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Antifaschistische Jugendarbeit

ASN & RAAL
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Referat Antifa SchulNetz Leipzig:


Vorwegzunehmen ist, daß es sich bei dem ASN ursprünglich um ein von SchülerInnen selbst initiiertes Jugend-Antifa-Projekt handelt, welches nicht durch schon bestehende Strukturen ins Leben gerufen wurde.

Thesen zur Jugendarbeit

Inhaltliche und formelle Ausrichtung

Antifaschistische Jugendarbeit ist wichtig, um Jugendlichen linke Politik nahe zu bringen und um linken Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, ihr politisches Bewußtsein zu entwickeln und selber politisch wirksam zu sein.
Beim ASN soll sich das anfangs eher als Gefühl vorhandene Politikverständnis zu einer Politik entwickeln, die darüber hinausgeht, gegen das Bestehende in Aussehen und Verhalten zu rebellieren und aus einer Anti-Nazi-Haltung soll eine Politik werden, die sich grundsätzlich gegen rassistisches und nationalistisches Denken richtet. Zu der Entwicklung eines fundierten Weltbildes gehört ebenso die kritische Auseinandersetzung mit Hierarchien und Sexismus, sei es nun im Bezug auf die eigene Gruppe oder die Gesellschaft, wie auch die Verständigung über Kapitalismusanalysen und Gesellschaftsentwürfe. Uns ist es wichtig, daß Praxis und Theorie eine Symbiose bilden, damit Politik nicht zur Farce wird. Nur so kann sich für uns beispielsweise ein politisches Militanzverständnis entwickeln, welches sich klar von einem Gewaltfetischismus auf der einen Seite, und einem verklärten Pazifismusideal auf der anderen Seite abhebt.
Der Anspruch für antifaschistische Jugendarbeit sollte es also sein, eine politische Identität bei Jugendlichen zu erzeugen, die über eine soziale Identität, wie das Dazugehören zu einer Subkultur, hinausgeht. Es muß ein Bewußtsein entstehen, das die gesamte Gesellschaft kritisch hinterfragt.
Das ASN legt Wert darauf, eine heterogene Gruppe im Rahmen eines linken Politikverständnis zu sein. Das heißt sowohl inhaltlich als auch im Bezug auf die Umsetzung wollen wir offen und fähig zu einer Weiterentwicklung bleiben. Gruppeninterne Hierarchien und festgefahrene Strukturen müssen ständig in Frage gestellt werden, ohne daß darunter Verbindlichkeiten leiden.

Antifaschistische Politik und ihre Attraktivität

Unter diesen inhaltlich und formellen Prämissen muß es gelingen, antifaschistische Politik für Jugendliche attraktiv zu machen. Nötig ist zuallererst, attraktive Freiräume in eindeutiger Abgrenzung zu Schulen und Jugendclubs zu schaffen, an denen sich linke Jugendliche treffen, wo sie sich austauschen können, Informationen bekommen und von wo aus sie an Antifaschistische Strukturen herantreten können. Wichtig hierbei kann ein differenziertes Zugehen auf diverse subkulturellen Gruppen sein. Das können regelmäßige Partys, Cafés o.ä. sein, die eben genanntes erfüllen. Wirksam ist es, Schulen und Jugendclubs mit Infomaterial, Plakaten und Graffitis einzudecken, weil über diese Orte alle Jugendlichen erreicht werden können. Empfehlenswert ist auch eine SchülerInnenzeitung, die zusätzlich auch noch für viele Themen sensibilisieren kann. Diese Aufzählung ist aber absolut kein Garant dafür, Jugendliche wirklich aktiv werden zu lassen. Das müssen Strukturen leisten, die Jugendlichen die Möglichkeit geben, sich auf vielen Feldern zu betätigen. Sei es theoretisch oder praktisch. Wobei auffällt, daß Jugendliche ihre Hemmungen und ihr Konsumverhalten eher in kleineren Kreisen ablegen. Hinderlich sind hierbei besonders Cliquenwirtschaften und arrogantes Auftreten von Älteren, wenn diese zum Beispiel nicht in der Lage sind Erfahrungen und Wissen an Jüngere heranzutragen, mit ihrem Wortschatz zu haushalten oder mit anderen Herangehensweisen umzugehen. Auch ein zu hohe Gewichtung von Konspiration kann auf Jugendliche hemmend wirken. Wichtig sind also insbesondere eine höchstmögliche Transparenz, ein Zugehen auf Jüngere und eine Form gleichberechtigten Umgangs miteinander. Unter ein verantwortungsvolles "Miteinanderumgehen" fällt auch, daß Jugendlich nicht instrumentalisiert oder verbraucht werden. Die Vermittlung eines linken Politikverständnisses ist besser als dogmatische Phrasendrescherei, plakative Propaganda oder Klamotten- und Körperkult, die eher rekrutieren, anstatt Jugendlichen die eigene Politik zu vermitteln.

Antifaschistische Jugendarbeit vs. Sozialarbeit

Eigentlich lag uns eine vergleichende Auseinandersetzung mit Sozialarbeit bisher fern, da in der thematischen Fragestellung aber gefordert, hier ein kurzes Eingehen darauf.
Die Unterschiede zur "normalen" Sozialarbeit liegt für uns darin, nicht sozial, sondern politisch mit Jugendlichen zu arbeiten. Heutige Sozialarbeit blendet jeden Politikansatz aus und sucht Hilfe für die Jugendlichen in ihrer Resozialisierung in die bestehende Gesellschaft. Während Antifa-Jugendarbeit die Jugendlichen anregen soll, politische Verhältnisse zu hinterfragen und zu ändern.


