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   Tatort Stadion | Leipzig | 17.03.2003_30.03.2003   

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Wie die Organisation der Ausstellung "Tatort Stadion" in Leipzig ihre Schatten voraus wirft

Nachfolgend sollen die Entwicklungen rund um die Ausstellung "Tatort Stadion" aufgearbeitet und zentrale Punkte innerhalb der Diskussion erläutert bzw. gegeneinander abgewogen werden. Ich berufe mich dabei einzig auf offen geführte Diskurse bzw. Protokolle und werde versuchen diverse Nebenschauplätze komplett auszublenden.

Zur Vorgeschichte...

Als "Tatort Stadion" im Sommer 2001 startete, gab es beim Roten Stern gerade einige andere Probleme und ein Teil dachte - wenn überhaupt - an einen Besuch der Ausstellung, jedoch keineswegs an die Ausrichtung dieser. Das Verhältnis zu BAFF war nach der drastischen Kritik aus unseren Reihen ohnehin abgekühlt (siehe PE #11) und so interessierte sich bis auf die üblichen AktivistInnen kein Schwein in Leipzig für bundesweit bedeutende Themen. Erst nach dem Skandal um "MV" und die zurückgezogenen DFB-Gelder erlangte die Ausstellung zunehmende Relevanz, wenngleich das Gewissen des RSL-Umfelds mit der Bezahlung einer Stellwand und dem In-Auftrag-Geben eines (wirklich fundierten) Artikels für die Broschüre irgendwie beruhigt zu sein schien. Direkt in Verbindung mit Leipzig wurde die Ausstellung dann erstmals im Zuge des BAFF-Wintertreffens (18.-20. Januar 2002, siehe PE #12) gebracht und war alsbald auch auf der Tagesordnung des RSL-Plenums.

RSL und BAFF...

Bevor ich näher auf die Debatte zur Ausstellung eingehe, halte ich es für wichtig, noch ein paar Worte zur Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem Roten Stern Leipzig und BAFF zu verlieren, was eigentlich in dieser Formulierung schon einen gewissen Widerspruch beinhaltet. Ein konkretes Verhältnis oder ein kontinuierlicher Dialog der beiden Organisationen hat nämlich zu keiner Zeit wirklich stattgefunden, was meiner Meinung nach beim RSL vor allem auf die fehlende Meinungsbildung und Auseinandersetzung zurückzuführen ist. Trotz der vielen Versuche durch Briefe, Diskussionen im Plenum oder über Privatkontakte Leute innerhalb des Roten Sterns für das Thema BAFF zu begeistern bzw. einfach nur einen Standpunkt des RSL zu formulieren, existierten nie ernsthafte Debatten zu "BAFF-relevanten" Thematiken. Punktuell, wie bei Aktionswochen oder Zuarbeit zu Einzelprojekten, wurde durchaus mitgewirkt, doch auch hier war die Umsetzung vom Engagement einzelner Leute abhängig. Und diese Personengruppe hatte zumeist schon vor der Gründung des Roten Sterns Kontakte zur Struktur des BAFF. Demnach wurde das Statement gegenüber BAFF aus dem Jahre 2001 (siehe PE #11) - unabhängig vom inhaltlichen Gehalt - zurecht als einmalige "Holzhammeraktion" des ansonsten inaktiven RSL erachtet und harsch kritisiert. Schon an dieser Stelle hätte der Rote Stern als Ganzes eingreifen und einen eigenen Standpunkt formulieren müssen, denn dann wären allen die nachfolgenden Querelen erspart geblieben. Aber es fehlte mal wieder das Interesse oder die gewachsene Distanz wurde eben gar nicht bemerkt. Erst nach dem Wintertreffen Anfang 2002 normalisierte sich die Situation etwas, wenngleich erneut private Kontakte - und nicht etwa ein ernst zu nehmender Beitrag des RSL - die Wogen glätteten.

Ausstellung in Leipzig...

