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Perspektiven von Öffentlichkeitsarbeit

Antifa Halle
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Einleitung/ Vorstellung

Mein Name ist x.x.. Ich arbeite in einem Verein, welcher “alternative politische Bildungsveranstaltungen" organisiert, deshalb bin ich gefragt wurden, ob ich meine Erfahrungen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit in Form eines Referats zusammenfassen könnte.
Die mir gestellten Fragen waren nicht einfach zu beantworten, da gerade bei linker Öffentlichkeitsarbeit häufig große Gegensätze zwischen Anspruch und Realität, Theorie und Praxis offensichtlich sind. Klar ist, daß Politik öffentlich dargestellt und vermittelt werden muß. Ebenso klar sind aber die Verhältnisse gerade in Deutschland in denen Bildung und Politik von einer überwiegenden Mehrheit eher als unverzeihlicher Eingriff in die Privatsphäre, denn als Chance und Herausforderung begriffen wird.
Unter diesen Bedingungen fällt es nicht gerade leicht, Optimismus zu verbreiten. Ich plädiere aber trotzdem dafür, die vorhandenen Möglichkeiten bewußter zu nutzen und weiter auszubauen, da die Alternative, die Aufgabe der Hoffnung auf die Veränderbarkeit der Gesellschaft bedeuten würde.
Um die Beantwortung der gestellten Fragen zu erleichtern, beginne ich im ersten Teil mit einer Begriffsklärung.

Öffentlichkeitsarbeit/ Gegenöffentlichkeit

Öffentlichkeitsarbeit meint die Bestrebungen, die von einer Interessengruppe vertretenen Inhalte bekannt zu machen, Verständnis und Identifizierung zu erzielen. Dies geschieht allgemein unter Nutzung der Medien, über kulturelle Angebote und nicht zuletzt über den Versuch, im Alltag zu zeigen, daß Alternativen zum Mainstream nötig und möglich sind.
Der Begriff Gegenöffentlichkeit entsteht aus der Analyse, daß die vorherrschende Öffentlichkeit geprägt ist von konservativer Meinungsmache, die den rassistischen, nationalistischen Konsens bedingt und fördert und deshalb linke Öffentlichkeitsarbeit nur in klarer Opposition zu dieser stattfinden kann.

Bündnisarbeit

Bündnisse werden dann zwischen verschiedenen Gruppen oder Personen geschlossen, wenn sich jeweils beide Seiten einen Vorteil davon versprechen. Klassisches Beispiel hierfür sind unzählige Demoaufrufe, bei denen die eine Seite hofft, durch viele UnterzeichnerInnen an gesellschaftlicher Relevanz zu gewinnen. Die andere Seite sieht die politische Auseinandersetzung mit dieser Unterzeichnung als erledigt an und überläßt die eigentliche Arbeit großzügig den anderen Gruppen.
Die Erfahrungen mit Bündnissen sind regional sehr unterschiedlich, da sie sehr stark von Voraussetzungen vor Ort geprägt sind.


Wen wollen wir mit Öffentlichkeitsarbeit erreichen, wollen wir überhaupt jemanden erreichen oder sehen wir uns nicht sowieso auf verlorenem Posten?

Öffentlichkeitsarbeit sollte sowohl zur Darstellung linker Politikansätze "nach Außen" als auch zur politischen Weiterbildung "nach Innen" gerichtet sein. (Aufgrund der geringen Wahrnehmung emanzipatorischer Politikansätze in der Öffentlichkeit und des oft erschreckend schlechten Bildungsstandes innerhalb der "Linken")
Die Vermittlung linker politischer Inhalte stößt auf große Schwierigkeiten, aufgrund der allgemeinen Entpolitisierung der Gesellschaft und den meist unbequemen, komplizierten Erklärungs- und Forderungsmodellen linker Politik. Zusätzlich erschwerend wirkt die Tatsache, daß sich nur wenige Menschen für Themen sensibilisieren lassen, die außerhalb ihres persönlichen Horizontes liegen (z.B. Männer für das Thema Sexismus oder weiße Deutsche für das Thema Rassismus).
Das alles schränkt die möglichen AdressatInnen linker Öffentlichkeitsarbeit stark ein, macht diese aber nicht unmöglich.
Jugendliche, die noch nach einer Ausrichtung ihres diffusen Protestgefühls suchen, MigrantInnen und VertreterInnen anderer Minoritäten sowie SymphatisantInnen der Linken sollten sich öffentlich durch "die Linke" vertreten fühlen.
Meiner Ansicht nach sind unsere Möglichkeiten im direkten Vergleich zur Öffentlichkeitswirksamkeit der Nazis unweit größer. Auch wenn eine kontinuierliche Rechtsentwicklung der Gesellschaft deutlich ist, existiert der offizielle, gesellschaftliche Wertekonsens weiter, der es den Nazis noch unmöglich macht legal öffentliche Aktionen durchzuführen, die über Aufmärsche und Wahlwerbung hinausgehen. (Es gibt in fast jeder Großstadt alternative Zentren, Nazikonzerte können nur am Rande der Illegalität stattfinden, während fast täglich “linke" Konzerte stattfinden, "Rock gegen Rechts" oder ähnliche Veranstaltungen können meist mit Unterstützung der Stadt, der Gewerkschaften und so weiter stattfinden. Die Stärke der Nazis ist meist direkt auf eine schwache Linke mit geringer öffentlicher Wirkung zurückzuführen)
Deshalb gehe ich davon aus, daß wir trotz aller Schwierigkeiten über vielfältige Möglichkeiten verfügen, öffentlich wahrgenommen zu werden, diese aber häufig nur unzureichend nutzen.