Referat Rote Antifaschistische Aktion Leipzig:

Wir wollen uns nicht vom Politikansatz des ASN abwenden, sehen aber das ganze Thema von einer anderen Perspektive. Wir sind praktisch ältere Antifaschisten und gucken, wie können wir Jugendarbeit angehen und auf Jugendliche zugehen. Das ist ja was anderes als eine Selbstorganisierung. Jeder Ansatz von Jugendarbeit ist erstmal besser als keiner. Somit unterstützen wir einen solchen Selbstorganisationsansatz. Wenn sowas funktioniert, finden wir das gut. Das ist normalerweise aber nicht der Regelfall, da es häufig in solchen Gruppen zu Schwierigkeiten kommt, wo eine Erfahrungsvermittlung weiterhelfen hätte können. So kommt es zu Fehlern, die von vor hinein hätten umgangen werden können.
Einleitend wollen wir sagen, daß es 1996 eine soziologische Studie vom Bundesverfassungsschutz gab, da wurde gefragt: Was sind die Autonomen? Da werden verschiedene Dinge angesprochen. Zum Beispiel daß die durchschnittliche Verweildauer von Personen in der autonomen Szene 1-3 Jahre beträgt. Danach sind die Leute frustriert von den erhöhten Ansprüchen, und dem was schließlich umgesetzt wird. Dann zerfallen die Gruppen und die meisten Leute fallen raus. Das Potential an Autonomen die länger in wechselnden Konstellationen dabei bleiben, wurde in dieser Studie auf 3000 bis 5000 geschätzt. Und das Ausstiegsalter liegt bei ca. 28 Jahren. In diesem Berufstätigenalter ergeben sich neue gesellschaftliche Alternativen, womit auch ein Ausstieg aus der Linken zu verzeichnen ist.
Ein beachtlicher Satz ist, und mit dem wollen wir einsteigen: "Eine Massenbasis haben militante Autonome vor allem in den Altersgruppen der 13-16jährigen. Hier verfügen sie über ein tatsächliches Mobilisierungspotential von mehreren 10000 Personen bundesweit.” Und das ist die zentrale Sache, an der wir ansetzen, denn tatsächlich sind die 13- bis 16jährigen unser Mobilisierungspotential. Das sind Jugendliche die mit ihrem Elternhaus in Konfrontation treten, die sich umgucken, die gesellschaftliche Mißstände erkennen, dagegen was tun wollen, das sind die Leute, an die wir uns im Prinzip auch wenden wollen. Es gelingt uns immer schlechter unser Mobilisierungspotential, welches wir zum Beispiel in den Subkulturen haben, zu begeistern. Das liegt vor allem darin, daß wir ein schlechtes Bild nach außen abgeben.
Im Weiteren wollen wir zusammenfassen, wo die Punkte liegen, die eine Attraktivität der radikalen Linken in der Vergangenheit ausgemacht haben. Es waren unserer Meinung nach immer drei Felder: Freie Liebe, Drogenkonsum und das militante Auftreten. Im Endeffekt geblieben ist uns das militante Auftreten auf der Straße, was in keiner Art und Weiße irgendwie integrierbar ist. Der Drogenkonsum und die freie Liebe sind Aushängeschilder der kommerzialisierten Technobewegung geworden.
Ein Problem ist für uns auch das überhöhte Anspruchsdenken im Umgang mit Hierarchien. Es ist immer so, daß ältere AntifaschistInnen über mehr Wissen verfügen und es dadurch automatisch Hierarchien gibt. Wir sagen, daß wir diese Hierarchien erstmals so anerkennen müssen, daß diese aber nicht unumstößlich sein müssen. Wir versuchen da stärker auf eine Vermittlung hinzuwirken und sagen: Hierarchien sind erstemal da. So machen wir das dann in der Antifajugendgruppe, versuches das dann aber dahingehend aufzulösen, daß man die Hierarchien klar benennt und probieren durch eine Wissensvermittlung eine Auflösung der Hierarchien zu erreichen. Im Endeffekt kann man sagen, daß es in autonomen bzw. linksradikalen Strukturen immer sehr starke Hierarchien gegeben hat, wenn das auch immer geleugnet wurde und wird. Das waren halt immer soziale Hierarchien, wo Politik darüber gemacht wurde, daß man bestimmte Leute gut kannte, daß man in irgendeiner Art beliebt war. Und so sind dann politische Entscheidungen nicht durch Argumente, sondern durch Mauscheleien zustande gekommen. Besonders problematisch wurde das immer dann, wenn es zu persönlichen Streits innerhalb dieser Strukturen kommt und diese sich ganz massiv auf die politische Arbeit auswirken.
Kommen wir jetzt zu dem generellen Aufbau der Jugendantifagruppe. In solch einer Antifajugendgruppe ist es zentral, daß man als Anleiter nicht als autoritäre Person auftritt, die praktisch sagt, wo es langgeht, sondern als Respektsperson. So haben wir das genannt und das ist natürlich ein schwieriger Begriff. Aber es soll erst mal klar sein, wer diese Gruppe initiiert hat. Die älteren Antifas bieten bestimmte Diskussionspunkte an und probieren natürlich schon die Diskussion in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die Anleiter probieren bestimmte Fragestellungen aufzuwerfen, an denen sich dann eine Diskussion entzündet. Sie, die Anleiter, diskutieren dann da auch mit, versuchen aber soviel wie möglich, eigenverantwortliches Handeln auszureizen. Im Idealfall sollte das dann so laufen, daß innerhalb von ein bis zwei Jahren linksgerichtete Grundwerte auf jeden Fall vermittelt werden: Verhaltensweisen, Umgang mit Repression und anderen Dingen. Und es sollen dann natürlich immer wieder neue Leute hinzukommen. Die Leute, die schon einen erweiterten Erfahrungsschatz haben, können dann in andere bestehende Antifagruppen wechseln, weil es sonst so ist, daß sich irgendwann die Diskussionen im Kreis drehen. In älteren Antifastrukturen können diese Leute dann kontinuierlich weiterarbeiten. Die Erfahrungen auf die ich mich hier berufe, basieren größtenteils nicht aus Leipzig, weil die Gruppe hier noch sehr jung ist und die Jugendarbeit hier noch in den Kinderschuhen steckt, bzw. erst in der Planungsphase ist. Meine Erfahrungen basieren daher aus der Jugendantifaarbeit in Berlin.
Kommen wir jetzt noch mal zu den zentralen Schwierigkeiten, die unserer Meinung nach bei der Jugendantifaarbeit auftreten können. Das sind praktisch die Cliquenbildung und die Drogen. Diese Problem liegen unserer Meinung nach relativ eng beieinander. Auch hat man auf diese Probleme nur wenig Einfluß. So eine Cliquenbildung kommt zum Beispiel durch Liebesbeziehungen zustande. Daraus folgt dann, daß sich Leute ausgegrenzt fühlen, daß bestimmte Kreise alleine nur noch ihre Sachen machen. Dann wird teilweise das Diskussionsverhalten in der Gruppe beeinträchtigt. Hier denken wir, ist ein Eingreifen schwer möglich, weil sich solche Cliquen immer bilden. Der zentrale Moment ist hier, beim Eingreifen auf eine politische Diskussion zu setzen. Das man aus solchen Konflikten durch Diskussionen das Politische versucht herauszukehren und zu fragen, was ist daran jetzt privat und was ist daran das Politische und wo gibt es da Überschneidungen? So kann man probieren, Konflikte, wenn man sie erkennt, frühzeitig zu umschiffen. Das Drogen-Problem ist sehr komplex und die Ursachen sind ähnliche, wie bei der Cliquenbildung. Es ist so, daß immer ein relativ großer Pool von Leuten dazukommt, andere Leute bleiben weg. Das ist nun mal so bei offenen Gruppen. Es gibt auch eine ganze Reihe von Leuten, die Interesse haben, andere Leute kennenzulernen, daß ist für die interessant, da bewegt sich was. Und dazu gehören dann auch immer Drogen. Viele machen das erste Mal Erfahrungen damit, kommen das erste Mal damit in Kontakt. Und wenn man da nicht vorsichtig ist, und nicht sagt – O.K. man kann schon saufen und kiffen, aber man muß die Sache auch gut unter Kontrolle haben – dann kann es sein, daß die Leute nur noch bekifft zum Treffen kommen, daß sich die Gespräche nur noch ums Kiffen drehen und das Politische dann deutlich in den Hintergrund rückt. Und so was erreicht schnell solche Dimensionen, daß ein politisches Arbeiten dann überhaupt nicht mehr möglich ist und die Gruppe dann sehr schnell auseinanderfällt.
