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Körperkult & Sport
Weder die Selbst-Wahrnehmung des Körpers noch sein Stellenwert in einer
bestimmten Gesellschaft können losgelöst von gesellschaftlichen und
ökonomischen Entwicklungen betrachtet werden. Körper werden (seit
jeher) diszipliniert, trainiert, idealisiert etc. Der Körper hat eine
zentrale Bedeutung für die Herausbildung der Identität eines
Individuums und er ist wesentlicher Bestandteil für das Operieren von
Machtverhältnissen in der modernen Gesellschaft (vgl. Foucault).Daher
besteht ein Zusammenhang zwischen Körperpolitik und Sport. Im Folgenden
wollen wir auf die Aspekte von Körperpolitik eingehen.
Mit der Entstehung neuer Produktionsweisen des Industriekapitalismus war es
nötig, den menschlichen Körper ökonomisch nützlich und
zugleich politisch fügsam zu machen.
Die Körper sollten individuell diszipliniert und die Bevölkerung
reguliert werden, da der Kapitalismus ohne kontrollierte Einschaltung
der Körper in die Produktionsapparate und ohne Anpassung der
Bevölkerungsphänomene an die ökonomischen Prozesse nicht
möglich war. (1) Es ist ein Wandel von der
Körperpolitik des 17.Jahrhunderts, die von einem Verfügungsrecht des
Souveräns über die Körper ausging, zu einer Körperpolitik,
welche die Gesellschaft über ihre Körper verwaltet, kontrolliert und
nutzbar macht, zu verzeichnen. An der Schnittstelle zwischen individueller
Disziplinierung und der Regulierung befindet sich laut Foucault das Geschlecht.
Daher stand im Mittelpunkt der neuen Bio-Politik die Sexualität und
Fortpflanzung, Geburten- und Sterberaten, das Gesundheitsniveau und die
Lebensdauer.
Körperpolitik und Disziplinierungsmechanismen wie hierarchische
Überwachung, Klassifizierung und Normierung sind also nicht
geschlechtslos. Im Gegenteil, durch eine spezifische Körperpolitik
entstehen geschlechtsdifferente Körperkonzepte. Während die
Disziplinierungstechniken dahingehend auf das männliche Individuum
abzielten seine speziellen Fähigkeiten zur Integration in ein wirksames
ökonomisches Kontrollsystem zu steigern und zu spezifizieren, unterlag die
Frau anderen Disziplinierungsmechanismen.
Wie schon erwähnt sollten besonders weibliche Ressorts wie
Schwangerschaft, Geburt, und Kinderaufzucht zum Wohl der
Volkesgesundheit staatlich kontrolliert und geregelt werden. Diese
Bio-Politik zielte also in erster Linie auf die Körper von Frauen ab.
Der geschlechtsdifferente Körper der Frau wurde mit Hilfe der
Bio-Politik, der neuen Produktionsweise, und der damit einhergehenden
Neustrukturierung der Arbeitsteilung, der politischen Theorie der
Aufklärung und der politischen und sozialen Umwälzungen ,,neu
geschaffen. Die in philosophischen, Diskursen geschaffenen
Weiblichkeitsmerkmale (Frau als liebende Mutter, zerbrechliches Wesen) wurden
letztlich naturwissenschaftlich bewiesen und biologische
Differenz konstruiert. So wurden kulturelle Tatsachen zu Naturtatsachen
deklariert.
Die Medizin stand schon seit dem 18.Jahrhundert im Dienste der
öffentlichen Hygiene. Sozialhygiene wurde zu einem Zwang, zu angewandter
Gesundheitstechnologie, weit entfernt von sozialer Veränderung und
Ursachenbekämpfung. Seit Ende des 18.Jahrhunderts versuchte mensch mit
unterschiedlichen pseudo-wissenschaftlichen Mitteln, Körper zu erforschen
und daraus bestimmte Persönlichkeitsmerkmale abzuleiten. So wurden Gehirne
gewogen, Schädel und Profile vermessen, um daraus Schlüsse über
den Charakter oder die Intelligenz von Menschen zu ziehen. In Zeiten des
gesellschaftlichen Umbruchs wurde nach Normalität gesucht. Biologismus ,
Eugenik und Sozialdarwinismus kamen zur Blüte. Diese
Normalisierungsbestrebungen nahmen im Laufe des 19. Jahrhunderts zu. Man
forderte eine praktische Anwendung des darwinistischen Selektionsprinzips um
die Spezies Mensch biologisch zu verbessern. Die Eugenik verstand sich
ausdrücklich als angewandte Wissenschaft und ging von Anfang an eine
Verbindung mit der Politik ein . Was für fatale Auswirkungen es hat, wenn
diese Konzepte zu voller Entfaltung kommen, sieht man an der
Vernichtungspolitik der Nazis.
Sport & Disziplinierung
Sport spielt bei der Disziplinierung und Normierung eine große Rolle, da
ihm über die Formierung des Körpers persönlichkeitsbildende
Merkmale zugeschrieben werden und der Sport dementsprechend ideologisch besetzt
wird. Sport ist seit seinen Anfängen immer auch schon ein
pädagogisches Instrument , und daher relevant für die
Körperpolitik
Die Individuen sollten vervollkommt, und ihre Kräfte durch
Übungen , bei denen der Körper en detail bearbeitet wurde, trainiert
und gleichzeitig verfügbar gemacht werden. Die Arbeit am Körper
diente also der Stärkung der Kräfte , die dann anschließend
von der Gesellschaft in Betrieb genommen werden konnten. Die
Störgröße des Körpers sollte reduziert werden
und seine Leistungsmotivation und Produktivität gesteigert werden. Die
Aussicht auf Belohnung sollte das Begehren des Individuums, der/die Beste zu
sein, herausfordern. Statt Bestrafung in den Vordergrund zu rücken wird
Leistung gemessen und verglichen, somit werden also Leistungsnormen geschaffen.
Einerseits wird dem/der Einzelnen die Verfügungsgewalt über
seinen/ihren Körper zugesprochen , andererseits steht er/sie in der
Pflicht , diesen zu optimieren, und der gesellschaftlich bestimmten
Normalität zu entsprechen. So hat Sport gleichzeitig disziplinierenden und
produktionssteigernde Wirkung, denn durch den Sport sollen ja auch die
Fähigkeiten des Einzelnen verbessert werden.
Sport ist weiß, heterosexuell und männlich
Sport spiegelt die Gesellschaft wieder, deren Teil er ist, und wirkt auch in
diese zurück.
Körperideale, Rituale , Haltungen und Bewegungen entsprechen den
jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen und kulturellen
Deutungsmustern, sowie auch der jeweiligen Geschlechterordnung (2) .
