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Das Leistungsprinzip zertrümmern

Ein kleiner anti-olympischer Rundumschlag


Oh Sport, Du bist der Friede! Sich gegenseitig messen, übertreffen, ist das Ziel. Ein Wettstreit im Frieden.
Pierre de Coubertin, Begründer der neuzeitlichen olympischen Spiele

Krieg und Sport gehören zusammen. Der Krieg ist der vornehmste, ursprünglichste Sport, der Sport par excellance und die Quelle aller anderen Sportarten.
Carl Diem, NS-Sportfunktionär

Kämpfen und immer kämpfen und niemals den Glauben an sich selbst verlieren.
BUNTE 28/2

Im Kontext der Bewerbung von Leipzig als Ort der Austragung der olympischen Spiele entstand hier ein Anti-Olympisches Komitee, dass sich neben der Verhinderung der Spiele die Thematisierung eines „anti-olympischen Gedankens“ in Kritik am „olympischen Gedanken“ zur Aufgabe machte. Folgender Text will die anti-olympische Grundidee einer auf Muße und Freude am eigenen Körper beruhenden menschlichen Umgangsweise, gegen die auf Leistung und Wettbewerb zentrierten olympischen Ideen stark machen.

Der olympische Gedanke –
Leistung und Wettbewerb in Krieg wie im Frieden

„Dabei sein ist alles“ lautet das olympische Motto. Als Graf Coubertin gegen Ende des 19. Jahrhunderts die antiken olympischen Spiele wieder belebte, war bereits klar, worum es dabei gehen sollte: Die neu entstehende bürgerliche Nation sollte zementiert und für bevorstehende Kriege aufgestylt werden. Man wollte ein arbeits- und leistungsfähiges Volk heranziehen, die leistungsfähige kapitalistische Nation stärken. Denn ohne inneren Zusammenhalt und staatliche Absicherung mit Einfühlung der Verwertungsbürger in den Staat ist Kapitalismus nicht zu haben. Und genau hier liegt die Wiege des Sportes. Daher ist es auch für alle ein absolutes Muss „dabei zu sein“.
„Ein Wettstreit im Frieden“ nennt der Begründer des neuzeitlichen Olympia Pierre de Coubertin (zitiert nach PE 16, S. 17) den Sport. Was die Ideologen des Kapitalismus jedoch als Frieden verkaufen, ist nur die Softvariante des Krieges. So wie den Krieg setzte die von ihnen hochgehaltene Gesellschaft auch den Frieden als dessen Gegenstück in die Welt. Deswegen stehen Coubertin und der ultra-rechte Sportfunktionär Carl Diem auch nicht im Gegensatz, sondern im völligen Gleichklang, wenn letzterer formuliert: „Krieg und Sport gehören zusammen.“. Mit dem kapitalistischen Krieg ist der kapitalistische Frieden und mit beiden sind Sport, Leistung und Arbeit zu attackieren. Zertrümmern wir den Mythos vom angeblich friedliebenden und menschen-verständigenden Olympia! Dabei sind überhaupt nicht seine Ideale als verlogen hinzustellen. Vielmehr sind diese selbst Ausdruck der dieser Gesellschaft innewohnenden Ekelhaftigkeit und Penetranz. Das sich messen und übertreffen ist explizit kapitalistisch und bereits die Keimform des Vernichtungskrieges. Es handelt sich hier um eine Logik, die nicht erst mit „Kommerzialisierung“ oder „Instrumentalisierung“ des Sports in diesen hineingetragen wird. Sportplatz und Schützengraben gehören untrennbar zusammen. Schaffen wir uns diesen ganzen Dreck vom Halse!