Weitere Problem in solchen Gruppen sind Sexismus und Machoverhalten. Das ist wahrscheinlich etwas, was jeder kennt. Viele Leute kommen neu in so eine Gruppe und wollen sich erst mal profilieren. Häufig kommt es dann zu Machoverhalten. Ein Beispiel ist der Waffenkult, der dann betrieben wird. Oder es wird geprahlt, wie viele man schon umgehauen hat. Es kommt zu extrem sexistischen Verhalten. Ich hab z.B. selber mal erlebt, das eine männlich Person aus einer Gruppe zu einer Frau aus der Gruppe hingegangen ist und ihr gesagt hat, daß ihre Freundin aber schon besser aussehen würde. Solchen Verhaltensweisen muß man ganz rapide einen Riegel vorschieben und klipp und klar sagen, daß man so was auf gar keinen Fall duldet. Man muß auch Sexismus schon relativ frühzeitig diskutieren und thematisieren und eine solche Mentalität überhaupt nicht zulassen, daß die Leute die auf der Straße die harte Welle machen, die Coolen sind, während die anderen nur solche Flugblattschreiber oder sonstiges sind. Man muß da unserer Meinung nach schon eine Einheit der Kampfformen fördern und sagen daß es sowohl gut ist auf der Straße nicht nur wegzuschauen, aber daß es genau so eine Sache ist, inhaltlich zu diskutieren und Flugblätter zu verfassen. Es muß den Leuten klar werden, daß das ineinander greifen muß. Es kann nicht so sein, das jeder sich nach seinen Möglichkeiten versucht zu probieren. Kein Mensch hat da die gleichen Voraussetzungen. Und es darf nicht sein, daß Menschen mit anderen Voraussetzungen und Ängsten ausgegrenzt werden oder sich deswegen nicht mehr in die Gruppe einbringen wollen. Hier gibt es auch keinen Spielraum, sondern hier muß man gleich rigide eingreifen. Anschließend an so ein Verhalten kann es dann relativ schnell zu Repressionen kommen. Darüber muß man auch frühzeitig reden. Das ist ein Gefahrenpunkt, der relativ frühzeitig eintrifft. Die Jugendlichen stacheln sich gegenseitig auf und sind sehr aktionistisch. Das gibt es eigentlich in jeder Jugendgruppe. Hier muß man den Leute auf Gefahren aufmerksam machen. Sonst machen die Leute dann irgendwelche unüberlegten Sachen, wie daß man bei irgendwelchen Demos ganz nach vorne rennt und dort wild gestikuliert. Dabei werden sie dann ganz schnell eingebuchtet. Diese Leute sind dann sofort eingeschüchtert. Eventuell kommt es dann zu Aussagen oder ähnlichen Dingen. Hier muß man halt relativ schnell probieren, mäßigend einzuwirken. Auch daß gelingt nur tendenziell. So kann man sagen: Hey überlegt euch mal, so und so kann es passieren, auf das und das müßt ihr achten. Man sollte ein verantwortliches Verhalten einzufordern und auf Demonstrationen auch probieren, die Leute regelrecht zurückzuhalten. – Ja, guckt euch das erst mal an und analysiert, wie die Bullen reagieren, das sind die Reaktionen die dann hervorgerufen werden, daß sind die Dinge die erlaubt sind –. Beim Thema Vermummung verstehen die Leute z.B. überhaupt nicht, warum das verboten ist und welche Gefahren da lauern. An solchen Ecken muß relativ schnell Erfahrung übermittelt werden. Also unser Ansatz, sich um die Leute zu kümmern, mit ihnen zusammen auf Demonstrationen zu gehen und ihnen die Dinge zu zeigen und zu erklären, gelingt ziemlich gut. Man selber muß zwar auf den Demos zurückstecken, was aber besser ist, als danach mit dem großen Zeigerfinger den Jugendlichen zu erklären, was für Scheiße sie gemacht haben. Dann läßt sich noch sagen, daß es in der Jugendantifaarbeit immer Höhen und Tiefen gibt. Es existiert eigentlich nicht das Paradebeispiel, wie es total super läuft. Es ist einfach so, daß es mal bergauf und mal bergab geht. Man darf auch nicht frustriert sein, wenn es mal wieder Scheiße läuft, mal viele Leute wegbleiben oder man da geraden gegen einen der drei Punkte wenig machen kann. In jungen Gruppen herrscht nun mal eine starke Dynamik.
Da kommen wir jetzt praktisch zum Generellen, zu der Tabelle, wie man praktisch eine solche Antifajugendgruppe aufbaut. Erstmal muß man sich mit der Gruppe auseinandersetzen, was man erreichen will, an welchen konkreten Zielen man die Arbeit organisieren will. In Berlin ist das zum Beispiel sehr stadtteilorientiert. Das heißt, dort geht man zu den Jugendlichen im Stadtteil und versucht mit denen im Stadtteil an dem Naziproblem zu arbeiten. Man muß zum Beispiel einen Raum finden in dem man sich treffen kann. In den Großstädten sollte das ganze stadtteilbezogen sein, in kleineren Städten können dann auch umliegende Gemeinden mit einbezogen sein. Auf jeden Fall muß man einen Raum finden, in dem man arbeiten kann, wo es auch keinen größeren Streß gibt. Dann würden wir vorschlagen, eine Antifajugendzeitung zu machen. Es gibt ja bundesweit ungefähr zwanzig verschiedene Jugendzeitungen. Man muß da thematisch überhaupt nicht großartig suchen, denn man kann sich einfach die anderen Antifajugendzeitungen schicken lassen und kann sich daran orientieren. Da macht man dann einige eigene Beiträge, zum Beispiel über bestimmte politische Ereignisse die vor Ort passieren. Es ist nicht so eine Höllenarbeit, wie man sich es denkt. In dieser Zeitung, man kann auch einen Flyer, also die kleinere Version, machen, sollte man dann für ein erstes offenes Treffen mobilisieren. In einer Gegend mit einem größeren Naziproblem sollten mehr Leute im Umfeld des Treffens bereitstehen, falls es Streß oder Ärger geben sollte. Es sollte dann aber nicht der ganze Raum voll mit älteren Antifas sitzen, das ist nicht Sinn der Sache. Beim ersten Treffen haben wir die Erfahrung gemacht, daß die Leute sich erst mal unschlüssig sind und man selber viel erzählen muß. Alle hören sich das erst mal an. Wir haben das dann immer so gemacht, daß wir gesagt haben, welche Probleme wir in diesem Stadtteil sehen und warum wir hier eine Antifagruppe machen wollen. Dann sollten die Leute nach ihren Vorstellungen gefragt werden. Bei den ersten Treffen ist es so, daß es zu einem wilden Sammelsurium von Vorstellungen kommt und viele Erwartungen da sind. Hier sollte man, so denken wir, nicht so eingreifen, sondern erst mal die Punkte sammeln, auch mit den Leuten überlegen: -O.K. wir können uns das als erstes als Aktion überlegen-
Wir gestalten die Treffen so, daß die inhaltlichen Sachen, wo auch die drei Problempunkte (Cliquenbildung, Drogen, Sexismus) darunter fallen, ungefähr die Hälfte dieser Treffen einnehmen sollte. In der anderen Hälfte sollten technische Fragen, Teilnahme an Demonstrationen und konkrete Aktionen geklärt werden. Damit sind wir eigentlich immer am günstigsten gefahren. Auf gar keinen Fall darf es so sein, daß irgendwie nur technische Fragen geklärt werden, da auf jeden Fall inhaltliche Diskussionen geführt werden müssen. Gerade dann, wenn man Probleme in einem der drei Felder sieht, dann muß das auch angesprochen werden. Die Erwartungen sollten nicht so hoch sein, da auch nach mehreren Jahren Antifajugendarbeit in Berlin kann man sagen, daß nur ca. 10 Prozent von der Anfangsmasse längere Zeit ernsthaft linksradikale Politik machen. Also es ist ein großer Durchlauf, viele Leute gucken sich das an und gehen dann wieder raus. Das ist halt ein ständiges Kommen und Gehen. Im Endeffekt hängen bleibt dann nur bei wenigen etwas. Ja, es ist halt relativ problematisch, daß sieht man hier auch in unserem Text in dem Reader, daß das Feld über das man reden könnte, relativ groß ist. Das geht von den Fehlern, die die Autonomen in der Vergangenheit gemacht haben, wodurch die Attraktivität der Autonomen nachgelassen hat, bis hin zu konkreten Nachfragen zu der Struktur, zu den Erfahrungen, die wir da gemacht haben.

