Abriss Olympia oder ... Der Geschichten genug
Die Geburt des Sports aus dem Geiste des Militärs
Zu Anfang eine kleine Anekdote: Genauer gesagt der Ursprungsmythos der OS,
gleichzeitig der wohl bekannteste Hochzeitsagon der Antike. Oinomaos, der
König von Pisa veranstaltete Wettkämpfe mit Pferdewagen um für
seine Tochter Hippodameia einen ihm genehmen Bräutigam zu finden. Dazu
ließ er dem Freier erst listig einen Vorsprung um ihn dann einzuholen und
von hinten mit der Lanze zu durchbohren. Da Oinomaos über die schnelleren
Pferde ein Geschenk seines Vaters Ares, seines Zeichens Kriegsgott -
verfügte, brauchte es erst 13 Leichen bis sich ein noch listigerer Typ,
namens Pelops fand. Der versprach dem Wagenlenker des Königs eine Nacht
mit der schönen Hippodameia, wenn er des Königs Wagen manipuliere, so
dass der König beim Rennen zu Tode stürze und Pelops das Rennen
gewinne. Der Wagenlenker, der nach dem Betrug wohl ausgedient hatte, ward vom
Fels gestoßen und zur Ehre des toten Königs wurden Leichenspiele
veranstaltet, die dann den Ursprung der antiken OS
darstellen.(1)
Da die Geschichte der geneigten Leserschaft dann doch etwas zu sehr nach Sport
auf Leben und Tod, nach Machtpolitik und Verrat klingt, vom Frauenbild ganz zu
schweigen, wurde die Geschichte schon von Pindar in der Antike etwas
geschönt und in der Neuzeit dann zum Mythos vom friedlichen Ursprung
Olympias mit fair play und unpolitischem Sport stilisiert. Soviel
nur zur ewig wiederkehrenden Mär von Humanismus und Friedfertigkeit, die
jede leise Kritik der Olympischen Spiele als Ignoranz gegenüber einer
friedlichen Idee stempeln will. So wird das Märchen vom friedlichen
Wettkampf (zumal dem der Nationen), vom Olympischen Frieden und der olympischen
Völkerverständigung erzählt, mit reichlich verzerrter
Antikenrezeption versehen.
Der Hauptinhalt der Olympischen Spiele ist und war Wettkampf. Dass Wettkampf
nicht Frieden ist, nie war und nie sein kann, dafür sollen hier die
Olympischen Spiele stellvertretend für alle konkurrenz-, leistungs- und
profitorientierten Veranstaltungen, Systeme und Ideologien stehen.
Für alle die mit Mythen, zumal von Göttern, nicht allzu viel anfangen
können, beginnen die harten (!) Fakten der olympischen Spiele 776 v. Chr.,
die Zeit aus der die ersten Aufzeichnungen gefunden worden. Bis dahin hatten
die Eleer (eine griech. Polis) schon den Führungsanspruch über die
Festspielleitung von den Pisaten (s.o.) erobert, so dass die Spiele in Elis
stattfanden.
Dort wurde auch der so genannte Olympische Friede geschlossen, den
die modernen Sportideologen ungeachtet historischer Tatsachen, hervorgezaubert
haben, um uns ihren Drill als Frieden zu verkaufen. Denn was da im
Deutschen häufig anspruchsvoll als Olympischer Frieden oder
Gottesfrieden von Olympia firmiert, wird im Griechischen auch rein
sprachlich schon eine Nummer kleiner ausgedrückt: Die Griechen
sprachen von der Ekecheiria. (
) Im etymologischen Wörterbuch findet
sich dafür die Übersetzung: Zustand in den die Hände
zurückgehalten werden. (
) Das heißt es herrscht eine
Waffenruhe, ein Waffenstillstand. (
) Es blieb den für
Ideologien offenbar anfälligeren Deutschen vorbehalten den
olympischen Waffenstillstand zum Frieden
aufzuwerten.
Was also seit der Wiederbelebung der OS in der Neuzeit als verklärende
Legitimierung missbraucht wird, war nichts anderes als eine pragmatische
Vereinbarung, über freies Weggeleit für die Sportler und Besucher der
Spiele und über eine Zeit in der verfeindete Parteien gefahrlos
ihren Pietätpflichten gegenüber den eigenen Gefallenen nachkommen
konnten: Bergung und Bestattung der Toten sowie in einer späteren Phase
Leichenspiele(2)
Aus der in kriegerischen Auseinandersetzungen überwiegend neutralen
Stellung der Olympischen Spiele geht wohl auch die Mär von der politisch
neutralen Stellung des Sports hervor.
Dies ist nur eine Mutmaßung, doch anders ist dieser absurde Gedanke nicht
erklärbar.
Allein die Zusammenstellung der olympischen Disziplinen, die sich über die
Zeit herausbildete ist aufschlussreich: Die Wettkämpfe setzten sich aus
Laufen, Fünfkampf, Kampfsport und Wagenrennen zusammen.
Unter den Kampfsportarten war es vor allem der Faustkampf der die
Brutalität antiken olympischen Sports offenbart. Geschlagen wurde auf Kopf
und Gesicht, mit der nackten Faust oder mit Schlagriemen, die später z.T.
mit Metallspitzen versehen wurden.
Weiterhin gab es Ringkampf, für den die Athleten durch spezielle
Diäten zu schwergewichtigen Kampfkolossen gemästet wurden, und das
Pankration bei dem schon mal der eine oder andere Kämpfer zu Tode kam.
Unter den Laufdisziplinen ist vor allem der Waffenlauf hervorzuheben, der sich
aus der militärischen Phalanxordnung, der Schlachtaufstellung bei Kriegen,
heraus entwickelte.
Der militärische Charakter dieses Laufs war offensichtlich und
sollte wohl daran erinnern, dass der sportliche Wettstreit auch der
Wehrhaftigkeit des Mannes diente das Ganze war sicher weniger ein Appell
an panhellenische Verteidigungsbereitschaft als wohl vielmehr eine Mahnung an
jede einzelne Polis der Agonistik (griech.: Wettkampfwesen, Anm. d. Verf.) auch
aus militärischem Aspekt den ihr gebührenden Wert
zuzumessen.(3)
Spätestens hier müsste auch dem dümmsten Schäfchen
bürgerlicher Ideologen das Licht aufgehen, dass sportlicher Wettkampf
schon immer mehr war, als lustiges Herumtollen aus Spaß am Spiel.
