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under deconstruction


    "ist es nicht in politischer hinsicht, so koennten wir einwenden, ganz entscheidend, auf der existenz lesbischer und schwuler identitaet zu bestehen, gerade weil sie von homophober seite mit ausloeschung bedroht werden? macht sich die theorie der dekonstruktion nicht zur komplizin politischer kraefte, die die moeglichkeit schwuler und lesbischer identitaet ausloeschen wollen? kann es überhaupt "zufall sein", dass sich eine solche theoretische identitaetskritik in einem politischen klima ausbildet, das mit politischen und juristischen mitteln eine aehnliche ausloeschung homosexueller identitaet vornimmt? ich antworte darauf mit einer gegenfrage: sollten wir uns etwa von solchen vernichtungsdrohungen die begriffe des politischen widerstands gegen sie diktieren lassen, und wenn ja, haben dann die verfechterInnen der homophobie nicht von vornherein gewonnen?" (judith butler)


was ist identitaet?

ich moechte an dieser stelle auf eine einfuehrung in identitaetstheorien verzichten, da sie fuer die zwecke dieses textes nicht von ueberdurschnittlichem interesse sind. wichtig ist es festzuhalten, dass die eigene identitaet ein sammelsurium von eigenschaften der eigenen persoenlichkeit ist. platt gesagt, sind attribute wie "links, maennlich, homosexuell" identitaere eigenschaften. dies laesst sich wiederum unterteilen in von aussen zugewiesene identitaeten und von innen erzeugte identitaeten.

identitaet, die von aussen zugewiesen wird, orientiert sich an festgelegten gesellschaftlichen rollen, also an schubladen. diese basieren auf aeusseren merkmalen der person, auf dem verhalten in der oeffentlichkeit und auf sozialen klischees als solchen. mit den aeusseren merkmalen werden den betreffenden personen bestimmte rollen zugewiesen. so ist ein als mann enttarnter mensch emotional stark, technisch begabt und pisst im stehen, woraus wiederum folgt, dass ihm eine gewisse verantwortung und dominanz zugewiesen wird. merkmale, wie die hautfarbe fuehren relativ schnell zu 'positiven' oder negativen zuschreibungen, wie "kann gut trommeln, rennt schnell, ist gut im bett" oder "ist dreckig, ist rueckstaendig, verkauft drogen". aus diesen beispielen folgt schon, dass einerseits zwar ressentiments an identitaeten geknuepft werden koennen, andererseits aber auch mittels einer identitaetszuschreibung einfach rollen in einer gesellschaft vergeben werden. diese rollen folgen traditionen, normen und gesellschaftlichen anforderungen, sind als vorwiegend sozial.

aehnliches gilt fuer das zuschreiben identitaerer rollen ueber das verhalten in der oeffentlichkeit und soziale klischees. im ersten fall koennte beispielsweise einem anzug tragenden mann auf der strasse wahlweise fuehrungsqualitaet, intelligenz oder auch spiessigkeit zugeschrieben werden und der zweite fall laesst sich durch saetze wie "linke waschen sich nie" und "in connewitz gibt es dauernd krawalle" beschreiben. durch solch gewonnenes soziales wissen wird die welt strukturiert und darueberhinaus findet in dieser form auch abgrenzung von den anderen identitaeten statt. die zuschreibung von rollen, von identitaeten erfolgt also aufgrund bestimmter konzepte, die menschen von der sozialen umwelt haben. wie diese rollen dann im einzelnen gewertet werden, ist an dieser stelle noch nicht von bedeutung, dass aber auf diese weise auch sexistische und rassistische stereotypen vermittelt werden, ist denke ich klar geworden.

die zweite ebene betrifft identitaetsbildung von innen. dies bezeichnet im weiteren sinne den prozess der selbstfindung. in diesem prozess werden sowohl durch eigene interessen und beduerfnisse, als auch durch abgrenzung von oder aneignung der identitaeten der anderen eigene vorstellungen vom ich, also vom selbst entwickelt, was dann oft in aussagen wie "das bin ich.", "das bin nur ich selbst." gipfelt. hierbei ist natuerlich zu beachten, dass auch interessen und beduerfnisse nicht als reinform im menschen angelegt sind, sondern via sozialisation (familie, freunde, gesellschaft) erst geschaffen werden, auch wenn menschen durchaus in der lage sind, diese auch zu hinterfragen. sexualitaet ist ein beispiel fuer interessen und beduerfnisse und homosexualitaet teil der eigenen identitaet. auch die abgrenzung z.b. von der lebensweise meiner eltern (ablehnung der ehe als institution) oder die aneignung z.b. subkultureller verhaltensmuster (punk zu werden, weil ein freund dies ist; bestimmte kleidung zu tragen, weil diese mit linker kultur verbunden wird) traegt zur bildung einer eigenen identitaet bei.