Die Diskussion:

Publikum1: Mir ging es um das Anleiter-Konzept, worin ich einen problematischen Ansatz sehe: Ihr sagt, das Konzept sei effektiv und vermittelt am besten Wissen. Was du aber aussparst, ist das Problem, daß den Leuten dadurch zu glauben gegeben wird, erst einen Status erreichen zu müssen, um politisch arbeiten zu können und wenn sie den Status erreicht haben, politisch ausgebildet sind. Das heiß, daß sie dann in bestimmten Bereichen sich nicht mehr beschäftigen müssen. Meine Kritik an den in diesem Sinne "fortgeschrittenen" Antifas ist, daß die dann alles schon meinen diskutiert zu haben, und sich dann beispielsweise nicht mehr mit Sexismus auseinandersetzen müssen.

RAAL: Ich würde schon sagen, daß es sich da um eine Art Grundausbildung handelt. Wenn jeder mal auf seine eigene Politisierung guckt, dann ist es doch tatsächlich immer so gewesen, daß man sich an Älteren orientiert, daß man bestimmte Dinge liest, auch in Diskussionen bestimmte Eckpfeiler linksradikaler Politik praktisch erfaßt und hinterfragt. Das kommt doch nicht von selbst. Leute die sagen, sie haben sich das alles alleine erarbeitet, daß was praktisch immer das Traumbild der traditionellen Autonomen war, haben Unrecht. Es gibt immer Leute, die einem etwas vermitteln, was mal schlechter und mal besser klappt. Und es ist so, daß wir ganz klar sagen, wir probieren Hierarchien zurückzubilden, indem wir versuchen, wie es im Konzept steht, uns mehr und mehr aus den Strukturen zurückzuziehen. Wir probieren, eine Zementierung der Hierarchien zu vermeiden. Das Problem, welches du ansprichst, gibt es. Da verstecken sich Leute, weil klar ist, die Anleiter übernehmen immer relativ viel. Davon müssen die Anleiter wegkommen. Hier muß eigenverantwortliches Handeln gefördert werden. Und im Endeffekt ist es wirklich so, daß kein wirklicher Antifaschist von sich sagen kann, die Diskussion ist jetzt abgeschlossen. Man muß immer auf neue Herausforderungen der Gesellschaft reagieren und deswegen gibt es keine Diskussion, die abgeschlossen ist. Man muß immer probieren, sich weiterzuentwickeln, weitere Dinge hinzuzulernen. Deswegen versuchen wir Hierarchien klar anzusprechen. Für uns ist klar, Strukturen ohne Hierarchien gibt es nicht. Politische Hierarchien sprechen wir an, und soziale Hierarchien, die bei den Autonomen ganze Zusammenhänge zerschlagen haben, versuchen wir auszuschließen oder zu vermeiden. Es muß für alle Beteiligten klar sein, daß solche politischen Hierarchien verschiebbar und übertragbar sind. Diese Sprache klingt jetzt furchtbar technokratisch und in der Praxis würde ich Jugendlichen gegenüber nicht so sprechen.

