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Seit 1933 ist der 1. Mai gesetzlicher Feiertag in Deutschland. 1997 sprengten Nazis eine DGB-Kundgebung zum 1. Mai mit dem Transparentmotto „Arbeit macht frei“. Für nicht wenige Linke wildern die Nazis damit auf per se linkem Terrain und sind Konkurrenten in der „sozialen Frage“. Spätestens dadurch aber offenbart sich, dass der positive Bezug auf die „Arbeit“ keinen linken Kontext benötigt. Im Gegenteil, er steht einer emanzipativen Kapitalismuskritik im Weg. Den zentralen Gedanken der nationalsozialistischen Weltanschauung bestimmte Hitler in „Mein Kampf“: „Im Hakenkreuz (sehen wir) die Mission des Kampfes für den Sieg des arischen Menschen und zugleich mit ihm auch den Sieg des Gedankens der schaffenden Arbeit, die selbst ewig antisemitisch war und antisemitisch sein wird.“ Der „nationalen, deutschen, schaffenden Arbeit“ wird die „jüdische Nichtarbeit“ und das „raffende Kapital“ entgegengesetzt. Der deutsche Antisemitismus – und leider nicht nur dieser, sondern auch allerhand „linker Antikapitalismus“ – setzt die Sphäre der Arbeit/Produktion (konkret, natürlich, gut, deutsch) der Sphäre des Kapitals (abstrakt, global, schlecht, jüdisch) entgegen. Der sich hier artikulierende völkische Antikapitalismus zielt nicht auf die Aufhebung des Kapitals, die Selbstverwertung des Werts als solche, sondern auf ein reibungsloses, sinnerfülltes Arbeiten im Dienste von Volk und Vaterland. Kapitalismus gilt nicht als eine Produktionsweise, sondern wird als Produkt einer besonders niederträchtigen Sorte von Menschen gesehen, deren Profitgier ungebremst ist – Kapitalisten, Spekulanten, Juden. Ihnen werden dabei besondere Eigenschaften – wie Abstraktheit, Unfassbarkeit, Universalität, Mobilität, Wurzel-
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losigkeit – zugeschrieben, die auch als Charakteristika der Macht gelten. Zum Wesen des modernen Antisemitismus gehört es, die Entwicklung des Kapitalismus und mit ihm die sozialen Krisen mit den Juden zu identifizieren. Das Judentum galt als die Personifizierung der abstrakt erscheinenden Sphäre des Kapitalismus, der Sphäre des Geldes und des Kapitals, durch die die Geschicke der Welt gelenkt würden. Es war nun das typisch Deutsche des Antisemitismus, dieser Sphäre ein scheinbar deutsches Wesen entgegenzusetzen, daß mit der scheinbar ursprünglichen Arbeitssphäre wesensgleich sei und hier seine wahre Bestimmung hat. „So wird der Gegensatz von stofflich Konkretem und Abstraktem zum rassischen Gegensatz von Arier und Jude.“ (Moishe Postone) Daraus folgt, dass sich eine ernstzunehmende Kapitalismuskritik nicht mit einer Personalisierung des Kapitalverhältnisses (die armen „Opfer“ hier bei uns und die bösen „Täter“ da oben) abgibt, sondern dessen Subjektlosigkeit betont. Kapital ist die „unmittelbare Einheit von Produktion und Geld oder besser von Produktion und Zirkulation“ (Karl Marx) und deshalb kann eine emanzipatorische Kritik nicht bei den Erscheinungsformen stehenbleiben, sondern muß diese vom Wesen unterscheiden. Wenn die Unterscheidung zwischen Wesen und Erscheinung nicht getroffen wird, besteht die Gefahr, daß die konkrete Seite (Arbeit) gegen die personifizierte, abstrakte Seite (Kapital, Geld) verteidigt wird. Aufgrund der historischen Betrachtung – wo die Juden als die abstrakte Seite des Kapitalverhältnisses personifiziert wurden – sprechen nicht nur die ReferentInnen von strukturellem Antisemitismus.
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