"Sport tut Deutschland gut"
Über die Funktionen des Sportes für den Staat
"Leibesübungen – das Wort schon enthält soviel an Repression, dass es einem davor grausen mag."
(H. Marcuse)
Die Entscheidung, ein Fußballspiel zu besuchen oder
gar daran teilzunehmen, wäre - im mittelalterlichen England des 14.
Jahrhunderts getroffen - eine schwerwiegende gewesen. Das bereits damals recht
verbreitete, allerdings noch illegale Spiel war noch eines im eigentlichen
Sinne des Wortes. In der ursprünglichen Variante des heutigen deutschen
Volkssportes waren die konkreten Regeln nicht übermäßig genau
gefasst: Die beiden Tore befanden sich oft in kilometerweit entferntem, nicht
besonders festgelegtem Abstand voneinander, die Anzahl der MitspielerInnen
schwankte deutlich und selbst die Bedingungen für Sieg oder Niederlage
waren nicht vollkommen geklärt.
Im Prozess der Modernisierung wurde das Spiel als gemeinsame
Körpererfahrung zunehmend verreglementiert und standardisiert zugunsten
von Leistungsnormen und Kampfregeln. Der so aus dem Spiel entstandene Sport ist
also ein Phänomen der Moderne.
Der Sport ist ein aktiver Bestandteil unserer Gesellschaft. Seine
Mitgestaltung des sozialen Miteinanders reicht weit über das sportliche
Geschehen hinaus und wirkt in unsere zwischenmenschlichen Beziehungen ebenso
hinein wie in die Bildungs-, Arbeits- und Freizeitwelt und ist ein wichtiger
Faktor der Gesundheitsförderung. Mit diesen Worten beginnt das
Berliner Manifest des deutschen Sports, in dem die Ziele und Inhalte der neuen
Gesellschaftskampagne des Deutschen Sportbundes (DSB) Sport tut
Deutschland gut europaweit eine der größten
Plakatkampagnen, die es je gab - zusammengefasst sind. Das Motto, unter dem
für den Standort geschwitzt werden soll, gibt für antideutsche Linke
Anlass zu einer genaueren Betrachtung. Um die vielfältigen Beziehungen
zwischen der grundlegenden Struktur des Sportes und seinen Funktionen für
den Staat und die Gesellschaft zu beleuchten, ist es wichtig, aufzuhören,
den Sport einfach als eine Naturgegebenheit zu behandeln, deren Bedeutung nicht
weiter untersucht werden muss. Dann wird es möglich, danach zu fragen,
welche Funktionen Sport - und dabei soll es speziell auch um sportliche
Großveranstaltungen wie Olympia gehen heute im Bezug auf
nationalstaatlich und kapitalistisch verfasste Gesellschaften und besonders
für Deutschland hat.
Fit for Arbeit, Leistung und den Standort
Wird Sport im Allgemeinen außerhalb und abgetrennt von der
Produktionssphäre verortet, so ist er in Wahrheit doch eng mit dieser
verknüpft. Sport stellt die Verlängerung der Arbeits- und
Leistungsideologie in die Sphäre des Privaten in die sogenannte
Freizeit dar. Die Anforderungen der Arbeitswelt, in der die Einzelnen
Leistungsbereitschaft und Fitness beweisen müssen, werden im Sport noch
verlängert. Ob im Mief der deutschen Mikrogemeinschaften den
Sportvereinen oder als postfordistische Einzelkämpfer bei den
populären Marathons, nie können oder wollen die Arbeitssubjekte aus
den Strukturen der Produktion ausbrechen. Nun benötigen Gesellschaften,
welche die Produktion von Gebrauchgütern innerhalb kapitalistischer Logik
organisieren, für Wettbewerb und Konkurrenz potentiell ökonomisch
produktive Körper. Diese potentielle Produktivität sicherzustellen,
muss daher ein zentrales Anliegen für alle an der Erhaltung der
kapitalistischen Gesellschaft Interessierten sein. Einerseits dient Sport heute
offensichtlich rein technisch als Ausgleich für die Bewegungsarmut und den
Stress der modernen Arbeits- und Dienstleistungsgesellschaft, in der immer mehr
Tätigkeiten sitzend ausgeführt werden. Andererseits und dies
scheint der wesentlich zentralere Aspekt zu sein dient Sport zur
Legitimation der Gesellschaft als solche und der Vermittlung ihrer Prinzipien.