Die historischen Spiele –
Zurechtschneiden des Individuums zum „Ideal“

Bereits die olympischen Spiele des Altertums sind einer harschen Kritik zu unterwerfen. Zumindest dienen sie keineswegs als positive Messlatte für einen etwa „eigentlichen“, nicht-kommerzialisierten Sport. Auch im alten Griechenland schon waren sie ideologischer Kitt einer auf Sklaverei und Ausgrenzung beruhenden Männer-Gesellschaft, die wie der Kapitalismus nicht im Interesse der Menschen gestaltet war - auch wenn die Antike bei weitem nicht so grässlich war. Über dem Eingang von Platons philosophischer Schule, der „Akademie“ prangte die Aufschrift „Nur für Menschen, die sich mit Gymnastik und Geometrie beschäftigen“ (sinngemäß).
Nach Platon sind die Gegenstände wie Menschen Abbild einer perfekten Idee ihrer selbst. Die Reinform dieser Idee sind die geometrischen Figuren. Daher der enge Zusammenhang von Platons Ideenlehre und der Geometrie. Die Gymnastik ist nun wiederum wichtig, um die einzelnen Menschen ihrem angeblichen Idealbild näher zu bringen, sie der reinen geometrischen Form anzupassen. Der sich der Formung widersetzende Inhalt – der menschliche Körper, Fleisch und Blut, Genuss, Lust, Faulheit – sollte mit Gewalt und Gewöhnung der reinen Form angepasst werden. Diese so hergestellte Form, in die der Mensch doch erst gepresst werden muss, stellt dem damaligen Denken (und auch heutigen) gemäß angeblich das wirkliche Wesen des Menschen dar. Bereits hier erfüllt die Gymnastik die Funktion, Menschen durch permanente Unterwerfung und Quälung (Training) in eine bestimmte körperliche und auch charakterliche Form zu quetschen. Wichtig war hierbei die Askese: das ständige Einüben bestimmter Verhaltensweisen. Ziel war das Zurichten und Zurechtquetschen von Menschen in eine gewünschte Form.
Vor der Durchsetzung des Kapitalismus blieben solche Wahnideen recht konfus, vereinzelt, diffus und unzulänglich. Platons Vision einer „utopischen Welt“ samt „neuem Menschen“ kamen nicht über die Planungsphase hinaus, scheiterten in der Realität gnadenlos. Erst mit dem sich durchsetzenden Kapitalismus wurde die Zurichtung von Menschen zu nach geometrischer Präzision arbeiteten „Maschinen“ die Grundlage der Gesellschaft und erfasste nach und nach alle ihre Teile und nahezu alle Gegenden der Welt. Erst in dieser Gesellschaft formiert sich der Sport als eine alles durchdringende Formierung menschlicher Körper. Nicht umsonst sprach man später von der „Körpererziehung“ – es ging um die Erziehung und Ertüchtigung des menschlichen Körpers von Kindesbeinen an, zu einem leistungsfähigen Arbeits- und auch Kriegswesen.

Sport und Kommerz –
einige Sätze über den „wertfreien“ Sport

Es gibt also keinen wertfreien Sport. Dass zeigt sich nicht erst an der „Instrumentalisierung“ für die Projekte des nationalistischen Packs a la Turnvater Jahn. Bereits Coubertin erkannte eben genau die charakterformenden Eigenschaften des Sports und brachte sie zur Anwendung. Ziel ist: Legitimierung und Effektivierung von Herrschaft, Disziplinierung und Anheizung zu Leistung. Dann ist es aber wenig sinnig, darüber zu klagen, dass von diversen sportlichen Idealen im Leistungssport nichts mehr übrig wäre. Sponsoren aus der Wirtschaft sprechen es klar aus: „Über Sport sprechen wir Dinge wie Jugend, Leistung, Ehrgeiz, Gewinnen-wollen an. Da liegt doch die Assoziation zur Wirtschaft ganz nahe“ (PE 16, S 16). Damit liegen sie völlig richtig.

Sport und Körper – Liebe oder Hass auf den Körper?

Leistungssport halluziniert sich gern als Liebe zum Körper. Die Geschichte der Moderne zeichnet sich grundlegend aus durch die Aufspaltung des Menschen in Körper und Geist. Dabei wurde zunächst der Körper als das zu unterdrückende und beherrschende herabgewürdigt. Die Durchsetzung der Arbeits- und Leistungsgesellschaft ist gleichzeitig eine Geschichte des Feldzugs gegen die körperlichen und sinnlichen Ansprüche der menschlichen Körper – ein Feldzug der gesellschaftlichen Form, in die die Körper gepresst wurden, gegen die Inhalte dieser Form.
Dass diese Unterwerfung der Körper durch Zwang und Gewalt zustande kam ist den Unterworfenen heute nicht mehr bewusst. Nicht weil die Unterwerfung heute weniger brachial vonstatten geht, sondern weil der Zwang zu einer inneren Instanz wurde, weil er von den einzelnen Menschen verinnerlicht wurde. So kann die Unterwerfung heute als Befreiung erlebt werden. Die Unterwerfung der Menschen ist selbst zu ihrer (zweiten) Natur geworden. Sie fordern ein, was einst von ihnen verlangt wurde. Daher halluziniert sich der Sport tatsächlich nur als Liebe zum Körper. In Wirklichkeit ist er der verinnerlichte Hass auf den Körper.