Publikum 2: Was ich noch als weiteres Problem sehe, daß du traditionelle autonome Ansätze kritisierst, aber gleichzeitig sagst, in euren Gruppen gäbe es eine Ausfallquote von 90 Prozent. Ich komme aus einer Gruppe ohne Anleiter, ohne feste Strukturen, und hier gibt es viel weniger Leute, die wegbleiben, sondern die Leute finden sich dann in neuen Gruppen zusammen. Auf mich wirkt euer Ansatz so parteilich.

Publikum 3: (Zu 2) Du kommst aus Berlin, dort kannst du mit einer ausgeprägten autonomen Szene Leute erreichen. In Bochum, eher einem Provinznest, da klappt das nicht. Bei uns hat sich eine Gruppe von Jugendlichen gefunden aus den unterschiedlichsten subkullturellen Ecken, Hip Hoper, Punks, Hardcorer u.s.w.. Das gestaltet sich sehr schwierig. Die Subkulturen kämpfen da gewissermaßen gegeneinander. Der verbindende Ansatz ist dann halt Antifa.

Publikum1: Es sollen ja nicht alle, die sich in einer solchen Gruppe finden, zu einem autonomen Spektrum gehören müssen. Ich kenne Leute, die ein bißchen was erlebt haben in der Jugendantifa, danach sich in ihrer Musikszene zurückziehen und dort dann arbeiten und eine andere Kultur versuchen aufzubauen. Das ist dann keine autonome Szene, die vertreten dann nicht genau meinen Standpunkt, aber sie machen etwas, mit dem ich mich vereinbaren kann und wo ich sehe, daß es in meine Richtung wirkt. Insofern ist das auch viel emanzipatorischer, weil ich hab nicht denn Anspruch, daß alle Leute Autonome werden sollen. Das wäre der Kampf um Köpfe, an den ich nicht glaube.

RAAL: Hier laufen jetzt mehrere verschiedene Dinge zusammen. Was wir in dem Text als traditionelle Autonome beschrieben haben, das ist für mich eher ein Kulturbegriff und in diese Kultur paßt nur eine ganz bestimmte Sorte von Leuten rein. Und das sind auch die Leute, die wir erreichen. Das sind nämlich nur ein Prozent der Jugendlichen, die da am Ende hängen bleiben. Das sind vor allem Leute, die über soziale Zusammenhänge dazukommen, die lernen Leute kennen, denen gefällt es auf dem Bauwagenplatz u.s.w.. Das ist jetzt übertrieben formuliert, aber es ist schon so, daß das eine soziale Identität und keine politische ist. Und ich will nicht, daß die Leute Autonome werden, sondern, daß sie Linksradikale werden. Ich habe z.B. Ende der 80'er Jahre in der Punkszene angefangen. Damals war die Situation noch anders, da war die Jugendsubkultur noch viel politisierter. Heute kommen die Jugendlichen, die wir erreichen, vor allem aus dem Bildungsbürgertum, die politisch in eine linksliberale Richtung schon vorgeprägt sind und die einen bestimmten intellektuellen Standart erfüllen können. Schwierig ist, daß das eine kleine Gruppe von Jugendlichen ist, es aber eine große Gruppe von Jugendlichen gibt, die mit den gesellschaftlichen Verhältnissen unzufrieden sind. Die sich aber von diesen kulturellen autonomen Codes ganz klar abwenden. So ist es auch bei Altersgenossen von mir, die mit mir in der Antifabewegung angefangen haben, Ende der 80'er Anfang der 90'er, die auch über den Hardcore funktioniert hat, der sehr wichtig für viele war. Heute sagen viele, daß sie nichts mehr damit anfangen können, sie müssen arbeiten, da sie nicht aus dem studentischen Milieu kommen. Die sind dann in das Hooliganmilieu abgeglitten. Die sagen dann, dort gibt es auch Nazis. Es kommt dann sozusagen zwangsweise zu einer Entpolitisierung. Ich will auch die Jugendlichen versuchen zu erreichen, die aus einfacheren Elternhäusern kommen. Ich probieren die Jugendlichen zu politisieren und nicht über einen kulturellen Zusammenhang zu kriegen. Ich will jetzt nicht gegen den kulturellen Ansatz argumentieren, ich will nur sagen, daß es mir unseren Ansatz, der gewisse Regulierungen vorsieht, möglich war, Jugendliche verschiedener sozialer und subkultureller Gruppen einzubinden, und es möglich war zusammen zu arbeiten.

ASN: Unsere Erfahrungen sind in Leipzig ähnlich. Der Prozentsatz, der in der linksradikalen Bewegung bleibt, ist sehr gering. Auch wenn wir zumindest politisch eher einen traditionellen Ansatz haben und ein anderes Konzept haben als beispielsweise die RAAL in Leipzig. Auch unserer Meinung nach ist es gescheitert Jugendliche über einen solchen kulturellen Ansatz zu ziehen, weil es kaum noch Subkulturen gibt, wo über die Musik oder anders etwas politisch vermittelt wird. Darum ist es heute um so wichtiger, ein Politikverständnis rüber zu bringen und weniger auf diese soziale Identität zu bauen, wo ich auch bei diesem Kongreß merke, daß das noch ziemlich "In" ist.