Die nur durch Produktivität Nützlichkeit und damit Anerkennung
erlangenden Individuen sollen also auch politisch fügsam sein.
Während zu Zeiten des Fordismus ein kollektiver Massensport im Mittelpunkt
stand, der einen Gegensatz zur Arbeit vorgaukeln sollte, wird dieser im
Postfordismus durch den individuellen, den die eigenen Grenzen in
Eigenverantwortung auslotenden Sport ergänzt. Der Dienst am Kollektiv, den
schon die völkisch-deutsche Turnerbewegung propagierte, muss heute
zusätzlich den Dienst am Einzelnen erbringen, dessen Interessen
hierzulande im Allgemeinen identisch mit denen des Kollektives gedacht werden.
Wird beispielsweise von den gesundheitsförderlichen Nebenwirkungen einer
weiten Verbreitung sportlicher Betätigung geschwärmt, so ist beinahe
nie ein schönes und damit auch von Krankheit befreites Leben der
bloß Einzelnen gemeint, sondern nahezu immer die Milliarden, die
Deutschland an Kosten im Gesundheitssystem sparen könnte.
Die moderne Industriegesellschaft ist von einem Körperkult erfasst, der
Befreiung oder zumindest Linderung der geistigen Knechtschaft, welche die
Verhältnisse dem Individuum auferlegen, verspricht.
Gesellschaftliche und individuelle Erziehung bestärkt die Menschen
in der objektivierenden Verhaltensweise von Arbeitenden und bewahrt sie davor,
sich wieder aufgehen zu lassen im Auf und Nieder der umgebenden Natur... In der
Verhärtung dagegen ist das Ich geschmiedet worden(1)
Der Körperkult kulminiert in der Begeisterung für sportliche
Großereignisse wie Olympia. Das von Medien, Werbewirtschaft und
Kulturindustrie transportierte Ideal des sportlichen und leistungsfähigen
Körpers ist dabei sichtbarer Ausdruck der ideologischen
Überzeichnung. Die Olympischen Spiele oder auch Weltmeisterschaften sind
geradezu groteske Aufführungen der Ideologie vom verbesserungs- und zu
immer größerer Leistung befähigten Körper.
Die Parallelen zwischen Fitness- und Sportideologie und den Erfordernissen der
Leistungsgesellschaft liegen auf der Hand. Wer nicht bereit ist, sich
körperlich zu quälen, sei dies auch nicht im Job, wird vermutet. Wer
sich heute sportlicher Betätigung verweigert, gerät zunehmend in
Erklärungsnot. Der schlimme Verdacht könnte aufkeimen, man sei nicht
bereit, alles für Arbeit und Vaterland zu tun. Der allgegenwärtige
Druck, mittels eines sportlichen Körpers zu beweisen, nicht zur
anschwellenden Masse der Verlierer des kapitalistischen Systems zu
gehören, trägt zur ausgeprägten gesellschaftlichen Verbreitung
des Individual-sportes bei. Die Diktatur des sportlichen Körpers
drückt direkt die Diktatur des Leistungsprinzips aus, denn nirgends kommt
die bürgerliche Leistungsgesellschaft mehr zu sich selbst als im Sport.
Ebenso wie der Individual- und Massensport somatisieren(2)
sportlich-kulturelle Aufführungen wie Olympia die abstrakte Ordnung der
Gesellschaft, gruppenspezifische Selbst- und Weltbilder, Werte, Ideale und
gesellschaftliche Grundprinzipien des Bestehenden wie Leistungsbereitschaft,
Konfrontation und Konkurrenz. Diese Prinzipien werden im Sport anschaulich
gemacht sowie zugleich generiert und zementiert. Hätte die schrullige Jagd
um Millimeter und Millisekunden nicht gesellschaftsstabilisierende Wirkung, sie
wäre beinahe witzig.
Die Optimierung der Leibesübungen in Zeitbedarf und Effizienz
korrespondiert mit der Optimierung von Arbeitsabläufen und legitimiert
diese bis in den Bereich des Privaten hinein. Die extrem verregelten
Abläufe sportlicher Betätigung spiegeln die Disziplin des
Arbeitsalltages wieder. Die immer schnelleren Innovationszyklen der
kapitalistischen Produktion finden so Eingang in die Reproduktionssphäre
und tragen damit zur vollständigen Durchdringung der Einzelnen durch die
kapitalistische Totalität bei. Freizeit passt sich den Prämissen der
Arbeit an und ist zunehmend von ihren Erfordernissen bestimmt. Sport soll Teil
einer sinnvollen und verantwortungsvollen Lebensgestaltung sein.
