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ex-Innen!stadt!aktion (Berlin)
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Ein konstitutives Element der Ausgrenzung und repressiven Vertreibung
bestimmter Gruppen aus innerstädtischen Räumen sind rasssitische
Feindbildkonstruktionen, die Aufenthaltsstatus und zugeschriebene Fremdheit mit
Bedrohung und Kriminalität koppeln. Daran wirken Politik und
Repressionsapperate, die Medien aber auch alltägliche Praktiken und
Redensweisen der Mehrheitsbevölkerung mit. In bezug auf den Kongress
wäre hier vor allem zu diskutieren:
wie das Reden und Handeln von Staatsapperaten, Medien und
Mehrheisbevölkerung zu einer Konstruktion von Innen und
Außen zusammenfliessen und wer bzw. welche verhaltensweisen
als Drinnen und Draussen definiert werden;
welche Bedeutung solche Produktionen eines kollektiven Wir
und die damit verknüpften Feindbildkonstruktionen für Ideologie und
Handeln von Nazis habenund
welche Rolle die Nazis im Rahmen der Repressionstrategien gegen die
dadurch ausgegrenzten Gruppen in den städtischen Räumen einnehmen: so
zeigt sich in einigen Fällen, dass die Nazis bei der gewaltätigen
Vertreibung bestimmter Gruppen die die Arbeit der
Repressionsorgane erledigen, dann aber auch selbst von diesen (etwa auf
Bahnhöfen und Shpping- Malls) vertrieben werden.
Die Konstruktion der scheinbaren Gefährlichekeit jener Gruppen, die
dann in zentralen städtischen Räumen schikaniert und daraus
vertrieben werden, ist ein wesentliches Kriterium zur Legitimation dieses
Handelns: Auf diese Weise kann mit der Angst und dem subjektiven
Sicherheitsgefühl der sogenannten Normalbürger argumentiert
werden, die ein niedrigschwelliges Eingreifen von öffentlichen und
privaten Sicherheitsorganen gegen den Aufenthalt gefährlicher
Gruppen in städtischen Räumen erforderlich machen.
Wie und mit welchen Mitteln kann man der tatsächlich
gefährlichen Gruppe der Nazis in städtischen Räumen begegnen,
ohne gleichzeitig partiell gemeinsame Sache mit den staatlichen und privaten
Repressionsorganen zu machen, gegen die ansonsten unsere Politik richtet, oder
ohne politische Forderungen einzuschränkenken, die gegen die zunehmende
Überwachung und Kontrolle dieser Räume durch Sicherheitsorgane und
Technik ankämpfen.
Die soziale Realität in den deutschen Metropolen hat sich seit den
achtziger Jahren grundlegend verändert. Eine global orientierte
Dienstleistungsökonomie dominiert das städtische Erscheinungsbild und
beeinflußt die Beziehungen zwischen den sozialen Klassen. Zugleich kommt
es zu einer verstärkten Durchdringung von Kultur und Ökonomie. Der
Freizeit- und Unterhaltungskomplex entwickelt sich zu einem wichtigen
wirtschaftlichen Faktor für die Städte. Die Ausrichtung der Zentren
zu hochwertigen Konsumtionslandschaften und die wachsende sozialräumliche
Polarisierung transformieren die Nutzungs- und Aneignungsweisen des
öffentlichen Raumes.
Gefährliche Orte -
unerwünschte Gruppen
Die Innenstädte sind nicht nur die toten Zonen des Konsums,
sondern sind zunehmend auch ein umkämpftes Terrain. Sie stellen für
jene Menschen, die die bad jobs des Dienstleistungsgewerbes verrichten,
den wesentlichen Arbeitsort dar und sind wichtiger Aufenthalts- und
Reproduktionsraum für verschiedenen Submilieus. Neben Büros und
Geschäften gibt es im Innercity-Bereich auch ein dichtes Netz an sozialen
Angeboten für ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen, wie etwa Drogenhilfe,
Gesundheitsversorgung, psycho-soziale Beratung, Unterstützung in Form von
Nahrung, Kleidung, Unterkunft.
Seit Beginn der neunziger Jahre entfaltet sich in den Metropolen ein
Repressionsprogramm, das sich vor allem gegen die Anwesenheit dieser
marginalisierten Gruppen an zentralen Orten und Plätzen richtet.
Exemplarisch für diese Entwicklung ist etwa die von der Berliner Polizei
vorgenommene Ausweisung von inzwischen 30 gefährlichen Orte,
an denen wesentliche Persönlichkeitsrechte außer Kraft gesetzt sind.
Insbesondere innenstadtnahe Plätze und große Einkaufsstraßen
fallen unter diese Klassifikation. An solchen Orten können ohne
Begründung Personalienüberprüfungen oder Leibesvisitationen
vorgenommen und Platzverweise ausgesprochen werden. Ähnlich weitreichend
sind die Kontrollbestrebungen des Frankfurter Magistrats: Um einen
stressfreien Aufenthalt in der City zu gewährleisten, soll
durch eine geplante Gefahrenabwehrverordnung eine
Belästigung der BürgerInnen durch rauschbedingtes
Verhalten und aggressives Betteln mit Hilfe von Platzverboten
vermieden werden. In Bremen schließlich sprechen die Behörden auf
der Grundlage des Polizeigesetzes gegen vermutete DealerInnen und
DrogenkonsumentInnen Betretungsverbote für bestimmte Stadtteile aus. Bei
Mißachtung können die Betroffenen inhaftiert und am Stadtrand
ausgesetzt werden. Seit kurzem erteilt zudem die Betreibergesellschaft der
Bremer Straßenbahnen gegenüber Personen, die des Drogenbesitzes
verdächtigt werden, ein Beförderungsverbot auf allen Bahn- und
Buslinien. Durch die Sanktionierung von Verstößen können sich
die Aufenthaltsverbote für die Betroffenen zu mehrjährigen
Verbannungen anhäufen.
Bei der Neuordnung öffentlicher Räume spielt auch die Deutsche Bahn
AG eine wichtige Rolle. Diesem nun privaten Kapitalunternehmen gehören in
allen Städten der Bundesrepublik enorme Flächen in überwiegend
zentralen Lagen, die man möglichst profitabel vermarkten will. Zugleich
werden die Verkehrsstationen zu Shopping Malls und Dienstleistungszentren
umgebaut. Damit geraten auch die Bahnhöfe - bislang bedeutsame
Rückzugsräume für ausgegrenzte Gruppen - verstärkt ins
Fadenkreuz von Kontrollstrategien. Da die Miethöhe in 1a-Lagen nicht nur
von der baulichen Qualität und der konkreten Funktion, sondern auch vom
Image und Prestige der Immobilienobjekte abhängt, ist die Bahn AG
bestrebt, das soziale Umfeld selektiv aufzuwerten. Komplementiert wird diese
Aufwertungsstrategie durch das sogenannte 3-S-Programm - sprich Service,
Sicherheit, Sauberkeit. Das Herzstück dieses Programms ist eine
Zentrale in der es aussieht wie auf dem Tower eines Flughafens. Vier
Bahnarbeiter sitzen vor jeweils acht Monitoren (...). Über bahneigene
Telefone sowie über Funksprechanlagen gibt es direkte Verbindungen zum
Bahnschutz, zur Polizei, zum Bundesgrenzschutz, zu den Reinigungskräften
(...). Bei jeder Art von Notsituation kann sofort reagiert werden, der
Bahnschutz oder die Polizei informiert oder bei sichtbaren Verunreinigungen
(...) sofort ein Reinigungsteam in Bewegung gesetzt werden. So ist es
möglich, (...) den Drogensüchtigen oder Obdachlosen anzusprechen,
bevor er sich im Bahnhof niederlassen kann (Bahnhof-Report 1998: 20). Die
Konsequenz dieses Ansprechens zeigt sich auf den Berliner
Bahnhöfen Zoo, Hauptbahnhof und Lichtenberg: allein im Januar 1997 sprach
die Bahn AG hier 181 Hausverbote und 7.400 Platzverweise aus (Eick 1997).