Arbeitersport als Alternative?
Das proletarische Spiegelbild

„Zentralisiert allmächtig, diktatorisch und nichts und niemanden neben sich duldend, machte sich der Sport (in der DDR) zum Werkzeug der Herrschaft. Wie bei den Nationalsozialisten diente der Körperkult der Schaffung bzw. Propagierung eines überlegenen neuen Menschen“, so m. E. richtig dargestellt in Prasses Erben Nr.16. An anderer Stelle im selben Heft: Dies stand „… dann schon im krassen Gegensatz zu den Idealen der einstigen Arbeitersportbewegung“.
Es scheint mir gründlich geraten, mit den Idealen von der revolutionären, anti-bürgerlichen Arbeiterbewegung aufzuräumen. Selbstverständlich war sie revolutionär – aber nur im Rahmen des Bestehenden. Selbst die radikalsten proletarischen Umwälzungen in Russland und China tasteten weder Geld noch Ware noch Arbeit an. Sie hatten das Ziel, diese zu modernisieren und zu erneuern – also noch perfekter zu gestalten. Nur in diesen Sinne waren sie revolutionär. Auch nur in diesem Sinne waren sie anti-bürgerlich. Sie waren anti-bürgerlich nicht im Sinne einer generellen Haltung gegen die Prinzipien der bürgerlichen Gesellschaft, gegen Arbeit und Leistung, sondern im Rahmen des Bestehenden, also als Arbeiter gegen die verwaltende Klasse, das Bürgertum, das „Kapital“. Es ging ihnen darum, die bürgerliche Gesellschaft in eine proletarische zu verwandeln, um sie in eigener Regie besser laufen zu lassen – also quasi selbst bürgerlicher als die Bourgeoisie zu sein. Daraus resultiert die proletarische Ästhetik vom kämpfenden Arbeiter mit der schwieligen Faust. Es galt, nicht den Menschen von der Arbeit, sondern vielmehr die Arbeit selbst zu befreien und endlich alle Menschen zu Proleten werden zu lassen. In diesem Kontext ist auch die proletarische Sportbewegung anzusiedeln. Es ging ihr um die Schaffung des richtigen Arbeiters. Man wollte keine schwächlichen Müßiggänger und „dekadenten“ Wesen heranziehen sondern starke, saubere und kraftvoll strotzende Leute. Man wollte eine auf dem Schaffen gegründete Gesellschaft errichten, einen Staat der Werktätigen („Die Arbeit ist das Fundament auf dem der Staat der Zukunft ruht“, August Bebel) und dazu brauchte man den Sport als Mittel. Die Intentionen des proletarischen Sports waren also von Anbeginn keine „anti-bürgerlichen“, sondern die organisierte Arbeiterbewegung selbst war bürgerlich von Anbeginn und zwar sowohl in ihrer sozialistischen als auch in ihrer kommunistischen und anarchistischen Version. Arbeit, Leistung und der gestylte Körper wurden nie in Frage gestellt, sondern meist geradezu vergöttert und angebetet.
Daher kann der proletarische Sport ebenso wenig wie ein vom „Kommerzdenken“ befreiter oder nicht politisch instrumentalisierter bürgerlicher Sport als Alternative dienen.