Leistungsbereitschaft, Effektivität und Flexibilität werden gleich
mittrainiert. Fabrik und Verein, Arbeit und Sport gehören also zusammen.
Die sportliche Betätigung wird somit zwangsläufig eine Investition in
Wettbewerbsfähigkeit und Marktkonformität auf individueller
und nationaler Ebene. Die Übertragung auf das gesellschaftliche Ganze,
hierzulande gemeinhin als Volkskörper verstanden, der im Sinne
der Standortlogik fit für entsprechende Erfordernisse gemacht werden soll,
eröffnet eine weitere Dimension der Bedeutung des Sportes für den
Staat.
Fit for Identifikation mit der Nation und sozialen Frieden
Trotz der Einbettung des Sportes in ein transnationales soziales System der
Kulturproduktion, welches in gewisser Hinsicht quer zu den Grenzen
nationalstaatlich verfasster Gesellschaften verläuft, steht es diesen
nicht entgegen. Ganz im Gegenteil verstärken internationale
Wettkämpfe das nationale Zusammengehörigkeitsgefühl, da die
Wahrnehmung der anderen Nationen ausschließlich eine als Konkurrent ist.
Das nationalistische Darstellungsprinzip bei der Übertragung von
internationalen Großereignissen, also die Fokussierung auf die Leistungen
der SportlerInnen der eigenen Nation, steigert diese Wahrnehmung
noch. Sport soll die Identität des Einzelnen, der heimatlichen
Region und des eigenen Landes festigen(3). In besonderer Weise
gilt dies für die Heranwachsenden. Bereits 1793 erkannte der erzdeutsche
Guts Muths in seiner Schrift Gymnastik für die Jugend die
Vorteile olympischer Wettbewerbe für die Nationalerziehung: Diese
öffentlichen Spiele ganz vorzüglich waren es, die den Nationalgeist
unterhielten, den Jüngling von der Weichlichkeit zurückzogen, ihm
Mannessinn einflößten, ihn zum Heroen bildeten. Und so konnte
er wenige Jahre nach der französischen Revolution auch feststellen:
Welch ein schönes Mittel, ein ganzes Volk zu leiten und seine Liebe
zu erwerben! Wie wichtig und empfehlungswürdig in den Zeiten des
Revolutionierens!(4)
Zusätzlich etabliert sich der deutsche Nationalcharakter auch fernab von
Großveranstaltungen bereits im Erziehungs- und (Aus)Bildungssystem. Das
Antreten in Reih und Glied zum Beginn der Sportstunde in den Schulen ebnet den
Weg zum Appellplatz der Kasernen, so wie das züchtigende Trillerpfeifen
der SportlehrerInnen bereits die Unterwerfung unter Recht und Ordnung trainiert
und damit das Echo der Polizeisirenen fast schon hörbar wird. Auch das
stupide Rundendrehen auf dem Sportplatz beim Ausdauertraining kann seinen
Ursprung und sein Ziel den Exerzierplatz kaum verleugnen.
Sport bietet über die Identifikation mit den Erfolgen der Nationalteams
eine Kompensation des Verlustes an Selbstachtung, welcher den für die
Warenproduktion überflüssig gewordenen oder zumindest ständig
von dieser Überflüssigwerdung bedrohten Individuen tagtäglich
abgefordert wird. Und so werden die von zumutbaren Arbeitsangeboten
drangsalierten Arbeitslosen sich als Sieger fühlen können, wenn das
Team ihrer Nation Weltmeister oder Olympiasieger wird. In Zeiten sich auch
hierzulande verschärfender sozialer und wirtschaftlicher Bedingungen
dürften diese Formen der Integration und die Ablenkung von
gesellschaftlicher Realität durch Sportereignisse für die
Aufrechterhaltung des sozialen Friedens zunehmend bedeutsamer werden.
Auch der Massensport ist als Medium kollektiver Körpererfahrungen für
die Erhaltung der nationalen Gemeinschaft als bedeutsam zu erachten. Dass in
Deutschland diese Selbst- und Kollektiverfahrung im Massensport vornehmlich in
auf Ausdauer basierenden Sportarten gesucht wird, ist nicht überraschend.
