Wie baue ich eine JugendbewegungAutonome Antifa (M)Das ReferatGuten Morgen,ich möchte mich beim Bündnis gegen Rechts (BgR) - Leipzig bedanken, daß es diesen Kongreß gibt, damit wir vorankommen in den Organisationbemühungen den Aufbau der Antifa betreffend. Gestern in den Vorträgen ging es hauptsächlich um offene Fragen und Diskussionen, es sind mehr Fragen stehen geblieben als Antworten und ich hoffe, daß es heute hauptsächlich um die Praxis gehen wird. Da gibt es meist mehr Widersprüche, weil niemand das Patentrezept hat oder eine endgültige Lösung, aber durchaus Konzepte, wie sich beispielsweise eine Jugendbewegung gestalten könnte. Ich habe den Vorteil an die gestrigen Diskussionen anzuknüpfen. Ich beziehe mich u.a. auf die Veranstaltung "Nazikultur - Diebstahl linker linke Codes?", vor allem auf den Aspekt, wie sich ein Bedeutungsinhalt einem Begriff oder Symbol zuordnet. Darum wird es am Ende des Referats gehen. Ansonsten geht es zwar nicht direkt um den gestern angeschnittenen Arbeitsbegriff, jedoch aber um Subjektwerdung im Kapitalismus. Ich kann nicht voraussetzen, daß alle unseren Text im Vorbereitungsreader gelesen haben. Deshalb sage ich kurz was zu den dortigen Thesen: Die Thesen 3 und 4 sind relativ eng miteinander verknüpft. Sie sind verschiedene Aspekte einer Frage: Im Text sind sie mit den Stichworten "Allgemein" und "Konkret" versehen. "Allgemein" bedeutet - aus unserer Sicht -, daß es gesellschaftliche Entwicklungen sind, auf die wir als radikale Linke zur Zeit kaum Einfluß haben. Wir sind zwar Teil der Gesellschaft und selbstverständlich gibt es eine wechselseitige Beeinflussung, aber unser Einfluß ist nicht unmittelbar, es fehlt die Möglichkeit der tiefgreifenden Intervention. Das bezieht sich zum einen auf die Frage, wie sich Begriffe in der breiteren Öffentlichkeit besetzen. Und das bezieht sich auf die erste These, daß die größte Jugendbewegung zur Zeit die Love Parade ist. Auch da haben wir auf das, was die Jugend beschäftigt, relativ wenig Einfluß."Konkret" bedeutet, daß wir uns mit dem momentanen Stand der Antifabewegung befaßt haben und dort durchaus Möglichkeiten des Eingreifens sehen. Hier und da können Nuancen im Handeln geändert werden, selbst mit den wenigen Mitteln, die Antifagruppen derzeit besitzen. Darauf werde ich sicherlich in der Diskussion wieder rumhacken, immer, wenn große Reden geschwungen werden, welche Möglichkeiten und Mittel wir eigentlich haben. Können wir einfach irgendwelche Symbole über Bord werfen, was gestern so ein bißchen anklang. Auch wenn das von den Referenten gar nicht so unmittelbar gemeint war? Auch darum wird es gehen. Gruppen wie die Antifaschistische Aktion Berlin oder wir, die schon relativ lange existieren, halten einen Vortrag immer vor dem Hintergrund ihrer eigenen Praxis und werden daran auch gemessen. D.h. ich nehme an, daß sich Einwände auch mit dem verquicken, für welchen politischen Ansatz wir stehen, das ist auch gut so. Trotzdem möchte ich, daß ich eher ein Medium bin, und daß sich die Diskussion nicht nur an unserer Politik reibt. Wie baue ich eine Jugendbewegung? Das mit dem Bau hört sich statisch an. Aber gerade diese Formulierung hat uns gut gefallen, weil wir uns als Teil der Linken verstehen, die etwas aufbaut. Wir haben diesen Aufbau-Gedanken nach wie vor nicht verlassen und begnügen uns nicht mit dem Schreiben von Papier, sondern versuchen direkt politische Praxis umzusetzen. Wie kann man an die Jugendbewegungfrage herangehen? In zweierlei Hinsicht: Einmal gibt es, wenn man sich die Flugblätter und Publikationen der Antifabewegung anguckt, zur Zeit die Diskussion über kulturelle Hegemonie der Rechten. Vor allem mit Blick auf den Osten der BRD: Eine Behauptung ist, dass die Rechten da die kulturelle Hegemonie innehaben und daran schließt sich die Überlegung an, wie wir dort wieder einbrechen können. Wie kann man sich also bei den Jugendlichen, die unsere Adressaten sind, die Hegemonie, die in den 70er und 80er stärker von links geprägt war, wieder zurückerobern? Das ist die eine Frage. Die zweite Möglichkeit, wie die Frage "Wie baue ich eine Jugendbewegung?" zu verstehen ist, ist folgende: Sind wir bereits so alt als Linke, und sprechen eine so komische (unvermittelte) Sprache, daß uns die Jugendlichen nicht verstehen? Wir versuchen, beide Fragen anzureißen. 1. Was ist kulturelle Hegemonie? Was die meisten Jugendlichen in dieser Gesellschaft prägt, ist der Mainstream und dafür steht symbolisch die Love Parade. Hauptinhalt dieser Jugendbewegung ist aber 100% in den Kapitalismus integriert ist. Dies, obwohl sie sich auf der Strasse bewegt und damit in der Regel das Rebellieren gegen gesellschaftliche Zustände assoziiert wird. Sie reproduziert nur das, was der Kapitalismus tagtäglich vorschreibt: Nämlich beliebigen Inhalt oder Verabschieden vom gesellschaftlichen Eingreifen, unpolitisches Dasein. Es drückt sich in Feiern aus. Gegen Feiern nun wiederum ist prinzipiell nichts einzuwenden. Jedoch dient das feiern "nur" zur (oberflächlichen) Bedürfnisbefriedigung. Eine Thematisierung der angestrebten Befriedigung ist hier aber nicht Inhalt der Bewegung, wobei ja gerade Bedürfnisse in der Regel stark davon abhängig sind, was der Markt an Bedürfnissen in uns hinein erzieht. Deswegen funktioniert alles so wunderbar, daß Bedürfnisse auf der einen Seite befriedigt werden und anderseits ökonomische und andere systemerhaltende Momente bedient werden. Diese Aussage ist plakativ, es geht dabei überhaupt nicht um die Musik. Es gibt selbstverständlich immer Leute, die ernsthafte Anliegen haben, egal ob sie Technomusik, Metall oder Punk hören. Mir geht es darum zu sagen, was eigentlich Mainstream ist: sich ausklinken aus dem Gedanken, daß ich mich beteilige an der Gesellschaft. Wenn das Nichtbeteiligen eine politische Verweigerungshaltung wäre, wäre auch dagegen nichts zu sagen. Jedoch ist dies nicht so, denn die Riesensause mit über 1 Millionen versessenen Konsum-Kids hat ihren haupsächlichen Sinn Kapitalismus zu bestätigen und zu reproduzieren. Jugendliche sind durch ihr Alter und wie sie sich von der Persönlichkeit her entwickeln, am offensten, was Veränderung angeht. Allerdings ist der Gedanke der Veränderung des eigenen Lebens oder der Gesellschaft überhaupt nicht mehr in den Köpfen der Leute. Es ist auf jeden Fall zu merken, daß das mehr und mehr nachläßt. Ziemlich eklig bei der Love Parade ist der vermeintliche Gleichheitsbegriff: Wir sind alle gleich, schwarz und weiß, love and peace; alles Versatzstücke aus der Hippiebewegung der 70er. Das hat mit dem überwiegenden realen Leben der Leute wenig zu tun, am Wochenende wird die Gleichheit und die Happiness gefeiert, wie auf MTV und VIVA oder im Internet, die sich aber real in den sozialen Bedingungen überhaupt nicht wiederfindet. Denn da wird auch der Techno-Freak davon profitieren, daß Arbeitsplätze zuerst für Deutsche vergeben werden, daß es eine rassistische Gesetzgebung gibt usw. Es koppelt sich also immer mehr ab, dieses Freizeitleben, wo versucht wird, irgendwas gleichzumachen, von dem, wie sich Kapitalismus manifestiert. Das vornweg, weil es viel mit den Adressaten unserer Politik zu tun. Es gibt ein Wechselfeld, was rechter Inhalt ist und was von der Gesellschaft kommt, was als rechter Konsens, rechter Vormarsch gemeint ist und den Nazis, die da einen Nährboden haben, gleichzeitig Impulsgeber sind oder gesellschaftliche Diskussionen aufgreifen. Es geht um den Teil der Jugendlichen, bei dem es bereits eine ablehnende Haltung der Gesellschaft gegenüber gibt. Wir politisieren zwar einige Leute, aber der größte Teil unseres Publikums hat schon eine gewisse kritische Haltung, interessiert sich beispielsweise für Antifa. Das damit zu tun, ob wir präsent sind oder nicht. Und es sind auch die Adressaten der Nazis, da geht es um rebellische Gedanken, die auch von den Nazis aufgegriffen werden, umdeuten; bewußt oder unbewußt. Grundsätzlich denken wir aber, daß die meisten jungen Leute durch den Mainstream kulturell nachhaltig geprägt sind und nicht durch die Nazis. 