Tatort Stadion | Leipzig | 17.03.2003_30.03.2003 |
In Leutzsch und Probstheida ist (Selbst-)Kritik unerwünscht
Trotz des allgemeinen Aufschreis der Empörung nach den nationalistischen und faschistischen Auswüchsen rund um das Leipziger Ortsderby im vergangenen Herbst, scheinen sich die Wogen langsam geglättet zu haben und die beiden Vereine wieder zur Tagesordnung überzugehen. Zwar wurde man nicht müde dabei, mit "Fanaktionen" und natürlich auch mit Statements aus der Führungsriege gegen Rassismus, Diskriminierung und Faschismus im Stadion Stellung zu beziehen, zu einem offensiven Umgang oder gar einer kritischen Selbstreflexion der Vereine hat das jedoch kaum geführt. Man schwimmt weiterhin im gleichen "Sud" und versucht wie in den vergangenen Jahren im Stile der Leipziger Volkszeitung und der Stadtväter alles zu deckeln, was dem Verein (und damit auch der "Sportstadt Leipzig") schaden könnte. Der provinzielle "Leipzig-Klüngel" lebt auch dreizehn Jahre nach der Wende weiter...
Keine Unterstützung!
Wir schreiben den 6. März 2003. Soeben hat der FC Sachsen Leipzig die Unterstützung der Ausstellung "Tatort Stadion" abgelehnt. Elke Weiße, die "Dementi- und Erklärungsikone" beim FC Sachsen, die es auf unnachahmliche Art geschafft hat, nahezu alle Höhen und Tiefen des Vereins zum eigenen Aufstieg zu nutzen, sitzt in der Geschäftsstelle und windet sich zwischen verschiedenen Erklärungsmodellen hin und her. Nachdem der DFB-Boykott mittlerweile nicht mehr als Vorwand herhalten kann, wird eine plausible Antwort ziemlich schwierig zu finden sein. Kein Problem für "Super-Elke": Sie hatte ja bereits vor Jahren den Verkauf des "linksradikalen" Fußball-Organs "Melk die fette Katze" im Alfred-Kunze-Sportpark gestoppt und auch diesmal die passenden Argumente parat. Laut FCS ist der offizielle Auslöser bzw. Aufhänger für die unterbleibende Unterstützung die Projektbeschreibung der Ausstellung und die später erläuterte Motivation der Leipziger AusstellungsmacherInnen, in der eine fundamentale Kritik an der Führungsriege des Vereins vermutet wird. Im Wortlaut heißt es darin:
"[..] Das jüngste Derby machte die fehlende Aufarbeitung rassistischer Verhaltensweisen am Spielfeldrand und die unzureichenden Konsequenzen der Vereine in den vergangenen Jahren bezüglich rassistischer und sexistischer alltäglicher Verhaltensstrukturen noch einmal deutlich. In den vergangenen Jahren gab es seitens der Vereinsführung nur zaghafte bis keine Stellungnahmen zu solchen Übergriffen der Fans beider Lager. Im Gegenteil wurden durch einige öffentliche Äußerungen von Funktionärsseite die Fans in ihrem Verhalten teilweise eher noch bestärkt, worauf es in Fangruppierungen zu öffentlichen Protesten kam. Die Vorwürfe wurden seitens des Vereins dementiert.[..]"
