin: Das war für mich bloß eine Frage. Müssen wir eine liberale Öffentlichkeit ersetzen?

H.:(m) Wir können das aber gar nicht, wir wollen das auch gar nicht.

Moderatorin: Wollen wir das? Können wir das, oder wollen wir das gar nicht? Ich finde das sind zwei verschiedene Sachen. Auf der einen Seite interessiert es mich einfach nicht mehr, was die Grünen machen, was die PDS macht. Für paar Sachen kann man sie kriegen und dann treten sie einen bei einer völlig anderen Sache wieder in den Arsch. Wir kämpfen doch an demselben Punkt. Man sollte sowas von Grund auf kritisieren, auf der anderen Seite sag ich mir, auf Dauer wird uns das in diese Isolation bringen, die auf der einen Seite okay ist, wie gehen wir damit um, ist vielleicht okay, aber irgendwann wird uns gar keiner mehr verstehen, auch nicht verstehen wollen, damit sind wir kein Stück weiter.

H.:(m) Gestern war die Diskussion so ähnlich, da haben Leute gesagt: wir müssen in den Untergrund, wenn man jahrelang Politik betreibt. Ich bin in einer Gruppe, wir machen Bündnispolitik, in Berlin. Wir haben mehrere Bündnisse gegen Rechts mitinitiiert und haben mit bürgerlichen Gruppierungen zusammengearbeitet. Man muß schauen, ob der eigene Ansatz verwässert. Wenn er bis zur Unkenntlichkeit verwässert, dann kann es die Lösung nicht sein, aber ich denke Bündnispolitik ist nötig. Auch für einen persönlich, die Isolation ist ein frustrierendes Moment, die anderen interessiert es gar nicht, was man macht, wie ein Flugblatt, oder ein Aufruf. Politik ist nach meinem Verständnis etwas was Erfolg haben soll, daß man eben nicht vor sich hindümpelt und sich auf die Schulter klopft und meint: es ist total klasse was du gesagt hast und so, da kommen wir aber keinen Schritt weiter.