Angesichts sinkender Umsätze sind auch die BetreiberInnen von
Kaufhäusern und Ladenketten in der City bestrebt, die Einkaufsmeilen nach
dem Vorbild von Shopping-Malls zu managen. Da deren Erfolg nicht zuletzt auf
der Garantie des gesicherten und ungestörten Konsums basiert, sollen
deshalb die verschiedenen Submilieus aus den Innenstädten verdrängt
werden. Die Steigerung des Warenumsatzes und eine profitable
Immobilienverwertung werden nun in direkte Beziehung zu Sicherheit und Ordnung
gesetzt. Zentrale Bereiche der Städte geraten so unter
privatwirtschaftliche Kontrolle und damit auch unter die Aufsicht privater
Sicherheitsdienste. Rechtlich stützen sich solche Unternehmen auf die
sogenannten Jedermannsrechte wie Notwehr, Notstand oder Nothilfe, um ihren
Zugriff in öffentlichen Räumen abzusichern. Diese Bestimmungen setzen
für besondere Situationen das staatliche Gewaltmonopol und die
persönlichen Freiheitsrechte außer Kraft. Sie werden auf die
privaten Sicherheitsdienste übertragen und von diesen präventiv
genutzt. Ihr Verhalten befindet sich entsprechend ständig im Vorgriff, so
als sei permanent eine individuelle Notsituation gegeben. Die
Sicherheitsdienste funktionieren gewissermaßen wie ein auf die
Straße verlagerter Werkschutz: nur daß hier nicht mehr die
Fabriken, sondern die Räume der Dienstleistungsökonomie
geschützt werden sollen. Da sich die Präventionsstrategie der
Geschäftsleute vor allem an der Optimierung von Betriebssicherheit und
Umsatzzahlen orientiert, operieren die privaten Sicherheitskonzepte mit einer
Vorstellung von abweichendem Verhalten, bei dem bereits
devianzbegünstigende Gelegenheitsstrukturen und
Handlungsweisen ins Blickfeld geraten. Bezeichnenderweise haben sich in allen
Großstädten Allianzen aus Geschäftsleuten und städtischen
Behörden gebildet, um Verbotszonen für bestimmte Gruppen
durchzusetzen. Die herkömmliche Trennung von öffentlichen und
privaten Kontrollsphären und Ordnungsbefugnissen geht über in einen
staatlich-privaten Kontrollmix mit unklaren rechtlichen Normierungen und
Zuständigkeiten (Beste 1997: 6).
Auffallend ist in diesem Zusammenhang der Bedeutungsgewinn von kommunalen
Verordnungen, die auf eine Art von Lokal-Justiz hinauslaufen und zugleich
für die wachsende Rekommunalisierung der staatlichen Ordnungspolitik
stehen. Strukturell lassen sich dabei zwei Varianten ausmachen. Zum einen
definieren die städtischen Behörden im Rahmen von Sondernutzungen wie
etwa Gefahrenabwehrverordnungen Betteln, Alkoholtrinken oder Lagern im
öffentlichen Raum als Ordnungswidrigkeit. Zum anderen findet mit Hilfe des
Hausrechts eine Umwidmung von öffentlich zugänglichen Orten statt.
Diese Kontrollpraxis kommt gegenwärtig verstärkt in Bahnhofsanlagen,
Flughäfen und dem öffentlichen Nahverkehr zum Einsatz. Erklärtes
Ziel dieser Strategie ist die Exklusion bestimmter Submilieus.
Gemeinsam ist diesen unterschiedlichen Kontrollpraktiken, daß sie auf
einen rassistischen Grundkonsens in den Normalitätsvorstellungen
zurückgreifen. So sind von den Überwachungen,
verdachtsunabhängigen Kontrollen, Hausverboten und verweisen
insbesondere Menschen betroffen, die den Sicherheitspartnern fremd
erscheinen. Ein solches Vorgehen kann sich zusätzlich noch auf die nur
für MigrantInnen geltenden Sondergesetze (Gesetz zur Neuregelung des
Asylverfahrens und das Ausländergesetz) stützen, mit Hilfe denen
AsylbewerberInnen und geduldeten Nicht-Deutschen der Zugang zu ganzen
Stadtteilen untersagt werden kann.
Sicherheits- und Moralpaniken
Die innere Sicherheit der Städte wird von den Behörden
und der medialen Öffentlichkeit zunehmend auch als
Disorder-Problem verhandelt. Aussagen wie Man muß die
Ängste der Bürger ernst nehmen signalisieren, daß nicht
mehr konkrete Straftaten, sondern subjektive Befindlichkeiten zum Gegenstand
politischer Interventionen werden. Damit rücken Themenfelder wie etwa
Unsauberkeit auf Straßen und Plätzen, Vandalismus oder
Betteln, die bisher von keiner strafrechtlichen Relevanz waren, in den
Vordergrund. In diesem präventiven Konzept von öffentlicher
Sicherheit findet eine Vermischung von sozialpolitischen, ordnungspolitischen
und polizeilich-strafrechtlichen Bereichen statt, die vor allem auf eine
Intensivierung der sozialen Kontrolle abzielen.
Populäres Vorbild für dieses präventive Sicherheitskonzept ist
die Null-Toleranz-Strategie der New Yorker Polizei. In der
amerikanischen Metropole werden Regelwidrigkeiten wie Trinken und Urinieren in
der Öffentlichkeit, Graffiti-Sprayen, Schwarzfahren und sogar lautes
Musikhören aus Ghettoblastern konsequent verfolgt und streng geahndet.
Das in den deutschen Großstädten breit diskutierte New Yorker
law-and-order-Modell führt auch hier dazu, daß sich eine
restriktive Ordnungspolitik durchsetzt. Aus der Sicht der Mehrheitsgesellschaft
formieren sich Obdachlose, DealerInnen, DrogenkonsumentInnen oder junge
MigrantInnen zu unerwünschten bzw. gefährlichen
Gruppen.
Bevorzugtes Thema des Sicherheitsdiskurses ist vor allem der
Ausländer als Krimineller und Drogendealer. Bezogen auf den
lokalen Raum findet hier jene nationale Politik ihre Umsetzung, die
innere Sicherheit als Massen- und
Ausländerkriminalität artikuliert, wobei diese Kampagnen ihre
suggestive Kraft vor allem aus den Diskursen und Bildern der Stadt beziehen, in
denen die gängigen Bedrohungszenarien entworfen werden. Meist operieren
die Sicherheits- und Moralpaniken (Cremer-Schäfer 1993) mit
der Unterstellung, daß ein großer Teil der Kriminalität von
außen eingeschleppt werde. Wenn davon in den Medien die Rede ist, dann in
Verbindung mit ausländischen Drogendealern oder jungen
MigrantInnen, die sich an sozialen Brennpunkten zu
gangs zusammenschließen und so eine bedrohliche
Raumokkupation vornehmen.