Diese Deutungsmuster bestehen nicht nur in den Köpfen der Menschen,
sondern sie beeinflussen auch die jeweiligen individuellen körperlichen
Erfahrungen. Der Körper als soziales Gebilde steuert die Art und
Weise, wie der Körper als physisches Gebilde wahrgenommen wird; und
andererseits wird in der (durch soziale Kategorien modifizierten) physischen
Wahrnehmung des Körpers eine bestimmte Gesellschaftsauffassung manifest
(...) (3)
Wie schon erwähnt unterlagen Frauen immer schon einer anderen
Körperpolitik und Körperdisziplinierung als Männer. Die Frau
steht/stand für die Natur, sie war ganz Körper, sanft, emotional.
Eigenschaften also, die in der Produktionssphäre keinen Platz hatten,
jedoch in der Reproduktionssphäre gebraucht wurden. Auch das jeweilige
Sportkonzept für Frauen war ganz auf ihre Aufgaben, nämlich Kinder zu
gebären, ausgerichtet. Der Mann wurde zur Norm erhoben und die Frau als
gegensätzliches Anormales dargestellt.
Während der Sport schon früh als Mittel erkannt wurde, um
pädagogisch auf die männliche Jugend einzuwirken, blieb den Frauen
dieser Bereich lange verwehrt. Sport für Frauen sollte, wenn
überhaupt, dazu dienen ihre Körper ästhetisch zu formen: Man(n)
sorgte sich darum, dass der Frauenkörper durch Muskeln entstellt oder die
Gebärfähigkeit geschädigt werden könnte. Vor allem
befürchtete man eine Schädigung der Sexualorgane, denn: (...)
man darf nicht übersehen, daß der weibliche Körper seiner
Bestimmung gemäß nach unten geöffnet ist , so daß bei
heftigen Leibesübungen gar leicht Vorfälle entstehen können
(...) Übermäßige Schritte , Spreizstellungen, hohe
Sprünge sind deshalb auszuschließen. (4) Der
vielgelobte Pädagoge und Vertreter der philantrophischen Leibeserziehung
Johann Christoph Friedrich GutsMuths erwähnte die Leibesübungen
für Mädchen erst in der zweiten Auflage seines Buches Gymnastik
für die Jugend: Keine eigentliche Gymnastik für die
Mädchen; aber tägliche Bewegung im Freien, muntere und bewegende
häusliche Verrichtungen, kleine Fußreisen (...) (5).
Auch das Jahnerische Turnen richtete sich aufgrund seiner starken
militärischen Komponente an Männer. Frauen sollten nur
mäßige weibliche Leibesübungen tätigen. Ab den
30ern des 19. Jahrhunderts gab es dann trotz der Preußischen Turnsperre
(1820-1842) die ersten Sport-Kurse für Mädchen, die zum
einen der Heilung von Haltungsschäden und zum anderen der Vermittlung von
Anstand und Grazie dienen sollten.
Zusammenfassend lässt sich die Maxime des Sports für Frauen im
19.Jahrhundert sehr gut mit folgendem Zitat darstellen: Wenn aber bei
dem Turnen der Knaben in erster Linie die Vorbereitung zu männlicher
Stärke und Thatkraft Aufgabe ist, (...) so ist bei dem Turnen der
Mädchen die Erziehung zur Anmut und geselliger Erscheinung leiblichen
Thuns die Hauptsache (...) (6).
Die um die Jahrhundertwende einsetzenden Veränderungs- und
Modernisierungsprozesse hatten zwar gewissen Einfluss auf die Ordnung der
Geschlechter, trugen jedoch nicht zur Emanzipation, sondern, durch die
verstärkte Militarisierung, eher zur Verfestigung polarer
Geschlechterrollen bei. Der Einsatz von Frauen in der Produktion , die
Öffnung der Universitäten etc. änderten nichts an der typischen
Frauenrolle als Ehefrau und Mutter.
Mit dem Import des modernen Sport aus England Ende des 19. Jahrhunderts
betätigten sich auch Frauen vermehrt sportlich , da aus gesundheitlichen
und bevölkerungspolitischen Gründen von Ärzten zum Sport geraten
wurde. Während der Nazi-Zeit wurde die körperliche Ertüchtigung
der werdenden Mutter als Beitrag zur Wiedererstarkung des deutschen Volks
gesehen.
In den 20er Jahren war das neue Frauenideal das des Sportgirls
(7), die schöne Athletin, knabenhaft schlank und langbeinig aber
nicht muskulös, erfolgreich im Beruf, jugendlich. Dieses Ideal wurde bis
heute hin weiterentwickelt. Es verbreitete sich die Überzeugung , dass
Frauen für ihr Aussehen selbst verantwortlich seien. Schönheit
verlangte Arbeit und Disziplin, und die Befreiung des Körpers musste durch
eine Internalisierung von Zwängen erkauft werden. War es Frauen
früher noch verboten, Sport zu treiben, so sehen sie sich heute dem Zwang
zum Sporttreiben ausgesetzt. Ein schöner Körper steht für
Charakterfestigkeit und Willensstärke.(8)
Sexismus & Olympia
Auch der Initiator der modernen Olympischen Spiele, Pierre de Coubertin, war
nicht gerade sehr angetan von dem Gedanken, dass Frauen an den Spielen
teilnehmen könnten. Coubertin äußerte noch 1931: Der
Teilnahme der Frauen stehe ich weiter ablehnend gegenüber. Sie sind gegen
meinen Willen ins olympische Programm aufgenommen worden. 9
Seit den Olympischen Spielen 1900 in Paris waren zwar vereinzelt Frauen
zu Sportarten wie Golf, Tennis, Bogen-Schießen und Eiskunstlauf
zugelassen worden, das Recht, an den als unweiblich geltenden
Leichtathletikwettbewerben teilzunehmen, erlangten sie allerdings erst 1928.