Die Königsdisziplin, das Wagenrennen der Viergespanne war
für das griechische Volk eine offenbar eindrückliche Demonstration
der ökonomischen Übermacht der Teilnehmer, erst recht natürlich
des Gewinners. Denn nur die Reichsten unter den Griechen konnten es sich
leisten teure Pferde zu züchten und nach Olympia zu schicken. Für den
Gewinner allerdings ein lohnendes Geschäft: Nicht zu Unrecht ist
behauptet worden, dass der Sieger des Wettfahrens mit dem Viergespann geradezu
als der potentielle Anwärter auf die Tyranis in seiner Heimatstadt
erschien. Außerdem half ein Olympiasieg den Adligen sich den
Einfluss beim Volk zu sichern, oft wurden politische Ämter aufgrund
sportlicher Erfolge vergeben und die Heimatpolais des Siegers konnte ihr
Prestige ausbauen. Manipulation der Massen durch bekannte Gesichter und
berühmte Namen ist keine Erfindung der Neuzeit und Sport damals wie heute
nicht frei von Politik.
Außerdem kamen die Gewinner sowieso meist aus politisch und
ökonomisch stärkeren Polais. Die dort herrschende
Atmosphäre des Ehrgeizes und der Prestigesucht erwies sich (
) ganz
offensichtlich als ein die Agonistik förderndes
Element.(4)
An den Olympischen Spielen durfte nur teilnehmen, wer freier Grieche und
männlich war. Barbaren, Frauen(5) und Sklaven waren
ausgeschlossen. Schließlich ging es ja nicht um die Freude am Sport und
der Ästhetik, sondern um jede Menge Geld und Macht. Ohnehin war die
Teilnahme nur denen möglich, die durch das politische System
begünstigt und von der Ausbeutung vor allem der SklavInnen, auf jede Art
von Broterwerb verzichten konnten und so den ganzen Tag mit der Pflege
der Gymnastik und Agonistik verbrachten. Genauer gesagt der reichen
adligen Oberschicht. Überhaupt entsprach der sportliche Wettstreit stark
dem Erziehungsideal der Aristokratie. Die sogenannte Arete beinhaltete vor
allem die Körperertüchtigung zum Zwecke der Wehrerziehung.
Abstoßendstes Beispiel waren dafür die Spartaner. Hier begann der
staatliche Zwang zum Sport, die heutige Form der Zwangswehrhaftmachung, den
Schulsport, weit übertreffend, schon von Kindesbeinen an. Schon die
kleinen Jungen wurden durch Sport auf ihre spätere Rolle als Krieger
gedrillt und halfen so mit Sparta zur führenden Militärmacht in
Griechenland zu machen.
So wurden durch den Sport nicht nur Ideale wie Mannhaftigkeit,
Leistung und Gehorsam in die Köpfe der Griechen gehämmert, sondern
auch Militarismus und der Wille andere Menschen kriegerisch zu unterwerfen.
Letzteres wird vor allem von den Apologeten des völkerverbindenden Olympia
erfolgreich vertuscht. Das Märchen von der Völkerfreundschaft durch
Olympia hat seine Wurzeln ebenfalls in der verklärenden Rezeption der
griechischen Antike. Heute wird das altertümliche Olympia häufig zur
panhellenistischen (das heißt: alle hellenischen Polais verbindenden)
Veranstaltung erklärt, bei der sich die Teilnehmer statt im Krieg eben im
Wettkampf messen konnten. Das ist so nicht haltbar, denn zwar wurden, ob der
Seltenheit der Möglichkeit zum persönlichen Austausch, während
der OS politische Gespräche zwischen den Diplomaten der verschiedenen
Polais geführt, hin und wieder auch Siege beim Wagenrennen an andere
Politiker abgetreten, um so politische Zugeständnisse zu erkaufen, von
einer grundsätzlich einigenden Funktion der Olympischen
Spiele(6) für alle ihre Teilnehmer kann aber nicht die Rede
sein. Denn grundsätzlich kann eine weitere Demonstration der Konkurrenz
zwischen verschiedenen Volksgemeinschaften, wie Wettkämpfe sie nun mal
darstellen, selbst wenn sie mit noch sie viel bunten Wimpeln als friedliches
Gegeneinander verkauft werden, nicht den Kampf zwischen und erst recht nicht
die Segregation in unterschiedliche Gruppen, seien es Stadtstaaten oder
Nationen, mindern oder gar abschaffen.
Im Gegensatz zur neuzeitlichen olympischen Bewegung versuchten die Griechen
jedoch gar nicht erst, ihre Wettkämpfe als Friedensfeste zu verkaufen.
Auch aus der diskriminierenden Staatspolitik, die große Teile der
Bevölkerung von der Olympiade ausschloss wurde kein Hehl gemacht. Sklaven
war sowohl Teilnahme als auch das Zuschauen versagt, es sei denn der Herr der
sie sein eigen nannte, brauchte sie als Gepäckträger. Verheirateten
Frauen war es verboten die heiligen Hallen auf dem Hain von Olympia
zu betreten. Nun ist es nicht gerade schade, sich nicht an militaristischer
Zucht, Verwertung und Ausbeutung des eignen Körpers beteiligen zu
müssen, ein eindeutiges Zeichen patriarchaler Herrschaft über die
Selbstbestimmung der Frau ist es aber schon. Auch konnte sich zumindest anfangs
nur der reiche Adel an den Spielen beteiligen, da es einfachen Bürgern
nicht möglich war die teure Reise und das zeitaufwendige Training zu
finanzieren. Eine ausdrückliche Amateursklausel gab es jedoch nicht.
(Diese ist eine Erfindung der neuzeitlichen Olympiaapologeten um die unteren
sozialen Schichten auszuschließen) Spätestens seit dem 4.
Jahrhundert v. Chr. ist eine starke Beteiligung nichtadliger Sportler
überliefert. Die stärkere Ausnutzung der Sklavenarbeit (
)
hatte zu einer ökonomischen Stärkung der nichtadligen Schichten
geführt. Auch die Kriegstechnik war eine andere geworden: Statt der
adligen Einzelkämpfer hatte sich die geschlossene Phalanx von
Schwerbewaffneten durchgesetzt. Diese militärische Neuerung erforderte
eine stärkere Einbeziehung breiter Schichten in die körperliche
Ausbildung.(7)
Mit dem Aufkommen des Söldnerwesens wurden die Spiele dann
überflüssig und im 4. Jahrhundert n. Chr. vom christlichen Kaiser
Theodosius verboten. Ein langes Kapitel der Kriegstreiberei fand sein
vorläufiges Ende.
