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left action - linksradikale Gruppen in  Leipzig - Archiv
 

01.08.2001

Amt für wirklich wichtige Arbeit

Aktion auf dem Grenzcamp

Flugblatt zur Aktion

Flugblatt im Arbeitsamt



"Amt für wirklich wichtige Arbeit"

Bei einem Besuch des "Amtes für wirklich wichtige Arbeit" erhalten sie eine Berufsberatung zu den wichtigen, gefragten und zukunftsträchtigen Berufen: Sie bekommen keine Weiterbildung als WebprogrammiererIn oder das Angebot als Erdbeerernte-HelferIn zu sagenhaft niedrigen Löhnen. Wir vermitteln Ihnen den einträchtigen Beruf der BankräuberIn (wo sonst können Sie an einem Tag 5 Mio. DM verdienen?), der SchlepperIn (in Zeiten der dichtgemachten Grenzen ein sehr gefragter und nützlicher Beruf mit viel Abwechslung und Spannung), der PizzabäckerIn (wieso sollen immer nur ItalienerInnen die Pizzas backen?) und der FaulenzerIn (es gibt eh zuwenig Arbeit, nehmen Sie sie doch denen, die wirklich arbeiten wollen, nicht auch noch weg!)

Am Anfang der Beratung steht eine Vorstellung der Gründe unseres neuen Amtskonzeptes - für Einzelberatungen zu den Berufsangeboten wenden Sie sich bitte direkt an die MitarbeiterInnen unseres Amtes.

Die "unglaubliche Wandlung" Deutschlands zum Einwanderungsland

Das Einwanderungsgesetz, wie es sich als Resultat der aktuellen Debatte um Zuwanderung abzeichnet, soll eine flexible Einwanderung nach wirtschaftlichen Erfordernissen ermöglichen. Diese Verwertungslogik bestimmt, wer rein darf: entweder gesuchte Fachkräfte oder rechtlose, ausbeutbare BilliglohnarbeiterInnen. Der Aufenthalt in diesem Land wird konsequent an ökonomische Verwertbarkeit gekoppelt sein.
Der Zwillingsbruder dieser Lockerung der Zuwanderung ist die Verstärkung der Ausgrenzung und Abschottung Deutschlands zum Rest der Welt: gefordert und umgesetzt werden immer geringere Anerkennungsquoten im Asylbereich, die Perfektionierung der Abschiebemaschinerie und die Verschärfung rassistischer Kontrollen im Inland.
Der völkischen Rassismus zieht eine klare Grenze zwischen Angehörigen des "deutschen Volkes" und den Anderen, die nie dazugehören können - nach dieser Logik wird das "Boot" immer voll sein. Der Wirtschaft hingegen käme eine Freizügigkeit nach arbeitsmarktpolitischer Situation und guten Rahmenbedingungen für Fachkräfte gelegen. Rassistische Beleidigungen im Supermarkt und Überfälle durch Nazi-Cliquen sind für die Industrie im Fall der BilliglohnarbeiterInnen bedeutungslos: Deutschland wird für die meisten MigrantInnen dennoch ein begehrtes Ziel sein. Im Fall der SpezialistInnen jedoch, die zwischen den Metropolen der verschiedenen Länder wählen können, stehen die gewalttätigen Folgen des völkischen Rassismus dem wirtschaftlichen Verwertungsinteresse entgegen. Hier tritt der Staat als Mittler zwischen den Positionen auf: Mittels eines Einwanderungsgesetzes ermöglicht er die Zuwanderung nach wirtschaftlichen Interessen, gleichzeitig dämpft er den militanten völkischen Rassismus, indem er Nazis in die Schranken verweist und der Bevölkerung einen zivilgesellschaftlichen Antifaschismus vermittelt.
Der nach ökonomischen Erfordernissen modernisierte, feindifferenzierte Rassismus führt zu einer Spaltung der davon Betroffenen: Illegalisierte werden durch Razzien und Rechtlosigkeit in einem prekärem Status gehalten, der kapitalistischen Ausbeutungsinteressen entgegenkommt. Fachkräfte hingegen werden rechtlich abgesichert, bleiben jedoch auch von rassistischen Grenzziehungen betroffen.
Einig sind sich alle jedoch in Folgendem: Nichtdeutsche hätten kein Recht auf Bewegungsfreiheit in Länder ihrer Wahl, wären zunächst gefährlich (kriminell, fundamentalistisch, untergraben "die deutsche Leitkultur") oder finanziell belastend und müssten ihre ökonomische oder kulturelle Nützlichkeit erst unter Beweis stellen.

Ob aufgrund von politischer Verfolgung, aus Flucht vor Diskriminierung und Unterdrückung, oder aber einfach aus Hoffnung auf bessere Lebensperspektiven - jeder Mensch hat ein Recht auf uneingeschränkte Bewegungsfreiheit und ein Leben der eigenen Wahl, ungeachtet konstruierter Grenzen, seien es Nationen-, Geschlechter- oder ethnischen Grenzen.