Dies war jedoch kein Geschenk sondern nur auf Druck des
Internationalen Frauensportverbands möglich, der seit 1922 auch schon
eigene Frauenwettspiele organisiert hatte. Als sich 1928 jedoch zu Ende des
800-Meter-Laufs zwei Läuferinnen erschöpft zu Boden fallen
ließen, hielt man dies für den medizinischen Beweis, dass Frauen
nicht in der Lage wären am 800-Meter-Lauf teilzunehmen, und so wurde
dieser bis 1960 wieder aus den Frauendisziplinen gestrichen. Zu den
Mannschaftssportarten wurden Frauen erst 1928 zugelassen (Volleyball), da
man(n) vorher der Meinung war, dass Frauen nur Sportarten ohne
Körperkontakt betreiben sollen.
sexy sportgirls
Avery Brundlage (IOC- Präsident 1952-1972) sprach sich noch nach den
Spielen 1952 in Helsinki gegen die Zulassung von Frauen und für getrennte,
extra- Frauenwettbewerbe aus, stieß jedoch mit dieser Ansicht auf Kritik:
Wenn Avery sich darauf beruft, daß die alten Griechen an ihren
Spielen weder Frauen teilnehmen noch zuschauen ließen, so muß er
bedenken, daß sich die Zeiten geändert haben. Schaut euch unsere
Schwimmerinnen und Kunstspringerinnen an. Sie sind der beste Beweis, daß
Sport die Schönheit nicht beeinträchtigt. In Helsinki gab es viele
hübsche Teilnehmerinnen, besonders unter den hervorragenden
Australierinnen.(10)(Daniels Ferris, damaliger Schatzmeister
der Vereinigten Staaten). Hier zeigt sich die weit verbreitete sexistische
Auffassung, dass Frauen selbstverständlich Sport betreiben
können, aber nur, wenn dadurch ihr Hauptzweck, nämlich für das
männliche Auge schön zu sein, nicht beeinträchtigt wird. Auch
heute noch berichten die Medien über Sportlerinnen hauptsächlich nach
dem Schema unsere schönen Sportlerinnen. Frauen werden nicht
nach ihrer Leistung bewertet , sondern nach ihrem Aussehen.. Frauenkörper
im Sport werden stark ästhetisiert und sexualisiert Viele Sportlerinnen
geben sich bewußt weiblich und lassen sich in sexualisierter Art und
Weise darstellen. Dies mag zum einen der Steigerung ihrer Popularität und
der besseren Vermarktung dienen, ist jedoch auch eine Antwort auf die
ambivalenten Erwartungen denen sich Sportlerinnen ausgesetzt sehen. So sollen
sie sich in einem männlich geprägten Leistungssport beweisen und
gleichzeitig weiblich sein, nicht vermännlichen und den Anforderungen an
ihr soziales Geschlecht entsprechen. Sportlerinnen, die dem gängigem
weiblichen Körperideal nicht entsprechen, sind auch heute noch als
Mannsweiber verschrien, wie z. B. Diskuswerferinnen.
Dass die Leistungsbewertung im Sport immer auch Körperbewertung ist und
Frauensport besonders nach der Devise sex sells vermarktet wird
zeigt sich auch an den Kleiderrichtlinien.
Beim Volleyball zum Beispiel gab es heftige Diskussionen über die vom
Weltverbandsvorsitzenden ( FIVB- Fédération Internationale de
Volleyball ) Ruben Acosta erwünschte neue Kleiderordnung, welche enge
Hemden und die Kürze der Hosen vorschreibt, um Volleyball medientauglicher
zu machen.
Dazu eine Meldung der Nachrichten-Agentur Reuters: (...) Ganze
Nationalteams (z.B. die USA) opponierten dagegen, um ihren
Schlabberlook retten zu können. Die Sexismus-Debatte endete
damit, dass Kubas im knallroten Einteiler agierenden Olympiasiegerinnen bei der
letzten WM in Japan nicht nur erneut den Titel gewannen, sondern auch noch
einen gut dotierten Preis als bestangezogene
Mannschaft.(11)Bei der Frauen WM 1998 in Japan
mußten Teams aus Brasilien, Bulgarien, Kroatien, Italien und Russland
wegen zu weiter und ausgebeulter Trikots je 3000 Dollar Strafe
zahlen.
Auch wird im Sport eine konstruierte Zweigeschlechtlichkeit festgelegt, was
sich bei den sogenannten Geschlechtstests zeigt.. Die ersten Geschlechtstests
gab es bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Budapest 1966, wo 243
Wettkämpferinnen dazu gezwungen wurden, praktisch nackt vor einer
Ärzterunde vorbeizudefilieren. Auch bei den Spielen der
Commonwealth-Länder , die im selben Jahr in Jamaica stattfanden,
mußten alle Athletinnen ihre äußeren Geschlechtsmerkmale einem
Gynäkologen präsentieren.(12)International eingeführt
wurden die Tests zur Geschlechtszugehörigkeit für Frauen 1968 bei den
Olympischen Spielen in Mexiko, nunmehr als Chromosomentests.
Seit ihrer Entstehung wurden die Geschlechtstest unter anderem damit
gerechtfertigt, dass Sportlerinnen, die genetisch Männer sind
( Menschen, die einen XY- Chromosomensatz haben, daher medizinisch bestimmt
männlich, ihrem äußerem Erscheinungsbild nach aber weiblich
sind - testikuläre Feminisierung) gegenüber den echten
Frauen (XX) körperliche Vorteile hätten. Dem lässt sich
entgegenstellen, dass es auch genetische betrachtet Frauen (XX)
gibt, die einen männlichen Hormonhaushalt besitzen (weiblicher
Pseudohermaphroditismus). Diese Frauen wären somit auch bevorzugt.
Außerdem lehnen wir biologistische Argumentationsweisen aufgrund der
ihnen inne wohnenden Diskriminierung ab. Denn: mit Hilfe der Tests wird
Normalität (hier: Zweigeschlechtlichkeit) konstruiert und biologisch
bewiesen. Daraus folgt, dass alles, was weder in die Kategorie
Mann oder Frau passt, Unnormal ist. Des weiteren stellen die Tests eine
Erniedrigung und Demütigung der Frauen dar, die hier unter Beweis stellen
müssen, dass sie auch wirklich Frauen sind. So beschreibt die
Goldmedaillengewinnerin im Modernen Fünfkampf, Mary Peters, ihren
Geschlechtstest rückblickend als die härteste und
demütigenste Erfahrung meines Lebens (13) Sie mußte
sich auf eine Couch legen und die Knie hochziehen. Dann machten sich die
Ärzte an eine Untersuchung die, so würde man heute sagen, ans
Befummeln grenzte. Vermutlich suchten sie nach nicht sichtbaren Hoden. Sie
fanden keine, und ich ging wieder hinaus.(14)Im
männlichen Sport kann es nicht sein, dass normale Frauen,
denen eher Schwäche und allerhöchstens gymnastische Anmut
zugesprochen werden, Höchstleistungen erbringen. Daher spricht man ihnen
das Frau-Sein einfach ab, unterstellt ihnen Täuschungsmanöver,
mißachtet ihre Leistung und degradiert weibliche sportliche
Höchstleistung als Unnormal. Jede Frau, die an den Olympischen Spielen
teilnehmen will, muss erst einmal das Gegenteil beweisen. Bei Nicht-Bestehen
der Tests, was auch durch fehlerhafte Durchführung der Tests verursacht
werden kann, ist die Betroffene als Unnormal gebrandmarkt, was bei
manchen Sportlerinnen zu psychischen Störungen oder zum vorzeitigen
Beenden ihrer Karriere geführt hat. Die polnischen Läuferinn Ewa
Klobukowska musste ihre bei Olympischen Spielen gewonnenen Medaillen
zurückgeben, da nachträglich festgestellt wurde, dass sie keine Frau
ist (XXY). Daraufhin zog sie sich aus dem Wettkampfgeschehen zurück. Es
wird geschätzt, dass sich viele Sportlerinnen bei negativem Testergebnis
aus Angst vor dem Skandal stillschweigen von den Olympischen Spielen
zurückgezogen haben. Aufgrund des Drucks von den AthletInnen und von
seiten einiger Ärzte, die sich weigerten derartige Tests weiter
durchzuführen, wurden die Tests vom IOC erst einmal eingestellt. Trotzdem
behält sich das IOC weiterhin das Recht, vor bei Unklarheiten
einen Test zu fordern.