Eigentlich nichts als Wahrheiten, belegbar an zahllosen Beispielen, doch für den FC Sachsen ein deutliches Zeichen der versuchten Denunziation des doch so redlich arbeitenden Vorstandes und vor allem der Gleichstellung mit dem VfB. "Wir wollen nicht mit dem VfB in einen Topf geworfen werden", heißt es immer wieder und dies scheint auch zum allgemeinen Credo der Handlungen nach dem Derby geworden zu sein. Zwar möchte ich besonders Herrn Rocca ein ehrliches Interesse an einem Umgang mit der Problematik nicht absprechen, aber der eingeschlagene Weg kann und wird nicht zu einer "Lösung" beitragen. Wirkliche Auseinandersetzungen und offene Diskussionen waren und sind weiterhin unerwünscht und der FCS versucht vielmehr, die Vergangenheit und die internen Strömungen zu verschleiern (siehe z.B. Leutzscher Kameraden - PE #15). Hauptsache der VfB behält den schwarzen Peter, also: FC Sachsen gut - VfB böse. Bemerkenswert dabei ist, dass sich eines nicht geändert hat: Der FCS will jegliche "unkontrollierte" Meinungsäußerung unterbinden und geht in keiner Weise mit Kritik um: "Es ist doch logisch, daß wir die Ausstellung nicht unterstützen, wenn ihr uns kritisiert, [..] wenn wir das unterstützen würden, dann würden wir dem ja zustimmen [..]; "wir brauchen dafür keine Faninitiativen oder Ausstellungen, denn wir machen ja selbst etwas gegen Rassismus".
Beim VfB gestaltet sich der Rückzug von der UnterstützerInnenliste etwas anders: Hatte man im Rahmen der ersten Derbynachwehen die Ausstellung fast als "Geschenk" betrachtet um das angeschlagene Image aufzupolieren, so wurde nach der Entscheidung des FCS schnellstens eingelenkt. Weder Durchsagen durch den Stadionsprecher, noch eine wie auch immer geartete Hilfe stehen nun zur Debatte und es scheint fast, als hätte man plötzlich "Muffensausen" bekommen. Warum eine Beteiligung plötzlich als Schuldeingeständnis gewertet wird, bleibt dabei - wie so viele andere Dinge - völlig unklar. So gleicht die Erläuterung der Ablehnung durch den Fanbeauftragten Fraunholz eher einem Stammtischgespräch oder den Auseinandersetzungen im Forum des VfB Leipzig, als dem Statement eines professionell arbeitenden Vereins. "Die Ausstellung ist zu stark links orientiert, nicht objektiv [was ja auch die Unterstützung durch die PDS zeigt], also absolut einseitig!" Man müsse ebenso die Gewalt betrachten, die von links kommt, "die Linken, die vom Bahnhof bis Connewitz ziehen!" An dieser Stelle bleibt mir eigentlich nur, mit Kraftausdrücken um mich zu werfen, denn so viel Unfähigkeit und Dummheit ist mir wirklich selten begegnet! Lieber Herr Fraunholz, der Titel der Ausstellung lautet "Rassismus und Diskriminierung im Fussball". Denken sie einfach mal kurz darüber nach und überlegen sich genau ihre Argumentation. Noch Fragen?
Ich denke der nächste Abschnitt wird ihnen vielleicht etwas weiterhelfen.
Gedächtnisstütze...
Im nachfolgenden Teil will ich kurz und prägnant aufzeigen, dass es zum einen seit Jahren rassistische, sexistische und diskriminierende Auswüchse in den Leipziger Stadien gibt und zum anderen, dass sich der Umgang damit auch nach dem Derby kaum verändert hat. Ich erhebe dabei keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit bzw. klare Chronologie, sondern versuche anhand eines Sammelsuriums von Beispielen (der vergangenen sechs Jahre), das Erinnerungsvermögen der beiden Vereine zu aktivieren. Zentrales Moment sollen demnach die Ereignisse und die darauf folgenden Reaktionen der "schon immer engagierten" Vereinsangestellten und nicht deren Entstehungsgeschichte sein (zur Vorgeschichte: "Leipzig und sein Roter Stern", Ausstellungsbroschüre). Ausgehend davon wird in den kommenden Monaten eine intensive Auseinandersetzung und Recherche zur Problematik stattfinden, die in einer Serie publiziert werden soll. Dies ist also nur ein kleiner Vorgeschmack.....