Die Redeweise vom Ausländerproblem wird so zum konstitutiven
Element eines Diskurses, der die Hierarchisierungen und Ausgrenzungsprozesse in
der städtischen Gesellschaft strukturiert und die innere Formation von
Metropolen, ihre Klassenverhältnisse und ihr politisches System reguliert.
Wesentlicher Bestandteil des Sicherheitsdiskurses sind Strategien, mittels
derer Individuen ethnisiert und dann als Fremde ausgegrenzt werden
können. Das Pendant zur Konstruktion des Anderen ist die
komplementär stattfindende Konstitution des nationalen Opferkollektivs in
Gestalt des bedrohten Landes oder Volkes (Kunz 1995).
Gleichzeitig werden mit dem Ende des wohlfahrtsstaatlichen Kompromisses die
Bestrebungen verstärkt, die Krise und die mit ihr einhergehende
Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft mit ordnungspolitischen Mitteln zu
bearbeiten. Einerseits fallen zunehmend mehr Menschen aus dem
Produktionsprozeß heraus, gelten nun Phänomene wie Armut als
natürlicher Bestandteil der Gesellschaft, andererseits wächst die
Bereitschaft, bestimmte Gruppen und soziale Praktiken zu disziplinieren, zu
stigmatisieren und auszugrenzen. Die sozialen Polarisierungsprozesse werden
zunehmend nicht mehr aus der Perspektive sozialer Gerechtigkeit, sondern als
Problem der öffentlichen Sicherheit und Ordnung thematisiert. Zu den
bevorzugten Objekten dieser Stigmatisierungs- und Diskriminierungskampagnen
zählen neben Flüchtlingen und MigrantInnen jene soziale Klassen, die
aus dem vorherrschenden Produktivitäts- und Leistungsmodell
herausfallen.
Was macht die Konstruktion von gefährlichen Gruppen so attraktiv?
Mit Hilfe der universell einsetzbaren Kategorien Gefahr oder
Gefährlichkeit lassen sich einerseits heterogene Milieus
homogenisieren, andererseits erlaubt der Begriff gleichzeitig eine
differenzierte Behandlung der betroffenen Gruppen je nach der Qualität der
Gefährdung, die sie repräsentieren. Auf diese Weise kann etwa
zwischen Asozialen unterschieden werden, die lediglich die
öffentliche Ordnung stören (Alks) und antisozialen
Kräften, die eine Bedrohung für die gesamte Gemeinschaft darstellen
(DealerInnen).
Da Unsicherheitsempfindungen weniger das Produkt direkter Erfahrungen sind,
sondern vor allem durch das Reden über Gefahren entstehen, stärken
die Sicherheitskampagnen der Politik und der einschlägigen Institutionen
eher die Kriminalitätsfurcht als sie abzubauen. Die öffentliche
Sicherheit erweist sich als ideales Feld, auf dem der Staat und die Parteien
Handlungsfähigkeit demonstrieren können, die in anderen
Politikfeldern nicht mehr möglich erscheint. Das strategische Moment
solcher Moralisierungs- und Bedrohungsszenarien besteht darin,
Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit zu definieren,
Einschränkungen des bürgerlichen Gleichheitspostulats zu
legitimieren, Grenzen des Anspruchs auf Anerkennung von sozialen Rechten zu
bestimmen und den Zugang zu materiellen Ressourcen abhängig zu machen.
Die Moral- und Sicherheitsdiskurse zielen jedoch nicht nur auf die Exklusion
der Unproduktiven und Unerwünschten, sondern
fungieren auch als Teil einer Integrationsstrategie, die die
Ausschließung bestimmter sozialer Gruppen voraussetzt, da ohne diese
Grenzziehungen keine Normalitätsstandards gebildet und durchgesetzt werden
könnten.
Territorialstrategien und Kontrollszenarien
Von Gilles Deleuze (1993) stammt die These, daß sich gegenwärtig der
Übergang von der Disziplinargesellschaft zur Kontrollgesellschaft
vollziehe. Die herkömmlichen Einschließungsmilieus wie
Gefängnis, Familie oder Schule befinden sich ihm zufolge in einer Krise,
die ihre jeweilige gesellschaftliche Bedeutung verändert. Die
Transformation der Disziplinar- und Normalisierungskonzepte sollte jedoch nicht
mit der Durchsetzung einer reinen Kontrollgesellschaft
gleichgesetzt werden. Die Rückkehr des strafenden Staates, und
die gegenwärtigen law-and-order-Kampagnen sind eindeutige
Indikatoren dafür, daß die klassischen Modelle von
Überwachen und Strafen nicht verschwunden sind. Diesen Macht-
und Herrschaftsmechanismen kommt vielmehr bei der Durchsetzung des
Neoliberalismus in Deutschland eine wichtige Rolle zu. Indem die
ökonomische und soziale Krise auch als eine Krise der Werte und Normen
verhandelt wird, ergeben sich spezifische gesellschaftspolitische und
staatliche Interventionsmöglichkeiten. Durch die Errichtung einer neuen
moralischen Ordnung soll nicht nur die fragmentierte Gesellschaft
konsensual zusammengehalten, sondern auch der wachsende sozialräumliche
Abstand zwischen den verschiedenen Klassen und sozialen Milieus legitimiert und
durchgesetzt werden. Nach Bourdieu (1991) handelt es sich bei der Herrschaft
über den Raum um eine der privilegiertesten Formen von Machtausübung,
da die Manipulation der räumlichen Verteilung von Gruppen sich als
Instrument der Manipulation und Kontrolle der Gruppen selbst durchsetzen
läßt. In den Auseinandersetzungen um Orte und Plätze
manifestieren sich somit die gegenwärtigen Machtverhältnisse. Die
Fähigkeit, den angeeigneten Raum zu dominieren - sowohl materiell wie
symbolisch - ermöglicht es, unerwünschte Personen und Ereignisse auf
Distanz zu halten und umgekehrt subalternen Gruppen stigmatisierte und
entwertete Territorien zuzuweisen. Die wachsende Präsenz der
Marginalisierten in den Zentren und bestimmten Wohnquartieren wird deshalb von
den Eliten und der Mehrheitsgesellschaft als Kontrollverlust über die
Stadt wahrgenommen. Aus deren Sicht geht es um die Wiedereroberung des
öffentlichen Raums und um die Durchsetzung bestimmter
Normalitätsstandards.
Die Durchsetzung dieses Modells erfolgt an den verschiedenen
städtischen Orten mit unterschiedlichen Ausrichtungen und
Intensitäten. Schematisch betrachtet zeichnen sich in den Metropolen vier
unterschiedliche Kontrollszenarien ab:
Erstens geht es um die präventive Abschirmung abgeschlossener Archipele
wie Bürotürme oder Malls von der feindlichen
Außenwelt. Durch entsprechende Absicherungen und Wachmannschaften
können bereits im Vorfeld unerwünschte Gruppen und Ereignisse
ferngehalten werden. Innerhalb des privat organisierten Territoriums findet die
Kontrolle der Besucherströme eher unaufdringlich durch
Techno-Prävention und eine spezifische Raumgestaltung statt. In der
Terminologie von Michel Foucault (1976) könnte man von einem panoptischen
Kontrollsystem sprechen, das sich allerdings in der Regel auf die Akzeptanz der
Betroffenen stützen kann.