Am 24. Januar 2001 erhielt das Plenum erstmals die Information, daß die Möglichkeit besteht, die Ausstellung "Tatort Stadion - Rassismus und Diskriminierung im Fußball" nach Leipzig zu holen, was natürlich als grundsätzlich unterstützenswert befunden wurde. Dennoch entwickelte sich eine Debatte um die Machbarkeit einer solchen Veranstaltung, da man selbst in der eigenen Struktur immer wieder personelle Probleme hatte und nicht sicher war, was für Ansprüche es überhaupt gibt und ob man diesen Anforderungen gerecht werden kann. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Vorstellung von einer solchen Ausstellung diskutiert und man kam überein, daß dem RSL eine fundierte inhaltliche Auseinandersetzung mit regionalen Problematiken zum besagten Thema am Herzen liegt, welche ausreichend vorbereitet werden sollte. Es sollte kein bloßes "Vorsetzen der Schautafeln" stattfinden, sondern eine langfristige eigene Leipziger Gestaltung angestrebt werden, die die Sensibilisierung der Leute vor und während der Veranstaltung einschließt. Als Grundlage der Arbeit wurde nochmals der Text in der BAFF-Broschüre benannt. Das Zusammenspiel von finanziellen und organisatorischen Aufwendungen sowie der inhaltlichen Ausgestaltung, ließ uns am Ende zum Schluß kommen, daß der Rote Stern in seiner damals gegebenen Verfassung und im angedachten Zeitrahmen (im Herbst 2002) nicht in der Lage ist, alle Aufgaben zufriedenstellend abzudecken. So wurde Ende Januar nochmals das grundsätzliche Interesse an der Realisierung der Ausstellung betont, man sah sich dabei jedoch als Teil eines Bündnisses verschiedener Leipziger Gruppen (z.B. Aktionsbündnis Courage, Linxnet, Diablos etc.), aus dem die VertreterInnen des RSL den regelmäßigen Informationsfluß zum Plenum gewährleisten sollten. Des weiteren sicherte der RSL die materielle, personelle und finanzielle Beteiligung an der Ausstellung zu - so sollte Personal zur Betreuung der Ausstellung gestellt werden und unter der Federführung des Roten Sterns zwei Veranstaltungen stattfinden.

Das Schweigen im Walde...

Nach diesem Beschluß folgte eine lange Zeit des Schweigens, was vor allem daran lag, daß es keinerlei Informationsfluß zum Plenum gab. Trotz zahlreicher Anfragen wurde das Thema aufgrund des Fehlens der Verbindungsleute immer wieder verschoben bzw. konnten gestellte Fragen schlicht und einfach nicht beantwortet werden. Dazu muß man feststellen, daß sich die Anzahl der besagten VetreterInnen des RSL mittlerweile von vier auf eins dezimiert hatte und faktisch auch keine Treffen der Vorbereitungsgruppe, geschweige denn eines Bündnisses, stattfanden. Hinzukommende private Animositäten verstärkten die Kommunikationsprobleme zusätzlich und ab Sommer 2002 spielte das Thema BAFF-Ausstellung höchstens noch am Stammtisch eine Rolle. An dieser Stelle sind erste maßgebliche Mängel der Vorbereitung offensichtlich: Die Vorbereitungsgruppe hat es versäumt, sich durch eine längere Phase der Sensibilisierung wesentlich mehr Leute ins Boot zu holen und die Ausstellung langfristig und inhaltlich fundiert vorzubereiten. Dabei herrschte weder gegenüber dem Roten Stern, noch gegenüber irgendwelchen anderen Gruppen Transparenz und lediglich private Kontakte wurden bemüht. Daß durch diese beginnende Mißachtung der Strukturen Gerüchte und Mißverständnisse hervorgerufen werden, ist im "Dorf Connewitz" logische Konsequenz. Gleichzeitig muß sich der RSL fragen, warum man so lange abgewartet und nicht schon vor dem Sommer 2002 eingegriffen hat? Eine neue Verbindungsperson hätte gefunden und die Thematik immer wieder problematisiert werden müssen. Die "Verdrängung" der Ausstellung nach der Sommerpause erscheint zwar wegen der vielen Probleme, die der RSL zu dieser Zeit hatte, menschlich verständlich, kann jedoch als Argument ebenso wenig herhalten.

Die Debatte beginnt...