Sport ist Männersache
Der organisierte Sport ist auch heute immer noch eine Männerdomäne.
Die führenden Schichten im Sport, wie z.B. hohe Gremien, das
IOC, Manager, Wissenschaftler, Trainer etc. sind männlich. So wurden erst
auf der 84. IOC-Konferenz in Baden die ersten beiden weiblichen IOC-Mitglieder
Pirjo Haggman aus Finnland und Flor Isava-Fonseca aus Venezuela gewählt.
Auch die Mitgliedszahlen von Frauen in Sportvereinen liegen unter denen der
Männer. Die Mitgliedschaft von Frauen in Sportvereinen ist deutlich von
ihrer sozialen geschlechtlichen Realität beeinflußt. Frauen scheiden
oft mit der Geburt eines Kindes aus dem Verein aus und haben meist niedrigere
Posten inne, wie z.B. als Schreibkräfte.
Frauen sind schwächer als Männer
Die meisten Menschen sind auch heute noch davon überzeugt, dass Frauen
biologisch weniger körperliche Leistung erbringen können
als Männer. In sportmedizinischer Literatur wird der Mann als
Ausgangspunkt genommen, mit dem dann die Abweichung Frau
verglichen wird. Die Zuweisung von Frauen in weibliche Sportarten wie Gymnastik
und Tanz erscheint auch heute noch den meisten Leuten selbstverständlich,
da die Frauen doch nicht so viel Kraft haben, es nicht schön
aussieht, wenn sie zuviel Muskeln besitzen und gefährliche Sportarten
sowieso eher den Männern vorbehalten sind. Sich fortschrittlich
nennende Männer billigen den Frauen durchaus zu, Fußball spielen zu
können: sie spielen ja auch ganz gut, wir spielen ja
schließlich auch Freundschaftsspiele mit ihnen, aber wenn`s ums richtige
Spiel geht, nee, dann lieber doch nur unter uns, wir wollen die zarten
Geschöpfe ja nicht verletzen..... Die angebliche biologische
Unterlegenheit von Frauen, auf die hier Rücksicht genommen wird, dient als
Argument dafür, die Männerdomäne Fußball
aufrecht zu erhalten. Der medizinischen Beweis, dass Frauen hundertprozentig
gleich stark sind wie Männer, soll hier nicht geliefert werden, auch wenn
es dazu viele Publikationen gibt. Statt dessen wollen wir noch einmal darauf
hinweisen, dass die Biologie das Material für kulturelle
Interpretationen und Aneignungsprozesse liefert.(15)Biologie
ist zumeist von Männern gemacht und gedeutet worden, das, wonach gesucht
wird, ist dementsprechend auch das, was Männer wissen und deuten wollten.
Damit wollen wir nicht leugnen, dass (...) es reale Körper (gibt)
aber sie besitzen ohne Kultur keine reale Bedeutung.(16)Die
biologische Begründung der geschlechtsspezifischen Sportkultur hat nichts
mit biologisch herleitbaren Unterschieden zu tun.
doing sport ist doing gender
Abschließend lässt sich sagen, dass sportliche Betätigung
für Frauen zwar eine positive Wirkung in Bezug auf das Selbstkonzept,
Selbstvertrauen haben kann, dass sich im Sport die konstruierten polaren
Geschlechtskonzepte jedoch nicht etwa auflösen, sondern erhalten bleiben
und verstärkt werden. Doing sport ist immer auch doing gender .Eine
sogenannte Emanzipation findet nur innerhalb der erlaubten
Weiblichkeitsdefinition statt, daher sehen wir in den Bestrebungen, mehr Frauen
mittels Quotenregelung zum Sport zu bringen, keinen Fortschritt.
Des weiteren soll dies auch kein Plädoyer für einen
weiblicheren Sport sein, der von einer körperbetonten
Natur der Frau im Gegensatz zu einem männlichen, funktional-
instrumentellen Körperverständnis ausgeht . Eine spezifisch
weibliche, sanfte Natur ist pure Konstruktion. Also kann es weder
einen männlichen noch einen weiblichen Sport geben, sondern muß es
das Ziel sein, das etablierte Konzept Sport abzuschaffen.
Strukturelle Unfairneß, Rassismus und Nationalismus
Der Sport, als integraler Teil unserer Gesellschaft, wird oft mit Assoziationen
wie Vorurteile und Angst vor Fremden abzubauen ( Otto Schily),
Integrationsfaktor Nummer eins ( Manfred von Richthofen) oder
Sport gegen Rassismus und Gewalt versehen. Auf nationaler Ebene
wird immer wieder in Kampagnen für sportliche Betätigung in Vereinen
geworben; Jugendlichen solle dadurch eine Perspektive geboten
werden und sie sollen in die Gesellschaft integriert werden. Auf
internationaler Ebene werden dem Sport und der olympischen Idee nicht weniger
hehre Funktionen zugesprochen: er fördere die
Völkerverständigung, er gewährleiste Chancengleichheit, fungiere
auch hier als integrativer Faktor. Sport spricht alle Sprachen ist
ein beliebter Werbeslogan vom DSB und diversen PolitikerInnen, um Sport als
kulturübergreifendes Mittel der Verständigung zu
propagieren.(17) Die Vorstellung jedoch, die Olympischen Spiele
hätten jemals einen politikfreien Raum gebildet, seien gar kulturneutral
oder wertfrei, ist reine Fiktion. Sie dienten und dienen vielmehr zur
Verbreitung der westlichen Zivilisationskonzepte. Wirft mensch noch einmal
einen Blick auf die Entstehung der Olympischen Spiele der Neuzeit, wird klar,
dass sie in einer Zeit der Neuorientierung entstanden sind.