Gegenöffentlichkeit- wie ist sie zu schaffen? Funktioniert die Überwindung gesellschaftlicher Isolation durch thematische Projekte (strategische Bündnisse)? Ist Bündnisarbeit noch aktuell oder sind die Kompromisse, die wir eingehen müssen schon längst nicht mehr tragbar? Sind Bündnisse nicht aber auch eine Chance einer gesellschaftlichen Isolation entgegenzuwirken und sich neue Handlungsspielräume zu eröffnen?

Es ist deutlich, daß die Linke an Anziehungskraft verloren hat und daß es durch die gesellschaftliche Werteverschiebung keinen gesicherten Massenzulauf von Jugendlichen mehr gibt. Bei Nutzung aller Möglichkeiten ist es trotzdem möglich, wieder stärker das Protestpotential binden zu können. Dazu ist es aber notwendig, perspektivisch eine "attraktivere Darstellung" linker Inhalte zu erreichen. (Die Frage nach dem Wert von Symbolen oder der Vermittelbarkeit von "gesellschaftlichen Utopien" gehört dazu. Die Linke vermittelt zu oft den Eindruck, selbst nicht mehr an die Veränderbarkeit der Gesellschaft zu glauben und wirkt dadurch oft gelähmt und wenig "attraktiv" für Außenstehende)
Strategische Bündnisse (z.B. bei Gegendemonstrationen) können ein Weg sein, die Isolation der Linken wenigstens punktuell zu umgehen, allerdings befinden sich viele der potentiellen BündnispartnerInnen ebenso in einer tiefen Sinnkrise (alternative Vereine, Gewerkschaften etc.). Wesentlichster Punkt bei der Frage nach dem Sinn von Bündnissen ist aber, wie weit es möglich ist, die eigenen Inhalte darzustellen. Beispiele gibt es dafür im Positiven wie Negativen reichlich. Die Erfahrungen letztes Jahr in Rostock, wo selbst von Mindestforderungen abgegangen wurde um die Bündnisfähigkeit zu erhalten, stellen meiner Meinung nach den negativen Höhepunkt dar, während ich die diesjährige Bündnisarbeit um die zwei NPD-Demos in Magdeburg eher positiv bewerten würde. Prinzipiell denke ich, daß Bündnisse dann legitim sind, wenn es gelingt, eigene Forderungen so zu verpacken, daß eventuelle PartnerInnen sie für ihre eigenen halten und sie dadurch mittragen können, oft wird dies nur durch Formulierungsfragen möglich.
Eine Frage, die innerhalb der Linken nur selten Beachtung findet, ist die Besetzung von Schnittpunkten, wie die Mitarbeit in Vereinen und Stiftungen und die Zusammenarbeit mit Parteien und Gewerkschaften. Diese Organisationen bieten finanzielle Möglichkeiten und einen Präsentationsrahmen, der in der Öffentlichkeit nicht mit Linksradikalität besetzt ist. Das heißt, daß bei der Organisierung öffentlicher Veranstaltungen nicht automatisch die üblichen Abwehrmechanismen gegenüber "den Antifas" oder "den Autonomen" etc. einsetzen und öffentliche Räume konsequenter genutzt werden können
So war es mir persönlich in den letzten Jahren möglich, die verschiedensten Bildungsveranstaltungen zu organisieren, wobei die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit und Gegenwart, sowie die Thematisierung des alltäglichen Rassismus Schwerpunkte waren.
Diese Zusammenarbeit geht über die normale Bündnisarbeit hinaus und ist von vielen schwer beeinflußbaren Faktoren abhängig, ist aber trotzdem geeignet neue Handlungsspielräume zu erkämpfen und sollte deshalb mehr Beachtung finden.