Als bereits kaum noch jemand mit der Durchführung der Ausstellung gerechnet hatte, wurde Mitte November verschiedenen Leuten das vorläufige Konzept überreicht und schon eine Woche später lag eben dieses im Plenum vor. Die Diskussion, oder besser Kommunikation, gestaltete sich von Beginn an recht schwierig, da das Papier lediglich "per Bote" überbracht wurde und es scheinbar nicht einmal um eine inhaltliche Auseinandersetzung, sondern lediglich um die Zuweisung von Aufgaben ging. Daraufhin folgte sehr harsche Kritik durch einzelne Personen, die - neben dem allgemeinen Konzept - im Besonderen den Umgang (den es praktisch nicht gab) mit dem Roten Stern innerhalb der angeblich gleichberechtigten Bündnisstruktur bemängelten. Zu diesem Zeitpunkt hatte man den Eindruck, der RSL wäre lediglich als Dienstleister und Namensgeber gefragt. Als man zur näheren Betrachtung des Gesamtkonzeptes schritt, entpuppte sich diese Rohfassung zunehmend als oberflächlich und inhaltsleer. An vielen Punkten herrschten tiefgreifende Mängel, wobei die personelle Besetzung der Vorbereitungscrew den haarsträubendsten Eindruck hinterließ. Außer dem offiziellen Veranstalter "Roter Baum Leipzig" und dem PDS-nahen Büro "Linxnet", die im Höchstfalle drei bis vier Personen stellen konnten und (mit einer Ausnahme) wenig profundes Wissen auf dem anvisierten Terrain aufzuweisen hatten, gab es faktisch noch keine UnterstützerInnen bzw. Bündnispartner. Weitere konzeptionelle Schwächen zeigten sich in der geringen Anzahl der angedachten Veranstaltungen, dem unrealistischen Zeitplan, der unausgegorenen Finanzierung und vor allem der fehlenden Kommunikationsstruktur. Zugegeben, es handelte sich lediglich um eine "Grobfassung", doch wurde zu dieser Zeit deutlich, daß die vergangenen Wochen und Monate nicht etwa zur Konzeption der Veranstaltung oder zur Sondierung von Bündnissen genutzt wurden, sondern vielmehr verschenkte Zeit darstellten. Nach einem Jahr der Stille, hieß es also nun "hop oder top"?

Der RSL auf der Suche nach richtigen dem Weg...