Nationen in Neukonzipierungsphasen, weg von der Monarchie, hin zur
Demokratie; in Zeiten der Industrialisierung. Coubertin konzipierte
die Spiele ausdrücklich als Mittel zur Krisenbewältigung, um der
zerrütteten Gesellschaft Leitbilder und Wertorientierung zu liefern, um
die desintegrierte Gesellschaft wieder zusammenzuführen. (18)So
dienten sie als Sinngebung und Selbstrechtfertigung der modernen Zivilisation.
Der internationale Anspruch trug nun dazu bei, dass die von den euro-
amerikanischen führenden Schichten konzipierten Spiele mit den ihnen
innewohnenden Werten und Normen in die Peripherie getragen wurden.
Drittweltländer durften zwar formal an den Spielen teilnehmen, die
Definitions- und Deutungsmacht lag und liegt jedoch nach wie vor in den
Händen westlich orientierter Wertegemeinschaften. Bezeichnend dafür
sind mehrere Bereiche. Zum einen war das IOC bis weit ins 20. Jahrhundert von
Männern mit weißer Hautfarbe aus den europäischen Oberschichten
dominiert.(19)Zum anderen befindet sich der Austragungsort nur in
Ländern, deren Politik von den westlichen Staaten toleriert wird bzw.
umgekehrt, die das westliche Wertediktat akzeptieren. Außerdem fanden die
Spiele erstmals 1956 außerhalb Europas und der Vereinigten Staaten statt
(Melbourne...).Zudem entspricht die Mythologie und Symbolik der Olympischen
Spiele der abendländischen Kultur, und der olympische Sport bezieht sich
auf Regelwerke, die zumeist in Europa (England) oder der USA festgelegt wurden.
Soviel also zu der propagierten Internationalität...
Betrachten wir nun die hochgehaltene Chancengleichheit, die soviel besagt als
dass die SportlerInnen in einer fairen Konkurrenzsituation nach
allgemeingültigen Regeln um Ränge und Medaillen kämpfen.
Ausgeblendet wird in diesem Bereich, dass die Ausgangssituationen der
SportlerInnen extrem verschieden sind. Sie treten de facto sowieso nicht als
Individuen gegen einander an, sondern als Repräsentanten ihrer
Nationalstaaten. Das reale Ungleichgewicht das zwischen den Staaten herrscht,
wird nicht mit einbezogen. So hat es ein angehender Spitzensportler aus dem
Trikont deutlich schwerer, geeignete Trainingsbedingungen vorzufinden.
Die bis 1986 noch gültige Klausel, das nur Amateursport-lerInnen an den
Olympischen spielen teilnehmen durften, das heißt, dass durch den Sport
kein Geld verdient werden durfte, hat niedrigere Schichten automatisch
ausgeschlossen. Heute ist diese Regelung zwar nicht mehr gültig, der
Einstieg in verschiedene Sportarten bedarf aber trotz allem noch ein gewisses
Maß an Zeit und Geld.
Am Beispiel der USA möchten wir die soziale Benachteiligung und die
rassistische Diskriminierung von Afro-AmerikanerInnen aufzeigen und die
Auswirkungen auf den Sport darstellen. Sportnachrichten suggerieren, dass es im
Sport keine rassistische Ausgrenzung gäbe. Sowohl berühmte schwarze
Boxer, als auch erfolgreiche schwarze LeichtathletInnen und Basketballspieler
sind in den Medien präsent. Dadurch entsteht ein falsches Bild von der
Realität. Nicht dargestellt wird, dass Afro-AmerikanerInnen noch immer von
bestimmten Positionen im Sport und vor allen Dingen von Führungspositionen
wie TrainerIn oder SportmanagerIn ausgeschlossen werden. Diese Posten werden
bevorzugt an Weiße vergeben, für schwarze SportlerInnen hört
die Karriere in dem Moment auf, in dem sie nicht mehr jung und
leistungsfähig genug sind, um selber Leistungssport zu betreiben. Die
Rassenideologie, die noch in vielen Köpfen verankert ist,
verwehrt Schwarzen den Einstieg in höhere Positionen, und das nicht nur
im Sport. Der Sport hingegen gilt noch als eine der wenigen Bereiche, in denen
Afro- AmerikanerInnen überhaupt eine Aufstiegschance sehen- wenn auch nur
als AthletInnen.(20)
Neben der Feststellung, dass die Hautfarbe maßgeblich zur Vergabe von
Führungspositionen beiträgt, ist noch ein anderer massiver
Unterschied zwischen schwarz und weiß im Sport
festzustellen. Betrachtet mensch die verschiedenen Sportarten, fällt auf,
dass Schwarze in erster Linie an Disziplinen wie Leichtathletik, Boxen und
Mannschaftssportarten partizipieren. Relativ zum Bevölkerungsanteil sind
sie in diesem Bereich überrepräsentiert, in anderen
Sportarten aber kaum vertreten. Zudem waren und sind sie in diesen Disziplinen
relativ erfolgreich. Und dieser Erfolg wurde schnell rassistisch gedeutet. Bei
der Olympiade 1936 in Nazideutschland manifestierte sich der Mythos von der
besonderen Begabung der schwarzen Rasse für den Sport.21
Mit dieser rassistischen Theorie war es nach dem dritten Reich aber nicht
etwa vorbei, sondern es wurde weiter Genforschung betrieben, um die
Unterschiede schwarzer und weißer SportlerInnen zu analysieren. Diese
Theorien versuchten zu dokumentieren, dass die physische
Überlegenheit der Menschen mit dunkler Haut mit einer Unterlegenheit im
intellektuellen Bereich einhergeht(22) Diese Idee nahm auch
Einzug in die Medien, indem die Welt z. B. nach einem Sieg
schwarzer Leichtathleten beim Marathon in Rom 1960 postulierte: Wer
Marathon läuft, muß seinen Verstand am Start zurücklassen, will
er über die Runden kommen. (23)In der wissenschaftlichen
Forschung wurde sich noch immer nicht von diesen Theorien distanziert.