alles in allem ist identitaetsbildung nichts starres, abgeschlossenes, sondern ist als staendiger prozess zu begreifen, in dem mal die einen punkte, mal die anderen punkte wichtiger sind, in dem der druck aus dem sozialen umfeld mal staerker, mal schwaecher auf die eigene identitaetsbildung wirkt und dadurch je nach situation einzelne teile der identitaet betont werden.

identitaetspolitik versus identitaetskritik am beispiel von frauenbewegung versus geschlechterdekonstruktion

    "'aufhebung der eigenen identitaet' in einer 'negativen identitaetspolitik' soll nicht heissen, dass das betreffende konstrukt (z.b. maennlichkeit) als ganzes, so wie es ist, daemonisiert wird. sondern es geht um ein 'unpacking' eines komplexes von eigenschaften und symbolen, das eine rekombination der elemente ermoeglichen wuerde, in der die elemente selbst ihre 'faerbung' veraenderten. das koennte mensch vielleicht 'dekonstruktion' nennen und auf individueller ebene ist damit die perspektive einer zugleich aufloesenden wie schoepferischen selbstveraenderung jenseits von moralismus und selbsthass angedeutet." (www.archivtiger.de)
identitaetspolitik laesst sich sehr gut am beispiel der frauenbewegung zeigen. aus der erkenntnis, dass das gesellschaftliche leben auf patriarchale art und weise organisiert war und ist, folgte die erkenntnis, etwas dagegen tun zu muessen. das ergebnis war eine frauenbewegung, die versuchte die identitaet frau in einer umgebung zu staerken, die diese identitaet systematisch unterdrueckt und als schwaechere identitaet gegenueber der identitaet mann kennzeichnet. zu diesem zwecke schlossen sich menschen zusammen, deren verbindendes element, das frau sein war. dieses identitaere element wurde betont und in der oeffentlichkeit als dem identitaeren element mann gleichberechtigt propagiert. ausdruck dieser art identitaetspolitik sind in ihrer reinsten form projekte, wie die zeitschrift emma oder kampagnen fuer die gleichberechtigung der frau in der bundeswehr, sprich auch frauen sollen mit der waffe in der hand kaempfen duerfen. dass hierbei sonstige differenzen zugunsten der identitaet frau geglaettet werden, ist klar, aber durchaus auch beabsichtigt, da es ja eben um dieses frau sein und die staerkung eines bis dato benachteiligten subjekts geht. die absicht dahinter ist also ganz klar politisch und versucht dem politischen subjekt in seiner umgebung zur selbststaendigkeit zu verhelfen. der nachteil dieser identitaetspolitik liegt in der abgrenzung der gruppe nach aussen und einer art vereinheitlichungszwang nach innen.

und genau an dieser stelle setzen judith butler, queer ([1]) und geschlechterdekonstruktion an. mit verweis auf die gefaengnishaftigkeit, eine gruppe zu konstruieren, die sich nur ueber ihr geschlecht definiert, lehnten diese ansaetze identitaetspolitik als solche groesstenteils ab. zudem verwies bspw. judith butler darauf, dass gruppen, die sich ueber identitaere momente zusamenschliessen, ueber kurz oder lang regressive zuege aufweisen, da diese gruppen sich, wie oben beschrieben, nach aussen abschotten und nach innen einen angleichungsdruck auf die einzelnen ausueben, woraus wiederum folgt, dass eine entwicklung, die etwas mit erkenntnis zu tun hat, nahezu ausgeschlossen ist. die oben genannte kampagne fuer die gleichberechtigung der frau in der bundeswehr waere ein beispiel fuer identitaetspolitik mit regressiven zuegen. identitaetskritik versucht im offenen gegensatz dazu einen individualistischen standpunkt stark zu machen. die von aussen zugeschriebenen und selbst konstruierten identitaeten sollen hinterfragt werden, um wegzukommen von gruppenidentitaeten mit ihren ausschlusskritierien und um den zweck zugeschriebener identitaeten zu erkennen bzw. herauszufinden. identitaetskritik ist also eine explizite kritik unbewusster und bewusster identitaerer lebensweisen, die dem individuum ein selbstgewaehltes korsett verpassen. dieses korsett aufzuknoepfen und sich selbst zu fragen "was ist diese identitaet 'mann' und wo hilft sie mir und was hat dies mit machtstrukturen zu tun, die sich in einer von maennern dominierten gesellschaft widerspiegeln?", das ist im kern geschlechterdekonstruktion und somit identitaetskritik.