Von diversen Randscharmützeln begleitet versuchte sich der Rote Stern gegen Ende November ein klares Bild von der Ausstellung zu machen um verbindliche Aussagen gegenüber der Orga-Crew treffen zu können. Nachdem es im Plenum ziemlich ausschweifende und persönliche Debatten gegeben hatte, die zu keinem Konsens führten, sollte ein ausgelagertes Treffen im Conne Island eine RSL-Linie festlegen. Die Ergebnisse und Grundzüge dieser Gesprächsrunde sollen hier kurz dargelegt werden: Der erste und vorangestellte Konfliktpunkt war der Umgang mit den Kommunikationsstörungen und den Ressentiments zwischen der Ausstellungsgruppe und diversen VertreterInnen des RSL. Nach der Meinung vieler hätten die Herangehens- und Arbeitsweise (Struktur und Kommunikation) in einem klärenden Gespräch besprochen und Probleme bzw. Vorurteile ausgeräumt werden müssen, damit die Grundlage einer sachlichen Arbeit überhaupt gegeben sei, doch der Vorschlag wurde verworfen, da "diese privaten Probleme nichts mit der Ausstellung an sich zu tun haben". Die zentrale Frage des Abends war folgerichtig, ob und unter welchen Bedingungen der Rote Stern die Ausstellung unterstützt und was er überhaupt leisten kann? Als äußerer Rahmen mußte natürlich zuerst ein fundiertes Finanzkonzept her, welches (was ausdrücklich betont wurde) nicht auf Benefiz-Geldern beruhen und für alle transparent sein sollte. Die Entscheidung gegen Benefizveranstaltungen war bereits Anfang des Jahres getroffen wurden und begründete sich daraus, daß man kleinen Gruppen, die keine öffentlichen Gelder bekommen konnten, nicht das Wasser abgraben wollte. Außerdem wurde darauf gedrängt, daß eine breitere Masse, die dem angestrebten Bündnis nah kommt, in die Vorbereitung einbezogen wird um die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen. Hier wurde immer wieder deutlich, daß viele Leute beim RSL das Gefühl hatten, daß man relativ allein in der "Gruppe" da steht und am Ende auf der Alltagsarbeit (z.B. Sportplatzproblem, Jugendkonzept etc.) sitzenbleibt. Zur inhaltlichen Ausgestaltung herrschte eigentlich insoweit Konsens, als daß man thematisch die gleichen Schwerpunkte setzen wollte, wobei der Anspruch an die Themen und die Einschätzung des Aufwandes zur Realisierung stark divergierten. Auf der einen Seite stand eine Fraktion, die die Zeit von gut drei Monaten als unzureichend ansah, um den organisatorischen und inhaltlichen Part (der RSL wurde für den kompletten lokalen Teil angefragt) der Ausstellung nach ihren Ansprüchen umzusetzen. Sie versuchten, dies anhand des lokalen Bezuges, für den es schon eine gewisse konzeptionelle und inhaltliche Vorarbeit gegeben hatte (Zuarbeit für Schautafeln, Buch "Tatort Stadion", Prasses Erben) und wofür sich innerhalb des RSL einige Leute interessierten, zu belegen. Der nötige Vorlauf wurde auf ca. ein Jahr beziffert, damit ein fundierter Beitrag (inkl. Recherche, Aufarbeitung, Diskussion) geleistet werden kann , weshalb auch auf eine Verschiebung der Veranstaltung gedrängt wurde. Ein anderer Teil der RSL-Leute betonte, daß man die inhaltliche Komponente nicht überbewerten sollte und die Zeit völlig ausreichend ist. Die Ausstellung zu verschieben, würde somit nur die Bearbeitung verschleppen und keinesfalls zu einer intensiveren Auseinandersetzung bzw. gar zur Sensibilisierung der Leute führen. "Tatort Stadion" sollte als Chance begriffen und die Themen - ohne das man eine "Doktorarbeit" verfassen will - endlich angegangen werden. Das Resultat war somit, daß die angedachten Referate und Diskussionen (z.B. Fußball und Gewalt, Homophobie im Fußball, Olympia 2012 etc.) allesamt als gut und geeignet eingeschätzt wurden, aber niemand in der Lage war zu sagen, wer diese eigentlich vorbereiten und durchführen soll. Wenn man von einer "Gruppenmeinung" spricht, kann man zusammenfassen, daß der RSL grundsätzlich die Ausstellung mit trägt und über die Plenumsstruktur versucht, gestellte Aufgaben weiterzuleiten. Aufgrund des Mangels an "Personal" konnten noch keine konkreten Zusagen getroffen werden. Also wurde die Beteiligung des RSL vom Engagement von Einzelpersonen abhängig gemacht und an das Plenum delegiert. Über eventuell mögliche finanzielle Unterstützung sollte ebenso das Plenum befinden.

Das große Vorbereitungstreffen...