REFERENT: Bei den Zwecken, deswegen war es mir so wichtig zu sagen, bevor man sich die Frage stellt, arbeite ich mit der liberalen Öffentlichkeit zusammen, muß ich mir erstemal vorher klar machen welchen Zweck verfolge ich da. Wenn es mir darum geht, daß ein Haus nicht geräumt wird, dann verfolge ich damit erstemal den Zweck, daß das Haus nicht geräumt wird. Gibt es Leute die Sympathien mit Hausbesetzern haben, dann binde ich die ein in meine Arbeit. Dann versuch ich auch, wenn die TAZ das unterstützen würde, dann bringe ich dort einen Artikel, daß ist doch kein Problem. Die Motivation warum aus unterschiedlichen Gründen das Haus nicht geräumt werden soll, daß da manche Linke die Hoffnung haben, daß es wichtig ist besetzte Häuser zu haben, um einen politischen Raum zu haben, wo man diskutieren kann oder von wo man aus seine Arbeit machen kann, den Zweck haben die dann nicht, den muß man auch nicht öffentlich zur Schau stellen. Es geht immer um den Zweck, also noch mal bei der Asylpolitik, da geht es um den Zweck sie zu verhindern. Dann protestiert man dagegen, da hat man dann tatsächlich einen gemeinsamen Zweck, daß hat aber nichts mit linksradikaler Politik zu tun. Ich würde behaupten die Linke ersetzt zum Teil schon linksliberale Öffentlichkeit. Wenn es darum geht bei Lübecker Prozessen daraufhinzuweisen, daß die Richter dort tatsächlich rassistisch vorgehen und zwar konsequent, dann kritisiert man sie dafür, daß sie das tun und nimmt dabei den Standpunkt ein, die Richter sollen in der Sache neutral urteilen, was ja auch schon wieder ne komische Sache ist. Ich möchte mich nicht mit dem Rechtsstaat identifizieren, der Rechtsstaat ist schuld daran, warum die ganze Scheiße durchgesetzt wird, aber wenn es mir tatsächlich nur darum geht, den Angeklagten dort rauszukriegen, daß der nicht verurteilt wird, dann mache ich dazu Öffentlichkeitsarbeit, dann weiß ich darauf hin, daß dort ne Schweinerei passiert, wenn es mir darum geht aufzuzeigen, was Nationalismus und was Rassismus ist, dann ist es aus mit der Zusammenarbeit, dann kann ich nicht mehr mit den Liberalen zusammen arbeiten, dann muß ich eigene Flugblätter veröffentlichen. In der öffentliche Debatte mitmischen, daß finde ich ist ein komischer Gegensatz von linksradikaler Politik. Wenn ich das Anliegen habe eine Revolution zu machen, oder zu überzeugen das man linksradikale Politik machen soll und dafür Argumente nennen will, dann mische ich mich ein soweit ich kann, dann mache ich Flugblätter, Zeitungen. Das ich mich nicht an die Süddeutsche Zeitung wende, liegt auch auf der Hand, das ist das Problem bei der liberalen Öffentlichkeit, oder auch die Frankfurter Rundschau, daß die sowas nicht da drin haben wollen, da merken wir schon, da liegt ein anderer Zweck vor, den teilen wir nicht. Dann bleibt uns nur eigene Zeitungen zu machen, eigene Öffentlichkeit, Gegenöffentlichkeit, daß ist die Möglichkeit, wenn aber dennoch mal so eine Zeitung Artikel abdrucken will, soll man das tun. Wenn es um doppelte Staatsbürgerschaft geht, da versucht man was zu erklären, welche Sortierung dort vorliegt, was das SPD und Grünen-Modell ist, daß das fast noch komplizierter ist, als die Nürnberger Rassengesetze, dann kritisiert man das und macht darauf aufmerksam, daß das auch Nationalisten sind. Das man mit reformistischen Sachen eher Erfolg hat als mit linksradikaler, ist doch auch kein Thema, wenn man reformistische Forderungen macht, dann bezieht man sich konstruktiv auf den Laden, dann kümmert man sich um die nationale Sache, darum wie ist diese Gesellschaft verfaßt, wie soll das abgehen, natürlich stößt man da erstmal eher auf Aufmerksamkeit, die merken dann schon, aha da ist eine Gemeinsamkeit, die kann man konstruktiv diskutieren, da hat man eher Erfolg die Politik rüberzubringen. Aber Erfolg an sich ist doch kein Kriterium, da geh ich hier zu den Nazis im Osten, da habe ich Erfolg. Ich muß mir den Zweck und die Mittel anschauen und wenn ich da keinen Erfolg habe... [Unmut]

Zwischenbemerkung: (von H.) Ich will doch nicht immer mit dem Kopf gegen die Wand laufen.

REFERENT: Ich kann aus unserer Arbeit, wie wir Flugblätter verteilen, Seminare machen oder Abendveranstaltungen organisieren, berichten, wie wir dafür werben: Ihr ladet uns ein, wir kommen auch in Schulen, ja da finden sich immer paar Leute, die den Gedanken an sich schon mal kritisieren. Darüber zu diskutieren, daß finden wir spannend.

H.:(m) Ich habe nicht damit gemeint, daß wir ins Parlament sollen, sondern daß wir eine Gegenöffentlichkeit schaffen.