Zweitens gibt es umkämpfte Territorien wie etwa die innerstädtischen
Einkaufsmeilen oder Bahnhöfe, in denen mit Hilfe einer repressiven
Verdrängungspraxis eine selektive soziale Homogenität hergestellt
werden soll. Ein wichtiges Instrument der Aufwertungsstrategie bilden dabei
Raumverbote für mißliebige Personen. Durch Moral- und
Sicherheitskampagnen versucht man auch, die Verhaltensweisen bestimmter
sozialer Gruppen im öffentlichen Raum stärker normativ zu regulieren.
Drittens bilden sich in bestimmten Wohnvierteln Nachbarschaftshilfen
heraus, die durch Quartiers-Patroullien und Bürgerwehren eine hohe soziale
Kontrolle nach Innen und eine starke Abwehrbereitschaft nach
Außen zu demonstrieren versuchen. Zudem soll mit einer
selektiven räumlichen Verteilungspolitik sogenannter Problemgruppen und
einem ausgrenzenden Ghetto-Diskurs die territoriale und kulturelle
Vorherrschaft der neuen Urbaniten oder der deutschen
Quartiersbevölkerung gesichert werden.
Viertens geht es um die ordnungspolitische Absicherung und Überwachung von
Ausschließungs- und Internierungsräumen für die Klasse
der Entbehrlichen wie etwa Junkies, DealerInnen, Flüchtlinge oder
Illegalisierte. Es handelt sich dabei um einen Macht- und Kontrolltypus, der
entweder die dauerhafte Verbannung bestimmter Menschengruppen aus der Stadt
anstrebt oder die Ausschließung mit differenzierten Einschließungs-
oder Internierungsmodellen zu kombinieren versucht. So werden viele
DrogenkonsumentInnen vor die Alternative Therapie oder Strafe gestellt,
AsylbewerberInnen in Heimen festgehalten oder es wird unerwünschten
Personen und mutmaßlichen StraftäterInnen der Zugang zu bestimmten
städtischen Gebieten untersagt.
Der Schwerpunkt der Kontrollpolitik in Deutschland liegt gegenwärtig
darin, einerseits in den zentralen Bereichen der Stadt die Armut unsichtbar zu
machen und andererseits einen tief gestaffelten Sicherungsraum gegen
Flüchtlinge und Migrationsbewegungen zu installieren. Die
Sicherheitsdiskurse und Repressionsprogramme bestimmen dabei vor allem den
Alltag in den Metropolen. Hier verdichten sich gegenwärtig
sozialräumliche und politische Formierungsprozesse, die für die
Umstrukturierung der gesamten Gesellschaft von Bedeutung sein werden.
Urbaner Revanchismus
Der amerikanische Stadtforscher Neil Smith (1996) hat exemplarisch für New
York gezeigt, daß diese gegenwärtige Restrukturierung nicht nur
durch eine neoliberale Kapitallogik erfolgt, sondern auch an eine
revanchistische Politik was sowohl Rückeroberung wie
auch Rache meint gekoppelt ist, die aus der Mitte der Gesellschaft
kommt. Die repressive Ausgrenzung von Menschen, die als nicht normenkonform
definiert werden, läßt sich erfolgreich damit legitimieren,
daß es dabei um die Rettung der räumlichen Kontrolle und die
sozial-kulturelle Hegemonie der Gemeinschaft der Wohlanständigen gehe.
Daß Revanchismus und neoliberale Stadtentwicklung dabei miteinander
korrespondieren ist offensichtlich. Dennoch handelt es sich um zwei
unterschiedliche Projekte, die jeweils ihren eigenen Ort der Entstehung haben,
jedoch gegenwärtig eine Symbiose eingehen und nun den sozialen Raum
entscheidend mitstrukturieren.
Bereits in der Spätphase des sozialdemokratischen Modell
Deutschland und nach der sogenannten Wende versuchten die politischen
Eliten, die sich abzeichnende Krise des Wohlfahrtsstaates durch einen
diskriminierenden Migrationsdiskurs und Anti-Asyl-Kampagnen zu bearbeiten.
Damit wurde bereits im letzten Jahrzehnt ein wichtiger Baustein für das
Erstarken revanchistischer Strömungen gelegt. Der sich darin
verstärkt artikulierende Rassismus wird dabei oft auf eine allgemein um
sich greifende Ethnisierung des Sozialen zurückgeführt, die die
MigrantInnen erst zu Objekten der Ausgrenzung und Diskriminierung mache. In den
Debatten erscheinen demgegenüber die sechziger und siebziger Jahre
(GastarbeiterInnen) teilweise als goldenes Zeitalter, in dem die
MigrantInnen angeblich nicht nach ethnischen, sprich irrationalen,
sondern nach rationalen Maßstäben wahrgenommen wurden, eben in
erster Linie als ArbeiterInnen. Dem ist entgegenzuhalten, daß die
ausländischen Arbeitskräfte von Anfang an sozialen Verhältnissen
unterworfen waren, die stets auch eine rassistische Komponente aufwiesen. Der
Wohlfahrtsstaat bzw. das korporatistische Modell Deutschland,
beruhte u.a. auf Diskriminierungs- und Auschlußmechanismen, die als
eingehegter Rassismus umschrieben werden können. Während
in dieser Phase z.B. der Alltagsrassismus der Arbeiterkultur noch durch die
sozialreformerische Ideologie der Gleichheit und (internationale)
Solidarität reguliert wurde, werden mit der Enttraditionalisierung und
Deinstitutionalisierung dieses Milieus die Intoleranzschwellen
(Balibar 1993) zunehmend herabgesetzt.
In diesem Zusammenhang ist es aber unzutreffend einen ursächlichen
Zusammenhang zwischen sozialer Problemlage und Rassismus zu unterstellen. Das
Erstarken nationalistischer und rassistischer Strömungen seit Beginn der
achtziger Jahre ist nicht, wie in der gängigen ökonomistischen
Erklärung, als Folge der Krise, sondern selbst als ein politischer Faktor
bei der Auflösung des sozialen Kompromisses zu verstehen. Als eine Antwort
auf die Krise des national-sozialen Staates (Balibar 1993) und
seiner Apparate wie Gewerkschaften und Volksparteien haben sich
rechtspopulistische Strömungen herausgebildet, die die entstandene Schere
zwischen dem realen Konfliktniveau und den Lösungsmöglichkeiten des
Wohlfahrtsstaates auf ihre Weise autoritär zu bearbeiten versuchen.
Die Ursachen des Rassismus dürfen nicht in seine Objekte verlegt werden,
da für rassistische Einstellungen - das belegt die Dauerhaftigkeit des
Antisemitismus - keine realen Erfahrungen mit der stigmatisierten Gruppe
nötig sind. Der Rassismus ist vielmehr in den psychischen und
soziopolitischen Strukturen der jeweiligen Gesellschaft angelegt und
häufig intergraler Bestandteil der nationalen Identität
Insofern ist er nicht einer bestimmten sozialen Klasse vorbehalten. Vielmehr
existiert ein Wechselspiel zwischen institutionellen Ausschlußpraktiken,
dem Rassismus politisch-kultureller Eliten und dem popularen Rassismus, der
auch offene Gewalttätigkeiten miteinschließt.