FC Sachsen Leipzig
Obwohl schon seit Jahren beim FC Sachsen Leipzig eine latente diskriminierende Grundhaltung zu erkennen war, betrachtete man diese Mitte der 90er - im Vergleich zu den (rechten) Gewaltexzessen der Wendezeit - eher als Kinderkram und tat sie mehr oder weniger als "Tradition" oder "Provokation" ab. Somit behielten die bekannten Gesänge der "Chemiker" wie "Nur ein Leutzscher ist ein Deutscher"; "Wenn das der Führer wüsst`, was Chemie Leipzig ist, dann wär`er nur in Leutzsch, denn Leutzsch ist Deutsch" oder auch das beliebte "Juden-Berlin" ihre Legitimität und niemand störte sich daran. Das nebenbei auch etliche Faschos das Alfred-Kunze-Stadion frequentierten und sich durch Fahnen, Aufnäher etc. deutlich zu erkennen gaben, zeigte, dass es überhaupt keinen Umgang mit der Problematik gab - das wichtigste Kriterium war, das "wir alle Chemiker sind". Schon in dieser Zeit sah sich der Verein einzig durch öffentlichen Druck (Presse, Fernsehen) bemüßigt Stellung zu beziehen, wobei jegliche Form von Gewalt natürlich sofort entschärft und "entpolitisiert" wurde. Durch die Verwendung der Vokabeln "Chaoten", "Störenfriede", "Hooligans" etc. umschiffte man diskriminierende Tendenzen und das Thema war damit vom Tisch.
Erst durch das Engagement der Macher des Fanzines "Melk die fette Katze" formierte sich gegen 1997 beim FC Sachsen Leipzig ein erster wahrnehmbarer Ansatz von Kritik gegen rassistische, faschistische und antisemitische Äußerungen im Stadion, was natürlich sofort zu einigen Unruhen innerhalb des Vereins führte. Das legendäre Transpi "MdfK gegen Rassismus" musste, ebenso wie die "Zecken", die es aufhingen und ihr Heft verkauften, mehrfach wütenden Angriffen standhalten. Die Reaktion des Vereins ließ nicht lange auf sich warten: Nach einem kritischen Artikel gegenüber Uwe Reinders (damals Coach in Leutzsch) wurde kurzerhand der Verkauf des Fanzines verboten. Begründung: Denunziation, Vereinsschädigung. Im August 1998 gastierte der Spandauer SV in Leutzsch und es kam zu üblen Beschimpfungen des Spandauers Podvorica, auf den die ganze Palette rassistischer Kraftausdrücke einprasselte. In diesem Fall unterließ es der FC Sachsen gänzlich, sich auch nur zu entschuldigen und die Redaktion von "MdfK" tat dies im Nachhinein. Am 24.10.1998 fuhr ein kompletter "Zeckenbus" zum Spiel bei Union Berlin, wo als Reaktion auf die "Juden-Berlin"-Rufe ein Transparent mit der Aufschrift "Fußballfreundeskreis Leutzscher Juden" aufgehangen wurde. Sofort kam es zu Tumulten innerhalb des Blocks, es wurd in doppelter Lautstärke "Juden-Berlin" angestimmt und das Transparent musste unter Androhung von Gewalt (Polizei) abgenommen werden. Drei "Störenfriede" wurden verhaftet, der Fanbeauftragte hielt sich bewußt zurück und der Verein sah mal wieder keine Veranlassung sich zu äußern.
Einen Vauxpas besonderer Güte erlaubte sich Präsident Thomas Till, der bereits durch seine Handzettel zur Bewerbung für das Präsidenetenamt, die mit dem SS-Spruch "Unsere Ehre heißt Treue" verziert waren, auf sich aufmerksam gemacht hatte. Beim Hallenturnier in Riesa im Dezember 1999 sang er vor mehreren Zeugen voller Inbrunst das "U-Bahn-Lied", in dem eine "U-Bahn von Probstheida bis nach Auschwitz" gebaut wird.