Publikum 4: Ich finde es gut zu sagen, Hierarchien existieren und damit müssen wir uns auseinandersetzen. Ich denke aber nicht, daß man diese Anleiterrolle so idealistisch darstellen kann. Ich kann mir gut vorstellen, daß man sich in einer solchen Rolle schnell wohlfühlt. Es ist also zwingend, daß die Leute, die sich in solchen Positionen befinden, sich extrem mit ihrer Rolle auseinandersetzen müssen. Beim ASN-Ansatz finde ich gut, daß man merkt, bei denen geht es nicht nur um Masse. Das finde ich besser als wenn es nur um Masse als Ergebnis geht und sonst nichts herauskommt. Es ist falsch, pragmatisch an Jugendarbeit heranzugehen.


RAAL: Ich habe in meinem Vortrag vergessen zu sagen, daß man auf eine solche Gruppe, politisch nur in einem bestimmten Rahmen Einfluß hat. Ich habe festgestellt, daß bei den Leuten ein Vorprägung vorhanden ist, die mitentscheidet, in welche Richtung die Leute auch gehen. Es werden immer Stereotypen, wie Partei, genannt, aber ich will nichts aus den Leuten herausdrängen. Ich will probieren ein linksradikales Bewußtsein zu fördern. Und wenn die Leute dann in andere Gruppen gehen als die rote Antifa, dann ist mir das auch recht. Es ist zentral, daß man nicht von vornherein den Leuten von oben etwas vorgibt, sondern daß man ihnen bestimmte Dinge anbietet. Was ist Anarchismus? Was ist Kommunismus? Wo liegen da die Unterschiede. Und das es dann nicht zu solchen Aussagen, wie bei den Autonomen kommt: –Kommunismus ist das, was deine Eltern wollen–. Zu solchen Stereotypen soll es nicht kommen.
Gerade im Umgang mit Hierarchien hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren eine ganz massive Scheinheiligkeit eingeschlichen. Und wenn man diese Scheinheiligkeit nicht beim Namen benennt, dann hat das negative Folgen für unsere Bewegung, gerade was die Glaubwürdigkeit angeht. Jeder der in der autonomen Bewegung war, hat erkennen müssen, daß es da bestimmte Stereotypen gibt, z.B. immer diese Herzlichkeit u.s.w., nach denen gehandelt wird, wo aber nichts dahinter steht. Besonders politisch steht da nichts dahinter. Politisches Arbeiten stößt da an eine Grenze. Wenn ihr euch in eurer Umgebung umguckt, werdet ihr überall Hierarchien erkennen. Selbst, wenn ihr Hierarchien permanent ansprecht, wie beim ASN, sind die Hierarchien trotzdem noch existent. Die lösen sich nicht einfach auf. Wir sagen, daß es überall, wo sich Menschen in der Gesellschaft zusammentun, Hierarchien entstehen.
Wir sagen dann: –Wer viel macht, der hat viel zu sagen–. Das ist einfach so, darf aber nicht über den politischen Argumenten stehen. Und es muß klar benannt werden, wegen des Ziels, Hierarchien aufzulösen und der Möglichkeit für jeden, sich nach seinen Möglichkeiten politisch zu engagieren. Diese zentrale Aussage ist uns hier sehr wichtig.
Außerdem muß bei Streitigkeiten immer die politische Diskussion gefordert werden. Wenn manches nur auf sozialem Weg gelöst werden kann, dann kann das natürlich auch so geschehen. Aber ein politisches Arbeiten muß weiterhin möglich sein.

Publikum 5: Wenn die Respektsperson die Gruppe verläßt, in der Gruppe aber neue hinzukommen, die noch nicht angelernt sind, wie geht das dann weiter.

RAAL: Respektsperson ist natürlich ein schwieriger Begriff, weil das ja eine Autorität meint. Durch den HipHop-Diskurs ist dieser Begriff aber ein wenig aufgeweicht wurden. Wir haben das bewußt in unseren Text rein geschrieben, um zu sagen, was wir damit meinen. Wir denken daß die sogenannten Respektspersonen in eine bestehende Antifagruppe eingebunden werden müssen und daß die sich auf jeden Fall an Diskussionen beteiligen müssen. Ansonsten kann es passieren, daß sie sich mit den Hierarchien wohl fühlen, was nicht Sinn der Sache sein kann. Wir haben zwei Modelle offen gelassen. Das Model Eins bedeutet praktisch, daß die Gruppe irgendwann arbeitsfähig ist und sich die Respektspersonen ganz rausziehen, nachdem sie sich immer weiter zurückgenommen haben. Das Model Zwei sieht vor, daß die Leute aus der Gruppe in eine weitere Gruppe wechseln und in ihrer alten Gruppe dann als Respektspersonen weiter machen. Vielleicht ist Stichwortgeber die bessere Umschreibung als Respektsperson oder Anleiter. Diese Begrifflichkeiten sind wirklich ein Eiertanz und man kann das leicht in den falschen Hals kriegen. Und wir sehen auch die Probleme und daß man damit vorsichtig sein muß. Man muß da auch im sozialen Umgang sehr vorsichtig sein. Und man sollte sich dabei auch seiner Verantwortung bewußt sein.
Politische Hierarchien in unseren Gruppen sind leichter anzusprechen, als solche sozialen Hierarchien in autonomen Kreisen. Deren Ansprechen wird dann schnell persönlich genommen.

Publikum 6: Ich finde nicht, daß es immer Hierarchien gibt, außer wenn man auf Jugendliche zugeht. Du hast auch die Cliquenbildung bei Autonomen kritisiert. Ich finde, daß diese sozialen Kontakte in solchen Cliquen kontinuierlichere Arbeit zulassen, weil solche Gruppen an sich länger existieren.

RAAL: Das ist ja dann ein sozialer Zusammenhang, den du da beschreibst.

Publikum 6: Ja.

RAAL: Das steht ja nicht gegeneinander, daß du mit deinem Freundeskreis Politik machst. Was ich dir entgegne ist: Wenn du eine Jugendantifa aufmachst, dann ist es so, daß innerhalb der ersten drei Treffen die Hierarchien untereinander ausgefochten werden - gerade durch Cliquenbildung und durch extremes Machoverhalten. Da muß man gleich politisch intervenieren. Ich will da gleich auf das Politische setzen.
Daraus entsteht dann der Vorteil unseres Konzeptes. Wir kriegen Leute zusammen, die sozial nicht miteinander zu tun haben, weil wir auf politische Arbeit setzen. Das Manko der traditionellen Linksradikalen ist, daß sich deren Auswirkung an einer ganz bestimmten kulturellen Identität festmacht.