2. Die Linke ist überwiegend eine Jugendbewegung Das gilt insbesondere für die Antifa und die Teile, die das praktische Eingreifen in die Tagespolitik, nicht ad acta gelegt haben und nicht nur Papiere austauschen. Auch das gehört zum politischen Handwerkszeug, ist jedoch nur ein Teil. Die Tatsache, daß die Antifa eine Jugendbewegung ist, gilt in zweierlei Hinsicht. Ich beschreibe im folgenden eine Tendenz, es gibt selbstverständlich Ausnahmen, das ist nichts absolutes. Wir sind als organisierte Gruppe schon länger im Antifa-Bereich tätig, knapp 10 Jahre, und konnten die Entwicklung über einen längeren Zeitraum beobachten. Uns ist aufgefallen, daß das Durchschnittsalter in den Gruppen sich real zwischen 20 und 30 bewegt. Was meist damit einher geht, daß die meisten Leute in diesem Alter nicht gezwungen sind, ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft zu verdienen, sondern sich in einem Verhältnis befinden, wo der ökonomische Druck noch nicht so hoch ist, wo noch gewissen Freiheiten existieren. Der zweite Aspekt ist das Alter der Gruppen. Die Gruppen haben eine Halbwertzeit von 2 bis 3 Jahren, in der sie aktiv politisch tätig sind. In dieser Zeit unterliegen sie Prozessen einer klassischen Jugendgruppe und zerfallen letztendlich. Es ist z.B. nicht so, daß sich 1992 20, 30 oder 40 Gruppen in der BRD neu gründen, sich gleichzeitig entwickeln und dann gleichzeitig zerfallen, sondern dies ist ein dauerhafter und ungleichzeitiger Prozeß. In der BRD dürfte es über 100 aktive Antifa-Gruppen geben, die organisiert sind. Trotzdem bringen es Gruppen mit ihrer Politik nicht sonderlich weit, was nicht in erster Linie an ihnen liegt, sondern im wesentlichen an der Isolation linker Positionen allgemein. Auf jeden Fall ist ein immer wiederkehrender Verfall zu bemerken, was es sehr, sehr schwierig macht Kontinuität in der (Antifa)Bewegung herzustellen, anzuknüpfen und politische Forderungen an eine allgemeine Weiterentwicklung zu stellen. 3. Wo ansetzen? Womit wir bei der nächsten These wären: Wenn es Kritik an der Antifa gibt, dann die, das die Praxis sich zu stark an den Nazis orientiert. Wenn wir analytisch zum Schluß kommen, daß die Nazis gar nicht im Mittelpunkt stehen sollten, sondern die Entstehung von Faschismus nach wie vor auf die kapitalistischen Verhältnisse zurückzuführen sind, dann müßten eigentlich andere Handlungsschwerpunkte entstehen. Die Angriffspunkte, die man sich herausnimmt, um politisch anzusetzen, müßten sich zwangsläufig ändern. So steht auch derzeit die Forderung im Raum, daß eine Praxis anzustreben ist, die weniger die Nazis in den Mittelpunkt stellt, sondern wesentlich mehr auf die Bedingungen für die etnstehung von faschistischen Banden oder Rassismus in der Gesellschaft eingeht. Die Frage ist nun, an wen richte ich diese Kritik an der Antifa? An Gruppen, die nach 3 Jahren zerfallen? Bei Durchsicht der Flugblätter, wird kaum eine Antifa-Gruppe heutzutage mehr behaupten, die Nazis sind die Hauptursache für rechte Entwicklungen in der Gesellschaft. Trotzdem gibt es relativ wenig Möglichkeiten für die Gruppen, daraus eine Praxis zu entwickeln. Das bezieht sich zum einen auf die ganz normale legale Arbeit, daß man sich beispielsweise in Bündnissen gegen bürgerliche Positionen durchsetzen könne, wenn man Bündnisse eingeht oder auch sonst präsent ist, z.B. durch eine professionellere Öffentlichkeitsarbeit. Auch bei klandestinen Aktionen ist die Praxis über die Nazis hinaus schwer umzusetzen. Würden beispielsweise antifaschistische Kommandomilitanz häufig staatliche Institutionen zum Angriffsziel, wäre man vermutlich schnell an einem Punkt ähnlich wie die RAF war. Der Repressionsapparat würde schnell und wirkungsvoll zurückschlagen. Die Antifabewegung würde vermutlich einen solchen Schlag schwerlich aushalten, der käme, wenn man zu einem direkten Angriff auf den Staat übergehen würde. D.h. die Forderung nach antikapitalistischer, antirassistischer Praxis ist zwar gut und schön und sollte auch weiterhin im Blickfeld behalten werden. Zu bedenken ist jedoch, daß es relativ schwierig sein wird sich als Gesamtbewegung weiterzuentwickeln. Trotzdem denken wir, daß es Weiterentwicklung auch für die Antifa gibt. Das beweisen Gruppen, die schon länger existent sind, das BgR hat z.B. eine nachvollziehbare Praxis seit Wurzen hingelegt. Das gleiche gilt für die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB), die wiederum einen anderen Ansatz verfolgt, aber auch für uns (Autonome Antifa [M]), um drei Beispiele zu nennen. Es ist möglich ist, sich über einen längeren Zeitraum als Gruppe zu entwickeln und nicht nur als linke Einzelperson Erfahrungen anzuhäufen. Dies ist aber ein Hauptproblem für Gruppen generell, daß es eine längere Existenz kaum gibt. Das hat verschiedene Gründe. In kleinen Städten können sich Leute dem Zwang der Veräußerung ihrer Arbeitskraft ebensowenig verweigern, wie Städter. Für ländliche Gruppen bedeutet dies schon aufgrund ihrer geringen Mitgliederzahl, daß diese ländlichen Gruppen zerfallen - spätestens dann, wenn wichtige AktivistInnen gehen. Nun könnte man daraus ableiten, daß es in den größeren Städten eher Gruppen geben müßte, die über einen längeren Zeitraum existieren. Dies ist auch häufig so, was aber gleichzeitig noch nicht heißt, daß sie mehr in der breiteren Öffentlichkeit präsent sind oder eine wirkungsvolle Politik entwickeln. 4. Organisierung Die nächste These ist, daß es falsch wäre, zu behaupten, die Antifa-Bewegung heute wäre nicht organisiert. Wir haben keinen absoluten Begriff für Organisiertheit. Wenn wir Vergleiche ziehen zum Zerfall der klassischen autonomen Bewegung in den 80er Jahren und Anfang der 90er, als die letzte größere Debatte, die Organisierungsdebatte, durch die autonomen, antifaschistischen Reihen ging, dann können wir feststellen, daß die Antifa heute wesentlicher organisierter ist. Der Gedanke sich zusammenzuschließen, hat sich durchgesetzt, um die Möglichkeit zu gewinnen, überhaupt eingreifen zu können. Genauso hat sich durchgesetzt, daß Öffentlichkeitsarbeit stärker beachtet wird, die Kameramann-Arschloch-Mentalität mehr und mehr zurückgeht. Wir müssen wohl oder übel in den sauren Apfel beißen, mit den Medien umzugehen, in einer Gesellschaft, die so stark über Medien eine öffentliche Diskussion inszeniert. Das gleiche gilt für die Art der Gruppen, wie sie aufgebaut sind, häufig nach Arbeitsgruppenprinzip, eher legalistisch und dafür aber wesentlich offener, um neue Leute einzubinden. All das sind Ansätze, die mit der Organisierungsdebatte angestoßen wurden. Und zwar unabhängig davon, ob eine Gruppe in der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO), im Bundesweiten Antifatreffen (BAT) oder weder noch organisiert ist. Es sind Merkmale, die Antifagruppen im allgemeinen heute prägen. Und es ist eigentlich relativ normal, daß Leute sich nicht mit einer allgemeine Szene verbunden fühlen, sondern mit der Antifa, die eben organisiert ist. Trotzdem kann man nicht sagen, wir sind jetzt alle organisiert, es gibt über 100 Gruppen oder noch mehr in der BRD und das steigert jetzt unseren gesellschaftlichen Einfluß. Es ist nicht die Antwort auf alle Fragen. Es hat damit zu tun, daß die Linke so stark isoliert ist, daß selbst ein Organisierungsgrad, der höher als Anfang der 90er ist, uns