Bei der Entwicklung der rassistischen Theorien wurden die sozialen Unterschiede
zwischen der schwarzen und der weißen Bevölkerung bewusst
ausgeblendet. Denn diese, und nur diese, führen zu der starken Beteiligung
an den aufgeführten Sportarten und dem Erfolg. Diese Sportarten
bedürfen einfach keines weiteren teuren Gerätes, um sie
durchzuführen. Allein die soziale Benachteiligung verwehrt schwarzen
Menschen den Zugang zu kostspieligen Sportarten wie Reiten, Golf etc. Dieser
Bereich ist die Domäne weißer Menschen, die überwiegend besser
gestellt sind, geblieben. Auch der Erfolg schwarzer SportlerInnen hängt
mit ihrer sozialen Stellung zusammen. Für viele wird der Sport als der
einzige Weg aus dem Ghetto gesehen, somit ist es logisch, dass in den Sport
viel Training investiert wird. In diesem Bereich werden Afro- AmerikanerInnen
auch von LehrerInnen, Eltern und TrainerInnen unterstützt und sportlicher
Ehrgeiz wird als wichtiger als eine abgeschlossene Ausbildung eingestuft.
Platzt der Traum von der Karriere, fällt die Person wieder in
ärmliche Verhältnisse zurück.
Gleiche Ausgangsbedingungen im Sport würden die auffälligen
Unterschiede, die nur auf Grund der Diskriminierung und sozialen
Benachteiligung der schwarzen Bevölkerung so Augenscheinlich ins Gewicht
fallen, relativieren.(24)
Rassismen jedoch werden dadurch noch lange nicht abgebaut. Die
Konkurrenzsituation im Sport fördert sie eher noch. Sport hat bekanntlich
eine identitätsstiftende Wirkung. Fans leiden bei jeder Niederlage ihrer
Mannschaft mit, feiern Siege als wären es ihre Eigenen und nutzen diverse
Sportlerinnen und Sportler als Vorbild. Eigene Mißerfolge werden dadurch
ausgeglichen, indem wenigstens kompensatorisch am Erfolg anderer partizipiert
wird. Dadurch aber, dass das Sportleben auch als Feld der nationalen
Repräsentation sehr wichtig genommen wird, werden nicht nur
SportlerInnen zu FunktionärInnen einer Nation, sondern auch die
(sportbegeisterten) Zuschauer werden zu Fans einer Nation. Dies fördert
nicht nur den nationalen Zusammenhalt, (Wir haben gewonnen!)
sondern führt auch zu Ausschlußkriterien gegenüber anderen
Menschen und Nationen. Ob dies nun auf Länder- und Städteebene zum
Lokalpartiotismus verkommt oder zu Nationalismus wird: als
Völkerverständigung kann mensch dieses Verhalten wohl
kaum bezeichnen. Dass z.B. in populären Fußballmannschaften eine
Menge ausländischer Spieler vertreten sind, dient auch nicht der
propagierten Verständigung. Weder hält es Fans der
Verlierermannschaft davon ab, die Schuldigen mal wieder bei den
Ausländern zu suchen, noch lassen die Regeln es zu, dass z.B.
Menschen ohne deutschen Paß für die deutsche Mannschaft teilnehmen
dürfen, wenn Nation gegen Nation antritt. Dies beinhaltet zugleich, einer
souveränen Nation angehören zu müssen, um am Wettstreit
teilhaben zu dürfen... Möchte nun eine Kurdin beispielsweise an einer
Olympiade teilnehmen, dies aber nicht unter dem Banner der Türkei oder
einer anderen Nation (vorausgesetzt, sie hatte die Möglichkeit zu
emigrieren und eine andere Nationalität anzunehmen), kann sie sich die
Parole Dabei sein ist alles abschreiben.
Körperkult
Sport treiben bedeutet in erster Linie, sich körperlich zu betätigen,
ohne dass dem ein zweckgebundenes Ziel zugrunde liegt. Die körperliche
Anstrengung, wie schnell von a nach b zu kommen oder schwere Gegenstände
zu heben und zu bewegen, wird nicht verübt, weil mensch es eilig hat oder
weil es Teil einer Arbeit ist, die verrichtet werden muss. Sport treiben um
des Sportes wegen? Dies mag keine ausreichende Begründung sein. Bei
Befragungen wird in erster Linie geäußert, dass es
Spaß mache, zu laufen, Gewichte zu heben, an seine
körperlichen Grenzen zu stoßen. Das Spaßargument
wird aber vor allem dann angewendet, wenn mensch sich für etwas
rechtfertigen bzw. erklären soll, was er/sie tatsächlich nicht
begründen kann oder mag. Außerdem wird argumentiert, dass die
SportlerInnen sich dadurch erhoffen, schlanker, fitter und somit schöner
zu werden. Sport dient in diesem Zusammenhang als Selbstinszenierung von
Aussehen und Figur. Aber auch die alltägliche Belastbarkeit hoffen
Sporttreibende erhöhen zu können. Körperliches Wohlbefinden und
ein gesunder Körper lasse Aufgaben leichter bewältigen und der
Mensch fühle sich ausgeglichener. Diesen Argumenten soll im Folgenden auf
den Grund gegangen werden: Woher rührt es, dass Menschen sich im
allgemeinen schlank und durchtrainiert als schöner empfinden? Wieso
rücken viele Menschen den eigenen Körper in den Mittelpunkt ihrer
Aufmerksamkeit und investieren massig Zeit und Geld in dessen
Perfektionierung? Woher rührt also dieses Phänomen, dass
wir als Körperkult bezeichnen? Diese und weitere Fragen müssen
mehrschichtig beantwortet werden, da sie verschiedene Aspekte beinhalten.
Betrachten wir vorab den augenscheinlichsten Bereich, den Aspekt, der die reine
Darstellung und Inszenierung des Körpers betrifft.
Mit der Einführung des Sportes in weite gesellschaftliche Bereiche - ob in
Schulen, Betrieben, der allgemeine Etablierung von Sportvereinen oder gar der
Loslösung des Sportes von Institutionen, also des individuellen
Sporttreibens - hat sich in der Gesellschaft auch ein anderes Körperbild
etabliert. Um dem allgemeinen Schönheitsideal zu entsprechen, müssen
Mann wie Frau einen sportlichen Körper vorweisen, sollen dabei aber weiter
den Klischee-Bildern von Männern und Frauen entsprechen.
Das Schönheitsideal normiert die Körper, nicht nur der Figur wird
ein Idealmaß aufgelegt, auch Nasen müssen eine bestimmte Form und
Größe haben, Lippen werden mit Silikon aufgeplustert, Brüste
und Ärsche vergrößert oder verkleinert, Fett abgesaugt und Haut
geliftet. Aber auch wenn Schönheitsoperationen boomen, versucht doch der
Großteil der Bevölkerung noch, sich auf etwas
natürlichere Art und Weise zu quälen, um schlank, fit und
schön zu sein. Vorbilder gibt es zu genüge, um die
Motivation nicht zu verlieren: An jeder Ecke prankt ein Werbeplakat, auf dem
eine sportlich- schlanke Frau oder ein durchtrainierter Mann ein beliebiges
Produkt anpreist. Ob die Präsentation nun in irgendeiner Weise
inhaltlich mit dem dargestellten Konsumgut übereinstimmt, wird zur
Nebensache. Was uns da verkauft wird, ist nicht mehr ein reiner
Konsumgegenstand, sondern ein Lebensgefühl. Ein sportives
Lebensgefühl. Die Mode ist sportlich, Sport treiben ist modisch und
unterhaltend ist es, Sport zu gucken, also Sport zu konsumieren; sportlich
konsumieren gar, wenn mensch bedenkt, wie sportlich es doch ist, ein Produkt zu
kaufen, welches das sportive Lebensgefühl wiedergibt. Es findet eine
deutliche Versportlichung der Gesellschaft statt. Sportivität
wird zum gesellschaftlichen Zwang.