Uniform yourself
Die Funktion des Sports als Mittel zur Züchtung wehrhafter,
funktionaler und funktionierender Menschen erkannte
auch der Neubegründer der Olympischen Spiele, der französische Adlige
Pierre de Coubertin. In den nationalistisch gesinnten Kreisen Frankreichs wurde
noch über die Demütigung von 1870/71 gewütet und die diesem
Sumpf entstammende Parole Coubertins: Rebronzer la France
(Frankreich wieder stärken) wurde sein nationalistisches
Lebensmotto. Zu diesem Zweck beschäftigte er sich mit dem, seiner
internationalen Vormachtstellung wegen neidisch beäugten England und
befand das englische Erziehungswesen als Eckstein des britischen
Weltreiches(8). Denn nur aus der Erziehung könne
jenes Maß an Unternehmungsgeist und Tatkraft hervorgehen, das
Großbritannien die Besetzung der weltpolitischen Führungsrolle
ermöglichte.(9)
Den Franzosen bescheinigte er auf diesem Gebiet eher Unfähigkeit, das
existierende Schulwesen sei sowohl für die Niederlage gegen Preußen
als auch für das koloniale Unvermögen seines Vaterlandes
verantwortlich.(10) Das englische System der Public schools,
maßgeblich inspiriert von Coubertins Ikone Thomas Arnold, hingegen wies
verschiedene Merkmale auf, die den im von Coubertin sozialdarwinistisch
interpretierten struggle for life, den Konkurrenzverhältnissen
des modernen Kapitalismus, benötigten Eigenschaften des Arrivismus und des
Sich-Nach-Oben-Kämpfen freisetzen halfen. So leite das englische
Erziehungssystem die Schüler zu so genanntem self government
an.
Den Schülern sollte mehr Verantwortung für ihr eigenes Handeln
zukommen.(11) Das klingt ja zunächst einmal ganz gut, man
möchte fast glauben, Coubertin sei wirklich der Demokrat gewesen, für
den er sich ausgab. Erst nähere Betrachtung offenbart die eigentliche
Überlegung hinter diesem Konzept. Denn Selbstregierung ist nicht etwa
gleichzusetzen mit Selbstbestimmung.
Den mit mehr so genannter Verantwortung (bspw. ein privates Zimmer) ging auch
die persönliche Haftung (oder wiederum am Bsp. des Privatraumes die
bessere Lokalisierbarkeit) der Schüler einher. Die Schüler sollten
also nicht mehr durch äußere Maßnahmen unterdrückt
werden, sondern sie sollten die Fremdzwänge internalisieren, sich selbst
im Sinne des Staates regieren, dazu gebracht werden, als ihr eigener
Polizist zu fungieren(12). Permanente
Selbstüberwachung, Selbstdisziplinierung, Selbstzwang die Regeln des neuen
Systems Kapitalismus zu befolgen. Und das alles zum Wohle der Nation!
Dem Sport kommt dabei eine Transmitterfunktion zu. Denn einem gesunden
Menschenverstand kommt nicht in den Sinn, sich freiwillig zur Ausbeute, bzw.
als Menschenmaterial(13) zur Verfügung zu
stellen. Hier wird der menschliche Drang zur Bewegung dazu ausgenutzt, die dem
kapitalistischen System inhärenten Prinzipien des sich Bekämpfen und
Überbieten als naturgegebene Notwendigkeit zu verkaufen.
Zum zweiten dient der Sport der Unterdrückung sozialer Konflikte. Denn
dem Sport ist eine ungeheure Beschwichtigungskraft
eigen(14) Sport soll an gesellschaftliche Hierarchie
gewöhnen. Dadurch, dass Sportler Rangordnungen sozusagen aus der eigenen
Reihe entstehen lassen (Mannschaftsführer, etc.), wird der Unterschied
zwischen Regierendem und Regierten nicht als zu groß empfunden und durch
die scheinbare Überlegenheit durch höhere Leistung zusätzlich
legitimiert. Deshalb fand Coubertin es klüger im Sinne von Staat,
Gesellschaft und Schule, einen Teil der Autorität dorthin zu verlagern, wo
der Ursprung möglichen Widerstandes liegt. Stärkere Schüler
sollten über schwächere Schüler herrschen. Die Anerkennung
dieser Ungleichheiten bezeichnet Coubertin als die beste Grundlage
für den sozialen Frieden(15) Was Coubertin also
demokratisch nannte, ist nichts weiter als effizientere Vermeidung
emanzipatorischer Konflikte oder schlicht Verarschung.
Diese theoretischen Überlegungen Coubertins reiften in ihm zum Gedanken
die Olympischen Spiele der Antike unter seiner Fuchtel neu zu inszenieren.
1888 gründete er das Komitee zur Verbreitung der Leibesübungen im
Erziehungswesen, dessen Präsidentschaft er dem greisen, aber überaus
populären Jules Simon übertrug und besetze 1890 selbst den Posten des
Vorsitzenden der Union des Sociétés Francaises des Sports
Athlétiques, welche später zum bedeutendsten Dachverband der
Sportvereine Frankreichs wurde.
Coubertin setzte viel taktisches Geschick ein, um die anfangs ablehnende
Haltung der Sportwelt zu brechen. Gegen den Widerstand vor allem der
preußischen Turner und der Protagonisten der skandinavischen
Gymnastik(16) beschloss der Internationale Athletik Kongress
1894 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 in Athen (sehr zum
Ärgernis Coubertins nicht in Frankreich) durchzuführen.
Erst die zweiten Olympischen Spiele fanden dann 1900 im Rahmen der
Weltausstellung in Paris statt. In Athen wurde nur in Geschichte
gekleidete Technik(17) in Paris sollten dann auch
Vorträge und Kongresse folgen um die Erziehung der Jugend zu
Leistung und(Wett-)Kampf fürs Vaterland auch ideologisch zu stützen.
In dieser Zeit formierte sich auch das IOC (Internationales Olympisches
Komitee, bis heute oberstes Organisationsorgan der Olympischen Spiele) als so
genannter self-recruiting body aus 16 durchweg männlichen
Repräsentanten der Oberschicht. Coubertin beschrieb das im Aufsatz Die
Treuhänder der Olympischen Idee so: Wir sind nicht
gewählt worden; wir ergänzen uns aus den eigenen Reihen und unsere
Amtszeit ist unbegrenzt.
Sehr demokratisch also schon immer! Aber nach Coubertin bestünde das
beste Mittel, die Freiheit zu schützen und der Demokratie zu dienen
nicht immer darin, alles dem Wahlentscheid zu
überlassen(18).
Ebenfalls bereits in der Frühphase der OS bildeten sich Nationale
Olympische Komitees (NOKs) die für die Teilnahme der Nationalmannshaften
zuständig sind. Der Idee nach sollten sowohl IOC als auch NOKs
ehrenamtlich, d.h. ohne persönlichen materiellen Vorteil arbeiten.
Weiterhin entstanden Fachverbände für die einzelnen Sportarten zur
Festlegung von Regelwerken, Führung von Rekordlisten, usw. und es wurde
eine Olympische Charta verfasst.