immer wieder darauf zurückwirft, daß wir nicht eingreiffähig sind. Es gibt fast kein europäisches anderes Land, welches weniger Lobby hat oder Interesse an etwas, was außerparlamentarisch daherkommt, als die BRD. Für uns im speziellen kommt hinzu, daß die Extremismuskeule, also der Totalitarismus uns immer wieder zurückwirft, was schwierig aufzubrechen ist. Wir denken, daß es einen Unterschied gibt zwischen Organisierung, was ein erster Schritt ist und einer Organisation, die sich durchaus als mittelfristiges Ziel ergibt. Die Ziele, die wir am Anfang in der Organisierungsdebatte formuliert haben, waren entsprungen aus der unmittelbaren Praxis unser eigenen Gruppe. Dies hat aber nicht berücksichtigt, daß die bundesweite Antifa als Gesamtes viel zu ungleichzeitige Entwicklungen durchläuft und das viele Gruppen erst gar nicht die Möglichkeit haben, bestimmte Entwicklungen zu durchlaufen. Trotzdem würden wir daran festhalten, daß man sich eine Idee geben muß, eher in Grobformulierung, wie es die Antifa tendenziell sowieso schon insgesamt macht. Wir wollen also kein Detailprogramm, brauchen aber einen Rahmen und eine Plattform, in dem man sich organisatorisch zusammenfaßt, auf die man sich beziehen kann und das verbindlich. Die letzte gemeinsame Debatte war - wie gesagt - die Organisierungsdebatte. Und das ist fast 10 Jahre her. Und danach gab es Versuche weitere Diskussionen anzustossen, nach Wurzen, auf dem Camp bei Göttingen 1998, heute. Es geht immer wieder darum, eine Art Nadelöhr zu schaffen, wo man die Leute zusammenbringt und wo eine Diskussion ermöglicht wird. Man sollte Kongresse und Tagungen auch als Teil einer Organisierung einer Bewegung begreifen, um auch Gruppen, die nicht die Möglichkeit haben, sich regelmäßig bundesweit zu treffen, die Chance zu geben, sich auszutauschen. Trotz des Grundgedanken, daß es einen Rahmen geben muß, auf den man sich verbindlich bezieht, und ein Thema, an dem man arbeitet und sich weiterentwickelt, gibt es diesen zur Zeit nicht und die Antifa ist praktisch zersplittert, wie auch der Rest der Gesellschaft total in einzelne Segmente zerlegt ist. Man bezieht sich nicht aufeinander. Da gab es eine angestoßene Perspektivdebatte in der Jungen Welt vor einigen Jahren, dann gibt es einige polemische Beiträge in der Jungle World, da gibt es eine Antifaseite, da gibt es Schlammschlachten in der Interim, dann gibt es bessere Versuch im Antifa Infoblatt irgendwas aufzugreifen, da gibt es Kongresse. Aber nichts ist verbindlich, sondern man diskutiert und es verpufft. Das gleiche gilt für große Aktionen, die man eigentlich als Medium nutzen könnte, um die eigene politische Praxis und einige Begrifflichkeiten zu reflektieren. Wieder das Beispiel Wurzen, wo die These aufgestellt wurde durch die Leipziger Broschüre "Das Ende der faschistischen Zentren, wie wir sie kennen". Oder nehmen wir das Konzert der AAB mit dem Radiosender FRITZ, oder die Bündnisarbeit, die wir Anfang der 90er gemacht haben, die stehen könnten für eine Diskussion wie man sich in der Praxis weiterentwickelt, all das ist aber nicht verbindlich. In der AA/BO wird es ein bißchen weitergeführt, dann taucht es irgendwie hier auf, aber so richtig zusammen kommt es nicht. Und das in einem Bereich, wo wir durchaus Einfluß haben. Wir denken, daß Sektierertum überwunden werden muß, die Borniertheit und die Heraushebung der Unterschiede. Und zwar vor dem Hintergrund des Bewußtseins, daß man sich eine allgemeine Orientierung/Idee geben muß, die derzeit sowieso die meisten Gruppen haben. Das ist eine schwierige Entwicklung und da ist es ein Teil, sich in den Rahmen einer Organisation zu stellen. Ein weiterer Teil ist, sich zu überlegen, welche Funktion diese Organisation eigentlich erfüllen kann, ohne daß sie eine Avantgarde wird, oder handlungsunfähig. Da wäre eine Möglichkeit, ein, zwei Mal im Jahr ein großes Treffen zu machen, wie dieses, damit es eine Möglichkeit gibt, daß die Bewegung mal zusammen kommt und die Gruppen sich immer als Teil der Bewegung sehen. Das waren jetzt These drei und vier. Für uns gibt es also einen qualitativen Unterschied zwischen Organisierung und Organisation. Wir können uns darüber unterhalten, wie so eine Organisation strukturell aussieht oder welche Groborientierung sinnvoll wäre, die man sich geben sollte und, wie man damit an die Öffentlichkeit tritt. 5. Linke Codes In der letzte These geht es um Codes. Darum ging es gestern schon, ich will es nur noch mal ganz kurz festmachen: Da ging es um die Feststellung, daß Symbole, Zeichensprache nichts feststehendes ist, sondern einem ständigen Diskurs ausgesetzt ist, d.h. ständig neu definiert werden und irgendwelche Bedeutungsreste mit sich rumschleppen, d.h. eigentlich Geschichte. Es kam mir gestern ein bißchen zu kurz, daß diese Bedeutungsreste Kämpfe sind, Geschichte sind, Interventionen und vor allem Assoziationen aus der Subjektivität der Leute. Wenn wir uns z.B. das Antifa-Zeichen nehmen, zu dem gesagt wurde, es wäre zum Fetisch geworden, das finde ich eben nicht. Nur weil etwas oft verwendet wird und auch mal ausnahmsweise eine allgemein-gesellschaftliche Bedeutung hat, ist es noch lange kein Fetisch, sondern ein Symbol, welches heutzutage relativ eindeutig besetzt ist. Daß da Bedeutungsreste, irgendwelche Assoziationen von Leuten mitschwingen, das ist keine Frage. Leute, die sich mit der Geschichte der KPD oder der Arbeiterbewegung befaßt haben, wissen, daß dieses Zeichen eigentlich von dort kommt. Leute, die noch weitergegangen sind und wissen, daß es die K-Gruppen eigentlich eingeführt haben und das die Autonomen, obwohl sie einen Reflex auf die K-Gruppen haben, es einfach übernommen haben. Das schwingt selbstverständlich alles mit. Aber in der allgemeinen Öffentlichkeit wird damit Linksradikalismus und Antifa verbunden und das ist erst mal gut so. Deswegen würden wir es immer weiter verwenden und finden es gut, daß es überall auftaucht. Auch wenn wir damit in der breiteren Öffentlichkeit zunächst nur plakativ auftauchen und sehr verkürzt. Wir sind sehr froh darüber, wenn Formulierungen, wie "rechter Vormarsch" oder "rechter Konsens", also bestimmte Schlüsselbegriffe in der Linken, im öffentlichen Diskurs der breiteren Gesellschaft aufzutauchen. Das kann man auch übertragen auf Symbole. Wir sind ja bekannt dafür, daß wir oftmals plakative und agit-propmäßige Politik betreiben und wir denken, daß dies derzeit unsere einzige Verbindung in die Gesellschaft ist, sich zu vermitteln, zwar sehr plakativ und sehr verkürzt, aber damit müssen wir erst mal leben. Die Vertiefung findet aus unserer Sicht innerhalb der Gruppen, innerhalb der Organisationen und auf solchen Treffen statt.Ich denke aber, daß wir uns bestimmter Symbole und damit ihre Geschichte und hinter dem die Möglichkeit linker Geschichte überhaupt, erhalten müssen. Ich will das mal kurz erläutern an einigen unserer Plakate, die hier hängen. Also: Beim Antifa-Zeichen habe ich gerade kurz erläutert, warum ich es richtig finde, es zu verwenden. Es ist mit unserer Bewegung verbunden und die ist nicht wegzuleugnen, international und geschichtlich. Daß möglicherweise ein Bild des Linksextremismus und entsprechende Zuschreibungen, die beim Verfassungsschutzbericht oder in der Zeitung auftauchen, mitschwingen, ist klar. Aber wir denken, daß das nur über die politische Praxis zu regeln ist, d.h. mit Aktionen, unserem Auftreten und dem Setzen von Akzenten. Hier haben wir die zwei aktuellsten Plakate aus Göttingen. Die zeigen ganz gut, wie man unterschiedlich politische Anliegen auf den Punkt bringen kann. Das erste Plakat ist zum Naziaufmarsch (6. November 1999), der jetzt demnächst in Göttingen stattfinden