Was nach außen hin wie ein reiner Schönheitswahn wirkt, hat aber
noch weitere Aspekte. Der Körperkult lässt sich des weiteren damit
begründen, dass sich in der Gesellschaft eine veränderte Einstellung
zu Krankheit und Gesundheit herausgebildet hat. Die Infektionskrankheiten, die
früher häufig zu Todesfällen geführt haben, wurden
abgelöst durch chronisch-degenerative Erkrankungen. Dies hat zur Folge,
dass nun ein guter Teil der Verantwortung für die Gesundheit auf das
Individuum selbst übergegangen ist, so dass eine stärkere Betonung
des Körpers in der individuellen Lebensführung festzustellen ist.
Dies betrifft nicht nur die sportlichen Betätigungen. Auch die Art sich zu
ernähren wird häufig umgestellt, wobei die Grenzen, ob das nun der
schlanken Figur im Sinne des Schönheitsideals oder der Gesundheit dienen
soll, fließend sind. Sowohl was das Maß des Sporttreibens als auch
den Grad der Ernährungsumstellung betrifft, gibt es schichtspezifische
Unterschiede. Die Oberschichten fungieren meist als Trendsetter, die unteren
Schichten ziehen nach. Dies hat zur Folge, dass die oberen Schichten sich durch
eine etwas andere Lebensführung erneut versuchen abzusetzen, um ihren
eigenen Habitus zu erhalten (25) Die aktuelle Gesundheitsdebatte in
der Politik trägt ihren Teil bei der Gesamtbevölkerung dazu bei, in
dem sie jegliche Initiative Einzelner begrüßt, die ihre
Leistungsfähigkeit durch eine gesündere Lebensführung
stärken und dadurch Staatskosten einsparen. Dies äußert sich
weniger in einer Belohnungen derjenigen, die dieser
Körperhygiene entsprechen, als viel mehr in Sanktionen gegen
jene, die diesem Trend nicht entsprechen wollen. Ob dies nun Mehrkosten
für RaucherInnen sein sollen, höhere Kassensätze für
Menschen, die sich zu wenig körperlich betätigen, oder steigende
Arztkosten für diejenigen, die nicht zum regelmäßigen Check
erscheinen, sei dahin gestellt. Erschreckend ist, dass solche Überlegungen
überhaupt zur Debatte stehen, und die soziale Ausgrenzung gegen die, die
sich dem genormten Verhalten verweigern, auch von staatlicher Seite weiter
voran getrieben wird. Das einstmalige Angebot, Sport zu treiben, wird zum
Gebot.
Mit dem Schönheitsideal und dem Gesundheitsaspekt lässt sich das
Produkt Körper gut anpreisen und verkaufen, erfüllt aber indirekt
weitere Funktionen. Wie schon im geschichtlichen Abriß konstatiert, wurde
der Körper mit der fortschreitenden Industrialisierung erneut
diszipliniert und als Arbeitsressource eingesetzt. Des weiteren wird in den
Körper investiert, er muss Funktions- und Leistungsfähig sein, um auf
dem immer knapperen Arbeitsmarkt noch bestehen zu können. Auch dient er
als Kultobjekt, welches die Funktion hat, Sicherheit unter den
Bedingungen von Unsicherheit in unserer Gesellschaft zu liefern, und als
Konstante in einer schnellebigen Zeit zu fungieren. Diese Annahme zeigt sich in
der Tendenz, dass in dem Maße, wie Berufs- und Arbeitswelt ihre
Leitbildfunktion verlieren, Leitbilder im Sport Zuwachs erlangen.(26)
Also auch hier gibt es den Trend, in den eigenen Körper zu investieren,
ihn als sinnstiftende Instanz zu nutzen.
Inwiefern können da nun aber Zusammenhänge zu den olympischen Spielen
hergestellt werden? Die olympischen Spiele haben, seit es
Fernsehübertragungen gibt, eine gewaltige Rezeption. Millionen von
Menschen verfolgen den Wettkampf, der eine Körperlichkeit darstellt, die
auf manche Menschen eine berauschende Wirkung ausübt. So wird über
den Bildschirm wieder eine Körpernorm propagiert, die in einigen Bereichen
verheerende Auswirkungen zeigt, in anderen Bereichen das eh schon etablierte
Körperbild festigt.
Die seit den 60er Jahren massiv gedopten SportlerInnen zeigten natürlich
veränderte körperliche Erscheinungsbilder. So wurden die Sportler zu
Vorbildern für viele Männer, die von der enormen Muskelprotzigkeit
der mit Testosteron und Anabolika vollgepumpten Athleten, beeindruckt waren.
Das Ideal der Männlichkeit wurde dadurch noch verstärkt und verzerrt.
Viele Männer, darunter auch sehr junge, fühlen sich einem Vorbild
gegenüber gestellt, dass sie durch einfaches Training nicht mehr erreichen
können. Dies führt zu der Einnahme noch relativ harmloser
Eiweißpräparate bis zu gefährlichem
Medikamentenmißbrauch, um eine stärkere Muskelbildung zu bewirken.
Bei Frauen, zumeist jungen Frauen und Mädchen, wirkt sich das
Körperideal teils selbstschädigend dahingehend aus, als dass zu
gefährlichen Mitteln gegriffen wird, um extrem schlank zu werden. Zwar
gibt es noch eine Menge mehr Ursachen für verschiedenen Formen der
Magersucht, doch trägt der Schlankheitswahn in der Gesellschaft, von dem
auch junge Männer zunehmend betroffen sind, keinen geringen Teil dazu bei.
Hierbei lässt sich natürlich nicht explizit aufzeigen, dass die
Olympischen Spiele oder Leistungs- und Spitzensport daran schuld
seien. Vielmehr möchten wir aufzeigen, dass solche Massenereignisse dazu
beitragen, die genannten Phänomene zu verstärken. In den modernen
Gesellschaften wird das auch sonst bestimmende Leistungsprinzip, dessen
Festigung besonders auch durch die erzieherische Wirkung von Sport voran
getrieben wird, in einem körperbezogenen Funktionssystem in reiner Form
zur Darstellung gebracht.