Da die Vorstellungen und Diskurse über die Fremden aufs engste
mit den ökonomischen und politischen Strukturen verbunden sind, wäre
es nötig, sie auch in diesem Kontext zu analysieren. Nur so könnte
man Anworten auf die entscheidende Frage finden, wie und warum sich
verschiedene gesellschaftliche Widersprüche derzeit im Rassismus
verdichten und auf ihn stützen können und wie sich dieser wieder
desartikulieren läßt. Dabei ist das Verhältnis von Krise und
Rassismus weder einseitig ökonomistisch (Verteilungskonflikte,
Sündenbocktheorie) noch kulturalistisch (Identitätskonflikte,
Essentialismus) aufzulösen.
Diskussion
Auditorium S: Es wäre schön, wenn ihr exemplarischer
darstellen könnt, was es für positive Anknüpfungspunkte gibt und
die Dysfunktionalitäten herausarbeitet.
Referent: Bei unseren Diskussionen waren die Überlegungen, wie das
Verhältnis einer staatlichen Ordnungsmacht oder der Privatisierten und der
Kundschaft ist, was wir als die Mehrheitsgesellschaft kurzgeschlossen haben.
Und dann das Verhalten der Faschos am Ringcenter in Friedrichshain, was durch
die lokale Presse gegeistert ist. Unsere Frage, die wir auch nach einem
Gespräch mit dem Center-Manager nicht lösen konnten, ist, wie das
alles ineinander greift. Zum Beispiel gibt es vor dem Center auch Vietnamesen
die Zigaretten verkaufen. Außerhalb des Centers darf der Center-
Wachschutz nicht agieren. Durch die Präsenz der Faschos war es den
Vietnamesen also unmöglich, dort zu bleiben. Erst als Linke dagegen agiert
haben, wurde es als Problem thematisiert. Durch die Debatte kam es zu einem
Imageverlust, woraufhin ein ganz besonderer Wachschutz angeheuert wurde, der
die Rechten vor dem Center fernhalten sollte. Interessant daran ist, daß
ich vermute, das diese Sicherheitsdienste auch einen hohen Grad an
Rekrutierungsfeld für Faschos bieten. In Berlin ist eine Art
Hochrüstung vor sich gegangen und von städtischer, also
sozialdemokratischer Seite, wird argumentiert, daß es darum geht, den
öffentlichen Raum zu schützen. Dieser Sauberkeitsdiskurs ist sehr
rassistisch durchsetzt, wie durch verschiedenes Vorgehen erkennbar ist. Razzien
sind ganz klar nach Hautfarbe ausgerichtet. Wir haben in diesem
öffentlichen Raum eine Art Hochrüstungsschleife, wobei der private
Raum Druck ausübt. Ich denke man müßte sich deutlicher
anschauen, wie z. B. Einkaufszentren auch Normalisierungsdruck ausüben.
Das heißt, die Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen
Raum aufgeben.
Referentin: Noch mal mehr auf die Frage zu den positiven
Anknüpfungspunkten eingehend: Wir landen immer wieder in dem Widerspruch,
daß wir uns auf der einen Seite gegen den kapitalistischen
Verwertungsdruck wehren, gleichzeitig aber, innerhalb der stattfindenden
Auseinandersetzungen, erkennen müssen, so entpolitisiert sie auch sind,
daß diese das Handeln immer wieder bestimmen. Mein Vorschlag wäre,
taktisch zu versuchen, Imageschädigung zu nutzen. Also das Wissen,
daß Geschäftsleute, bestimmte Gegenden, bestimmte Politiker etc.
Angst vor Imageschädigungen haben, zu nutzen. Dies ist sicherlich
umstritten, aber ich finde das an konkreten Punkten notwendig, da mir mittel-
und längerfristig nichts anderes einfällt. Die Frage ist, ob das in
bestimmten Orten und Städten überhaupt möglich ist.
In Ostberlin können wir sehen, daß von Seiten der Polizei und von
privaten Unternehmern oder Geschäftsleuten Angst vor möglichen
Konfrontationen zwischen Antifas und Rechten existiert. Das kann zum einen
heißen, daß sie das Agieren der Antifas repressiv beantworten oder
daß sie erst mal Ruhe haben wollen. Und dies ist meiner Meinung nach der
Fall, wenn ich mir ansehe, wie entpolitisiert diese Diskussion geführt
wird. Es wird versucht, diesen entstehenden Konfrontationen aus dem Weg zu
gehen. Das spricht eigentlich für die klassischen Antifakonzepte, militant
und präsent vor Ort zu sein. Es ist aber auch ganz stark
kontextabhängig. Ich kann mir vorstellen, daß es in vielen Orten und
Städten gar nicht als Problem wahrgenommen wird, denn die Rechten gelten
als normale Kunden.
Da wissen wir aber innerhalb unserer Gruppe zu wenig, was an anderen Orten
für Mechanismen greifen. In Städten, wo auf Tourismus gesetzt wird,
ist eine rechte Dominanz ein Problem. Das wäre auch eine Frage für
die Diskussion, ob es legitim ist, darauf zu setzen.
Moderator: Um noch mal auf den Film über die Hamburger Szene zu
kommen, wo sich Autonome mit dem Argument, daß da Neger wären,
darüber beschweren, daß das Stadtviertel nicht mehr so sauber ist.
Ist dies nicht ein wunderbares Beispiel für deutsche Spezifik? Zeigt dies
nicht, das die Verquickung von Standort-Argumenten, die man als ökonomisch
bezeichnen könnte und von rassistischen Argumenten, die in Deutschland nie
ohne die völkische Komponente gedacht werden können, in Deutschland
spezifisch ist? Ist das nicht genau der Punkt, wo man sagen könnte, das
ist Deutschland, das ist die öffentliche Präsentation. Kann man es
nicht soweit führen zu sagen, es ist gar nicht das analytische Problem, zu
gucken, was sind die Gründe für die Ausgrenzung, sondern es gibt
immer diese Überschneidung. Im Osten gibt es nur weniger Zivilgesellschaft
und da sind die Gründe völkischer und im Westen sind sie eher
Standortorientiert aber es gibt diese Angleichungen. Und was dabei rauskommt,
hast Du ja wunderbar beschrieben. Nämlich daß die Nazis dann mit
einem anderen Aufnäher dastehen, mit dem Security-Aufnäher. Die
Ideologie ist da und sie erscheint nur in einem anderen Gewand. Ich will das
nicht alles vereinfachen, aber mir kommt es gar nicht so kompliziert vor.
K.: Ich will auf zwei Sachen eingehen, einmal auf daß was die
Referentin meinte, daß man sich auf Tourismus, offene Stadt und
Imageschädigung beziehen kann und das Andere, daß es wohl
Deutschland spezifisch sei, wie der Moderator meinte. Ich habe mich seit
längerem mit Südafrika beschäftigt und das Modell Kapstadt
zeigt, daß es gar keinen Widerspruch darstellt, wenn es genau um diese
Dinge geht, wie Sicherung der Innenstadt, die ganz zentral ist für den
Tourismus, für Dienstleistungen und Konsum. Daher wäre ich sehr
vorsichtig und dagegen zu sagen, wir setzen auf das Strategie
Imageschädigung, da es immer nach hinten losgehen würde. Du bedienst
damit eine Logik, die letztendlich zu Repression und Kontrolle führt, die
von dir unkontrollierbar in die Richtung geht, gegen die du ankämpfst.
Außerdem wäre ich sehr vorsichtig, daß auf Deutschland zu
reduzieren, was meiner Ansicht nach eine Verkürzung ist.