soll. Da ist ein Motiv gewählt, welches eigentlich überhaupt nichts mit der Linken zu tun hat. Es ist reiner Zeitgeist, ein Comic in einem Stil, der jetzt ziemlich angesagt ist, nämlich leicht japanisch angehaucht. Es wurden dann linke Symbole (Antifazeichen) eingebaut, ein guter Anknüpfungspunkt an ein Publikum, welches sich durch Comics angesprochen fühlt, in der Regel jüngere Leute. Das ist eine Möglichkeit Plakate zu machen. Das funktioniert aber nur, wenn ich es nicht überlade, sondern einfach nur mit so einem Antifazeichen arbeite. Damit wird eine breitere Wirkung erzielt. Die zweite Möglichkeit ist auf dem Plakat anläßlich des 10 Todestages der Antifaschistin Conny verarbeitet: Hier sind die Adressaten der gesamten Aktion nicht so breit gestreut, die Symbolik bezieht sich daher auf die Antifabewegung und deren Geschichte. Der von der Polizei zu verantwortende Tod der Antifaschistin 1989, fällt in eine Zeit, die das Ende der klassischen autonomen Bewegung einläutete und für die diese Art der Vermummung typisch war. Gleichzeitig wirkt das Schwarz-Weiße, als wenn es kopiert wäre, es erinnert damit an Schnippellayout und bezieht sich gleichzeitig mit dem Bild auf die italienische autonome Bewegung. Also mehrere Ebenen, die sich auf die damalige Bewegung beziehen, gleichzeitig aber ist eine moderne Typographie darübergesetzt. Der "Kampf geht weiter" ist auch eine Anleihe an die Band Ton Steine Scherben, welche aber durch die Art der Aufmachung in die heutige Zeit gehoben wird. Das heißt, hier ist Geschichtsbezug für Leute erkennbar. Leute, die das nicht wollen, sehen einfach eine vermummte Person und diese Art der Vermummung wird heutzutage auch noch mit Links verbunden. Hier wird linke Geschichte mitgenommen und aufgearbeitet und in Form und Inhalt an die Bewegung angelehnt, aus der wir kommen und damit ist der Bezug hergestellt. Was uns aufgefallen ist und was wir eher unglücklich finden, daß beispeilsweise beim BgR das Antifa-Zeichen nie verwendet wird. Beim Plakat "Kein NPD/JN-Aufmarsch am 1. Mai in Leipzig" 1998 konnten wir nicht erkennen, ob dieses Plakat von Kirchenkreisen, von der Gewerkschaft oder von einer linksradikalen Gruppe erstellt wurde. Nur diese Parole stand da und wir finden es schlecht, wenn der Bezug zu einer linken Position nicht deutlich wird, wie er z.B. durch das Antifa-Zeichen leicht herzustellen gewesen wäre. Wir finden es gut, wie beim Verstärkerkongressplakat, moderne Elemente einzubauen, also dieses Emblem z.B. Dieses Emblem sagt aber erst mal wenig. Das gleiche gilt für den Rest des Plakates: Weder unter dem Titel, obwohl mit Bedacht und gut gewählt, noch unter "postbananisch" kann sich jemand was vorstellen und unter "Verstärker" auch nicht, d.h. für eine Breitenwirkung ist es nicht besonders geeignet. Das ist auch erst mal nicht der Adressat. Das also zum Vergleich, wie wir uns eine Lösung in der Praxis vorstellen und wie nicht. Aber wie gesagt, beim Verstärkerkongreß ist das Zielpublikum ein anderes, aber bei dem 1. Mai Plakat fanden wir die mangelhaft erkennbare Bezugnahme auf die Linke eher schlecht. Das gleiche gilt übrigens auch für das ein Plakat zur Demo in Saalfeld, wo das Antifa-Zeichen nicht drauf war. Wenigstens eine Demo war zu sehen, aber man kann das durchaus deutlicher machen. Wir sollten mit dem Bewußtsein arbeiten, eine Möglichkeit zu öffnen, daß eine breitere gesellschaftliche Öffentlichkeit das auch interpretieren kann. Auch wenn die heutzutage nicht unbedingt unsere Adressaten sind, weil die Möglichkeit fehlt, sie zu welchen zu machen. Hier ende ich erst mal und wir können jetzt in die Diskussion einsteigen. Danke fürs Zuhören. Die Diskussion: Beitrag aus dem Publikum A: Ich bin vom Bündnis gegen Rechts, Leipzig (BgR) und stimme dem Gesagten im großen und ganzen zu. Der Knackpunkt ist, daß wir um Inhalte kämpfen und der zeigt sich auch beim ganzen Kongreß. Ich sage mal: Hier vorn - die Symbolik, Organisierung usw. - dem stimme ich zu, daß es irgendwie eine Bedeutung hat und daß man sich über deren Bedeutung und Verwendung austauschen muß. Der Punkt ist aber, daß Organisierung und Symbolik voraussetzen, daß man weiß, was man organisieren und symbolisieren will. Das war auch unser Anliegen mit dem Kongreß hier, zu sagen, es krankt daran, was im Endeffekt auch hier zum Ausdruck kam, daß die Antifa eine Jugendbewegung ist. Es gibt die inhaltlichen Auseinandersetzungen nicht, weil es das Wollen nicht gibt, über die Gräben, die in der Antifabewegung existieren, oder in der linksradikalen Bewegung überhaupt, hinwegzuspringen. Wir haben den Kongress gemacht mit der Zielstellung, daß sich hier über die organisatorischen Grenzen hinaus zusammengefunden wird und ich denke, diese ist im großen und ganzen auch aufgegangen. Und ich finde, daß die Idee, die der Genosse von der Antifa (M) aufgeworfen hat, richtig ist, zu sagen, wir schälen für uns inhaltliche Schwerpunkte heraus. Wir müssen jetzt anfangen, solche Diskussionen zu führen, weil das auch perspektivisch dazu führen kann, daß es nicht bei der Jugendbewegung bleibt. Fakt ist, momentan läuft alles nur über diese Anti-Nazi-Politik. Irgendwann mal, wenn man älter wird, wird es langweilig den Nazis hinterherzuhecheln, denn es ist im Endeffekt perspektivlos. Man sollte zuerst auf lokal starke Strukturen setzen, die Selbstorganisierung vorantreiben und das immer unter dem Aspekt, daß man inhaltliche Schwerpunkte setzt. Wir müssen von dem reinen Anti-Nazi wegkommen uns versuchen, uns perspektivisch als Ziel zu stellen, eine wirklich gesellschaftlich relevante Kraft zu werden. Das geht letztendlich, und da stimme ich dem Referenten zu, nur dadurch, daß man die relativ schwache linksradikale Szene die es gibt, irgendwie zusammen bekommt. Das muß jetzt nicht AA/BO oder BAT sein, das ist nicht der Ansatz den wir vertreten. Wir müssen uns an inhaltlichen Problemen orientieren, uns Punkte setzen an denen wir zusammen kommen., Wie können wir attraktiver werden, wie können wir unsere Inhalte nach außen vermitteln und wie können eine rebellische Haltung für uns ausnutzbar machen, das sind die Fragen die im Raum stehen. Beitrag B: Das ist das, was ich an dem Konzept zu kritisieren habe. Gut, ich weiß jetzt, wie ich es schaffe, Jugendliche in die Linke reinzukriegen. Doch was mache ich dann mit den Jugendlichen? Ich habe die dann und halte einen Vortrag. Meines Erachtens müßte ganz klar gesagt werden, was passiert, wenn ich diese Jugendliche habe. Wenn ich dann nicht ansetze, Inhalte und Wissen zu vermitteln, dann bleibt es bei dieser Jugendbewegung. Es wurde zwar dargestellt, wie ich die Jugendlichen agitiere, aber es wurde nicht darauf eingegangen, wie ich mit ihnen umgehen soll, wenn sie einmal da sind. Referent: Ich sag erst kurz was zum BgR-Beitrag. Ich teile den Vorschlag, ein oder zwei mal im Jahr so einen Kongreß, Camp o. ä. zu machen, wo die Leute zusammenkommen. Das finde ich eine gute Möglichkeit, sich Gedanken zu machen, Diskussionen wieder aufzugreifen und weiterzuführen. Ich muß jetzt aber die Gegenfrage stellen: Wer sitzt hier in drei Jahren? Die selben Leute, welche die Diskussion angefangen haben? Du und ich vielleicht und noch so 2, 3 Dinosaurier, die gibt es überall, aber welche Gruppe hat sich dann weiterentwickelt, mit wem außer dem BgR, der AAB und uns kann man dann über ihrer Praxis diskutieren, ohne diese Gruppen jetzt hervorheben zu wollen. Es wäre interessant zu sagen, wir haben das ausprobiert, Jugendarbeit gemacht, das attestiert jetzt sogar der blöde Verfassungsschutz nach ein paar Jahren endlich mal, und was machen wir denn nun. Die Frage ist, an wen die Forderung nach der inhaltlichen Auseinandersetzung