An diesem besagten Dienstag fand das erste große Vorbereitungstreffen zur Ausstellung in Leipzig statt und einige VertreterInnen des Roten Sterns, des Roten Baums, von PDS-nahen Organisationen (glaube ich zumindest) sowie verschiedene Privatpersonen waren anwesend. Leider wurde im Vorfeld versäumt, zu flyern und auch innerhalb lokaler Gruppen wurde keine offensive Werbung betrieben, so daß am Ende nur ca. fünfzehn Interessierte anwesend waren (ob es ansonsten mehr gewesen wären, weiß ich auch nicht?!) und vermeintliche Bündnispartner fehlten. Mittlerweile stand ein ziemlich detaillierter Zeitplan der Ausstellung fest und auch ansonsten hatte sich das Konzept in Zusammenarbeit mit Gerd aus Berlin immer weiter gefüllt und verfestigt. Dennoch gab es die Anfrage, ob die Ausstellung wegen der oben genannten Gründe zu verschieben wäre, was - trotz der Vorlage eines konkreten Konzeptes zur Bearbeitung des lokalen Teils - aus organisatorischen Gründen sofort abgelehnt wurde. Dies war deshalb relativ problematisch, da sich damit die Gruppe, die sich dem Thema annehmen wollte und dies auch schon begonnen hatte, aus Zeitmangel von der Vorbereitung verabschiedete. Ob man diesen Zeitfaktor als glaubwürdig bewertet, bleibt jedem selbst überlassen, doch Fakt ist, daß das schnelle "nein" zur Verlegung (ohne ernsthafte Nachfrage) ihr Übriges zum kompletten Ausstieg einiger Leute tat. Um so schwieriger gestaltete sich die weitere Debatte, da man nun über ein Konzept sprach, was man zwar als gut befand, dessen Umsetzung man jedoch stark anzweifelte bzw. nicht begleiten und unterstützen konnte. Ich will hier nochmals sagen, daß das zu dieser Zeit vorliegende Konzept, inhaltlich durchaus fundiert war und eher Kritik an organisatorischen Dingen wie der Finanzierung, der Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Wie muß ein Plakat, eine Broschüre oder ein Flyer aussehen? Wie erreiche ich eine breite Öffentlichkeit?), der Bündnisarbeit oder der Kommunikation geübt wurde. Außerdem wurde noch die Mißachtung der RSL-Struktur durch die Vorbereitungsgruppe bemängelt, da man unabhängig vom Plenum auf "privater Ebene" bereits einzelne Teams zur Mitarbeit gewinnen wollte. Ich empfand es insgesamt als schade, daß die Diskussion nie von der persönlichen Ebene gelöst werden konnte und viele Dinge im ausgearbeiteten Konzept gegeben und nicht mehr wirklich diskutabel waren.

Tag der Entscheidung...

Der Himmel über dem Leipziger Süden hatte sich erneut verfinstert, da beim Dienstagstreffen der Orga-Gruppe kaum mehr VertreterInnen des RSL anwesend waren und einige am gleichen Abend auch noch die Frechheit besessen hatten, sich in einer gastronomischen Einrichtung zu treffen. Binnen weniger Stunden kursierten wildeste Gerüchte, die erst Donnerstag im Rahmen des Plenums entkräftet werden konnten und gleichzeitig das Thema Ausstellung einläuteten. Der Rote Stern wurde konkret angefragt, ob man in der Lage sei, die Gestaltung der Stellwand, die Bearbeitung des Themas Olympia sowie eine Podiumsdiskussion vor dem Derby zu übernehmen, worauf die üblichen Reaktionen folgten. Ein Teil hatte ja bereits seit Wochen mit der fehlenden Zeit argumentiert und dieser Punkt hatte sich auch nicht verändert. Im Gegenteil, es bestätigte sich sogar noch zusätzlich, daß scheinbar niemand bereit war oder Interesse hatte, bei der Ausstellung mitzuwirken. Diese, von einigen erwartete, Situation stand dem RSL natürlich nicht gut zu Gesicht, doch empfand es ein Großteil auch als logische Konsequenz und durchaus zu verschmerzen. Schließlich hatte man sich vorgenommen, die Ausstellung mit gewissen Ansprüchen zu bearbeiten (siehe Januar) und wenn dies nicht realisierbar sei, dann wäre auch ein Ausstieg legitim. Doch nix da. Plötzlich wurde die Sprengkraft des Themas ins Unermeßliche gesteigert und mit der Nicht-Beteiligung des RSL an der Ausstellung stellte man den ganzen Verein und seine Existenz in Frage. Durch tendenziöse und polemische Berichterstattung im Plenum, die persönlichen Eindrücken, Ansprüchen und der damit verbundenen Kritik keinem Raum ließ und fast jedem Widerspruch Stimmungsmache unterstellte, wurde bewußt ein immenser Druck aufgebaut. Warum diese Szenarien gerade bei einer solchen Debatte heraufbeschworen und alle anderen politischen Aktivitäten des RSL als nichtig eingestuft wurden, ist mir bis heute unklar und aus meiner Sicht total unverhältnismäßig. Dennoch erzielte das gewählte Mittel die gewünschte Wirkung und das Plenum sagte die Bearbeitung des Schwerpunktes Olympiakritik sowie die der Schautafel (in Kooperation mit dem Fischladen) zu.