T.: Ich höre jetzt eine Aufteilungen heraus, einerseits was gegen
Faschos zu machen, die im Stadtbild präsent sind und gegen dieses von euch
beschriebene 3-S-System. Wie geht man nun konkret vor? Bei Faschos mit purer
Antifaarbeit und gegen intolerante, ignorante Bürger mit
Spaßaktionen? Wobei man dann in eine Diskussion mit Bürgern kommt,
die entweder selbst ratlos sind oder uns nicht wollen. Diese finden
Sicherheitsdienste richtig und Bahnhofsüberwachung super. Ich finde
interessant, wo wir Ansatzpunkte finden wollen. Es gibt ja mehrere
Möglichkeiten, einmal über Konfrontation, Bürger zum Nachdenken
anregen. Oder wir kümmern uns z. B. um die vertriebenen Drogenkids, machen
was gegen Repression gegenüber Ausländern. Wo sind die
Ansatzpunkte?
S.: Ist es ein nationales oder internationales Problem? Ich würde
sagen, es ist ein internationales Problem.
Referent: Ich glaube, es wäre ein Trugschluß, wenn man dies
auf Eliten reduzieren würde. Es zeichnet sich im Schanzenviertel und am
Leipziger Hauptbahnhof ab, daß Überwachung gewünscht und
getragen wird. Für mich ist völlig unverständlich, daß vor
10 Jahren marschiert wurde, um die Kameras weg zu kriegen und jetzt gibt es
Pilotprojekte mit Kameras im öffentlichen Raum.
K.: Ich bin mir nicht so sicher, ob es nicht zum Teil
Strategieüberlegungen weniger Leute sind. Natürlich ist es schön
für Leute, an Orte zu gehen wo sie in 10 min. alles kaufen können.
Ich glaube aber, daß sehr viele Leute mit der Zerschlagung von Strukturen
und Quartieren auch im Zuge der Sanierung in Ostdeutschland/ Ostberlin
unzufrieden waren.
Die Zerschlagung der Quartiere und wachsenden Kiezstruktur hat auch zur Folge,
daß es sehr leicht ist, Menschen aus den politischen Räumen zu
verdrängen.
Es wird von einer verfehlten Drogenpolitik, Sozialpolitik etc. gesprochen. Die
Leute, die in den Kiezen leben, werden mit den Leuten konfrontiert, die als
Looser gelten, bzw. verdrängt worden sind. Das paßt auch gut zum
Schanzenviertel. Die Leute sind dort überfordert mit den Leuten, die aus
dem gesamten Stadtgebiet dorthin strömen.
Ich glaube, daß die Linke und natürlich auch die Antifa es
verpaßt hat, sich vor einigen Jahren an diesen Bürgerprotesten zu
beteiligen und Politik zu machen. Wo wollen wir jetzt noch ansetzen, wo wir es
5 Jahre verpennt haben, uns mit Leuten auf politischer Ebene
auseinanderzusetzen. Ein gutes Beispiel ist auch Rock gegen Rechts,
wo Faschos einen Großteil der Ordner gestellt haben. Und das Problem ist
ja bekannt, daß die Nazis Polizei, Ordnungsdienste und Bundeswehr ganz
gezielt unterwandern.
D.: Ich muß dir völlig widersprechen, dem angeblichen
Bedürfnis der Bevölkerung nach Kiezstruktur oder daß eine
bestimmte Gegenwehr zu verzeichnen ist. Ich habe die Erfahrung gemacht,
daß die Leute Einkaufszentren begehren, der Leipziger Bahnhof ist das
beste Beispiel dafür. An der damaligen Protestaktion gab es kaum
Beteiligung. Wie will man da Ansatzpunkte finden?
L.: Das knüpft an das eben gesagte an und würde mich gerne
euer am Anfang gesagtes beziehen. Ihr habe ja Kontakte zu anderen Ländern
geknüpft, wo ebenfalls Innenstadtaktionen stattfanden. Dabei haben sich
die spezifischen deutschen Tugenden herauskristallisiert. Ihr habt dabei
für mich einen Widerspruch geschaffen, da ihr euch einerseits auf die
deutschen Tugenden bezogen habt, die dem Sicherheits- und Ordnungswunsch zu
Grunde liegen. Wo liegen für euch die Spezifiken, da ihr die Mitte der
Gesellschaft, als Träger der Sekundärtugenden, bezeichnet? Wie ist da
euer Diskussionsverlauf?
H.: Die Leute begehren durchaus, daß in den Räumen, die sie
betreten, andere vertrieben werden. Es läßt sich nicht nur so gut
vermarkten, weil es Konsens ist, sondern da es Teilhaben läßt an
einer Autorität. Das ist in gewisser Weise eine vermittelte
Ausführung von Aktionen, welche die Nazis direkt ausführen.
Noch einmal in Richtung Schanzenviertel, wo unsere Selbstreflektion ein
Stück weiter gehen muß. Was für eine Vorstellung haben wir von
öffentlichen Raum? Auf der einen Seite steht der Laden, mit der wichtigen
Nahversorgung im Kiez, mitsamt Infrastruktur etc. Auf der anderen Seite wird
der Laden an der Ecke, mit dem Viertel, mit dem Gewachsenen, mit dem Leben
aufgeladen. Ein Bild von einer Welt in der alles in Ordnung ist, wo jeder
seinen Platz hat. Das ist auch ein Bild, was von den Rechten und politisch
Herrschenden propagiert wird. Ich halte es für wichtig, daß dies
stärker grundsätzlich kritisiert wird.
Dieser Revanchismus ist immer schon darin aktiv, da es immer Obdachlose gibt
oder andere, die als Eindringlinge wahrgenommen werden. Es muß diese
äußere Bedrohung geben, damit es dieses Bild der schönen
Nachbarschaft geben kann.
Moderator: Es gibt jetzt 3 Blöcke. Der eine, wie eingreifen und was
bewirkt das? Provoziert man damit nicht nur besseres Schlechtes. Den würde
ich ganz zum Ende machen. Vorher den Block mit der Fragen nach der Minderheit,
die diese Ausgrenzungsmodelle strategisch anschiebt, um ihre persönlichen
Pfründe zu sichern. Oder ist es eine Mehrheit, ideologisch auf breite
gesellschaftliche Schichten angelegt? Und den 3. Block würde ich als
Kiezblock bezeichnen.
Referent: Als erstes zum Kiezblock, wo schon alles Wesentliche gesagt
wurde. Wir hatten in Berlin immer eine starke Auseinandersetzung mit dem DBA
(Wir bleiben alle), die Mietenpolitik im Prenzlauer Berg gemacht haben. Ich
greife dabei nicht an, daß man Politik macht, für niedrige Mieten.
Das ist durchaus ein Konzept. Von uns war dann aber immer der Vorwurf,
daß der Kiez oder das Quartier als heile Welt, die von außen
bedroht wird, durch Spekulanten, Yuppies, Wessis etc. dargestellt wird.
Wenn ich dies hochzoome auf Deutschland, würde der Diskurs exakt genau so
funktionieren. Wir haben es alle nett zusammen und von außen kommen
Probleme. Diese Diskussion, die so tut als gäbe es essentiell den
heimischen Kiez, finde ich problematisch. Das ist auch das, was mich an
Standort Deutschland stört. Da höre ich zwischen den Zeilen
durchklingen, als ob es darum gehe, den homogenen Raum Deutschland zu
produzieren. Klar gibt es diesen dispositiv. Wir sind die Deutschen und ihr die
Aliens oder so. Darüber gibt es natürlich den Deutschlanddiskurs.