Deutschland spielte dabei von Anfang an eine Sonderrolle. Das
deutsch-französische Verhältnis war geprägt von
nationalistischen Ressentiments und die preußischen Turner sahen den aus
England stammenden Sport im Gegensatz zu ihren nationalistischen Idealen.
Außer dem könne man sich nicht an die Franzosen
heranschmeißen Dafür stünde man zu
hoch(19) Sie beschwerten sie sich zu dem Kongress 1894
nicht eingeladen gewesen zu sein, obwohl das wohl nicht ganz der Wahrheit
entsprach und sie sowieso eine ablehnende Antwort vorausschickten. Vielmehr
riefen sie Bahn frei für das deutsche
Olympia(20) Zudem existierte der Plan statt eines
baulichen Denkmals zur Völkerschlacht in Leipzig wie seitens des deutschen
Patrioten-Bundes angedacht, ein lebendiges Denkmal in Form eines Sportfestes zu
schaffen. Vielleicht hätten die Leipziger dann statt marschierender,
turnende Nazis zu begaffen, welch süffisante Vorstellung!
Der deutsche Chemiker Willibald Gebhardt setzte sich dann ab 1895 für eine
deutsche Beteiligung ein, diese wurde vom Deutschen Bund (?) vorerst mit der
Begründung abgelehnt, dass die unqualifizierte Haltung der Griechen
gegenüber den deutschen Gläubigern ihrem nationalen Selbstgefühl
widersprechen würde, die Franzosen nicht zur Objektivität in der
Beurteilung fähig seien und es in der Kürze der Zeit nicht mehr
möglich sei, eine würdige deutsche Mannschaft aufzustellen, eine
schlechte Vertretung bei den olympischen Spielen aber, dem nationalen Interesse
schweren Schaden bringen würde. Deshalb sei ein eigener Wettkampf zu
veranstalten, der aber bitte nicht Olympia heißen könne, sondern
einen ordentlichen deutschen Namen brauche.(21) Das von Gebhard
geschaffene Komitee zur Beteiligung Deutschland an den Olympischen Spielen
bildete dann doch eine Mannschaft, die nach Athen fahren sollte.
1912 wählte das IOC dann zum ersten Mal Berlin als Austragungsort der
Olympiade.
Eigentlich wollte Deutschland ja schon die Spiele 1912 nach Berlin holen, aber
man entschied sich letztlich dagegen, da die Vorbereitungen für den Bau
eines Stadions, des Grünewaldstadions in Berlin noch nicht sehr fruchtend
waren und wollte dafür 1916 so richtig protzen. Die Revue Olympique
schreibt 1909 über die Deutschen: Kein anderes Volk kann besser als
das deutsche (
) den Olympischen Spielen den Stempel disziplinarischer
Gewohnheiten aufdrücken. Die Deutschen haben den Instinkt, die Neigung
für Ordnung und Disziplin; sie haben deren Wichtigkeit begriffen und
unterwerfen sich denselben gern. Man darf auf sie zählen, dass sie in die
Zukunft der Olympischen Spiele eine strenge und zugleich intelligente Disziplin
einführen werden.(22) Sport ist nicht Spaß und
Spiel und soll es offensichtlich auch nicht sein.
An den Spielen 1912 in Stockholm nahmen die Deutschen Turner trotzdem nicht
teil, weil deutsches Turnen auf schwedischem Boden dann eben doch eine arge
Zumutung fürs nationale Ehrgefühl wäre.
Die Einweihung des Deutschen Stadions, des Überstadions
für die Überdeutschen wurde mit einer Parade von 30.000
gründlich, schematisch, kommissisch marschierenden Turnern und
Sportlern begangen. Bekenntnis zum militärischen Drill und Miniatur
Militarismus lauten Urteile aus der Presse.(23)
MitgliederInnen der SPD war der Zugang zum Stadion verwehrt, es gab eine
Gegenveranstaltung.
Für 1915 war ein nationales Olympia in Berlin geplant, doch der
Kriegsausbruch 1914 verhinderte das.
Schnell stand auch die Frage im Raum, ob denn die Spiele 1916 in Berlin
überhaupt stattfinden sollten. Eindeutig geäußert hat sich dazu
nur die Deutsche Turnerschaft: Wir werden sie einfach in Deutschland
nicht dulden diese Ausländer, geschweige denn ehren als Sporthelden und
Rekordbrecher! Das ist vorüber! Was (
) geschehen an
himmelschreienden Schandtaten gegen harmlose Deutsche (
) das alles kann
selbst der beschränkteste deutsche Michel in der Frist von 2 Jahren weder
vergeben noch vergessen haben. (
) Unsere deutsche Jugend kann in Zukunft
nur an sich selbst erstarken.(24)
1915 äußert sich auch der Deutsche Reichsausschuss für
Olympische Spiele (DRAFOS) dahingehend, dass er ja schon immer die Schaffung
eines nationalen Olympia(25), ohne böse Reichsfeinde, als
seine Hauptaufgabe verstanden hat und die Teilnahme an internationalen
Wettkämpfen eben nur der Förderung der Leibesübungen in
Deutschland dienen sollte. Und das zur Gesundung des deutschen
Volkskörpers und zur Schaffung der rechten Gesinnung. Er wurde in
Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen umbenannt, es wurden in
Zusammenarbeit mit dem Alldeutschen Verband so genannte Deutsche Kampfspiele
geplant und in diesem Zusammenhang wird auch die Einführung eines
Gesetzeszwangs(26) zu Leibesübungen diskutiert.
Jeder Schüler und jede Schülerin sollte eine Stunde täglich
fürs Deutschtum schwitzen. Organisator und Protagonist war des Ganzen war
damals schon Carl Diem.
Die Spiele 1916 fielen dann natürlich aus, statt durchs Stadion zu laufen,
lagen die darauf bestens vorbereiteten Sportler im Schützengraben und
mordeten fürs Vaterland.
Zum Zusammenhang von Sport und Krieg äußerte sich unser
friedliebender Sportfreund Coubertin: Schon vor Ausbruch des allgemeinen
Krieges wussten wir mit Sicherheit, dass die Renaissance des Sports durch
Pflege der Energien des Individuums nationale Kraft geschaffen hatte. Die
Tragödie die sich nun vor unseren Augen abspielt hat das schlagend und
blutig unter Beweis gestellt. Aber der Sport vermag mehr für uns zu
tun
(27) Danke, wir verzichten!
Führer, Volk und Fackellauf
Die OS unter der Naziherrschaft 1936 waren die makaberste aber prägendste
Olympische Veranstaltung der Neuzeit. Heute oft rezipiert als böse
Vereinnahmung und Verfälschung der guten Olympischen Idee, müssen die
Olympischen Spiele 1936 ganz im Gegenteil als reinste Verkörperung der
Coubertinschen Olympischen Ideale betrachtet werden.