Da sich bis zum Sommer 2000 nichts wesentliches geändert hatte, wurde am 4.Mai 2000 ein offener Brief verfasst, in dem eben diese "vom Verein unkommentierten Ausartungen gegen MigrantInnen, Juden und Homosexuelle durch Anhänger des Clubs" angriffen wurden. "Aus dem angeschobenen Schneeball wurde ein Lawine." (Schwarze Sau #7) In der Folgezeit erschienen zwei Beiträge im mdr-Videotext und der FC Sachsen sah sich einer Menge von Medienanfragen gegenüber - man musste reagieren. In Eile wurde eine Stellungnahme des Präsidiums zusammengeschustert, in welcher alle Vorwürfe in beinahe unverschämter Art und Weise verleugnet bzw. relativiert wurden. Hinzu kam schon die fast obligatorische Unterstellung, es handle sich um Leute, die dem Verein schaden wollen.
Im März 2001 wendete sich plötzlich das Blatt. Im Rahmen der FARE-Aktionswoche hatten eben diese, bis dahin als Störer gebrandmarkten, jungen Menschen den Einfall, eine Transpi-Aktion in Leutzsch beim Heimspiel gegen TeBe zu starten und das schien auch dem FCS recht gut ins Konzept zu passen. Man ließ sie unter Betreuung durch Wolfgang Rederer zehn Minuten vor Spielbeginn auf das Feld, Fernsehen und Presse berichteten artig und der FC Sachsen Leipzig hatte sein Image aufpoliert. Zwar führte dies zu einer heftigen Debatte im Fanforum (viele Chemie-Fans fühlten sich hintergangen undwaren sogar gegen das Transparent), doch für den Verein war damit die Schuldigkeit getan und man war wohl eher froh, dass es keine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung gegeben hatte.
Die Wirkung innerhalb der Fangemeinde war natürlich gleich Null, was schon vierzehn Tage später beim Auswärtsspiel in Aue zur Kenntnis genommen werden musste. Chemie hatte mal wieder verloren und so ließen zweihundert zum Bahnhof ziehende Schlachtenbummler ihrem Frust freien Lauf und skandierten "Juden-Aue, Juden-Aue". Da die lokale Presse dazu schwieg, unterließ es auch der FCS bzw. ihr Fanbeauftragter Rederer sich zu äußern, obwohl es erneut zu einer wahnsinnigen Diskussion im Forum gekommen war. Eine Veröffentlichung der Vorfälle im Stadionheft wurde abgelehnt und das Forum zu diesem Thema geschlossen. Frei nach dem Motto: Nur keine schlafenden Hunde wecken...
An den rassistischen und diskriminierenden Ausartungen der Fans des FC Sachsen hat sich bis heute wenig geändert. Zwar scheint durch die Diablos zumindest die Fankultur belebt zu werden, doch fristet der Chemie-Fan weiterhin - umgeben von "U-Bahn-Bauern", "Führer-Lied-Singern", "deutschen Leutzschern" und "Schwulen-Hassern" - sein Dasein in der Leutzscher Gemeinde. Von Seiten des Vereins gab es keinerlei Eingriffe oder Maßnahmen, die den hoch gehaltenen Anspruch (weltoffen, antidiskriminierend) in irgendeiner Form widerspiegelten, statt dessen zeigte man immer wieder auf den Nachbarn in Probstheida und spiele Vorfälle herunter.
Auch die Hoffnung auf einen "Neuanfang" unter Präsident Christian Rocca, der nach den Sonnenkönigen der vergangenen Jahre ein Lichtblick am Horizont zu sein schien, hat sich nach den letzten Derby-Eskapaden zerschlagen. Mal wieder wurde nicht mit offenen Karten gespielt und anstatt die Mißstände beim Namen zu nennen, versuchte der FC Sachsen alles "rechte" und diskriminierende im Verein zu deckeln (wir berichteten in #15 und #16) - natürlich vorbei an jeglicher Öffentlichkeit. Im altbewährten Stil wurde auf andere verwiesen, jedoch in keiner Weise ernsthaft nach innen gewirkt, geschweige denn, Kritik am eigenen Tun und Handeln zugelassen.
Die Chance sich mit der Ausstellung "Tatort Stadion", d.h. mit einer klaren Position, auch im Umgang mit diskriminierenden Tendenzen vom VfB abzuheben, wurde schlicht und ergreifend verschenkt...