Massiv verfestigt wird durch die Olympischen Spiele jedoch die Diskriminierung
und Ausgrenzung behinderter Menschen. Bei den Spielen gibt es keine Teilnahme
körperlich beeinträchtigter Menschen, sie müssen getrennt von
diesen ihre eigene Olympiade veranstalten. Seit den 80er Jahren dürfen sie
auch nicht mehr die Bezeichnung Olympia für ihre Spiele
verwenden. Mit dem Amtsantritt Samaranchs als IOC- Präsident, sollte
diesem Mißbrauch des Namens ein Ende gesetzt werden, da
dieser profitschädigend sei. Auch wurde von Seiten des IOCs gefordert,
dass das Symbol der Behindertenolympiade, den sogenannten Paralympics, nicht
dem der fünf Ringe ähneln solle. So wurde 1994 zum letzten Mal die
Fahne mit den fünf Tränen verwendet, die angereiht und koloriert wie
die olympischen Ringe waren. Von nun ab durften nur noch drei Tränen
abgebildet werden. Es war ein steter Kampf der OrganisatorInnen der
Paralympics, dem IPC, für ihre Rechte einzutreten, die eigentlich in der
Olympischen Charta fest geschrieben sind (der Sport solle ohne jegliche
Art von Diskriminierung ausgeübt werden), doch am Ende fehlte ihnen
die Lobby und die gesellschaftliche Akzeptanz.(27)
Unsere Forderung geht mit dieser Darstellung nicht in die Richtung, dass wir
für behinderte Menschen nun die gleiche Partizipation am zermürbenden
Leistungsprinzip fordern. Der Umgang mit diesen Menschen in Bezug auf Olympia
zeigt aber auf, dass behinderte Menschen in unserer Gesellschaft nicht
erwünscht sind. Sie passen nicht in das Bild vom schönen und
funktionierenden Körper. Sie sind an den gesellschaftlichen Rand
gedrängt und das Ziel staatlicher Biopolitik ist es, mit Hilfe von Medizin
und Gentechnik, solche als schreckliches Schicksal bezeichneten
Behinderungen zu verhindern.
Mit unserem Beitrag greifen wir die strukturelle Unfairness innerhalb des
Systems an, möchten den Wortschleier lüften und aufzeigen, dass es
sich bei Sportveranstaltungen im professionellen Sinne um Ereignisse handelt,
die weder die propagierte Internationalität noch Chancengleichheit
beinhalten, sondern vielmehr Rassismen und Nationalismen fördern. Letzten
Endes sehen wir es nicht als Ziel, dieses System zu reformieren und innerhalb
des Rahmens Ungleichheiten abzubauen, sondern denken, das diesem
kapitalistischen System, innerhalb dessen die Olympischen Spiele
durchgeführt werden und Sport als Allheilmittel verkauft wird,
strukturelle Unfairness immanent ist.
N.N.
TOP
(1)Sobiech, Gabriele (1994):
Grenzüberschreitungen. Opladen. S. 22
(2)Pfister, Gertrud: Die Balance der Differenz- Inszenierung von
Körper und Geschlecht im Sport (1900 bis 2000). In: Krüger,
Michael ( ): Menschenbilder im Sport. S. 197
(3)ebd. S. 197
(4)Kloss (1862). 284. In: Klein, Michael (Hg.) (1983): Sport und
Geschlecht. Reinbek. S. 41
(5)GutsMuths (1970). 237. In: Klein, Michael (Hg.) (1983): Sport
und Geschlecht. Reinbek. S. 38
(6)Zitat nach Bluemcke (1928). 81. In: Klein, Michael (Hg.) (1983):
Sport und Geschlecht. Reinbek.S. 40
(7) Vgl.Pfister,Getrud: Die Balance der Differenz- Inszenierung von
Körper und Geschlecht im Sport (1900 bis 2000). In: Krüger,
Michael ( ): Menschenbilder im Sport. S. 219
(8)In der Darstellungen wurde aus Platzgründen nicht näher
auf die Klassen- und Rassen- Unterschiede eingegangen, die in der
frauenspezifischen Sportpolitik bestehen und zur Vereinfachung das Bild einer
einheitlichen Körpergeschichte von Frauen gezeichnet.
(9)Zitat in: Schröder, Ulfert (1972): Ruhm und Medaillen.
Bayreuth. S. 78
(10)Zitat in: Schröder, Ulfert (1972): Ruhm und
Medaillen. Bayreuth. S. 79
(11)Reuters Meldung
(12)vgl. Jennings, Andrew (1996): Das Olympiakartell.
Reinbek. S. 214
(13)Zitat in: Jennings, Amdrew (1996): Das Olympiakartell.
Reinbek. S. 213
(14)ebd.
(15) Pfister, Gertrud: Die Balance der Differenz- Inszenierung von
Körper und Geschlecht im Sport (1900 bis 2000). In: Krüger,
Michael ( ): Menschenbilder im Sport. S. 203
(16) Lehnert (1997). In: Pfister, Gertrud: Die Balance der
Differenz- Inszenierung von Körper und Geschlecht im Sport (1900 bis
2000). In: Krüger, Michael ( ): Menschenbilder im Sport. S.
203
(17)Vgl. Bröskamp, B./ Alkemeyer, T. (1996) in: Fremdheit und
Rassismus im Sport, Sankt Augustin. S.7
(18) Vgl. Alkemeyer, T. in: Körper, Kult und Politik,
S.208
(19)Vgl. ebd.
(20) Vgl. Volkwein, Karin A.E . (1996):
Schwarz-Weiß-Malerei im Nord-Amerikanischen Sport. In:
Bröskamp, B./ Alkemeyer, T. (Hrsg.), (1996): Fremdheit und Rassismus im
Sport, Sankt Augustin
(21) Vgl. Pölking, Hermann J.(1983): Barfuß zum
Olymp, in: Lienen, E. (Hrsg.), (1983) in: Oh!lympia, Berlin, S.194
(22) Volkwein, Karin (1996): S.138
(23) Zitiert aus: Pölking, H. (1983) : S. 192
(24)Vgl. Volkwein, K. (1996): S. 133ff
(25)Vgl. Weiß, Otmar. (1999): Einführung in die
Sportsoziologie, Wien, S 88ff
(26)Vgl. Weiß, O. (1999): S. 62ff
(27)Vgl. Jennings, Andrews. (1996) in: Das Olympia-Kartell,
Reinbeck bei Hamburg, S.221ff
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