So äußerte sich Coubertin denn auch in hellster Begeisterung
über die nazideutschen Spiele: In einer Rundfunkvortragsreihe fürs
Propagandaministerium verkündete er: Das erste und das wesentlichen
Merkmal des alten wie des modernen Olympismus ist: eine Religion zu sein. Durch
Leibesübungen formte der Wettkämpfer der Antike seinen Körper
wie der Bildhauer seine Staue und ehrte dadurch seine Götter.
Der Wettkämpfer der Neuzeit, der gleiches tut, erhöht damit sein
Vaterland, seine Rasse, seine Fahne. (
) Das zweite Merkmal des Olympismus
ist, daß er Adel und Auslese bedeutet, aber wohl verstanden einen Adel
der von Anfang an vollkommene Gleichheit bedeutet, der nur bestimmt wird durch
die körperliche Überlegenheit des einzelnen (
) Aber eine
Auslese zu sein genügt nicht, sie muss mit Ritterlichkeit verbunden sein.
Ritter sind vor allem Waffenbrüder, tapfere energische
Männer.(28)
Die Parallelen zwischen Olympismus und Faschismus treten deutlich hervor.
Antirationale, antiintellektualistische Religiosität,
rassistischer Körperkult, Nazismus, Militarismus und Patriarchat. Es
sollte zu denken geben, wenn heute wieder zigtausende Menschen auf Plätzen
deutscher Städte stehen und geschickter Propaganda gehorchend,
Fähnchen schwenkend, die Olympischen Ideale bejubeln.
Nachdem Deutschland als kriegsschuldige Nation von den OS 1920 in Antwerpen und
1924 in Paris ausgeschlossen wurde, setzten sich Diem und Theodor Lewald bald
wieder stark für eine (nicht nur sportliche) Reintegration Deutschlands
ein. Diem wollte Deutschland einen Platz an der Sonne
wiedererobern(29) So wurden 1925 Lewald und Oskar Ruperti,
damaliger Präsident des deutschen Ruderverbandes, ins IOC aufgenommen und
1928 bei den Spielen in Amsterdam nahm Deutschland wieder Teil.
Schon während des Krieges erfuhr der Sport einen enormen Aufschwung. So
schnitt die deutsche Delegation ziemlich gut ab und beflügelte wieder zu
großen deutschen Plänen:
Als 1930 der 28. Kongress des IOC in Berlin stattfand, nutzte Deutschland die
Gelegenheit sein Interesse an der Austragung der Spiele erneut kundzutun. Es
wurden eine Bewerbung und gleich noch Umbaupläne für das Deutsche
Stadion in Berlin präsentiert und da Spanien, als einzig relevanter
Mitbewerber wegen des anstehenden Bürgerkrieges nicht in Frage kam, fiel
die Entscheidung für die Spiele 1936 tatsächlich auf Berlin.
Erklärtes Ziel der Nazis, die der Ausrichtung der OS zunächst
skeptisch gegenüberstanden, war Propaganda nach außen und innen.
Innenpolitisch sollte die Erfüllung der nationalen Aufgabe
Olympia die Volksgemeinschaft enger zusammenschweißen, es wurde ein
Olympia-Proaganda Ministerium gegründet.
Das Ausland sollte durch die Aufrechterhaltung sportlicher Beziehungen beruhigt
werden,(30) kurz: die kriegerischen, imperialistischen und
antisemitischen Absichten der Nazis sollten verschleiert werden.
Das IOC beschloss, auf die Einhaltung der Olympischen Charta zu bestehen, und
die Möglichkeit der Teilnahme jüdischer SportlerInnen zu fordern. Aus
Berlin wurde dann sogar erklärt, dass jüdische SportlerInnen nicht
aus deutschen Mannschaften ausgeschlossen würden. Der
US-Sportfunktionär und spätere IOC Präsident Avery Brundage fand
bei seiner Deutschlandreise nichts Anrüchiges an der deutschen Politik
(Wen wundert's, wenn er selbst keine Juden in seinen Sportvereinen
duldete!(31)) und verhinderte den geplanten Boykot. In
Frankreich gab es ebenfalls eine Boykotbewegung, diese blieb allerdings ohne
großen Einfluss. Einzig die kommunistische Bewegung organisierte Protest
auf breiter Basis. Wie schon 1925 und 1931 in Frankfurt und Wien war für
1936 wurde eine Arbeiterolympiade in Barcelona geplant, zu der mehrere Tausend
Menschen anreisten. Wegen des faschistischen Überfalls auf Spanien musste
sie ausfallen, viele SportlerInnen blieben jedoch dort und traten den
internationalen Brigaden zur Verteidigung gegen Franco bei. Nicht nur deshalb
blieb der Widerstand in Deutschland gegen die Olympischen Spiele
äußerst begrenzt. Tatsächlich nahmen sogar zwei
halbjüdische Sportler für die deutsche Mannschaft teil, die den NS
natürlich gelegen kamen, ihre antisemitischen Vernichtungspläne zu
verschleiern. Auch dem Kommunist Werner Seelenbinder wurde die Teilnahme
gestattet. 1944 wurde er im Zuchthaus ermordet und die beiden jüdischen
Ehrengäste Alfred und Felix Gustav Flatow(32) fanden in KZs
den Tod.
Für die Durchführung wurde das gigantische Berliner Olympiastadion
errichtet. Letztlich doch nach den Plänen von Albert Speer, Hitlers
Lieblingsarchitekten, erbaut(33), zeugt seine monumentale
Architektur bis heute von deutschem Weltmachtstreben. ( Um jetzt Leipzigs
weiter, schneller und vor allem höher zu planen wurde die
Machbarkeitsstudie von dem Frankfurter Planungsbüro Albert Speer &
Partner erstellt. Wie sein Vater spart der Speerjunior in dieser Studie mit
Städtebaulichen Visionen nicht).
Durch Einsatz modernster Techniken, marschierender Menschenmassen und
akribischster Organisation gelang es Deutschland die bis dahin gigantischsten
OS zu inszenieren.
Viele von den Nazis erfundene Rituale (wie bspw. den Fackellauf) praktiziert
die olympische Bewegung bis heute.
Der heiß-kalte olympische Krieg
Man lernte nicht aus der Geschichte, die Olympischen Spiele waren auch nach dem
Zweiten Weltkrieg gelegenes Propagandainstrument, Ansporn zur
Wehrertüchtigung und für willkommene Gelegenheit sich auf Kosten der
Menschen in den austragenden Städten zu bereichern.
Der Widerstand gegen die OS hat ebenfalls Geschichte. Dabei kommen politische
Demonstrationen den imageversessenen Veranstaltern meist nicht gelegen.