geht. Ohne die Möglichkeit, in einem Rahmen zu diskutieren, werden die Leute nicht diskutieren, weil ihnen die Möglichkeiten fehlen. Es ist ein guter Vorschlag, aber ich weiß nicht, an wen sich die Forderung der inhaltlichen Auseinandersetzung richtet, weil ich feststelle, daß sich die Leute dem nicht verweigern, sondern die Möglichkeit nicht besitzen, wenn sie eine Praxis machen, eine kleine Gruppe von 10 bis 15 Leuten sind und sich gleichzeitig mit einem bestimmten Niveau der gesellschaftlichen Entwicklung auseinandersetzen wollen. Das ist verdammt viel Programm für eine kleine Gruppe, die vielleicht auch erst angefangen hat. Ich bin Antifa und ich hole mir jetzt einen Jugendlichen, bin aber doch selber einer. Die Weiterentwicklung ist nichts statisches. Ich finde die Vorstellung in deiner Antwort zu statisch. Ich hab hier mein Symbol, hier den Bierdeckel und geb dem Jugendlichen ein Bier, dann ist er erstmal angefixt, dann kommt er und dann fülle ich ihn ab. Ich vermittle ja auch durch das, was ich mache, durch die Aktionen und nicht nur durch Worte schon Inhalte, wenn es auch nur Fragmente sind. Die Aufgabe ist, wenn die Leute eingebunden sind, ihnen einen übergreifenden Blick zu ermöglichen, damit sie alles was sie erleben und wahrnehmen auch diskutieren und einordnen können. Das wäre doch eine Aufgabe, das man die Leute - früher hat man das Schulungsarbeit genannt - nicht vollstopft, sondern ihnen die Idee erklärt, die hinter der Sache steht und sie damit mit Selbstbewußtsein ausstattet. Das Ziel sind Menschen die emanzipiert sind, für sich selber reden können und sich als Linke orten. Dazu gehört ein eindeutiger Geschichtsbezug, der darin resultiert, daß man sich mit den Ideen beschäftige, woraus heute ein linkes Selbstverständnis resultiert und zwar mit allen Fehlern, Widersprüchen usw. Man muß nicht sagen, das finde ich jetzt alles gut. Ich finde es aber auch nicht richtig, alles zu negieren und als schlecht zu qualifizieren, zu sagen alles war Arbeiterkacke - das geht nicht. Dann muß man sich selber in die Gesellschaft einordnen. Einmal als Gruppe, wo steht man, das ist Teil der Schulungsarbeit, wie agiert man und wie setzt man Politik um. Dieser Prozeß, in dem die Leute dann stecken und sich selber politisieren, das ist erst mal das, was am meisten verändert und mehr können wir nicht anbieten. Wobei ich bei der letzten Frage wäre: Wir haben den Leuten in ihrem realen Dasein nichts zu bieten, außer zu sagen: "Komm zur Linken!". Gestern meinte ein Sozialarbeiter aus dem Conne Island, das beste Angebot sei "Survival of the fittest". Am ehesten lernt man bei der Linken, sich durchzusetzen im Kapitalismus, weil man aus der linken Meinung das Maximale rausholen muss, sich organisieren muss u.s.w. . Ich will nicht sagen: "Steig in die Antifa ein, um besser in die Gesellschaft einsteigen zu können", das ist Quatsch, aber der Gedanke, der dahinter steht, war genau richtig. Wir haben nur die Möglichkeit den Kampf um politische Veränderung in den Mittelpunkt zu stellen. Mehr haben wir nicht anzubieten. Und das ist auch gleichzeitig ein Problem, weil nämlich viele sagen, ich steige aus, weil diese Veränderung nicht inhaltlich angefüllt ist. Klar, wenn sich jemand überhaupt nicht weiterbewegen will, ist es relativ leicht zu sagen: "Mach ich nicht.". Aber das ist in jedem Bereich so, von dem man nicht überzeugt ist. Die Subjektwerdung in flexiblen kapitalistischen Verhältnissen ist wichtig. Die Leute wählen heute nicht mehr ihren Beruf auf Lebenszeit, sondern sind flexiblen Arbeitsverhältnissen unterworfen. Das heißt sie durchlaufen 3, 4, 5 Berufe, mehrere Arbeitslosigkeiten - das ist die Tendenz. Und das kann man übertragunen auf die Ebene, wo die Leute ihre Persönlichkeiten bilden. Man hat verschiedene Angebote, die gleichwertig nebeneinander stehen. Ich kann Nazi werden, ich kann Linker werden, ich kann Techno-Freak werden, das ist alles völlig unabhängig von den Inhalten. Und wir sind Teilnehmer an diesem Markt der verschiedenen Möglichkeiten und Bedürfnisse. Wir können nur sagen, daß wir uns wehren gegen das, was hier geschieht und diese Orientierung unter die Leute bringen. Und selbst das schützt die Leute nicht davor, sobald sie ihren Job nachgehen, was die meisten später schon machen, weil sie gut qualifiziert sind und eine hohe Bildung haben, aufzugeben und nicht weiter zu kämpfen. Und da haben wir organisatorisch auch kaum eine Antwort drauf, wie wir die Leute einbinden, die 8 Stunden arbeiten. Das ist ein dauerhaftes Problem: Auf der einen Seite die Arbeit, auf der anderen die Politik. In diesem Verhältnis reiben sie die Leute irgendwann auf und mit 30 sind die meisten weg. Das ist das Hauptproblem, vor dem wir stehen, für das wir auch erst mal keine Antwort haben. Außer zu sagen, daß die Quote derjenigen, die weiter linke Politik machen wesentlich höher bleibt in Verbindung und Zusammenhängen, wo es auch in den Gruppen das Soziale weiterentwickelt wird. Ohne das geht es nicht. Es muß also eine Rückkopplung geben auf die soziale Welt, man kann nicht sein normales Leben führen, Beruf usw. und dann hobbymäßig Antifa machen. Die Erfahrungen die man macht, im Politischen oder im Sozialen, das ist die Attraktivität, die die Linke nach wie vor besitzt. Nicht mehr und nicht weniger. Beitrag A: Ich möchte zurückkommen auf die Frage, an wen wir die Forderung richten, inhaltliche Diskussionen zu führen. Ich denke, daß es eine Wechselbeziehung ist, die die Attraktivität der Szene ausmacht, die die Entscheidung bedingt auf gewisse Sachen zu verzichten oder eben die mit 30 zu sagen, ich gehe jetzt meinen familiären Weg, steige aus und lese die Konkret. Es krankt momentan daran, daß aufgrund der Inhaltsschwäche die Attraktivität fehlt, dabei zu bleiben. Wir haben keine gesellschaftlichen Utopien mehr h oder können die überhaupt nicht vermitteln und können aus ihnen, gerade nach der Praxis der letzten Jahre, die ja größtenteils, zumindest bei uns, aus dem Nazi-Hinterhergeheschel bestand, kaum Kraft schöpfen. Da verschleißt man die Leute. Ich denke, daß die Organisierung die man jetzt zu betreiben hat, eine zweigleisige sein muß. Zum einen die Selbstorganisation auf lokaler Ebene, also Freiräume zu behalten bzw. zu schaffen, und zum anderen die Ansätze, die du im Referat mit Nadelöhr beschrieben hast. Aber es darf keine Konsumhaltung geben, mit bundesweiten Treffen, wo man hinkommt und sich sagt, wir gucken mal, was wir da mitnehmen können. Mitnehmen und wieder mitbringen, das fehlt momentan. Gestern, bei der Veranstaltung "Selbstorganisation - Radikale Demokratie", hat man deutlich gemerkt, worin unsere Schwäche liegt: Daß es nämlich in der Diskussion nur um Begrifflichkeiten und Theorien ging, die Praxis aber keine Rolle spielte, selbst bei einem Thema, auf dem eigentlich einer unserer Schwerpunkte liegen sollte, dem der Selbstorganisierung. Im Referat war durchaus zu hören, daß wenn vor Ort keine Attraktivität für Leute, die dazukommen, da ist und diese keine Außenwirkung hat, dann brauchen wir im Endeffekt über alles andere nicht zu reden. Da kann man die schönsten Symbole haben. Beitrag C: Ich möchte einer These widersprechen, jedenfalls in der Form, wie sie formuliert ist. Wenn hier gesagt wird, es sei falsch, daß linke Strukturen zerfallen, dann hat man einen sehr begrenzten Begriff von dem was Links ist, das wäre dann wirklich nur noch die autonome Antifa-Bewegung. Diese hat sich vielleicht stärker organisiert, wenn man sich aber linke Strukturen im Allgemeinen anguckt, kann man sagen, daß es einen ganz massiven Zerfall nach 1989 gegeben hat, der auch Bedeutung für uns hat. Es gibt im Antifa- oder im Antira-Bereich