Eiserner Wille anstelle von Talent, zähes Durchhalten anstelle von
Virtuosität, Organisation und Präzision anstelle von
Spontaneität sind Charakteristika, in denen sich eine Mehrheit der
Deutschen wohl wiedererkennen muss.
Diese deutschen Tugenden spiegeln sich auch in den
Leistungsträgern des Sportes hierzulande wider, denn auch die
besten SportlerInnen können sich nicht dem Umstand entziehen, dass sie vor
allem StaatsbürgerInnen sind. Henry Maske und Jan quält euch
ihr Säue Ullrich stehen so zwar auch für traditionelle deutsche
Arbeitstugenden und Askese, fungieren aber in der Hauptsache als nationale
Identifikationssubjekte. Die gezielte Vermarktung und Präsentation von
Sportlern wie Maske als deutschen Helden zeigt dabei deutliche
Kontinuitäten bezüglich der politischen Nutzung des Boxers Max
Schmeling während des deutschen Nationalsozialismus. Dabei werden
SportlerInnen oder Sport im Allgemeinen aber keineswegs politisch
missbraucht. Es gibt keinen ursprünglichen, gar
verteidigenswerten Sport. Wie Sport als politisches Medium heute verwendet
wird, ist im Gegenteil gerade konsequenter Ausdruck des gesellschaftlichen
Falschen und kann von diesem unmöglich abgetrennt werden.
Da Körperlichkeit im sportlichen Geschehen eine bedeutende Rolle spielt,
ist dieser daher besonders offen für rassistische Projektionen. Es ist
allerdings möglich, dass das nationale Interesse den individuellen
Rassismus kurzzeitig zurückdrängt. Solange die üblicherweise von
der nationalen Gemeinschaft, ob im lokalen Sportverein oder an den
Außengrenzen Deutschlands ausgeschlossenen Menschen, dem deutschen
Medaillenspiegel dienen, spielt die halluzinierte Differenz keine Rolle. Trotz
der sportlichen Integration gibt es allerdings Grenzen ein schwarzer
Sportler oder eine asiatische Sportlerin werden in absehbarer Zeit keine
deutschen NationalheldInnen von Stile eines Schuhmacher, Ullrich oder Maske
werden.
Die Produktion von nationalen Vorbildern im Sport, im Unterschied zur weitaus
internationalistischeren Starproduktion der Popkultur, ist also ein politisches
und nationalistisches Projekt zum Transport und der Legitimierung nationaler
d.h. deutscher Identität in Verschmelzung mit der Vermittlung der
Ideologie des Verzichtes in Zeiten sinkender wirtschaftlicher und sozialer
Sicherheit. Die entsprechenden Konfrontations- und Konfliktmodelle der
ApologetInnen des Gürtel enger Schnallens und
Zusammenstehens für Deutschland resultieren im Allgemeinen in
irreversibler Selektion und Ausgrenzung von Schwächeren,
Unterlegenen und Unbrauchbaren. Sport sei die
dramatisch verdichtete und in Regeln übersetzte Parabel vom
Lebenskampf (Fest). Die faschistische Dimension dieses Denkens entfaltet
sich bereits im sportlichen Geschehen, wenn der ideale Körper identisch
mit dem idealen Menschen wird.
Von den Symbolen, der Liturgie und den Ritualen bis zur lückenlosen
Abdeckung durch die Medien, verrät noch jede sportliche
Großveranstaltung heute ihre Herkunft aus dem Berliner Olympiastadion.
Was von dort kam, lässt sich, für den in der Krise besonders heftigen
Wunsch zur Volksgemeinschaft, aufs neue und auch außerhalb eines Stadions
verwenden. (Eike Geisel)
Die Lüge, der Olympia-Fackellauf habe Vorbilder in der Antike gehabt, will
seine faschistische Ästhetik verschleiern. Gerade in der Inszenierung der
Olympiade mit ihrem Licht- und Fackelkult und ihrer Verherrlichung von
Körper und Kampf findet das nationale Kollektiv in Deutschland
als Volksgemeinschaft um so geschlossener zu sich selbst.