1968 ermordete die mexikanische Polizei über einhundert Demonstranten mit
Handgranaten und durch Maschinengewehreinsatz. Diese demonstrierten zehn Tage
vor den OS friedlich gegen die Spiele. Die Stadt war
gesäubert.
Die olympischen Spiele waren jahrelang augenfälliges Symbol der
Systemkonkurrenz, Mittel die Überlegenheit der eigenen
Diktatur zu demonstrieren und die Menschen ruhig zu stellen. So kam es den
zwischen 1956 und 1984 zu spektakulären Boykotaktionen.
1956 nahmen wegen der brutalen Niederschlagung des Ungarnaufstandes und der
Suezkrise, Spanien die Niederlande, die Schweiz, Ägypten und Irak nicht
teil.
1956-64 war Deutschland wieder mit einer gesamtdeutschen Mannschaft vertreten.
Ein Beitrag zum Weltfrieden war das freilich nicht.
Seit 1968 startete die DDR mit einer eigenen Mannschaft.
1972 in München kam es dann zu einem Massaker bei Olympia. 8 fanatische
Palästinenser überfielen das Quartier der israelischen Mannschaft und
richteten ein grausiges Blutbad an.
Die DDR kommentierte damals so: Israelische Mannschaft arabische
Freischärler Schüsse im Dorf auch das ist Teil dieser
Olympischen Spiele von München, der nicht vergessen werden kann. Und um es
klarer zu sagen: Auch das ist Teil imperialistischer Umtriebe bei diesen
Spielen von München. Weil Israel die Menschenrechte missachtet, weil
Israel die Charta und die Beschlüsse der Vereinten Nationen mit
Füßen tritt, war und ist Krieg in Nahost. Weil Israel arabische
Gebiete besetzt hält, weil Israel arabische Völker unterdrückt,
weil Israel arabische Menschen bedroht und arabische Dörfer mit Bomben und
Terror belegt, ist Krieg in und um Nahost. Und weil westdeutsche Imperialisten
und amerikanische den Israelis zur Hand gehen, gibt es Terror und Mord in und
wegen Nahost. Dort also liegen die wahren Ursachen für die Vorkommnisse um
die israelische Mannschaft (
) die arabischen Staaten (
) haben das
Recht, alle notwendigen Mittel für die Abwehr der Aggression zu
benutzen.(34)
Antisemitismus hat eine lange Tradition in Deutschland, an den Olympischen
Spielen und den Reaktionen darauf wurde das bereits zweimal auf grausame Art
deutlich. Die Olympischen Spiele noch einmal in Deutschland austragen,
heißt, bewusst das Risiko eingehen, dass jüdische Sportler dabei
wieder Opfer antisemitischer Anschläge werden. Stärkere Kontrollen
und Überwachung helfen nicht, wo Antisemitismus auch in den
Führungsetagen von Politik und Justiz wieder gesellschaftsfähig ist,
bzw. von dort ausgeht und Unterstützung erfährt.
1980 boykottierten die BRD und die USA dann die SU, wegen Moskaus repressiver
Politik und dem Afghanistan-Konflikt. 1984 boykottierte der Ostblock die Spiele
in L.A. wegen dem Nato-Doppelbeschluss und der Grenada-Invasion. 1988 gab es
monatelange Diskussionen um die Spiele in Seoul.
Doch Boykott war nur eine Seite der politischen Ausschlachtung der OS.
Verhängnisvoller zumindest für die Betroffenen war der Versuch der
beiden Blöcke sich gegenseitig sportlich zu überbieten. Zur
Verhinderung eines möglichen Krieges hat das zwar sicher nichts
beigetragen, so wichtig war Olympia dann doch wieder nicht, aber Sport wurde
wieder einmal zum menschenverachtenden Propagandainstrument.
In der BRD war die Verbindung von Sport und Politik nach dem Krieg
zunächst verpönt. Man gab vor doch aus der Nazi-Zeit gelernt zu
haben, tat als verkenne man die dem Sport innewohnende gesellschaftliche
Funktion.
Als die DDR die BRD sportlich überholte hatte man endlich einen Grund
stärker staatliche Sportförderung zu betreiben. Der Sport avancierte
wieder mal zum Symbol für die Stärke eines Systems. Dass
die ihm inhärenten Prinzipien, Leistung, Disziplin, Perfektion und Kampf
die erwünschten Rückwirkungen auf den Menschen tätigten war da
natürlich nur von Vorteil!
Leistungssportler (ebenso wie Showstars und stilisierte Superintellektuelle)
bekommen mittels künstlicher Überhöhung durch Medien und Politik
eine gewisse Vorbildfunktion zugeschoben. Sie machen vor, was mit
Leistungswillen, harter Arbeit, Ausbeutung des eignen Körpers, asketischem
Verzicht und dem entsprechenden Kampfgeist zu schaffen ist. Sich an ihnen
orientieren, heißt dieses Denken bewusst oder unbewusst übernehmen
und seine geistige wie körperliche Produktivität dem
System zur Ausbeute überlassen.
Der Leistungssportler selber letztlich ist Ware für Sportvereine oder
Nationalmannschaften und wird dadurch nicht nur vom Produkt seiner
Arbeit entfremdet, sondern gleichfalls vom eigenen Körper.
Durch die Freude an der eignen Leistung mit der das Sporttreiben
positiv aufgewertet werden soll, machen die Mechanismen der Arbeitswelt auch
vor unserer Freizeit nicht halt.
Sport ist daher nicht nur Stabilisierung sondern aktive Unterstützung von
Kapitalismus und Staat. Zugegeben wurde das in der BRD natürlich nicht.
Die DDR hingegen verstand Sport explizit als Mittel zur Formung eines
neuen Menschen. Dem Sport kommt dabei die Aufgabe zu Wert und Sinn
des Sozialismus in der gesellschaftlichen Realität stärker
auszuprägen(35)
Man ging den zweiten Weg zur Anerkennung, denn die enormen Erfolge
der SportlerInnen aus dem Ostblock brachten ihnen weltweite Bewunderung ein.
Walter Ulbricht sprach von Diplomaten im Trainingsanzug. Dass diese
Diplomaten die entsprechende realsozialistische
Gesinnung mitzubringen hatten, verstand sich von selbst. Wer nicht konform
ging, flog raus oder kam gar nicht erst hinein ins Sportsystem der DDR. Aber
das war wahrlich kein Verlust. Nachdem 1969 der Schwimmer Axel Mitbauer als
erster DDR Sportler die Flucht über die Ostsee ergriffen hatte, war klar
dass das Sicherheitsrisiko Leistungssportler zu erheblichen
Kratzern in der sportlichen Fassade führen konnte.