keine nennenswerten Gewerkschaftsinitiativen mehr. Es gibt keine Bürgerinitiativen oder Anwohnerinitiativen, die sich vor die Asylbewerberheime stellen oder Patenschaften übernehmen. Es gibt keine Antifa-Strukturen mehr bei den Grünen, die VVN ist total am vergreisen, die Überreste der K-Gruppen, die es Anfang der 90er noch gab, die sind auch alle weg. Insgesamt ist die Linke stark zerfallen, auch die antifaschistische Linke, sofern man sich nicht ausschließlich auf die autonome Bewegung konzentriert. Man müßte diskutieren, woran es liegt, daß es gerade hier einen stärkeren Organisierungsgrad gibt, den ich erst mal gut finde. Ich meine, daß das viel damit zu tun hat, daß es wesentlich kälter geworden ist in Deutschland. Die Bereitschaft zusammenzurücken und Nestwärme zu suchen, ist größer geworden und darüber auch die Notwendigkeit, Differenzen über Bord zu werfen. Ich postuliere: Wenn die Linke und auch die Antifa-Bewegung wieder stärker wird, dann werden auch die Widersprüche stärker hervortreten. Ich glaube nicht, daß es bei vielen eine grundlegende Überzeugung gibt, daß eine Organisierung besser ist. Es ist einfach das einzig mögliche, um überhaupt noch zu existieren. Früher gab es große Demos, da konntest man als autonomes Individuum hingehen, da gab es den schwarzen Block, deswegen mußte man nicht selber erstmal großartig etwas aufbauen und strukturieren. Die ganzen bürgerlich-liberalen Mitdemonstranten haben einem in gewisser Weise Schutz gegeben. Heutzutage müssen wir alles selber schaffen und dann werden eventuell am Wochenende noch ein paar standhafte Gewerkschafter mitdemonstrieren. Referent: Ich will was zur Inhaltsschwäche sagen. Auf jeder Managerschule lernt man, daß Motivation durch Erfolg entsteht. Die Frage ist, wie definiert das jeweilige Gruppenmitglied oder Leute von außen einen Erfolg. Ich denke, daß es eigentlich schon ein super Erfolg ist, wenn sich der Gedanke der Organisierung durchgesetzt hat - das bringt mir Motivation. Andersrum ist es aber so, daß die Erfolgserlebnisse meistens nur im Unmittelbaren existieren, die Leute müssen einen unmittelbaren Sinn in ihrem Handeln sehen. D.h. ich demonstriere gegen das Cafe Germania, das wird geschlossen, das macht mir und der Gesellschaft deutlich, mein Handeln hat einen unmittelbaren Sinn gehabt. Oder Leute, die gern Nazis kloppen, legen da mehr Wert drauf, weil dann ein Erfolgserlebnis für die Gruppe zu verzeichnen ist. Das mit der anderen Praxis, die dann mehr auf der politischen Ebene ansetzt, wo die Praxis nicht unmittelbar deutlich wird, ist wichtig, um eine gewisse Haltung klar zu machen. Wenn man gegen Siemens demonstriert, ist mittlerweile jedem klar, daß das ein politische Äußerung ist, aber damit schafft man Siemens nicht ab. Hier hat man aber schon einen Verlust an Attraktivität und Motivation der einzelnen Leute, es sei denn, man ist in der breiten Öffentlichkeit. Das über Jahre zu machen, häufig Niederlagen zu erleben und den unmittelbaren Sinn nicht zu sehen, immer in der eigenen Soße zu stecken, das sind alles Sachen, die die Leute erstmal als Mißerfolge wahrnehmen, auch wenn die Bedingungen hauptsächlich dafür verantwortlich sind und nicht ihr Handeln. Das zur Inhaltsschwäche, es ist nur ein Punkt, daß die Leute sich inhaltlich weiterentwickeln. Ich will dagegen reden, daß man sich nur schöne Themen raussucht und so Begriffe diskutiert, wie rechten Konsens, rechten Vormarsch. Ich denke, daß das Problem der Leute ist, daß sie probieren und probieren und die Erfolge nicht haben. Utopien haben wir nicht - meinte jemand vom BgR. Eine Gesellschaftsutopie zu denken aus den Verhältnissen, in denen man lebt, die völlig anders ist als das, was Kapitalismus ist, halte ich für eine völlige Unmöglichkeit. Ich halte es nach wie vor mit Marx; das Sein bestimmt das Bewußtsein. Im Mittelalter war es völlig unmöglich zu fliegen, das war außerhalb der Vorstellungskraft. Die Welt war eine Scheibe. Man konnte die Lösung nicht denken - war gesellschaftlich determiniert. Die JungdemokratInnen, haben gestern ein Konzept vorgestellt, welches auf Reformen basiert, sie versuchen, für eine radikale Linke glaubwürdig zu sein, bestätigen aber auf der politischen Ebene immer wieder, daß sie sich beteiligen, indem sie etwa eine liberalere Gesetzgebung im Rahmen des Systems fordern. Aber das kann es ja nicht sein. Ansonsten denke ich, daß es keine Patentlösung für Gesellschaftsmodelle gibt, selbst für das was in 10 Jahren sein soll. Es gibt aber durchaus Konzepte, die man ausprobieren sollte, Sachen, wo man was ändern - nicht jede Aktion ist die Revolution, auch das muß man mit der Zeit erfahren, mit ihr steht und fällt nicht alles. Ich denke nicht, daß die Leute zusammenrücken, weil sie Nestwärme suchen oder weil es so kalt ist in Deutschland. Das ist mir alles zu mystisch. Die Wahlmöglichkeiten, die man hat, um überhaupt Politik machen zu können, sind entscheidend. Die Möglichkeiten, die ich habe um einzugreifen, sind so begrenzt, ob nun beim BAT oder der AA/BO ist, daß die Nuancen, über die ich streite, total bedeutungslos geworden sind. Das ist das eine. Das zweite ist, daß die Linke Teil der Gesellschaft ist und die Verflachung der Inhaltliche oder dem, worauf man abzielt, genauso wie in der ganzen Gesellschaft zunimmt. Das bemerkt man, wenn man über mehrere Generationen Jugendarbeit macht. Die Orientierung der Jugendlichen hat sich völlig verändert. Widersprüche werden nicht mehr benannt und die Diskussionsfreudigkeit hat sehr stark nachgelassen hat. Das ist auch bemerkbar bei den letzten bundesweiten Mobilisierungen. Es gab kaum Kriterien zu mobilisieren, auch im Vergleich zu den 80ern. Es ist zweischneidig: Ich finde Diskussionen teilweise völlig sinnlos, weil die breitere gesellschaftliche Öffentlichkeit solche Formulierungen wie "rechter Konsens" oder "rechter Vormarsch" sowieso nicht auseinander halten kann. Da lohnt es sich nicht, vor einer Aktion eine Grundsatzdebatte zu führen. Auf der anderen Seite ist es natürlich eine Schwäche, überhaupt nicht mehr zu debattieren und alles auf einen Kongress zu verlagern. Das liegt auch wieder daran, daß das organisatorische Dach nicht geschaffen ist, unter dem Diskussionen laufen sollen. Wer eine konkrete Aktion vorbereitet, will keine Grundsatzdiskussion führen, was natürlich gleichzeitig fatal ist, weil man durch so eine Abflachung die Gruppen überhaupt nicht mehr einschätzen kann, außer an ihrer Politik. Das Problem der Politisierung ist heute schon, daß es dieses breitere Umfeld, die Szene, tendenziell nicht mehr gibt. Hier in Leipzig ist es durch Einrichtungen wie das Conne Island noch gegeben, in größeren Städten wie Berlin und Hamburg ist das auch so, aber die anderen, kleineren Städte wissen wie das ist mit der Politisierung. Es gibt dort kein Umfeld mehr, ebensowenig wie eine linksliberale Abfederung. Wenn man sich dort politisiert, dann von 0 auf 100. Man ist nicht nur Beteiligter, sondern Organisator und wird immer wieder in die Pflicht genommen. Ich wollte damit nur den Unterschied klar machen zu dem, wenn man eine Szene hat, die immer mehr Möglichkeiten bietet, Leute heranzuführen. Dann will ich noch sagen, daß ich es nicht falsch finde, Szenen und Nischen aufzubauen, aber die müssen immer in die Gesellschaft wirken, sie dürfen sich nicht auf "schöner Wohnen" und ein Haus besetzen beschränken oder sich nur um ihr eigenes Zentrum drehen. Außer es ist ein Symbol für einen antikapitalistischen Ansatz, dann kann es sich auch um ein Zentrum drehen, ansonsten nicht. Moderator: Bei der zweiten konkreten These taucht die Frage auf, nach dem Wechsel von Organisierung zu Organisation. Organisation ist für mich eine