RSL und Politik...

Die politische Glaubwürdigkeit des RSL an der Ausstellung festzumachen, scheint relativ einfach und wirkungsvoll, da dort nun "genau die Dinge bearbeitet und gefördert werden sollen, die der Rote Stern machen will". Sportpolitik eben. Und ein wenig BAFF. Und nach kurzer Atempause wird dann sogar einen Schritt weiter gegangen: Die Existenzberechtigung des RSL wird von der Unterstützung der Ausstellung abhängig gemacht, denn man müsse ja dem Anspruch gerecht werden und was mache denn der Rote Stern überhaupt noch? An dieser Stelle endet die Argumentation und man sollte eigentlich zu dem Schluß kommen, daß ohne Ausstellung auch der Stern seine Legitimation verliert.
Doch dem ist mitnichten so. Der Rote Stern hat sich zwar seit Jahren nicht gerade durch kontinuierliche politische Arbeit oder durch eine kritische linksradikale Analyse ausgezeichnet, doch gibt es mittlerweile eine recht große Anzahl von AktivistInnen, die über einen längeren Zeitraum versuchen, das Profil des RSL zu schärfen. Neben der funktionierenden P.E.-Struktur, seien an dieser Stelle nur exemplarisch die Organisation der Wegfahrt, die Anti-Olympia-Gruppe, die Gruppe zum Leistungsprinzip, die Diskussionen zur Antira-WM, aber auch die Aktionen gegen Schwulenfeindlichkeit im Sportpark Dölitz benannt. Im Unterschied zu früher bestimmt dabei nicht das schlechte Gewissen oder irgendein sozialer Druck die Handlungen, sondern diese Gruppen sind gewachsen und basieren zunehmend auf dem eigenen Wunsch und Bedürfnis sich mit gesellschaftsübergreifenden Themen auseinanderzusetzen. Auch wenn alles noch in den Kinderschuhen steckt, bin ich der Meinung, daß der RSL zumindest in dieser Hinsicht, auf einem guten Weg ist und zu keiner Zeit wirklich "fitter" war. Demnach erscheint mir auch die oben genannte polemische Herleitung der "Verpflichtung" des RSL mitzumachen recht unverschämt, denn sie blendet bewußt alles politische im Verein aus. So wichtig und wertvoll die Ausstellung "Tatort Stadion" auch sein mag, kann es nicht sein, daß sie als letzte Chance für den Erhalt der Glaubwürdigkeit des RSL - ob nun vor der "Linken" oder vor BAFF - herhalten muß.

Ausblick...

Trotz aller Widrigkeiten steht der Eröffnung der Ausstellung Ende März wohl nichts im Wege, zumal auch die zentralen organisatorischen Fragen (Finanzen, Raum) im Großen und Ganzen gelöst zu sein scheinen. Um jedoch über den mitgelieferten Rahmen hinaus eine gelungene Veranstaltung durchzuführen, sind noch viele Felder zu bearbeiten, Leute und Gruppen zu motivieren und vor allem die offene Auseinandersetzung zu suchen. Denn Fakt ist, daß die Ausstellung "Tatort Stadion" nach Leipzig geholt wurde um eine möglichst breite Öffentlichkeit, im speziellen Jugendliche, SchülerInnen, MigrantInnen, StudentInnen und andere Projekte, zu erreichen und zu sensibilisieren. Dies kann in meinen Augen nur dann wirkungsvoll geschehen, wenn es endlich zu einer Verbesserung der Strukturen kommt um- beruhend auf Kommunikation und damit nicht zuletzt auf Transparenz - endlich die Kräfte zu bündeln. Ohne daß die privaten Kriegsbeile begraben werden und auch die Organisationscrew zu einer kritischen Selbstreflexion bereit ist, wird einiges im Keim ersticken, was der Ausstellung gut zu Gesicht stehen würde. Schlußendlich wird sich die Gruppe ohnehin an der Umsetzung des Konzeptes messen lassen müssen...

 | chamqay, Prasses Erben #16, 01/2003 | 

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