Publikum 7: Ich habe noch eine Frage an das Antifaschistische Schulnetz. Ihr habt angesprochen, daß Theorie und Praxis eine Symbiose bilden sollen. Aber spricht nicht eigentlich die Jugendlichen mehr die Aktion an. Oder anders: Was reizt die Jugendlichen und wie versucht ihr Jugendliche zu gewinnen.

ASN: Wo die RAAL recht hat, daß solche Anziehunspunkte, wie freie Liebe, Drogenkonsum, dieses Undergroundfeeling, worüber früher die Autonomen ein sehr attraktives Bild abgegeben haben, heute von ganz anderen Milieus besetzt sind. Deswegen geht das heute nicht mehr von allein und über solche Codes. Deswegen ist es heute wichtig auf Jugendliche zuzugehen. Es ist unheimlich wichtig und ich denke, daß es schon bei einigen Jugendlichen einen Bedarf gibt, in der ganzen VIVA-Welt etwas politisches zu machen. Genau in diese Kerbe muß man arbeiten. Man muß Jugendlichen politisch etwas anbietet, z.B. durch Publikationen. Man sollte da sich nicht mehr, wie bei den Autonomen, auf Anziehungspunkte verlassen, sondern sollte sich auf die Politik konzentrieren. Aktion hat auf jeden Fall eine anziehende Wirkung. Der Inhalt der Aktion sollte aber an erster Stelle stehen.

Publikum 6: (Frage an RAAL) Ich habe noch eine Frage zu den Diskussionen, die ihr versucht anzubieten, wie Kommunismus oder Anarchismus. Kommen solche Diskussionen an, bei Jugendlichen, die zu Treffen kommen, um Antifaarbeit zu machen.

RAAL: Wenn man Antifa-Arbeit macht, kommt man ganz klar irgendwann auf die Konfrontation mit den Verhältnissen, dann merkt man, daß was schief läuft. Da muß man sich dann überlegen, was man eigentlich anderes will. Diese Frage stellt sich irgendwann von selbst. Und da kann man verschiedene Ansätze betrachten, unterschiedliche Ansätze in der Linken. Das ist der Punkt, wo ich mich dann immer freue, weil ich eine solche Auseinandersetzung fördern will. Ob die Leute jetzt eher Anarchisten oder Kommunisten werden, ist dann erst mal egal. Es gibt dann die Klassiker, Filme, aktuelle Debatten, die man anbieten kann. Und wenn das dann gut läuft, freut man sich, daß sich was bewegt.

ASN: Was auffällt ist, daß diejenigen, die ein solches Interesse zeigen, diejenigen sind, die dann auch bleiben. Und diese theoretische Auseinandersetzung war lange Zeit ein Defizit beim ASN. Erst jetzt versuchen wir wieder, dieses Thema zu besetzen. Beachtet werden muß dabei, daß man zur Sensibilisierung bei Themen ansetzt, die Schülerinnen und Schüler interessieren. Ich finde diese theoretischen Auseinandersetzung auch deswegen so wertvoll, weil es eben dieses anfängliche Linksgefühl intellektuell fundamentiert und die Leute dann nicht mehr einfach davon lassen können, wenn nach der Schule z.B. ihre Clique, mit der sie sich zusammen als links verstanden, aufgrund differierender Lebenswege zerbricht.

Publikum 8: Ich wollte das ASN fragen, ob bei euch nur Schülerinnen und Schüler mitmachen und wie die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen ist. Und wie geht ihr mit der hohen Fluktuation um.

ASN: Die Fluktuation zermürbt uns ganz schön. Bei uns gibt es da zur Zeit die Entwicklung, mehr Themen anzubieten, damit sich die Leute auf dem Gebiet, was ihnen liegt, mehr entfalten können. Da sind auch die anderen Gruppen gefordert, die es in Leipzig gibt, mit eigenen Angeboten auf die Jugendlichen zuzugehen. Einfach damit die Jugendlichen etwas Interessantes für sich entdecken und dadurch bleiben. Bei den Meisten ist es schon so, daß sie eine Weile beim ASN sind, irgendwie wird es ihnen langweilig, die Schule wird intensiver und damit wieder wichtiger. Oder die Leute resignieren sehr schnell, finden alles auf einmal nicht mehr so wichtig. Auch ist diese bürgerliche Floskel schon richtig, daß die jungen Leute auch mal erwachsen werden. Das letzte betrifft dann die Leute, die sich während ihrer Pubertät eine soziale Identität in Form einer Gruppe suchen.
Ich gehöre zur ersten Generation, außer mir gibt es noch zwei bis drei Leute, die beim ASN verblieben sind, obwohl sie schon aus der Schule raus sind. Es gibt also Nicht-SchülerInnen im ASN. Hier ist klar zu sehen, wie sich Hierarchien zwischen den Alten und den Jüngeren eingeschlichen haben. Wir kämpfen darum, daß diese Hierarchien aufgelöst werden, was aber nicht richtig funktioniert, weil die Leute, die hinzukommen, uns sofort in dieser Position sehen. Ein schwieriges Thema, daß wir bisher immer nur ansprechen konnten. Ich würde nicht sagen, daß da die AAB oder die RAAL bei diesem Thema alles falsch machen, weil wir diese Hierarchien haben.

Publikum 9: Ich finde, daß Antifaschismus das Thema ist, worüber Jugendliche zur Zeit zur linksradikalen Bewegung dazu stoßen. Deswegen ist Fluktuation auch nicht schlecht, weil die Jugendlichen darüber oft in anderen linken Zusammenhängen landen.

ASN: Ich sehe das mit der Fluktuation nicht so positiv, weil die Leute dann meistens in einer Nische landen.

Publikum 9: Aber diese Nischen, die Kultur etc. machen die Antifa doch attraktiv.

ASN: Diese Nischen halten doch dann System eher am Leben, als das sie eine politische Wirksamkeit haben. Da gibt es nicht viel, was ich daran noch politisch nennen würde.