REFERENT: Dann soll man das tun. Der Erfolg mißt sich immer daran, wieviel Leute man für die richtigen Zwecke und die richtigen Argumente überzeugt, und nicht das man eine Masse hinter sich bekommt, daß kann nicht Zweck der Politik sein, Masse an sich. Ein Punkt noch: bei der sozialen Frage mitmischen: Da meine ich, daß die soziale Frage erstmal eine Frage ist, vielleicht nimmt sie auch Ausgang bei den Problemen, die die Leute in der Gesellschaft haben, Armut usw. Aber sie wenden das dann schon so, daß sie dann gleich konstruktiv werden, sie wollen sich gar nicht erklären woher die Armut kommt, sondern fangen gleich an, munter konstruktiv zu diskutieren, was der Staat dafür alles machen kann. Das macht die PDS derzeit, auch die Existenzgelddebatte. Ich würde behaupten, daß kann man alles im Einzelnen zerlegen, daß kann man kritisieren, daraus schließe ich das ein konstruktives Mitmachen sich nicht lohnt, sondern man kritisiert dieses Verfahren. Ich möchte jetzt auch nicht so dastehen als wäre ich verbal-radikal, sondern warum ich Revolution machen will, habe ich aus der Erkenntnis, daß sich Reform nicht lohnt. Weil ich die Zwecke die ich durchsetzen will, momentan nicht durchsetzen kann, deswegen bin ich dann erstmal isoliert, da bin ich auch penibel, denn so viele Leute teilen diesen Zweck nicht und da muß ich mit den Leuten darüber streiten, diesen Zweck anzunehmen. Vielleicht bekomme ich ja auch mal das Argument entgegengebracht, daß ich ein Fehler mache, dann freue ich mich und sag schönen Dank und orientiere mich dann an den neu erworbenen Erkenntnissen. Aber das hat schon was mit Recht haben zu wollen zu tun. Ja darauf beharre ich, wenn ich dann diskutiere mit Reformisten oder die das anstreben wollen, dann diskutiere ich über meine Erkenntnisse, die ich behaupte zu haben, darüber was man damit erreichen kann. Deswegen teile ich einen linksradikalen Standpunkt und kein reformistischen. Man macht seine taktische Politik aus den Erkenntnissen die man gerade hat.

Moderatorin: [unverständlich]

L.: Ich sehe das ein bißchen anders, dieser Befreiungsaspekt, daß Leute sich verändern können, deswegen liegt der wichtigste Teil auch in der linksradikalen Sache. Wir wollen zwar nicht diese liberale Öffentlichkeit ersetzen, aber im Prinzip machen wir das schon. Gerade bei den Flüchtlingssachen, da gibt es niemanden mehr den das interessiert, wir sind da eigentlich die Letzten.

REFERENT: Man muß dabei wissen, daß das eine unendliche Aufgabe ist, der müden und armen Massen, der bedrängten Kreaturen, für wirklich alle und da hast Du Dir 'ne unendliche Aufgabe gesetzt und ich gebe da keine Patentlösung ab. Man fühlt sich von irgendwas angesprochen, hängt sich in die Arbeit rein, aber wenn man sich da nur noch reinhängt, da hat man wirklich seinen linksradikalen Standpunkt vergessen und gibt die Perspektive auf, mal die Gründe für die ganzen Elendsgründe abzuschaffen.

Moderatorin: Das kommt wir wahnsinnig utopisch vor, ich kann nur heute, hier und jetzt was verändern, an dem Zustand. Ich kann doch nur durch verschiedene Mittel, da gehört die Asylpolitik dazu, daß ich mich momentan erstemal denen annehme, die vom Staat am meisten angegriffen werden. Daß ich dann natürlich den Blickwinkel einer kompletten Änderung und Kritik an diesem System und den Ursachen nicht aus der Sichtweite lasse, ist für mich völlig klar. Da kommt wieder der Punkt den Du vorhin angesprochen hast, daß die Linke so dermaßen, also die Linke, wer ist hier überhaupt noch Links, wann fängt das an, wo hört das auf. Wir sind Links und vertreten einen Standpunkt und denken der ist richtig und gut und kritisieren alles was irgendwie anders ist. Jeder der sich mit irgendwas beschäftigt, jeder der sich in irgendeine Arbeit einbringt, die meinetwegen unter Linksradikal zu verstehen ist, der trägt was dazu bei und ich kann nicht behaupten, wenn ich sage, wir dürfen keine Bündnispolitik machen, weil es einfach Aussichtslos ist, daß ich es bei anderen kritisiere wenn sie Bündnispolitik machen, daß bringt doch überhaupt nichts, sondern daß man gemeinsam an einem Strang zieht. Ich denke nicht daß die Leute die Bündnispolitik machen, daß vollkommen vergessen haben, daß man eigentlich das System von Grund aus kritisieren, angreifen muß. Man versucht mit den Mitteln die man heute hat, neue Möglichkeiten zu finden.