sehr allgemeine Umschreibung, ich würde das übersetzen mit Partei. Vielleicht kannst du einfach mal was dazu sagen. Vielleicht traut sich ja niemand aus dem Plenum konkret nachzufragen, aber irgendwo steht der Begriff ja im Raum. Könnt ihr das ausfüllen, habt da noch nicht weitergedacht und wie stehen andere dazu? Beitrag A: Ich will etwas gerade rücken, weil der Kongress dokumentiert und nachbereitet wird. Was du jetzt hier erklärt hast, was ich mit Utopie gemeint haben könnte, war nicht so. Mit Utopie meine ich Perspektive. Ich will nicht, daß wir uns Traumwelten ausmalen und sagen, da wollen wir hin, sondern - was, wie ich meine, auch Attraktivität ausmacht - daß man sagt, es geht über das Anti-Nazi-Ding hinaus. Denn meiner Meinung nach, werden wir nur als Gegenteil der Nazis wahrgenommen. Klar sagen wir Kapitalismus ist Scheiße, aber im Endeffekt sagen wir nicht warum, bzw. können das den eigenen Leuten nicht vermitteln. Das ist einfach Fakt. Soweit sind wir uns selbst noch nicht klar. Das meinte ich damit, ich wollte hier keine Traumwelten bauen. Beitrag D: Ich will der These widersprechen, daß uns nur die Attraktivität fehlt. Wenn es nur um die Attraktivität und die Erfolgserlebnisse geht, dürften uns die Leute nicht wegrennen, schließlich gibt es Naziaufmärsche und so, aber das sind immer nur Anti-Haltungen. Ich denke, daß es auch um die Inhalte geht. Denn es ist nicht so, daß auf einmal die ganzen Anti-Haltungen weg sind, die sind ja immer noch da, aber die reichen nicht aus. Referent: Ja, gegen eine Anti-Haltung habe ich überhaupt nichts, wenn sie begründet ist. Unter Pro-Haltung verstehe ich, daß man eigene Sachen aufbaut und sich an der Linken orientiert. Den Aufbau fülle ich mit der politischen Aktion, die sich gegen oder für etwas richten kann, ganz konkret und kann da diskutieren, was ich eigentlich will, z.B. gegen einen Naziaufmarsch sein. Das kann aber auch eine Demo für Mumia Abu-Jamal sein. Ansonsten ist es so, daß die Versachlichung, die inhaltliche Analyse, bei einer linken Demo in Aufrufen, Flugblättern und Texten immer vorhanden ist. Und ein Kongreß ist eine Möglichkeit, um Inhalte zu besprechen. Als Realansatz, die kapitalistische Welt umzudrehen, halte ich für keine Patentlösung. Gegen ein Bonzentreffen anzugehen, darüber kann man Inhalten vermitteln. Das ist zwar das alte Schema aus den 80er, aber eine Möglichkeit anzusetzen, genauso wie ich das dann auf dem Kongreß thematisieren kann oder einflechten in eine andere Aktion. Das ist das Gleiche, eine Kritik an den Verhältnissen. Wie antikapitalistische Praxis aussehen kann, ist schwer aufzuzeigen. Es gibt Kritik an den 80ern, die mit einem Herrschaftsmodell operierten a la "die Kapitalisten oben und wir Unterdrückte unten". Dieses gegen den Opernball und McDonalds ist inzwischen Geschichte geworden. Dann zur Partei: Wir haben nicht noch mal die Diskussionsdebatte angestoßen, um uns mit so grundsätzlichen Gedanken wie einer Partei zu beschäftigen. Ich würde niemals sagen, wir schließen aus, irgendwann eine Partei zu gründen, die alles zusammenfaßt. Wir finden es aber in der jetzigen Situation völlig abwegig, über den Parlamentarismus Einfluß zu nehmen. Für eine Partei muß es schon eine fette Organisation geben. Die Frage hat bei uns überhaupt keine Rolle gespielt. Wir finden es nach wie vor richtig, außerparlamentarisch zu agieren, meinetwegen in Bündnissen mit der PDS zusammen. Die einzige Frage, die wir diskutiert haben, war, wie wir eine Organisation gründen, die verbindlicher ist. Das wären aber Detailfragen, wenn man sich die Ansätze, die es beim BAT und der AA/BO gab, anguckt und sich fragt, was war praktikabel, wie kann man da die verschiedenen Gruppen einbinden. Das andere wäre die Überlegung, ob man sich nicht eine bürgerliche Form gibt, um greifbar zu sein als Verein, wie das viele politische Organisationen auch machen, wie die Rote Hilfe. Da haben wir aber erst angefangen zu diskutieren, es gibt gewisse Vorteile aber auch gewisse Nachteile. So gesehen hat es fast nur Nachteile, aber diese bürgerliche Form wäre eine Möglichkeit, das wäre auch nicht unabhängig von Organisation, auf einer anderen Ebene noch einen Rahmen zu schaffen. Viele Antifa-Gruppen haben einen Verein, der andere Möglichkeiten hat in rechtlicher Hinsicht, aber es ist kein Ersatz für eine politische Organisation. Beitrag E: Ich will etwas zum Aufbau der Jugendbewegung sagen. Das Problem besteht auch darin, daß wir versuchen, die irgendwie attraktiv zu machen, damit Leute kommen. Sie finden also die Demos oder die Plakate klasse, wissen dann aber erst mal nicht wie weiter. Wenn sie es aber wüßten, würden sie total schnell schnicken, daß wir sie ranziehen wollen. Ich denke aber, daß das schöne an Jugendbewegung das Rebellieren gegen Ältere ist und das gestaltet sich ziemlich schwierig, wenn man irgendwie merkt, ich werde hier rangezogen. Ich weiß nicht, wie das in anderen Städten ist. Hier in Leipzig habe ich oft das Gefühl, daß die Jugendlichen sich gehypt fühlen, und dann gegen die 10 Jahre älteren rebellieren. Andererseits kotzt es sie aber auch an, weil irgendwelche Leute dastehen, die kluge Thesen haben, welche sie ja eigentlich toll finden und wo sie kaum etwas entgegnen können. Das ist ein Grund dafür, daß sich eine eigene Dynamik kaum entwickelt. Entweder man wird rangezogen oder man ist abgeschreckt von zu viel Theorie. Ich denke, es muß irgendwie so sein, wie es vor 10 Jahren teilweise war. Vielleicht müssen wir einfach schlechter sein, so daß die Jugendlichen uns vom Thron stoßen, denn das Nebeneinander funktioniert nicht. Ich habe zumindest in Leipzig öfters die Erfahrung gemacht, daß junge Leute am Anfang schon in die Antifa wollen, dann aber merken, daß sie eigentlich gar keinen Platz kriegen. Außer, daß sie zu Demos kommen können und daß sie eigene Gruppen aufbauen sollen, was aber für sie schwierig ist, weil sie die Erfahrungen von inhaltliche Auseinandersetzung noch nicht haben. Dann müßte es ein Anleitungssystem geben, das ich aber nicht befürworte. Referent: Jetzt wäre es gut, wenn Jugendbeauftragte verschiedener Gruppen was sagen, sonst würde ich das tun. Beitrag F: Das Problem, was du benennst, ist uns aufgefallen, aber ohne die Leute Vorort zu kennen, kann ich nicht darauf antworten. Wenn man auf die Leute zugeht, gilt es zu vermittelt, daß es zum einen was zu Lernen gibt von Leuten, die schon länger in der Antifa sind. Das andere: vom Thron stoßen finde ich immer gut, daß Leute, die neu in die Gruppen kommen, immer wieder die alten Hierarchien durchrütteln. Das ist ein guter Prozeß, der aber nicht darin enden sollte, daß sich die Gruppe auflöst. Gleichzeitig muß aber für die jüngeren Leute deutlich werden, daß es ein normales Verhältnis ist, daß da ältere Genossen sind, die völlig andere Bedürfnisse und ein höheres Niveau haben und das muß auch akzeptiert werden. Es gibt immer beide Seiten und keine allgemeine Lösung. Die Leidenschaftslosigkeit die du siehst, die sehen wir auch, und denken, daß die rebellischen Haltung den meisten Jugendlichen abgeht. Moderator: Es wurde gesagt, bei der verbliebenen restlinken Struktur gibt es noch Differenzen bzw. Nuancen. Ich würde schon sagen, daß es inhaltliche Unterschiede gibt und wie denkst du bei einem Grad von Organisation dann damit umzugehen? Du hast gesagt, das kann man vernachlässigen und muß man nicht unbedingt ausfechten. Ist es vorstellbar, die Unterschiede mit in eine solche Organisation einzubringen und innerhalb dieser auszudiskutieren und damit eventuell auch einen inhaltlichen Konsens herzustellen. Vielleicht auch als Frage hier ans Auditorium. Weil Nuancen schon ein bißchen qualifizierend