RAAL: Also ich würde sagen, daß Antifaschismus noch minimal der Bereich ist, wo wir gesellschaftlich etwas zu melden haben und alles andere ist wirklich ein Rückzug in Nischen, was vielleicht für einige persönlich o.k. ist, aber gesellschaftspolitisch hat das keinerlei Relevanz. Ob die Köpi in Berlin nun da ist, oder nicht, interessiert letztendlich nur die, die da drinnen wohnen und die Leute, die dann nicht mehr zu einem Konzert gehen können. Aber gesellschaftlich hat das keine Relevanz.
Wir müssen einfach sehen, daß wir uns als radikale Linke weltweit auf dem Rückzug befinden. Rechte und neoliberale Ideologien sind dagegen weltweit auf dem Vormarsch. Aus dieser Verteidigungsstellung agieren wir. An Rückschlägen dürfen wir nicht verzweifeln. Wir haben unsere Positionen und ganz zentrale Inhalte, auch wenn wir nicht den Weg zur Weltrevolution haben. Und zu diesen Positionen müssen wir stehen und auf deren Grundlage müssen wir Politik machen. Und deswegen mache ich auch gerne Jugendarbeit, auch wenn es anstrengend ist. Dort merkt man, es bewegt sich was. Und auch an Fluktuation kann ich was positives finden. Wenn ich solche Leute irgendwann wieder treffe, dann merkt man, da ist was an linker Position hängengeblieben. Und da man über Jugendarbeit viel erreicht, dadurch merkt man, daß sich in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen was bewegt. Und die starke Antifabewegung Anfang der 90er, die eine Jugendbewegung war, daß wirkt heute noch kulturell nach. Das merkt man bei Bands wie Freundeskreis. Das sind Leute die am Rand hängen geblieben sind. Und die Jugendarbeit die wir heute machen, auch die Jugendlichen, die wir nur tendenziell erreichen, wird kulturell Nachwirkungen haben. Das ist zur Zeit unsere Chance, Leute zu agitieren, so daß unsere Positionen stückweise hängen bleiben. Diese abschließenden Worte sind das, was mir noch mal wichtig war.

Publikum 10: Ich finde es sollten gar keine Hierarchien aufgebaut werden. Es sollten sich die älteren nur inhaltlich einbringen und sonst raushalten.

ASN: Bei Jugendarbeit ist es einfach so, daß man auf Jugendliche zugeht und mit denen versuchst was zu machen. Man ist dann automatisch in der Rolle drin, Erfahrungen weiterzugeben. Man versucht dort ein politisches Klima zu schaffen, weil es durchaus so sein kann, da erst mal nur gekifft wird. Durch dieses Einbringen ist man ganz schnell in einer gewissen Rolle. Von alleine erhält sich so etwas meistens nicht und entwickelt sich auch selten weiter.

Publikum 11: Ich komme aus einer Kleinstadt, wo die Fluktuation schon ein Problem ist. Es gibt nur eine Antifagruppe, keine linken Clubs. Die fitten Leute ziehen irgendwann verständlicherweise in größere attraktivere Städte. All das, was bei euch schon vorausgesetzt ist, existiert bei uns gar nicht und darum kann ich daraus auch nichts gewinnen.

RAAL: Das ist meiner Meinung nach ein Problem der Organisierung innerhalb der Antifaszene. Wir von der RAAL wollen eine bundesweite Organisationsdebatte innerhalb der Antifaszene. Und zwar eine die jenseits von AABO und BAT läuft. Weil es Bereiche gibt, die im Argen liegen und optimiert werden müssen. Größere Städte, wie Berlin, Hamburg, aber auch Leipzig und Göttingen, also Städte, die einen starken linken Namen haben, leben davon, daß politisierte Leute aus kleinen Orten da hin ziehen. Dort sind dann große Ballungszentren, von wo aus sich die Leute aber nicht wieder wegbewegen. Göttingen ist ein ganz grasses Beispiel. Die machen nur Demos in ihrem Umkreis. Unserer Meinung nach muß aber das Feedback der großen Städte bis in einen Umkreis von 100 km in die kleiner Ortschaften reingehen. Es muß z.B. wie in Berlin laufen, wo Regionalgruppen jedes Wochenende in kleine brandenburgische Ortschaften fahren, um mit den Leuten zu reden, was geholfen werden kann. Flugblätter drucken, Geld, Aufkleber und spontane Mobilisierungen sind Dinge, wo größere Gruppen helfen müssen. Hier muß sich organisatorisch vieles verbessern. Bisher herrscht hier eine totale Beliebigkeit. Die kleinen Antifagruppen bluten regelmäßig aus. Und es ist gerade so, daß kleine Antifagruppen relativ gut funktionieren, bis die Leute wegziehen. Und eventuell entsteht dann nach ein bis zwei Jahren etwas neues. Da entsteht keine Kontinuität. Die Basis der radikalen Linken existiert meiner Meinung nach in den kleineren und mittleren Städten. Und zwar ist in den großen Städten das kulturelle Angebot an Diskos, Partys und sozialen Zusammenhängen so groß, daß die Antifa gar keine so große Attraktivität besitzt. In kleineren Städten gehen die Jugendlichen entweder zu einem Konzert in einem linken Jugendclub oder zur Disko in das Schützenheim. Berlin lebt nicht davon, daß es politisch ist, sondern davon, daß alle Leute da hin ziehen um Politik zu machen. Und unser Anliegen ist eine Organisierung jenseits von dem Behaken zwischen BAT und AABO. Es gibt gemeinsame Ziele, die man verfolgen muß. Die inhaltlichen Konflikte können anders ausgetragen werden, als es bisher geschieht. Es wird viel zu wenig politisch diskutiert, wie die Probleme, die du ansprichst. Statt dessen werden Konflikte sehr persönlich ausgetragen. Da werden Stereotypen angewandt und Mechanismen in Gang gesetzt, die kaum zu kontrollieren sind. Wo nicht klar ist, wo das her kommt. Zum Beispiel wie entsteht ein Gerücht, daß innerhalb der AABO das goldene Abzeichen verliehen wird. So kommt man am Ende nicht auf die tatsächlichen Probleme, die wirklich belasten. Man guckt nicht nach dem Verbindenden, sondern nach dem Trennenden. Das paßte jetzt zwar nicht in den Antifajugendbereich. Aber in den kommenden Monaten wollen wir da versuchen eine Diskussion in Gang zu setzen.

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