Der Sport in der Krise –
zur Simulation von Leistungsgesellschaft

Der Sport setzte sich mit der Durchsetzung der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft durch. Infolge mikroelektronischer Rationalisierungsmaßnahmen ist dieser weitgehend ihre Grundlage flöten gegangen. Der Arbeitsgesellschaft geht die Arbeit und damit ihr grundlegendes Prinzip aus. Arbeit wird in vielen gesellschaftlichen Bereichen mittels Subventionen, staatlichen Maßnahmen oder Arbeitsbeschaffungsprojekten bzw. purem Zwang um die Menschen bei der Stange zu halten, nur noch simuliert. Die herrschende Ideologie, nach der Leistung sich lohnt wird fade und brüchig. Zu offensichtlich ist, dass sie sich nicht mehr lohnt, dass auch ohne immensen Aufwand genug produziert werden könnte. Leistung wird in vielen Fällen nur noch pro forma abgerufen. Damit verändert sich rückwirkend auch wiederum die Rolle des Sports in der Gesellschaft.
Daran krankt die gesamte Debatte um die Austragung der „Spiele“ in Deutschland. Für Olympia demonstrierende Bürger peitschen sich eisernen Willen und Durchhaltevermögen ein. Dabei ist eigentlich klar, dass es auf ihren Willen nicht ankommt. Das IOC entscheidet, nicht der Wille irgendeiner Bevölkerung.
Instinktsicher erkennen viele Menschen, dass die Austragung der „Spiele“ ihre letzte Chance darstellt, doch noch ein oder zwei Arbeitsplätze zu retten. Sie haben keine Chance - aber die wollen sie auf biegen und brechen nutzen. Daher ihre Aggression, ihr Zusammenhalten gegen ein kleines Häufchen im Ganzen doch leider recht harmloser Olympiagegner. Daher auch ihr einpeitschendes Gerede vom Zusammenhalten, das in Wirklichkeit keinen interessiert. Sie wissen um ihre Nichtigkeit und Bedeutungslosigkeit, sie wissen, dass es auf sie in Wahrheit nicht ankommt.
Die Krise der Arbeitsgesellschaft ist gleichzeitig eine Krise des Sports. Mittels Einfordern von Leistung und Großveranstaltungen soll eine Leistungsgesellschaft simuliert werden. Um so energischer und verbissener wird sich daran geklammert. Je sinnloser Kapitalismus wird, desto panischer liefern sich viele ihm aus - verlieren sie doch ihre noch so armselige Existenz, sofern sie keine andere Gesellschaft zustande bringen.

Sport und Spiel

Arbeit hatte im Kapitalismus stets Selbstzweckcharakter. Es geht um die ständige Verwandlung von Geld in mehr Geld. Der dabei entstehende Mehrwert soll selbst nicht etwa verprasst, sondern seinerseits wieder neu investiert werden. In diesem Kontext ist die Entstehung des neuzeitlichen Sports zu betrachten: als ein Einüben des unentwegten Zwangs zum immer-schneller, immer höher und immer weiter. Damit unterliegt auch der Sport dem an sich selbst sinnlosen, auf sich selbst rückgekoppelten Selbstzweck.
Die menschliche Lust am eigenen Körper wurde dabei in eine dem herrschenden Verwertungsprinzip konforme Gestalt gebracht. Daher die Perfidie der ganzen Angelegenheit. Der Sport ist an etwas geknüpft, was den Menschen innigstes Bedürfnis ist, nämlich ihren Körper zu betätigen und sich dabei wohl zu fühlen. Er bedient dieses Bedürfnis jedoch in völlig verzerrter, entfremdeter Art– in einer, die selbst wiederum dem Unterdrücken des Körpers entspricht. Auf diese Weise wird Unterdrückung eingeübt und kann gleichzeitig als befreiend und beglückend erlebt werden.
Mit der oben skizzierten Krise des Sports im Kontext reiner Simulation der Arbeits – und Leistungsgesellschaft spitzt sich sein Selbstzweckcharakter zu. Heraus kommt eine Selbstzweckhaftigkeit in erhöhter Potenz. Darin liegen Chancen zur Befreiung vom Diktat des Selbstzwecks. Es käme dabei darauf an, die Freude am Körper vom Wettbewerbs- und Leistungsdiktat zu entkoppeln und ein freies Spielen neu zu begründen.
Antiolympische Praxis hat nichts gegen Fußball, Schwimmen oder Tischtennis. Allerdings wendet sie sich gegen die Zurichtung körperlicher Betätigung nach immer höheren Leistungsparametern. Viele Menschen haben Lust auf körperliche, geistige und künstlerische Tätigkeit und das ist auch gut so. Allerdings will sie keinen Zwang dazu und keine Gesellschaft, die von Menschen einfordert unentwegt aktiv und kreativ zu sein. Körperliche Betätigung kann und soll vielmehr Spaß bereiten. Es ist sinnvoll dem Gedanken des Sports das freie und selbst bestimmte Spiel mit dem eigenen Körper/ die Lust am eigenen Körper entgegenzusetzen.

