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16.11.2005
Die negative Aufhebung von Staat und Nation
Antietatismus und Antinationalismus im Namen der echten Gemeinschaft
Vortrag und Diskussion
Mi., 16. Nov., 19. 30 Uhr
in der Spielhölle im Conne Island (Koburgerstr. 3, Leipzig)
Referent: Hannes Gießler (Gruppe in Gründung)
“Der Widerstand der Menge gegen die Unterjochung – der Kampf gegen die Sklaverei, einer Nation, einer Identität, einem Volk anzugehören, und damit die Desertion aus der Souveränität und den Beschränkungen, die sie der Subjektivität auferlegt – ist vollkommen positiv.”
“Im Empire herrscht überall Korruption. Sie ist Eckpfeiler und Schlüsselelement von Herrschaft ... Durch Korruption legt die imperiale Macht einen Rauchschleier über die Welt, und das Kommando über die Menge wird inmitten dieser stinkenden Wolke ausgeübt, fernab von Licht und Wahrheit ... Die Korruption ... ist Befehlsgewalt, die darauf ausgerichtet ist, die Singularität der Menge zu zerstören, indem diese zwangsweise geeint und/oder brutal aufgeteilt wird... – sie bricht die produktive biopolitische Gemeinschaft auf und behindert deren Leben.” Antonio Negri u. Michael Hardt (Neue Linke)
“Mit der Moderne wird die soziale Bindung zur reinen Zufälligkeit ... Und in diesem Gesichtspunkt ist die Entstehung des modernen Staates zu betrachten ... Nunmehr fließt die Tätigkeit des Staates mit dem Aufbau des Markts zusammen, der ebenfalls zu einer Entterritorialisierung der sozialen Verhältnisse führt, da die organischen Bindungen durch Geldverhältnisse abgelöst werden ... Von nun an wird die Souveränität zum Vorrecht der Nation, und ‚von oben‘ wird sie der Versammlung übertragen ... Gleichzeitig erhält der Volksbegriff eine völlig abstrakte Definition...” Alain de Benoist (Neue Rechte)
Sowohl in “progressiven” Kreisen der Rechten als auch der Linken gelten Staaten und Nationen als künstliche Gebilde, die dem eigentlichen Gemeinschaftsleben entgegenstehen. Nationen und Staaten werden dabei nicht als irrationale Formen der Vergesellschaftung kritisiert, sondern als Partikularismen. Ähnlich wie im Antiimperialismus wird das aus der Gemeinschaft ausscherende Interesse verurteilt. “Gemeinnutz vor Eigennutz”, ist implizit und unmissverständlich die antikapitalistische Botschaft.
Angesichts von backpacking, weltumspannenden Kommunikationsmedien und globaler Kulturindustrie wird die Weltgemeinschaft mehr und mehr zur konkreten Gemeinschaft. Die Bewegung gegen den jüngsten Irakkrieg und die globalisierungskritische Bewegung spiegeln diese Entwicklung wider und sind in großen Teilen nicht völkisch, nationalistisch und begrenzt etatistisch, sondern explizit kosmopolitisch. Diese Bewegungen kämpfen nicht etwa – wie ihnen gerne vorgeworfen wird – gegen die Globalisierung überhaupt, sondern für eine andere Form der Globalisierung. Diese Form aber ist alles andere als ungefährlich. Die Neue Rechte hält das Konzept vom “Pluraversum” hoch und die radikale Linke redet von “globaler Multitude”. Feinde sind dabei die Konzerne, die korrupten Politiker “da oben” und die scheinbar egoistischsten Nationen schlechthin: Israel und die USA. Im Namen der Weltgemeinschaft reformulieren und transformieren sich Ideologien, die bisher Volksgemeinschaften adäquat waren und als Staats- und Nationalismuskritik sich dennoch in eine antifaschistische Tradition stellen können.
Auch wenn es weiterhin wichtig ist, Nationalisten vom alten Schlage zu bekämpfen – gerade wenn sie eine unmittelbare Gefahr für Menschen anderer Herkunft, Hautfarbe oder Sexualität darstellen –, sollte reflektiert werden, dass diese Nationalisten Hinterwäldler sind, die mit ihren marodierende Jugendgangs oder parteilich organisierten Rackets in ihrer Einflussnahme auf Provinzregionen, Ghettos und heruntergewirtschaftete Industriegegenden beschränkt bleiben werden. Von der Zukunft her droht eine andere gefährliche Bewegung, die zwar unmittelbar noch niemanden bedroht, aber perspektivisch ganz praktisch den Islam und andere Kulturen hofieren, den Islamismus in Ruhe lassen, Israel in Frage stellen, das Individuum gefährden und eine neue Form der globalen Sozial- und Arbeitsgemeinschaft errichten könnte. Eine Bewegung, die gerade deswegen gesellschaftlich wirksam werden konnte und kann, weil sie sich begrifflich offen und auch ernst gemeint von Nazismus, Imperialismus, Antisemitismus, Rassismus und eben auch Etatismus und Nationalismus abgrenzt. Ihren theoretischen Ausdruck haben die Bewegung und deren Ideologien unter anderem in den jüngsten auflagenstarken Schriften von Benoist und Negri/Hardt gefunden. Und anhand derer lassen sie sich kritisch darstellen.
H.G.
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