Aber darüber was sich räumlich darin abbildet, ist meiner Meinung
nach, das zentrale Moment, die vollständige Rehierachisierung der
einzelnen Räumen.
Da sind wir bei dem Block, wer ist wie davon betroffen. Es macht eben einen
Unterschied, ob ich über Essen, Leipzig oder Frankfurt rede. Mehr
Unterschied als noch vor 30 Jahren. Wenn ich reinzoome, nach Essen oder Berlin,
macht es schon einen wesentlichen Unterschied, zu fragen, wer hat was davon,
daß z. B. die Messe in Frankfurt einen zusätzlichen Turm bekommt und
wer ist der Akteur dahinter. Wenn ich noch etwas runter gehe ins Quartier, wer
hat was davon, daß die Drogenszene in der Hasenheide verschwindet. Dabei
wäre es schwierig zu argumentieren, daß die elitären
Kapitalinteressen dafür sorgen, daß ABM-Leute durch die Hasenheide
patrouillieren. Wenn man sich fragt, wer hat da die Vorteile und gibt es da
klar definierbare elitäre Kapitalinteressen. Natürlich gibt es Leute,
die dabei mehr verdienen als andere, aber das Interesse an einem homogenen Raum
und der Aspekt der Normalisierung trifft sehr viel breitere Schichten.
-
O.: Man kann gut an Alfred Schobert (vgl. Implizite Politik - Das
Selbstverständliche im politischen Alltag) heute morgen
anschließen. An das, was sich Protonormalismus und flexibler Normalismus
nennt. Im Quartier z. B. gibt es Untersuchungen, die deutlich zeigen, das vor
allem kleinbürgerliche Milieus, ganz starke Ressentiments gegen alles
Fremde haben. Das ist eine Sache, die einerseits mit der Angst vor dem eigenen
Abstieg zu tun hat, aber gleichzeitig auch mit überkommenen Ressentiments.
Es gibt Studien, wo zu erkennen ist, daß in Yuppie- oder multikulturellen
Dienstleistungseliten eher flexibler Normalismus vorherrscht mit der These von
den gefährlichen Klassen, die Leuten gegenüber angewandt wird, die
praktisch aus der Leistungsgesellschaft rausgefallen sind.
Da kommt die Sache über eine Leistungsideologie, die sich gegen
Drogensüchtige, Faule, Penner richtet. Hierbei geht es weniger um
Ressentiments gegen Fremde, sondern es resultiert eher aus einer
Leistungsideologie heraus. Beides führt gleichzeitig zu einer Konzeption
gefährlicher Klassen, die sich ganz stark überschneiden und wo
schnell gefordert wird, diese repressiv zu verdrängen.
Referentin: Ich würde gerne langsam wegkommen von der
Zustandsbeschreibung und Analyse. Ich finde z. B. die Frage danach, ob das, was
wir beschreiben in Deutschland noch aggressiver ist, als woanders oder das
spezifisch Deutsche daran zu erkennen, eine Glaubensfrage ist. Das hilft uns
jetzt nicht weiter. Mich stört außerdem diese
Gegenüberstellung. Ich finde wichtig wenn gesagt wird, was ist 1999 und
was war 10 Jahre vorher.
Wir beklagen die Dominanz von Rechts in allen möglichen Bereichen. Da
stellt sich die Frage, da sind die Rechten besser gewesen als wir und
müssen wir noch mal den Weg durch die Institutionen gehen. Ich glaube
nicht, daß dies für mich die Frage ist, weil denen die verschiedenen
Institution wie Polizei und Bundeswehr als Rekrutierungsfeld dienen. Jedoch
möchte ich mich jetzt nicht dafür oder dagegen entscheiden. Aber die
Frage von Quartieren und der Notwendigkeit mit Leuten zu arbeiten, die
rassistisch sind und Ressentiments im kleinbürgerlichen Bereich haben,
sehe ich sehr wohl. Irgend eine Form von Kontaktaufnahme und Auseinandersetzung
zu führen, halte ich für sehr wichtig, sonst bleibt uns wirklich
nicht viel mehr übrig, als das System immer totalitärer als
rassistisch und nationalistisch zu kennzeichnen. Dann können wir uns nur
noch auf die Alternative Koffer packen vorbereiten. Deswegen finde ich die
Gegenüberstellung falsch, alles was homogen ist, ist abzulehnen, weil es
kleinbürgerlich ist. Dies finde ich als politische Herangehensweise
falsch.
Wir müssen uns überlegen, was wir tun wollen und ob wir
Bündnisse schließen mit denen, die davon betroffen sind, wie
Junkies, Obdachlose etc. Wir haben das in Berlin versucht, aber schlecht.
Problematisch ist auch, daß wir nicht unbefleckt sind und selber in den
Gruppen eine sehr starke Homogenität haben. In dem Bündnis hat es
nicht funktioniert. Es gab mit Vertretern von Obdachloseninitiativen und
Sozialarbeitern aus verschiedenen Bereichen eine Zusammenarbeit, wo es auch
ganz gute Positionen gab. Aber vor Ort hat es ganz schlecht funktioniert, weil
wir ja auch nicht die Infrastruktur haben, Angebote zu machen. Wir haben auch
gemerkt, daß wir damit überfordert waren, ernste Formen von
Zusammenarbeit kontinuierlich zu entwickeln. Da sind wir ein Stück weit
gescheitert.
B.: Ich finde eure Analyse grundsätzlich richtig. Ihr habt den
Ausdruck von Kontrollgesellschaft sehr gut dargestellt, aber es klingt so ein
bißchen an, daß der Staat schwächer wird. Dadurch daß er
bestimmte Kontrollbereiche an private Sicherheitsdienste abgibt. Das finde ich
aber überhaupt nicht, sondern der Staat legitimiert sich nur auf eine
andere Art und Weise.
Ich würde eine These aufstellen: Die national befreite Zonen
im Osten finden ihre Entsprechung durch die Politik in den Städten. Diese
Politik findet in den Innenstädten durch die Bullen, durch privatisierte
Sicherheitsdienste sehr viel subtiler statt. Das ist wichtig für die
radikale Linke, damit wir es nicht reduzieren auf Nazis in Form von
Jugendbanden. Vor allem müssen wir aufpassen, daß die
Öffentlichkeit es nicht auf uns abschieben kann, nach dem Motto, daß
ist euer Kleinkrieg.
Q.: Ich möchte noch mal an die Handlungsperspektiven
anknüpfen. Wenn man sich Gedanken macht, wie mit den ausgegrenzten Leuten
umgegangen und gemeinsam gearbeitet werden soll. Der zentrale erste Gedanke
daran ist, keine Sozialarbeit zu machen. Also nicht eine Unsichtbarmachung des
Elends, was die produzieren. Ich möchte am Beispiel des Schanzenviertels
bleiben. Sobald man nämlich einen Unterstand baut, wo die Obdachlosen sich
hinstellen können, wenn es regnet, macht man diesen Fehler schnell. Dann
kann man weiterdenken und überlegen, wie man zusammen arbeiten kann. So
einfach wie das vorhin gesagt wurde, geht das, glaube ich, nicht.
Referentin: Was macht man, wenn die Obdachlosen einen Unterstand
wollen?