Der anti-olympische Gedanke –
Müßiggang statt Leistungswahn

Überall, wo sich Menschen dem Leistungsprinzip verweigern – ohne dabei überall konsequent sein zu können – passieren Schritte in Richtung Emanzipation.
Es ist notwendig den Körper von seiner christlich-religiösen sowie kapitalistischen Verstümmelung, Quälung und Zurechtquetschung zu befreien. Sport und Turnen sind als Ausdruck, Ergebnis und Mittel dieser Unterdrückung zu ächten – so wie der olympische Gedanke genau diese Unterdrückung von Menschen seit seinen Anfängen auf den Punkt brachte.
Im Leistungssport, speziell bei den Olympischen Spielen kommt all das zum Ausdruck, was am Kapitalismus eklig ist. Wir wollen keine Gesellschaft, die auf unentwegtem Zwang zu Arbeit, Wachstum und Leistung beruht. Diese Prinzipien haben genug Elend über die Menschen gebracht (Bsp: ökologische Zerstörungen im Großmaßstab, Aussortierung angeblich „unwerten“ Lebens, weltweites Elend trotz oder aufgrund immensen Reichtums, psychische und körperliche Krankheiten durch Überforderung und Überarbeitung). Es ist an der Zeit, für eine Gesellschaft einzutreten, die sich nicht an diesen Leitlinien orientiert. Es geht um eine Gesellschaft, die Menschen nicht nach Leistung und Verwertbarkeit beurteilt und an einem Punkt, wo diese Leistung sich immer weniger zu lohnen beginnt, sich daran macht, Menschen auszusortieren. Genau das passiert auch im Leistungssport.
Einige werfen den Olympiagegnern vor, dass es ihnen „nur“ um Leipzig ginge. Sie würden jammern über die ach so schöne Stadt und ihre Häuser und Bäume und sich keine Gedanken um andere Städte oder „wichtigere Probleme“ machen. Dieser Vorwurf ist aus zwei Gründen zurückzuweisen. Erstens lehnen die Olympiagegner die „Spiele“ nicht nur in Leipzig, sondern generell ab. Zweitens thematisieren sie nicht nur die „Spiele“, sondern den Sport und darüber hinaus, eine auf Leistung und Arbeit beruhende Weltgesellschaft. Generell muss linke Kritik an der Gesellschaft immer an realen gesellschaftlichen Problemen ansetzen, bzw. dort, wo Menschen bestimmte Übel dieser Gesellschaft bewusst werden. Das war zumindest in der Vergangenheit im Kontext der olympischen Spiele häufig der Fall. Geht linke Kritik nicht von derartigen Problemen aus (bspw. auch sozialer Kahlschlag) dann steht sie von Anbeginn auf völlig verlorenem Posten und ist in jedweder Hinsicht zum Scheitern verurteilt.
Im Kern muss es darum gehen, für ein besseres Leben von Menschen einzutreten. Es ist „die sprengende Frage nach der Lebensqualität“ (Galow-Bergemann) zu stellen. Ziel ist perspektivisch ein glückliches und erfülltes Leben für alle Menschen. Es geht um ein Ersetzen der Logik des Effektiveren und Schnelleren durch ein Schöner, Langsamer und Besser, welches innerhalb des Kapitalismus nicht zu haben ist. Es geht nicht um eine bessere Verteilung dessen, was bereits vorhanden ist, sondern um eine völlig andere Gesellschaft. Wenn sich die anti-olympische Strömung gegen den Sport wendet, dann richtet sie sich nicht gegen das freie Spielen, das Sich-Bewegen. Sie wendet sich vielmehr dagegen, die unentwegte Dynamik um ihrer selbst willen zum non plus Ultra zu erheben. Sie wendet sich klar gegen jedwedes Leistungsprinzip, welches für sie Grundlage dieser Gesellschaft ist. Nur in einer auf Profit und Gewinn basierenden Gesellschaft wird das was Menschen tun oder schaffen nach Kriterien der Leistung gemessen. Es ist also nichts dagegen einzuwenden, Bälle über den Rasen zu schubsen und dabei Tore zu zählen. Es geht vielmehr um eine völlig veränderte Logik. Die einer Gesellschaft, die nicht mehr auf Zwang zu Leistung, andere Übertreffen, Gewinn, Effizienz und Effektivität beruht, sondern auf der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und der Lust an körperlicher und geistiger Tätigkeit. Besser wäre dann: was angenehmer, erfüllender, schöner und beglückender ist.

Martin D.



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