VfB Leipzig
Bevor ich mich zum VfB Leipzig äußere, möchte ich zwei grundlegende Dinge klarstellen: Erstens bin ich durch den fehlenden persönlichen Bezug und die Kürze der Recherche in Sachen VfB Leipzig an wenige Informationen (die jedoch eine klare Aussage zulassen) gebunden. Zweitens: Damit kein falsches Bild entsteht, muss beachtet werden, dass der VfB zu keiner Zeit eine interne Debatte zum Thema geführt hat, es keine Kritik von Fans gab und somit die wenigen Auseinandersetzungen und Statements der Vereinsführung nicht auf wenige Probleme und Übergriffe zurückzuführen sind. Vielmehr ist es ein Zeichen der nicht vorhandenen "Gegenkultur" in Probstheida.
Nach dem Höhepunkt der Gewaltexzesse in den Jahren 1990-1992, verbunden mit permanenten Übergriffen durch Fascho-Glatzen in und um Leipzig, bei denen auch linke bzw. alternative Projekte zur Zielscheibe wurden, erlebte der VfB 1996 den lang ersehnten sportlichen Aufstieg. Dieser führte zu einer ungemeinen Popularitätssteigerung, die zum einen Jugendliche anzog, zum anderen jedoch dazu führte, dass Nazi-Kader das Stadion mehr und mehr als klassisches Rekrutierungsfeld nutzten. Natürlich waren schon in dieser Zeit starke diskriminierende und fremdenfeindliche Tendenzen im Fanumfeld des VfB sichtbar, die jedoch ähnlich wie in Leutzsch immer wieder durch wechselndes Vokabular ("Chaoten", "Gewalttäter") entschärft oder "Zugereisten" zugeschoben wurden. Die Leipziger Presse tat im Sinne des Images der Stadt und des VfB ihr übriges und banalisierte reihenweise rechtsradikale und rassisitisch motivierte Sprechchöre und Übergriffe. An dieser Stelle sei nur auf das Gastspiel des FC St. Pauli im Leipziger Zentralstadion verwiesen. Zum Ärger der Stadtväter konnte man im Jahre 1997 die Fanausschreitung im Bruno-Plache-Stadion nicht mehr verschweigen, hatten doch tausende Zuschauer des DSF das Vergnügen, dem rechten Terror in Leipzig zuzusehen: Unter Parolen wie "Hier marschiert der nationale Widerstand", wurden sogar die eigenen Spieler angegriffen. Die Bombe war geplatzt und dennoch hatte Herr Dietze (Manager des VfB) nichts besseres zu tun, als "Auswärtige" verantwortlich zu machen und die Übergriffe "einer kleinen Minderheit" zuzuschreiben.
Bei der Partie des VfB Leipzig beim FC St. Pauli (1.Mai 1998) fanden sich über 350 rechte Hooligans und Neonazis im Block Gästeblock ein und sangen u.a. das "U-Bahn-Lied" und "Wir kriegen euch alle". Nach dem Spiel wurde der Versuch unternommen, die Sprüche in die Tat umzusetzen, wobei vereinzelte St. Pauli-Anhänger verletzt wurden. "Zugereisten Einzeltäter" waren es dann wohl auch, die im Jahre 2000 in Leutzsch auf sich aufmerksam machten, als sie Spieler mit "dreckiger Kanacke" beschimpften und "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus" skandierten. Obwohl dies sogar in einem Leserbrief (in der LVZ!!) dokumentiert wurde, hielt es der Vorstand des VfB in diesem Falle ebenfalls nicht für nötig, auch nur ein paar Worte der Entschuldigung auszusprechen.
Im Unterschied zu den Anhängern des FCS fielen die VfBer neben der latenten Diskriminierung vor allem durch ihre Brutalität und Aggressivität auf, die zum einen oftmals verhinderte, dass die Probleme "togeschwiegen wurden", zum anderen jedoch wiederum erleichterte, die verbalen Auswüchse und deren Motivation zu übergehen. Einzig die Gewalt war somit in den Medien, nicht die Diskriminierung, nicht der alltägliche Rassismus.
