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01.08.2001
Amt für wirklich wichtige Arbeit
Aktion auf dem Grenzcamp
Arbeitsamt 60311 Frankfurt 01.08.2001 Mein Zeichen:
S 354-1678 B 214-2134
Auftrag:
F 08901/438600 34456
Ihr Ansprechpartner:
Frau Flenzer
Telefon: 069/2171-0
Faxnummer: 069/2171-20
Sehr geehrte/r Dame/Herr,
ich freue mich, Ihnen folgende Arbeitsstelle vermitteln zu können
Tätigkeit: Vollzeitstelle als Pizzabäcker/-in
Firma: Luigie's Pizza und Pasta - Erlebnisgastronomie
Anforderungen: deutscher Paß; einschlägige Erfahrungen in Handteigjonglage vor Publikum und südländisches Temperament sind (dringend) erforderlich; jugendhafter Charme sowie deutsch mit italienischem Akzent wünschenswert; Sonnenstudioabonnement sowie Goldkettchen und Namensschildchen (Rufname während der Arbeitszeit ist "Roberto") werden gestellt
Lohn/Gehalt: 1 Apfel, 1 Ei und 3x Pasta täglich
Arbeitszeit: 50 Stunden/Woche + unbezahlte Überstunden und
Wochenendarbeit
zu besetzen: ab sofort
bei: Luigies Pizza und Pasta,
Gleich um die Ecke Nr.7,
Toleranzstadt
Vereinbaren Sie bitte umgehend einen Vorstellungstermin. Wenden Sie sich bei obengenanntem Arbeitgeber. Nehmen Sie dieses Schreiben zur Vorstellung mit.
Soweit der Vermittlungsvorschlag für Sie noch Fragen über die angebotene Stelle offen gelassen haben sollte, erfragen Sie bitte weitere Einzelheiten direkt bei Ihrer Vorstellung.
Bitte teilen Sie uns das Ergebnis Ihrer Verhandlungen auf jeden Fall bei einem Gespräch in der Pizzaria mit.
Beachten Sie bitte die Rechtsfolgenbelehrung auf der Rückseite.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Arbeitsamt
Rückseite: Rechtsfolgebenlehrung
Bei Ihrem nächsten Stück Pizza können Sie sich ja mal folgende Gedanken durch den Kopf gehen lassen:
Menschen mit verschiedenen Lebenshintergründen können miteinander/ nebeneinander leben.
ALLERDINGS
nur weil ich weiß, daß ich Pilze kriege, wenn ich "Pizza funghi" bestelle und das Wort "Kebab" richtig schreiben kann – oder weil ich Stammesschnitzereien in der Wohnstube stehen habe und "Individualtrekkingurlaub" auf Bali mache, heißt das noch lange nicht, daß ich mir die "Ehrennadel für antirassistisches Denken und Handeln" in Gold ans Revers heften kann.
WEIL
"Roberto" aus der italienischen Pizzeria mehr ist als nur eine nette Bereicherung des Speiseplans und sein Recht zu leben wo auch immer er will, nicht daraus folgt, daß er "nützlich" für "uns" ist. Selbiges gilt für Arundata, bei der es egal sein muß, ob sie den Windows- Quellcodes auswendig kann.
Ada, die vielleicht aus "Schwarzafrika" kommt, deshalb noch lange nicht den ganzen Tag Bongospielen will und auch keinen Rhythmus im Blut haben muß. Paolo mit Eltern aus Rio de Janeiro nur vielleicht "brasilianisch" Fußball spielt.
Nexh und seine Verwandten aus dem Kosovo vielleicht enggedrängt und zusammengepfercht wohnen, weil es so "Tradition" ist. Vielleicht liegt es aber auch daran, daß sie nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, jeweils einen eigenen Raum/Wohnung anzumieten.
Stephan, der nebenan wohnt, mir nicht wirklich vertrauter ist als Mehmet, mit dem er sich die Wohnung teilt.
alle oben genannten und der "Rest der Anderen" schnell und leicht die Grenzen der multikulturellen Toleranz erfahren können, wenn sie sich gegen vorgegebene Erwartungen/ Rollenbilder wehren.
Alle gleich, jedeR anders!
Kein Mensch ist illegal!
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