Die Athleten wurden deshalb akribischst überwacht, sämtlicher
Briefverkehr eingesehen, Telefonate abgehört, usw.(36)
Um als Diplomaten für die DDR erfolgreich zu fungieren,
mussten die Athleten freilich auch Bestleistungen vollbringen.
Dementsprechend wurde Leistungssport massiv gefördert, Schätzungen
zufolge, jährlich mit mehreren Milliarden Mark.(37) Es
entstand ein ausgeklügeltes System in dem alle (!) Kinder im
entsprechenden Alter Rahmen medizinischer Untersuchungen vermessen wurden.
Diese Daten wurden nach bestimmten Kriterien ausgewertet und wessen Maße
den Anforderungen einer Sportart entsprachen, über den wurden gleich noch
Akten über kognitive Fähigkeiten, Einstellungen zum Sportunterricht,
Art der Betätigung in Pionierorganisationen, usw. sowie Einstellungen der
Eltern und etwaige Verwandtschaftsbeziehungen ins kapitalistische Ausland
angelegt. (Selbstredend auch ohne das die Betroffenen irgendein Interesse an
leistungssportlicher Betätigung zeigten) Hatte man das Pech
körperlich entsprechend gebaut zu sein und nicht über eine Oma in
München zu verfügen wurde man den staatlichen Kaderschmieden
zugeführt. Es gab bestimmte Förderstufen, Sportschulen in denen man
faktisch nicht über Freizeit verfügte, gigantische Trainingspensa,
usw.(38) Und für die die ganz vorn mit dabei waren gab's
kleine Pillen und Spritzen. Gedopt wurde vor allem mit androgenen Stereoiden,
kraftfördernden männlichen Sexualhormonen. Diese Stoffe, die nicht
selten gegen den Willen oder ohne Kenntnis der SportlerInnen verabreicht
wurden, führten zu irreversiblen gesundheitlichen Schäden: Bei Frauen
vor allem zu Verillisierung (Vermännlichung)(39) bei
Männern zu Leberschäden und Verweiblichung nach dem Absetzen der
Präparate. Für diese scheußlichen Verbrechen(40)
an jungen SportlerInnen wurde das Ostblock-System zu jeder Olympiade mit
haufenweise klimperndem Metall belohnt.(41) In den längst
nicht mehr inoffiziellen Nationenwertungen bei den Olympischen
Spielen nahm die DDR trotz der geringen Bevölkerungszahl vorderste
Ränge ein.
So wurde auch im Kalten Krieg mit Menschenmaterial gekämpft,
Olympia war Schlachtfeld für ehrgeizige Diktaturen.
In vorderster Front kämpfte dabei Leipzig. Die Deutsche Hochschule
für Körperkultur (DHfK) und das dazugehörige Forschungszentrum
für Körperkultur und Sport (FKS) bildeten zusammen die Rote
Kaderschmiede Hier wurden leistungssportspezifisch neue
Trainingsmethoden und neue Medikamente
ausschließlich für medaillen-relevante Sportarten ersonnen. Das
alles natürlich streng vertraulich. Am Ende unterlag die Forschung
am FKS den gleichen Geheimhaltungsvorschriften wie allenfalls noch
militärisch nutzbare Technologien(42) Kein Wunder,
denn hier wurde festgelegt, wer wie viel unterstützende
Mittel(43) erhält und wie man deren Anwendung immer
weiter ausbauen kann. Wer sich auf Leipziger Sporttraditionen beruft, beruft
sich auf ekelhafteste Funktionalisierung des menschlichen Körpers für
die Machenschaften eines diktatorischen Regimes.
Olympia eine unendliche Geschichte?
Heute geht es im Sport nicht mehr um die Auseinandersetzung zwischen 2
Blöcken. Zwar werden auch heute noch ein großer Teil der
Medaillen von Sportlern aus so genannten westlichen Demokratien gewonnen, weil
nur hier die finanziellen Möglichkeiten zur ständigen
Weiterentwicklung von Sportgeräten bestehen und es sich arme Menschen (wie
schon im alten Griechenland) nun mal nicht leisten können, wegen eines in
weiter Ferne winkenden olympischen Goldstückchen für den Sport ihren
Beruf aufzugeben, das jedoch wird hier bei uns fein säuberlich
verschwiegen. Schließlich will man den eigenen Erfolg nicht
schmälern.
Die Fronten liegen heute wieder zwischen Nationen. Wir haben
wieder Helden titelt die Bild, Wir sind wieder wer
brüllt der Volksmob nach der Sportschau. Die nationalen Sportstars werden
von den Medien der Wirtschaft stilisiert, schließlich ist eine geeinte
Sportsnation eher bereit für nationale Standortvorteile den
Gürtel enger zu schnallen und nebenbei lässt sich mit
Sponsoring auch ganz gut Werbung machen. Bei der nächsten
Olympiade werden wir wieder unsere Stars bejubeln können, uns
abschauen, wie heut Erfolg gemacht wird, wie schlank und schön man sein
kann und natürlich was man trägt, wenn man dazugehören will.
So sind die Mechanismen der Sportpolitik subtiler geworden. Der Aspekt der,
Wehrertüchtigung wird weit seltener erwähnt, auch dass Sport der
Reproduktion der Arbeitskraft dient, nennen die Wirtschaftsunternehmen ungern
als Grund für ihr soziales Engagement in der
Sportförderung. Gewaltprävention und Integration heißen die
neuen Schlagwörter. Wer's glaubt wird selig oder sportlich und sitzt der
Verdummung auf, die sich seit fast 3000 Jahren kaum geändert hat.
Gegen silberne Olympias und goldene Versprechen!
Pjotr König, gestrauchelte HürdenläuferIn.
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(1) Weeber, Karl-Wilhelm, Die Unheiligen Spiele, München 1991, S. 90f.
(2) ebd. S. 141ff.
(3) Ebert, Joachim und Autorenkollektiv: Olympia, Von den Anfängen bis zu
Coubertin, Leipzig, 1980, S. 53.
(4) ebd. S.85
(5) verheirateten Frauen war die Anwesenheit bei den Spielen unter drakonischen
Strafen verboten. Bei Wagenrennen jedoch wurde nicht der Lenker des Wagens zum
Gewinner ernannt sondern der Besitzer der Pferde. Das konnte durchaus auch eine
Frau sein.
(6) Selbst das wäre nur dann ein Beitrag zu mehr Frieden gewesen, wenn man
die Hellenen als abgeschlossenes System ohne Wechselwirkung mit
Außenstehenden konstruiert. Das heißt in einer Übertragung auf
heute würden den einzelnen Stadtstaaten Nationalstaaten entsprechen, so
dass Panhellenismus dem Gedanken des Internationalismus entsprochen hätte.