Doch spätestens seit dem Ortsderby im Herbst 2002 konnte man dies auch von offizieller Seite nicht mehr dementieren und man musste eingestehen, dass sich vermutlich "Rechtsradikale" im Block befanden. Vom lauten Aufschrei der Öffentlichkeit getrieben, äußerten sich Präsident Bauernschmidt, Vorstandsmitglieder, Bürgermeister und Fansprecher gegen jegliche Art von Diskriminierung und vergaßen dabei erneut nicht, darauf zu verweisen, "dass es sich bei den Chaoten auch um Zugereiste handelte." Und der kleinen Gruppe in den eigenen Reihen müssten sich die wahren Fans annehmen: "Wir rufen alle Fans unseres Vereins auf, gegen solche Störenfriede vorzugehen. Gemeinsam muss es uns gelingen, diesen kleinen Personenkreis zu isolieren und eindeutig in die Schranken zu weisen."
Getan hat sich seit diesem Tage nichts. Alles geht seinen gewohnten Gang und außer ein paar Stadionverboten und kurzzeitig angebrachten "Anti-Nazi"-Transparenten ha sich nichts getan. Der VfB hat das Problem wie auch in den vergangenen Jahren bewältigt: Auf die anfängliche Betroffenheit folgte eine rasche Entschuldigung, nach der schleunigst auch auf auswärtige Gewalttäter verwiesen und an die "wahren Fans" appelliert wurde. Danach wurde das Problem verschleppt und ausgesessen.
Daß dem eine Thematisierung, Auseinandersetzung und somit auch Öffentlichkeit, die im Rahmen der Ausstellung "Tatort Stadion" angedacht war, im Wege steht, ist klar. Das hat uns der Fanbeauftragte Fraunholz mit der Absage zu verstehen gegeben. Ob sich der VfB mit seiner Art der Problembewältigung aber einen Gefallen tut, wage ich zu bezweifeln. Da liegen noch einige Leichen im Keller...
Chance vertan...
Fakt ist, dass weder der VfB, noch der FC Sachsen in den vergangenen Jahren ernsthafte Versuche unternommen haben, gegen rassistische und diskriminierende Tendenzen im Stadion und Umfeld der Vereine vorzugehen. Zwar war man immer wieder schnell dabei, sich von "Vorfällen" zu distanzieren, auf eventuelle "Mittäter" zu verweisen und "hartes Vorgehen" einzufordern, doch konnte man keine Bemühungen erkennen, dem wirkungsvoll entgegenzuwirken.
Der FC Sachsen, der mit seinem heterogenen Publikum und der "Rolle des Guten" eigentlich beste Karten hat sein Publikum zu sensibilisieren, versäumte es dabei bisher, endlich die Diskussion zu suchen. Die reflexartige Abwehrreaktion, die sofort erfolgt, wenn nur der Hauch der Kritik am Handeln des Vereins ertönt, lässt eine Aufarbeitung und offene Debatte nicht zu. Dies beweist die Nicht-Unterstützung der Ausstellung Tatort-Stadion ebenso, wie Äußerungen der Vergangenheit. Es ist sehr schade, dass man nach dem Derby mehr damit beschäftigt zu sein scheint, "nur nicht schlechter" als der VfB dazustehen (was ja momentan ohnehin kaum geht!), anstatt sich auf die eigenen Strukturen zu konzentrieren.
Der VfB Leipzig hingegen hat es sein rassistisches und gewalttätiges Image über Jahre gepflegt und behauptet. Es ist keine Linie zu erkennen, die Vereinsführung zappelt hilflos umher, bekommt die eigenen Fans nicht in den Griff und schickt den Fanbeauftragten an vorderste Front. Die Entscheidung, nur wenige Monate nach einem Ortsderby diesen Ausmaßes, eine Ausstellung gegen "Rassismus und Diskriminierung im Stadion" nicht zu unterstützen, steht für die Inkonsequenz und Verlogenheit der Bauernschmidt und Co..
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