M.:(w) Es gibt zwei verschiedene Aspekte: Bündnisse sind in Ordnung wenn wir sie für den Zweck einsetzen. Sonst geht man mit seinen Standpunkten zu weit auseinander. Bündnisse erfüllen z. B. bei Demos gegen Faschos den Zweck, daß 2000 Menschen mehr auf der Straße sind. Das muß man sich zunutze machen, daß sie den selben Standpunkt haben, an diesem einen Aspekt in der Politik. Ich denke aber auch, daß man bei diesem reformistischen, fortsetzenden Sachen, daß man nicht aus dem Kopf verlieren darf, wo man eigentlich hin will, auch wenn es erstemal in der jetzigen Situation völlig utopisch erscheint, alle Grenzen abzuschaffen. Aber wenn man reformistische Schritte macht, sollten diese immer fortlaufend sein.

N.:(m) Ich habe eine Differenz zum Referenten bei den bürgerlichen Idealen. Ist Humanismus für Dich gar kein Teil linksradikaler Politik? Für mich schon und ich habe das Gefühl für Dich auch. Wenn wir eine neue Gesellschaft aufbauen wollen, wie könnte denn die ohne diese Ideale auskommen und wenn man jetzt nicht versucht mit denen zu arbeiten, wie können die dann später ein Teil der Gesellschaft sein?

REFERENT: Ich möchte noch was zur Moderatorin sagen Linksradikal habe ich so bestimmt, daß man da auf Revolution aus ist. Revolution heißt tatsächlich man schafft das Eigentum ab und man lebt nach anderen Gesichtspunkten, als in dieser Gesellschaft, daß ist erstemal ein Zweck den man haben kann. Es gibt lauter andere Zwecke, die auch noch verfolgt werden, da gibt es z. B. Leute die setzen sich für Fair Trade ein, die machen Kaffeehandel oder sonstwas, die haben eine Illusionen über einen gerechten Welthandel, und was man sagen kann, daß der Kaffee bißchen teurer verkauft wird, da gibt es dann tatsächlich Kleinbauern da unten, die bekommen ein bißchen mehr Geld auf Tasche, es ist halt ne Spende die über den Verkauf läuft, daß ist ein komplett anderer Zweck, da muß man getrennt drüber diskutieren, ich finde es immer verkehrt zu sagen, wir sind ja alle Links und alle Leute die sich Links nennen, muß ich dann berücksichtigen. Ich möchte mal darüber diskutieren, was haben denn die Leute die Links sind, mit denen möchte ich mich gerne über die Zwecke streiten für die man sich einsetzt. Und wenn Du sagst wir müssen hier und jetzt was machen, unbedingt Erfolgt haben eine Veränderung und nicht hinterher sagen, daß man 1,2,3 Leute mehr für die Sache gewonnen hat, dann würde ich sagen dann machst Du nur Reformpolitik, da muß man sich als Linksradikaler erstemal seine Ohnmacht eingestehen. Das geht nun mal nicht so einfach mal das Eigentum abschaffen, da muß massenweise in der Gesellschaft die Unterstützung finden und dafür muß man werben und das nenne ich tatsächlich linksradikale Arbeit. Und wenn Du sagst nicht aus dem Blickwinkel verlieren, daß ist mir zu wenig, wenn Du das nur im Blickwinkel hast. Was nur in Deinem Kopf bleibt, nützt der Revolution ziemlich wenig, dann kannst Du zwar sagen: nachher bin ich dabei, aber Du mußt schon dafür werben, Du mußt schon offensiver sein, dann kommst Du in Zielkonflikte mit Deinen ganzen anderen Zwecken die Du verfolgt. Da wirst Du ständig, um die anderen Zwecke zu umrunden, falsches Zeug erzählen, was Du gar nicht willst.

Moderatorin: So meinte ich das nicht, mir ist es eigentlich zuwider mit Bündnispartnern zu arbeiten, weil ich meine, daß es überhaupt nichts bringt. Wo mache ich denn Politik, wo fängt es denn an Linksradikal zu sein, fängt das erst an, wenn ich irgendwelche Faschos wegkloppe, oder wenn ich mal eine Demo mache, oder fängt das schon ganz woanders an. Ich denke man darf genau dem Menschen, der Kaffeehandel macht, der die Leute dort unterstützen will, nicht ans Bein pissen .