Der Rassismus der Nicht-RassistInnen

Frankfurt ist eine Vorreiterstadt bei der Umsetzung des linksliberalen Konzeptes "Multikulturalismus" und ist darauf auch sehr stolz - es harmoniert mit dem propagierten Image als weltoffene, liberale Stadt. Einziges Manko: es ist ein kulturell rassistisches Konzept.
Multikulturalismus basiert auf der Vorstellung einheitlicher Gruppen mit dauerhaften kulturellen Identitäten. Der Begriff der Kultur ist in diesem Verständnis mit ethnischer und nationaler Herkunft und den damit als quasi natürlich verbundenen Verhaltensweisen, Einstellungen und Gewohnheiten verknüpft. Diese Zuschreibung ist jedoch genauso zwanghaft und dauerhaft wie die gesellschaftlich überholten biologischen Begründungen: die davon Betroffenen sind von ihnen geprägt und können sich aus ihrer Gruppenzugehörigkeit nicht befreien. Selbst MigrantInnen in der 3. Generation, die hier geboren sind, bleiben z.B. "die Türken", "die Chinesen". Die rassistischen Klischees in der Bevölkerung sind nun oft einfach positiv besetzt: anstatt "unzivilisierten Schwarzen" sind es nun "naturverbundene Afrikaner mit Rhythmus im Blut". Oder es werden positive Klischees als Gegensatz zu negativen Bildern erfunden: statt "arbeitsscheuen Asylanten" sind es nun "die nützlichen ausländischen Arbeitnehmer", ohne die es der deutschen Wirtschaft viel schlechter gehen würde. Sämtliche Argumente dienen dazu zu begründen, warum MigrantInnen nicht diskriminiert und verfolgt werden dürfen: eben weil sie der deutschen Gesellschaft, Wirtschaft und Staat nützlich sind. Auch MultikulturalistInnen teilen und reproduzieren eine rassistische Verwertungslogik.
Kulturelle Unterschiede werden als Gründe für soziale Realitäten benannt. Diese werden dann zum kulturellen und Integrations-Problem erklärt und müssen demzufolge auch nicht bekämpft werden: Wenn z.B. das Zusammenleben in Großfamilien auf beengten Raum hier beibehalten wird, geschieht dies angeblich nicht aus tatsächlich bestehender Armut, sondern ausschließlich, weil es "ihrer Kultur entspricht". Die bestehende soziale Ungleichheit wird zementiert.
Das Multikulturalismus-Konzept bekämpft den Rassismus in der Gesellschaft nicht, sondern modernisiert diesen zu einem kulturellen Kosten-Nutzen-Rassismus.

Menschen anhand beliebig herausgegriffener Merkmale wie ihrer Herkunft oder ihrem Geschlecht in einheitliche Gruppen einzuteilen und ihnen darauf basierend Eigenschaften zuzuschreiben, geht an der Realität vorbei: jedeR ist anders als andere, trotzdem sind im Sinn von Hierarchie und Bewertung alle gleich.

Arbeit ist Scheisse

Vor ca. 300 Jahren war dieser Satz noch allgemein geläufig und anerkannt: Arbeit diente ausschließlich der Bedürfnisbefriedigung. Gesellschaftlicher Reichtum wurde in rauschenden Festen verpraßt und nicht angehäuft. Erst mit der Industrialisierung wandelte sich durch die Anwendung von Arbeitszwang das Verhältnis. Selbst vor 100 Jahren hätten noch weite Teile der Gesellschaft diesen Satz unterschrieben: kaum jemand identifizierte sich mit Arbeit, sondern bewahrte eine innere Distanz dazu. Kämpfe der Abeiterbewegung hatten immerhin noch Veränderungen der Arbeitsbedingungen zum Ziel. Heute jedoch ist der Arbeitszwang vollkommen verinnerlicht - die Arbeit formt den Menschen und die eigene Wahrnehmung und bestimmt den sozialen Status. Fast jedeR arbeitet gern und identifiziert sich damit. Menschen, die sich dem Arbeitszwang entziehen wollen und nicht nur für die Arbeit als Selbstzweck leben wollen, werden quer durch die Gesellschaft einheitlich als FaulenzerInnen diffamiert und mittels "Arbeit statt Sozialhilfe"-Programmen und verschärften Gesetzen unter Druck gesetzt. Die Situation ist schizophren: Es gibt mittlerweile nicht mehr genug Arbeit selbst für diejenigen, die arbeiten wollen. Das Leitbild von Vollbeschäftigung ist real überholt und wird mittels "Zwangsarbeit" und Umschulungsmaßnahmen am Leben erhalten. Zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit wird eine klare und weitreichende Trennung gezogen: nur erstere ist gesellschaftlich anerkannt und erhöht den gesellschaftlichen Status.

Die Aufspaltung von Tätigkeiten in ehrenhafte Lohnarbeit und unbezahlte Freizeitbeschäftigung sowie einen zwanghaften Arbeitsethos lehnen wir ab. JedeR hat ein Recht auf Faulheit und selbstbestimmte Lebensgestaltung.

Zum Abschluß

Die aktuelle Diskussion um Einwanderung trotz grundsätzlicher Abschottung ist in Deutschland nicht neu: Es gibt Kontinuitäten z.B. zu der Anwerbung von Fremdarbeitern in der Weimarer Republik, über die Gastarbeiter in den 50er Jahren bis heute. Immer ging es um ökonomische Verwertbarkeit und eine Verhinderung dauerhafter Einwanderung durch zeitliche Befristung des Aufenthaltes und Rotationsprinzip - es ging und geht nur um Arbeitskräfte, nicht um Menschen.
An der Situation von MigrantInnen spitzt sich die alle betreffende Unterworfenheit von Menschen unter die kapitalistische Verwertungslogik erkennbar zu: ihr rechtlicher und sozialer Status knüpft sich komplett an ihre Einteilung innerhalb des aufgemachten Gegensatzes "nützlich - unnütz".

Amt für wirklich wichtige Arbeit, Juli 2001
http://www.nadir.org/camp01

 

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