Die Diskussion

[Einem technischen Fehler ist es zu verdanken, daß an dieser Stelle nicht die transkribierten Wortmedlungen dokumentiert werden können. Stattdessen sollen auf der Grundlage von Notizen des Referenten und des Moderators wenigstens die Eckpunkte der Diskussion benannt sein.]


1. Kaum erstaunlich, fast alle TeilnehmerInnen der Diskussion "Öffentlichkeitsarbeit" fanden diese sehr wichtig. Unterschiedliche Herangehensweisen und AdressatInnen standen im Zentrum der Auseinandersetzung.

2. Überwiegend geteilt wurde die Einschätzung, daß hierzulande sich potentiell "linke Subjekte" nicht mehr aus der sozio-ökonomischen Struktur der Gesellschaft vorbestimmen lassen, diesbezüglich sich die "Zielobjekte" linker Öffentlichkeitsarbeit nicht von selbst ergeben. Auch das Verschwinden des liberalen Politikspektrums, welches früher oft angeführtes Ziel der Öffentlichkeitsabeit war, wurde angemerkt.

3. Eine weitere Einschränkung verbindet sich mit der von breiten Bevölkerungskreisen getragenen rassistsichen Normalität in Deutschland, bzw. mit der von vielen als "rechter Konsens" beschriebenen gesellschaftlichen Situation. Deshalb verbiete sich eine "blinde Agitation", beispielsweise rassistischer TäterInnenkreise, weil dies der angebrachten politischen Polarisierung, d.h. der Kenntlichmachung der linken Position im Wege steht.

3. Dies solle aber nicht dazu führen, immerwährend die Ausweglosigkeit linker Bemühungen zu beschreien, vielmehr gelte es die immer noch bestehenden Möglichkeiten auszunutzen.

4. Als solche wurde in der Gesellschaft existierende Konfliktlinien betrachtet. Dort, z.B. bei existierenden Aversionen gegen Nazi-Aufmärsche oder Bürgerrechtsbeschneidungen müsse jedoch nicht nur auf einen Zug aufgesprungen werden, vielmehr bedarf es nicht nur oft des Anschubs, sondern besonders der deutlichen Sichtbarmachung der linken/linksradikalen Position. Nur so ließe sich Zustimmung für das spezielle Thema und darüberhinaus für die Linke im allgemeinen gewinnen.

5. Unterschiedliche Interpretationen gab es dazu, ob diese Kenntlichmachung schon über den alltäglichen Umgang in sozialen Zusammehängen (z.B. "linkes Auftreten in der Firma") gelingt, oder ob es nicht dazu vielmehr einer politischen Organisierung, also im Wesentlichen der Gruppe bedarf.

6. Es wurde mehrmals darauf verwiesen, daß bei der oft angestrebten Bündnispolitik die "eigenen Inhalte" viel sichtbarer werden müßten, um der Vereinnahmung als Zivilgesellschaftslangweiler oder liberaler Zombies zu entgehen.

7. Dazu müßten die Bündnisse jedoch ernst genommen werden. Das heißt ausschließlich instrumentelle Verhältnisse sollten möglichst vermieden werden. (Praktisches Beispiel: Eine Antifa-Gruppe will eine Demo machen, läßt diese aber von einem Mitglied einer grünen Bürgerinitiative anmelden, weil sie Angst vor einem Verbot oder anderen Repressalien hat und den guten Ruf der Ini für die Pressearbeit nutzen möchte. Gelingt es, die Anmelde-Fraktion von den eigenen Inhalten zu überzeugen und kann dies auch noch während der Demo, beispielsweise über entsprechende Symbolik und das Auftreten etc. ausgedrückt werden, ist die linke Position nicht nur transparent, sondern auch schwieriger ausgrenzbar. Gelingt dies nicht, wird der Bündnispartner es leicht haben, bei Mißerfolg, z.B. gewalttätigen Übergriffen der Polizei, den schwarzen Peter abzugeben oder bei Erfolg, diesen für sich alleine zu verbuchen.)

7. Jugendliche sind wichtige AdressatInnen linker Öffentlichkeitsarbeit, weil hier bei gewissen Themen und für bestimmte Vermittlungsarten ab und an noch etwas mehr Offenheit anzutreffen ist.

8. Trotzdem solle daraus keine Ausschließlichkeit abgeleitet werden. Eher geht es darum einen pragmatischen, an den jeweiligen politischen Ereignissen abgestimmten Umgang mit Öffentlichkeitsarbeit zu finden.

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