Fit for Berliner Republik
Wie Olympia das nationale Kollektiv im Inneren vereint, kann es dieses und die
dazugehörige Nation nach Außen präsentieren. Der Gewinn an
Aufmerksamkeit lässt sich ganz im Sinne der nationalen Standortpolitik in
wirtschaftliche und politische Vorteile umsetzen. In Berlin 1936 wurde, unter
den Augen einer vorgeführten Weltöffentlichkeit, der Sport und im
speziellen Olympia als effektives Medium zur Präsentation der Nation
geboren. Die heutige Präsentation eines weltoffenen, geläuterten und
modernen Deutschlands steht dabei im Einklang mit rot-grüner Politik, der
noch jede Bombe auf Jugoslawien für dieses geschichtspolitische Ziel recht
war.
Sport wurde in Deutschland schon seit jeher als willfähriges Mittel
für die Umsetzung geschichtspolitischer Ziele im Sinne des german
Gedächtnis(5) verwendet. Was 1936 das deutsche
Nazireich präsentierte, 1954 den Schmerz der deutschen Volksseele
über den verlorenen Weltkrieg linderte und Kriegsheimkehrer und
Vertriebene in den Schoß der Täternation zurückbrachte und auch
1990 die verlorenen Söhne und Töchter aus dem Osten in den nationalen
Jubel und damit in die wiedererwachende Nation integrierte, ziehen auch heute
zum Fußballfilm zur Bombenkriegs- und Vertriebenendebatte, Das
Wunder von Bern, Millionen Deutsche in die Kinos.
Die rot/grüne Bundesregierung wiederum ergänzt die alten
volksgemeinschaftlichen Tendenzen durch neue zivilgesellschaftliche Konzepte.
Sozialabbau soll durch Ehrenamt und sportliche Integration abgefedert werden
und die erheblichen Gesundheitsfunktionen(6) des
Sportes sollen für die Neuordnung des deutschen Gesundheitssystems nutzbar
gemacht und die Einsparungen auf das nationale
Konto(7) überwiesen werden. Um diese
zivilgesell-schaftlichen Ansätze dreht sich auch die eingangs
erwähnte Kampagne Sport tut Deutschland gut. Die
Thematisierung der sportlichen Integration von freiwillig oder unfreiwillig
unproduktiven Menschen Alte, Arbeitslose und Obdachlose
also, über deren Zugang zum Gesundheitssystem sonst bereits offen
diskutiert wird, soll diese dann doch wieder in die Gemeinschaft einfügen.
Der antirassistische Duktus der Kampagne spiegelt überdeutlich die
Heuchelei der Zivilgesellschaft wider. Für MigrantInnen, die es trotz
leistungsrassistischer Asylgesetzgebung und Abschottung an den
EU-Außengrenzen hierher geschafft haben, ist ganz in deutschem Tonfall
mitspielen strengstens erlaubt.(8) Sport sei zur
Teilnahme geeignet von 6-88 Jahren(9) was besonders
den älteren Menschen, die nach der Gesundheitsreform und in Zukunft ohne
neues Hüftgelenk auskommen müssen, deutlich schwerer fallen
dürfte.
Letztendlich ist es relativ unwichtig, ob es sich um den
volksgemeinschaftlichen Mikrokosmos des lokalen rechten Sportvereins, die
faschistische Ästhetik der olympischen Spiele oder die
zivilgesellschaftliche Förderung des Ehrenamtes zu Abfederung des
schwindenden Sozialsystems handelt: die Wahrheit Sport tut Deutschland
gut muss in jedem Fall als Drohung verstanden werden.
Hans Koch (Mitglied im BGR Leipzig)
TOP
(1) Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Dialektik der
Aufklärung, Fischer Taschenbuch 1995; dort das Kapitel: Elemente des
Antisemitismus, Grenzen der Aufklärung, Seite 177 ff.
(2) somatisieren: auf den Körper beziehen
(3) Berliner Manifest Sport tut Deutschland gut
(4) Zitiert nach Flamme empor von Stefan Ripplinger in KONKRET
5/93
(5) Siehe die Ausgabe 09 der Zeitschrift Phase2 zu diesem Thema
( www.phase-zwei.org)
(6) Aktiv für die Zukunft in Deutschland, Statement von
Manfred von Richthofen, Präsident des DSB, im Rahmen der Kampagne
Sport tut Deutschland gut
(7) Ebenda.
(8) Titel eines Plakates der Kampagne Sport tut Deutschland
gut
(9) Ebenso.
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