klingt. Oder disqualifizierend. Je nach dem. Beitrag G: Ich wollte was sagen zu diesen inhaltlichen Unterschieden, die die ganze Zeit genannt werden. Der Kongreß ist auch eine Möglichkeit nach inhaltlichen Themen zu suchen, daran zu diskutieren und bei diesem Kongreß sind es die richten Themen gewesen, waren das die richtigen Inhalte, die dann letztendlich dazu führen werden, daß sich die Leute einigen. Unterschiedliche Herangehensweisen hat man auf dem Kongreß total viele gehabt. Ich denke, daß oft das Problem ist, nicht so sehr, ob die Gruppe diesen oder jenen Inhalt vertritt, sondern welche politische Praxis die jeweiligen Gruppen haben. Es sind ja sehr unterschiedliche Gruppen dagewesen, ich finde es schade, daß man nicht die Positionen aller verschiedener Spektren überhaupt mitbekommen hat. Es gab Leute aus Leipzig, die sich geäußert haben, aus Göttingen und Berlin, und dann waren noch Leute, die die Veranstaltung "Nazikultur - Diebstahl linker Codes?" gemacht haben, eher theoretisch. Das ist auch o.k., die haben einen anderen Ansatz. Dieser Kongreß bietet die Möglichkeiten, daß Gruppen aus der Praxis mit Gruppen zusammenkommen, die ihren Schwerpunkt darauf legen, Probleme ganz grundlegend aufzuarbeiten, was manche Gruppen aus der Praxis nicht machen. Das ist eigentlich kein Problem, wenn man bereit ist, Diskussionen konsequent weiterzuführen, d.h. wenn Gruppen, die sich mit bestimmten Themen beschäftigen, diese Themen einbringen und sich bereit finden sich mit Gruppen die auf der praktischen Ebene arbeiten, zu einigen. Dann wäre das der Prozeß, der interessant ist und nicht daß es eine inhaltliche Angleichung gibt von dem her, daß entweder heruntergebetet wird: Ja, es gibt keine verbindlichen Codes, was uns auch nicht weiter bringt, oder: Wir sehen die Lösung nur in der Revolution. Diese Angleichung, wäre nicht des Rätsel Lösung, sondern, daß die Sachen, die hier diskutiert werden auch irgendwann verbindlich werden. Ich fände es gut, wenn es Praktisch umgesetzt würde. Das ist eigentlich der Knackpunkt und nicht, daß irgendwie die Inhalte zu unterschiedlich sind, sondern daß keine Verbindlichkeit da ist, eine Verbindung zwischen den verschiedenen Gruppen und das, was dann als Organisationswunsch im Raum steht. Das zeigt sich auch in der Praxis, daß die Streitigkeiten eigentlich uninteressant sind, weil das BAT genauso Probleme mit seiner Praxis hat wie andere Gruppen. Es gilt zu konstatieren, an welchen Punkten man als politische Gruppe jetzt eingreifen kann und wie man es schafft, daß sich alle daran orientieren. Beitrag A: Unser Ansatz war, ein Podium zu finden und Fragen zu stellen. An der Teilnahme und der Resonanz würde ich großen Bedarf ablesen. Die meisten Leute sind unzufrieden mit der Praxis die sie haben. Faktisch bei allen Themen, die hier aufgeworfen wurden, gab es Auseinandersetzungen. Das sind die Sachthemen, um die es in der Zukunft gehen soll. Uns ging es darum klarzustellen, in was für einem Umfeld wir uns bewegen, daß es hier eine rechte Alltagskultur gibt und daß wir genau diese als Ausgangspunkt nehmen müssen, um zu sehen, wie wir agieren können. Der Diskussionsbedarf ist da. Klar ist, daß jetzt noch was kommen muß. Wir sehen diesen Kongreß als Teil eines Prozesses und sagen nicht, wir haben einen Kongreß gemacht und sind fertig. Referent: Ich habe es so verstanden, daß es nicht die Fragen der inhaltlichen Unterschiede sind, sondern daß man es ausprobiert und die Leute sich selber einordnen in den Organisierungsprozeß und daran teilnehmen - und das ist ein Ergebnis, was ich hier raushöre. Ohne dabei total funktionalisiert zu werden. Beitrag H: Ich selber bin bei den JungdemokratInnen/Junge Linke aktiv, eine Organisation, die relativ umgreifend formalisiert strukturiert ist, sehe da auch bestimmte Vorteile, aber auch die Schwierigkeiten. Die Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft und der Anspruch, möglichst selbstbestimmt zu sein, stehen immer in einem Spannungsverhältnis zu einem hohen Organisationsgrad. Für mich ist der Charme der Antifabewegung immer gewesen, daß es da gerade nicht diese formalisierten Strukturen gibt, sondern einen eigenen Anspruch von Politik und Praxis, einen sehr hoher Grad von Selbstorganisation und selbstbestimmten Handeln. Ich würde die These wagen, daß das auch in einem grundsätzlichen Widerspruch zueinander steht, ein hoher Organisationsgrad und der inhaltliche Anspruch, den die meisten Leute hier haben. Das ist deshalb eher zum Scheitern verurteilt, wenn man mit so einem klassischen Organisationsverständnis herangeht. Ich glaube aber, das es wichtig ist, eine Vernetzung voranzutreiben, vielleicht solche Kongresse häufiger zu machen, den Austausch untereinander stattfinden zu lassen. Vielleicht erscheint das einigen komisch, weil ich selber eben aus so einer hochorganisierten, hochformalisierten Organisation komme. Aber gerade nach meiner Erfahrung mit dem was wir so machen, ist das kein Modell, was die Antifa kopieren sollte. Referent: Ich glaube nicht, daß wir das kopieren wollen. Ich habe versucht deutlich zu machen, daß ein klassischen Organisationsverständnis in dieser Bewegung überhaupt nicht greifen kann. Das würde voraussetzen, daß ich wie in den 20er Jahren sage, Orientierung: Sowjetunion, Modell: Bolschewiki, zweitens: Weltrevolution, kein Problem, Kommunistische Internationale. Das waren ganz konkret Projekte, die gesagt haben, die Partei ist alles. In den 30er hatte das einen ganz anderen Stellenwert. Jedes klassische Organisationsmodell wird hier und heute versagen und deshalb gibt es auch nur irgendwelche orthodoxen Splittergruppen, weil die Mehrheit der Leute nicht sagt, das wäre unsere Zukunft. Dennoch bewegst du dich in diesem Widerspruch und wirst damit leben müssen, die Leute möglichst hochgradig einzubinden und deren Politisierung hochgradig voranzutreiben, sie zu schulen in der Zeit, wo sie ihr Leben zur Verfügung stellen, um etwas zu verändern in dieser Gesellschaft. Das ist die Aufgabe einer Organisation. Wir sind Teil einer Bewegung, wo alle die Möglichkeit haben, organisiert zu sein. Die Organisation muß bestimmte Aufgaben wahrnehmen innerhalb dieser Bewegung. Sie muß ein organisatorisches Rückgrat bieten, welches Kontinuität gewährleistet und die Möglichkeit bietet, daß es Kongresse gibt, daß es Diskussionen gibt. Aus sich selbst heraus, wird sich das nicht ergeben. Ich weiß nicht, wieviel Einblick du hast, aber die Antifa ist teilweise sehr formalistisch, viel formalistischer als uns teilweise lieb ist, trotzdem gibt es Verbesserungen zu machen. Das Problem ist nach wie vor, daß sich die Leute nicht allgemein der Bewegung zuordnen. Sie müssen Verantwortung übernehmen und ihre Konsumhaltung ablegen. Das kann man nur dann aufbrechen, wenn sich Leute selber beteiligen. Dann ändert sich ihre Haltung und das müssen die Gruppen als Schritt vollziehen. Dann können sich auch total kleine Gruppen, als Teil einer Bewegung denken. Dann ist es auch nicht mehr möglich, Detailfragen im Lokalen zu diskutieren, ohne Veränderungen in den Positionen der Linken mit zu betrachten. Alle müssen sich auf dieses Organisationsmodell beziehen und sagen: "Eh, ich bin Teil von etwas und ich beteilige mich daran im Rahmen der Möglichkeiten". Das ist das einzige, was eigentlich hinter dieser Organisationsidee steht und das ist heute nicht vorhanden. Das ist auf jeden Fall ein Punkt, wo ich denke, daß wir eingreifen können, auch über eine Diskussionsprozeß. Referent: Wie spät ist es? Moderator: 5 vor zwölf. Referent: Das ist doch super, 5 vor 12, das ist genau das richtige Bild, um das hier zu beenden.
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