Da es neben den Griechen aber natürlich die so genannten Barbaren
(abwertender Ausdruck für Menschen aus einer anderen Kulturgemeinschaft)
gab, kann Panhellenismus in der Übertragung auf die Gegenwart ebenso mit
Nationalismus verglichen werden, insofern er die Hellenen als
Kulturnation in rassistischer Abgrenzung zu anderen Völkern
konstatiert hätte.
(7) Weeber, a.a.O., S. 74.
(8) Coubertin, Pierre de, 21 Jahre, S. 30, zitiert nach Schönknecht, Hans
Joachim, Baron Pierre de Coubertin, der Schöpfer der modernen Olympischen
Bewegung, in Lennartz, Karl und Mitarbeiter, Die Olympischen Spiele 1896 in
Athen, Erläuterungen zum Neudruck des Offiziellen Berichtes, Kassel, 1996,
S. 31.
(9) Schönknecht, ebd.
(10) Alkemeyer, Thomas, Vom Wettstreit der Nationen zum Kampf der Völker,
Aneignung und Umdeutung der Olympischen Idee im deutschen
Faschismus, Berlin, 1994, S. 71.
(11) Das ist nicht als Ausweitung etwa der frei verfügbaren Zeit der
Einzelnen zu verstehen. Zu Bestrebungen die Freizeit aus medizinischen
Gründen zu erhöhen, äußerte Coubertin: Niemals!
Freizeit und Ferienzeit werden in beklagenswert schlechter Weise ausgenutzt;
von Sport keine Spur. Lasst uns zunächst eine sinnvolle Ausnutzung planen
dann können wir sie auch verlängern. (vgl. Der Olympische
Gedanke, S. 133).
(12) Alkemeyer, a.a.O., S. 83f.
(13) zu Coubertins Verbindung zwischen Krieg und Sport siehe unten.
(14) Coubertin, Pierre de, Der Olympische Gedanke, Reden und Aufsätze,
Stuttgart 1966, S.99.
(15) ebd. S.56.
(16) kritisiert wurde vor allem Kampf- und Hochleistungsprinzip, Coubertin
erwiederte: Bereits für die militärische Macht der alten Römer
sei es ursächlich gewesen, dass Sport dort nicht wissenschaftlich
gezügelt betrieben wurde
(17) Coubertin, Pierre de, Olympische Erinnerungen, Frankfurt 1959, S. 51,
zitiert nach Schönknecht, a.a.O., S. 33
(18) Coubertin, Der Olympische Gedanke, Reden und Aufsätze, Stuttgart, 1966,
S.20.
(19) Eckler, Gebhard, Deutsche Turnzeitung, vom 16.05.1895 zitiert nach Lennartz,
Karl, Die Olympischen Spiele 1896 in Athen, Neudruck zum offiziellen Bericht,
S. 95f.
(20) Schmidt, Ferdinand August, Deutsche Turnzeitung vom 14.11.1985 zitiert nach
Lennartz, ebd.
(21) Sitzungsprotokoll des Bundes am 18.11.1895, zitiert nach Lennartz, ebd.
(22) Revue Olympique, 1909, S. 102-105, zitiert nach Lennartz, Karl, Die VI.
Olympischen Spiele Berlin 1916, Köln, 1978, S.9.
(23) Pressestimmen zur Einweihung des Deutschen Stadions im Berliner Grunewald,
Daily mail, Vorwärts, Frankfurter Zeitung, zitiert nach Lennartz, 1978, S.
44ff.
(24) Schmidt, Ferdinand August, Körper und Geist 23, 1914/15 S. 147 zitiert
nach Lennartz, 1978, S.183.
(25) erstmalig durchgeführt 1922
(26) Diem, Carl, Vortrag vom 25.1.1917, Stadion-Kalender 3.4.5. 1917-1919, S.
31-32. zitiert nach Lennartz, 1978, S.195
(27) Coubertin, Pierre de, 25.2.1918, Der Olympische Gedanke, Reden und
Aufsätze, Stuttgart 1966, S.52.
(28) Coubertin, Pierre de, Die Philosophischen Grundlagen des modernen
Olympismus, 1935, Der Olympische Gedanke, Reden und Aufsätze, Stuttgart
1966, S.150.
(29) Diem, Carl, 1925, zitiert nach Alkemeyer, a.a.O. S.235.
(30) auch bei einer Olympia-Werbekampagne für die Stadt Leipzig, ist u.a.
Keine Angst vor Deutschland GmbH Initiator
(31) Volxsport statt Olympia, Berlin, 1992, S. 21.
(32) Beide Olympiasieger der ersten neuzeitlichen Olympiade in Athen 1896.
(33) Der Bau den Werner March entworfen hatte fand Hitler zu modern, deshalb
musste kurzfristig umgebaut werden.
(34) Heil, Alfred, Spiele der XX. Olympiade München 1972, Hg. Gesellschaft
zur Förderung des olympischen Gedankens in der Deutschen Demokratischen
Republik, Berlin 1974, S.19.
(35) Sieger, W. Die sozialistische Körperkultur als historisch neue
Qualität, in Körperkultur und Sport in der entwickelten
sozialistischen Gesellschaft der DDR, Leipzig, 1978, S.7ff, zitiert nach
Schneider, Heike, Olympische Spiele Spielball im Kräftefeld von
Sport, Politik und Publizistik, S. 110.
(36) Siehe auch: Spitzer, Giselher, Gläserne Sportler,
Nachwuchsleistungssport als Sicherheitsrisiko, in: Hartmann, Grit, Goldkinder,
Die DDR im Spiegel ihres Spitzensports, Leipzig, 1997, S. 127ff.
(37) Vgl. Schneider, Heike, Olympische Spiele Spielball im Kräftefeld
von Sport, Politik und Publizistik, S. 111.
(38) Siehe auch Hartmann, Grit, Wie das Gold geschmiedet wurde, Goldkinder, Die
DDR im Spiegel ihres Spitzensports, Leipzig, 1997, S. 109ff.
(39) damit zu pharmakologisch erzeugten Intersexe, d.h. Frauen mit
männlichen Geschlechtsmerkmalen
(40) hier soll nicht verschwiegen werden, dass viele Sportler die Präparate
auch einnehmen wollten, sogar ein regelrechter Schwarzmarkt dafür
entstand
(41) das soll ebenfalls nicht heißen, dass andere Länder nicht
gedopt hätten, nur kann der Ostblock dabei getrost als führend
betrachtet werden
(42) Hartmann, Grit, Trainerschule DHfK und Forschung am FKS, in: Goldkinder, Die
DDR im Spiegel ihres Spitzensports, Leipzig, 1997, S. 133.
(43) Interne Bezeichnung für Doping v.a. mit androgenen Stereoiden
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