REFERENT: Ich gehe da genau hin und kritisiere ihn dafür und sage: wenn du da unten Kleinbauern unterstützen willst, dann organisiere doch Spenden oder sonst was, so kann man die Leute da unten auch unterstützen. Macht das nicht über diese komische Form eines gerechten Welthandels, weil das den Leuten nur Blödsinn in den Kopf bringt. Da soll man erstemal erklären was der real existierende Trade ist. Dann weiß man auch Bescheid warum die Leute da unten verrecken.

M.:(w) Aber bestimmte Sachen werden von Leuten gekauft, z. B. diesen Kaffee, die niemals Spenden würden.

REFERENT: Da schaut man aber gleichzeitig auch mal, was für ein Werbeaufwand da betrieben wird, was für ein Scheiß dabei erzählt wird.

Moderatorin: Das heißt aber nicht, daß der Typ der sowas macht, nicht die Verhältnisse oder die Situation oder die Strukturen angreift.

REFERENT: Wenn der in einer anderen Situation tatsächlich anfängt zu agitieren, den Leuten ausredet für diese Gesellschaft Partei zu ergreifen, da würde ich sagen: Ja, da verfolgt er wieder einen linksradikalen Zweck. Dann macht er zwei Zwecke gegeneinander auf, es ist für mich bloß die Frage wie er das vereinbart, wenn er einmal im Supermarkt steht und für Transfairkaffee Werbung macht und den Leuten Bockmist erzählt und in der anderen Zeit linksradikal agitiert, da muß man schon schizophren sein. Kommt Euch das zu böse vor? Ich bin der Meinung, man sollte sich öfter mal streiten, gegenseitig kritisieren, da wird man sich auch über die Zwecke klar, dann eiert man die ganze Zeit nicht so rum.
Mal einen ganz praktischen Vorschlag z. B., wenn man Leute überzeugen will für linksradikale Politik, dann fängt man ja nicht an mit: der Kapitalismus sieht so und so aus, sondern man nimmt sich das vor, was die Leute vom Kapitalismus denken oder über den Staat, man nimmt sich Nationalismus vor, oder solche Vorstellungen wie die sich erklären, daß in der 3. Welt so schlecht aussieht und das die UNO da versagt hat, solche Sachen muß man sich da vornehmen. An den Sachen erklären, warum das a) ein falscher Gedanke ist und b) das zurückzuführen auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, daß zu üben, in einer Diskussion, sowas zu können, daß kann man mal als Gruppenarbeit machen, sich mal hinsetzen und überlegen wie zerlege ich eigentlich die und die Argumentation, was ist Bündnis für Arbeit, was geht denn da eigentlich ab, genau das vorzunehmen und das mal auseinander nehmen, das ist tatsächlich ein anderer Zweck. Er hat zwar keinen realen Erfolg, ich habe da keinen Nazi umgehauen, ich will das auch nicht gegeneinander stellen. Mein praktischer Vorschlag für linksradikaler Politik, sich klar machen was die Leute von dieser Gesellschaft für einen Scheiß an dieser Gesellschaft haben, daß zu kritisieren, um sie zu überzeugen, daß man dieser Gesellschaft die Gefolgschaft kündigen sollte. Das machen wenige.

M.:(w) Thema des Kongresses ist doch, daß bei der Antifa noch was läuft, aber sonst nichts mehr. Beispiel besetzte Häuser, wenn man da ständig Nachbarn vor stehen hat, oder Faschos Mollis reinwerfen, da kann man kaum noch dafür sein tatsächlich einen Freiraum aufzubauen. Da taucht das Problem auf, an dem Revolutionsaspekt. Klar würde ich ganz für die Revolution arbeiten, im Moment sieht es aber so aus, daß nur alles beschissener wird. Da komme ich so ein bißchen in Zugzwang. Das hängt mit den Wegfall der liberalen Öffentlichkeit zusammen, die vorher so eine Art Puffer war. Ich würde auch eher dazu tendieren, jetzt viel Radikalisierung einzufordern und nicht den anderen Weg zu gehen. Ich möchte endlich wieder meine Sachen positiv vorantreiben und nicht nur immer gegen etwas sein. Ich möchte für etwas sein.

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