M.: Der Unterstand der Roten Flora ist viel politischer, als Du das
jetzt beschreibst. Das war zudem der Versuch der Roten Flora zu reagieren. Aber
grundsätzlich finde ich es auch falsch, nur sozialarbeiterisch zu
reagieren.
T.: Ich finde es zu wenig, nur zu reagieren. Wir reagieren zum Teil wie
die Hilfspolizei. Wir agieren nicht selbst und versuchen nicht in dem Kreislauf
selbst einzugreifen. Und irgendwann stellen wir fest, daß sich
überhaupt nichts geändert hat. Ich kann es einem Bauarbeiter nicht
verdenken, wenn er im Einkaufszentrum alles kaufen möchte und
rassistischen einem Ausländer gegenüber ist, der ihn Drogen anbietet.
Genau an dem Punkt müssen wir ansetzen. Man darf ihn dann nicht nur als
Faschisten bezeichnen. Die Antifa macht es sich heute viel zu einfach, alles
was nicht so gut ist wie wir, sind Faschos. Alle die nicht so denken wie wir,
sind Faschos. So kann man nicht mehr denken.
U.: Was nun? Damit kommen wir nicht weiter. Was mich extrem gestört
hat, ist die Meinung, na ganz gegen das Bürgerliche solle es auch nicht
gehen, weil irgendwie brauchen wir sie ja noch. Jedoch sind sie im
Normalisierungsdiskurs die Vorantreibenden. Das ist für mich ein so
weittragendes Element, daß ich es wahrnehme, als etwas, wogegen ich
kämpfe. Ich kann es auch nicht hören, daß ich es jemanden
verdenken soll, wenn er so viel Scheiß von sich gibt. Natürlich kann
ich es als Realität wahrnehmen, womit ich klar kommen muß. Aber
bitte, kein Funken Verständnis dafür.
Referentin: Wenn du den positiven Bezug auf bürgerliche Werte als
den größten Schwachsinn hältst, was sind denn dann unsere
ureigensten linken Werte und Ideale, auf die wir Bezug nehmen können? Ich
bin dafür, Grundwerte bürgerlicher Art weiter radikal voran zu
treiben. Was setzen wir dem an anderen Wertigkeiten entgegen? Wir haben oftmals
nichts entgegenzusetzen. Und ich beziehe mich nicht nur aus taktischen
Gründen auf bürgerliche Werte.
T.: Wer ist denn nicht bürgerlich?
U.: Es geht darum, die Normalisierung voran zu treiben und
festzuschreiben. Diese 3 S sind für mich genau so eine Darstellung der
Normalisierung. Die Leute gehen irgendwo spazieren, sehen eine Kamera und
finden das total okay. Das Abartige daran ist, daß mit den Ängsten
gespielt wird, die Ängste vor dem Anderen, vor dem Fremden. Dies
verdichtet sich in dem Bürgerlichen, wo es auf einen Nährboden
fällt und deshalb habe ich gesagt, daß ist etwas, wo ich dagegen
bin. Ich will nicht sagen, daß ich mich außerhalb von dem Modell
befinde, aber es ist doch wichtig zu fragen, was für eine Sauberkeit und
was für eine Sicherheit.
H.: Ich finde dieses Pochen auf die bürgerlichen Grundwerte
problematisch. Damit wurde nämlich auch der Krieg in Jugoslawien
legitimiert.
Referentin: Warum lädt man das Konzept von Grundrechten und
Menschenrechten nicht so auf und arbeitet die Widersprüche heraus? Ich
weiß nicht, was die Alternativen sind.
C.: Ich denke, daß es die Widersprüche gibt, innerhalb der
bürgerlichen liberalen Öffentlichkeit. Für mich ist es weniger
die Frage, ob man den Bürger auf der Straße agitiert oder nicht. Da
sehe ich, genau wie bei den Faschos, überhaupt kein Land.
Eine Überlegung wäre zu gucken, wo vergesellschaftet sich das, und
das sind vielleicht nicht die Produktions- sondern die
Reproduktionsstätten. Also eben Kinocenter etc. Vielleicht sollte man dort
gucken, ob das mögliche Areale sind, wo hinein man agieren muß.
Dahin muß man mit den verschiedenen Bündnissen operieren. Und mit
den Opfern ist es natürlich schwierig. Wie reagiert man auf die
Zersplitterung?
Referent.: Wie reagiert man auf die Situation in Bahnhöfen, wo z.
B. zwischen Obdachlosen und Dealer wechselseitige Interessenkonflikte
herrschen, so daß die einen mit dem Wachschutz kooperieren und die
anderen verpfeifen. Da eine gemeinsame Aktionsform zu finden, ist
natürlich schwierig. Was ich aber eigentlich sagen möchte, ich finde
es auch problematisch, daß wir keine andere Perspektive haben. Ich will
keine tolle Idee entwickeln, hätte aber gern einen anderen Griff auf
Gesellschaft, der es mir möglich macht, im Kontext darauf gerichtet
analysieren zu können. Nun ist es ja eine Frage von
Kräfteverhältnissen. Hier bei dem Kongreß sind ja viele Leute
dabei, wenn man aber mal wegen einer Kampagne irgendwo anruft, finden es alle
spannend. Selber etwas entwickeln oder machen, ist eben selten. Ich glaube
nicht, daß es ein benennbares politisches Projekt geben müßte,
damit sich die Massen hinter uns sammeln würden. Ich glaube nicht,
daß dies das Problem ist.
Z.: Der große Lauschangriff, die Gendateien oder die
Videoüberwachung, das betrifft ja die gesamte Gesellschaft. Da müssen
wir einhaken. Das ist nicht nur eine politische Aufgabe der radikalen Linken,
sondern auch eine humanistische Aufgabe.
L.: Wie stellst Du Dir das denn vor. Gerade durch die
Kameraüberwachung fühlt sich die Normalbevölkerung gar nicht
beeinträchtigt. Wie willst Du an so einem Punkt noch skandalisieren? Die
Bürger wissen es ja und akzeptieren es.
Z.: Das ist ja ein wesentliches Problem. In diesem und auch im letzten
Jahr gab es eine Auseinandersetzung darüber und das sind Schnittstellen wo
wir eingreifen müssen. Zum Beispiel wenn Monitor,
Panorama oder andere darüber berichten, müssen wir
einhaken und unsere Positionen dazu darstellen. Aber es ist nicht klar, ob wir
Positionen dazu haben.
Die AA/BO hat im letzten Jahr eine Kampagne dazu gemacht, aber die ist auf sehr
wenig Gegenliebe gestoßen. Ich finde, daß man zu diesem Thema
eigentlich sehr gut auftreten kann, indem man in Innenstädten verschiedene
Aktionen macht.
F.: Wir haben das Gefühl, daß die Leute uns nur hinterher
rennen, wenn wir etwas machen, was ihren persönlichen eigenen Interessen
entspricht. Da haben wir ein Problem, weil Nationalismus und Rassismus nicht
den meisten Leuten zuwiderläuft, sondern dem Mehrheitsinteresse
entspricht. Ich glaube, daß man da nur rann kommt, auch wenn es nicht
mehrheitsfähig ist, über so ein Aufklärungspostulat mit dem
Gleichheitsanspruch. Dies ist das Einzige, was uns übrig bleibt. Es ist
wichtig, unterschiedliche Interessenlagen öffentlich zu Ende zu
diskutieren.
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