ganz genau ist die frage nach identitaetskritik oder identitaetspolitik nicht zu klaeren. vom idealistischen standpunkt aus ist die identitaetskritik ganz klar zu begruessen, weil sie in frage stellen und zugewiesene rollenklischees ueberwinden will, indem bspw. geschlecht dekonstruiert wird, in dem sinne, dass ueber das geschlecht keine zuschreibungen mehr erfolgen, ueber das geschlecht keine identitaet vermittelt wird und es sowieso eine unmenge verschiedener geschlechter gibt. vom pragmatischen standpunkt aus ist auch die identitaetspolitik an vielen stellen sinnvoll, da es manchmal dringend noetig ist, sich in einer gruppe als frauen zusammenzuschliessen, um sich einen freiraum in einer maennlich-dominanten umwelt zu schaffen.

die identitaet 'links' im spiegel von identitaetspolitik versus identitaetskritik

    "Stundenlange Videofilme über die Mainzer Straße, dazu noch etwas Hardcore und Bier. Es wäre zu schön, wenn dies der Mief einer vergangenen autonomen Kultur wäre. Doch das Gegenteil offenbart sich angesichts der nostalgischen Erzählungen über einstige Häuserkämpfe, bei der 1000sten Veranstaltung zur Bewegung 2. Juni oder im linken Lobgesang auf das Heldentum des Straßenkampfes. Wie mit den Eltern zum Sonntagskaffee sich die Fotos des letzten Mallorca-Urlaubs anschauend, sitzen die KämpferInnen in ihren selbstbestimmten Räumen und schauen sich die Ablichtung ihrer kulturellen Praxis, des Straßenkampfes an. Getränke und Musikgeschmack sind eventuell anspruchsvoller geworden, das linke Selbstverständnis ist dasselbe. So geht es nicht um die Kritik und Abschaffung des schlechten Bestehenden, sondern um das Abfeiern der eigenen Identität. Und dieses kommt letztlich einem sich Einrichten in die bestehende gesellschaftliche Ordnung gleich, obwohl paradoxerweise genau das Gegenteil mit dieser spezifischen Kultur ausgedrückt werden soll." (www.raumzeit-online.de)
auch "die linke" weist oft genug regressive zuege als folge auf sich selbst bezogener, identitaerer politik auf. so ist der leserInnenbrief aus der incipito #01 mit seinem an antideutsche positionen gerichteten "ihr macht die linke szene kaputt"-ansatz ein klassisches beispiel, ist doch damit gleichzeitig an die gruppe, die sich ueber das label links definiert, die aufforderung zur grundlegenden gleichheit gerichtet. eine uniformitaet, die sich im konfliktglaettenden "ach, wir sind doch alle links, oder?" ausdrueckt und ein wenig an das fuer fussballfans typische "egal, ob wir unterschiedliche ansichten haben. wenn unser verein spielt halten wir zusammen." erinnert. (siehe auch prasses erben # 15, s. 57-58)

die identitaet "links" als, in anlehnung an die begriffsklaerung im ersten absatz, von aussen zugewiesen und von innen konstruiert betrachtet, faellt auf, dass die zuweisung von aussen natuerlich schwer "der szene" zum vorwurf zu machen ist. "linke", oft auch "autonome" genannt, werden aufgrund von dresscodes und einer grundsaetzlichen "dagegen"-haltung als solche klassifiziert. "linke" sind daraus folgend steinewerfer, dreckig und beschmieren haeuserwaende. dieses draengen in eine outsider-rolle ist noch unspektakulaer, begruendet sie sich doch meist ueber die form, nicht ueber den inhalt. spaektakulaer wird es, wenn sich das label "links" genau ueber diesen outsiderstatus definiert und sich in seinem "anders als die anderen sein" sonnt, ganz so als kaeme es darauf an, seine kritik mittels verfilzter haare oder wahlweise mob-action-klamotten ausdruecken zu koennen. in diesem identitaeren "wir" manifestiert sich eine weltsicht, die sich ausserhalb des bestehenden waehnt.

soweit so simpel. doch seitdem - insbesondere seit dem 11.09.02 - es sich die antideutsche position zur hauptaufgabe gemacht hat, linke lebensmythen zu zerstoeren, wankt auch das identitaere "wir", da innerhalb der gruppe differenzierungsbestrebungen sichtbar werden.

ein blick zurueck: oestlich des harzes entstand "die linke" im wesentlichen aus einer antifaschistischen abwehrbewegung. im kampf um einen freiraum in einer von nazis dominierten jugendszenerie und staendigen physischen auseinandersetzungen entwickelte sich zwangslaeufig eine identitaetspolitik betreibende linke in dem sinne, dass "links" als etwas gemeinsames, nach aussen zu verteidigendes empfunden und propagiert wurde. das label "links" in offener konfrontation zum rest der gesellschaft offensiv zu verteidigen, machte auch durchaus sinn. nur ist es nicht einzusehen, dass sich der glauben an die gemeinschaft so hartnaeckig mit linken projekten verwebt hat und dieses "links" immer dann verteidigt wird, wenn stoerenfriede von innen oder aussen den geliebten frieden gefaehrden.

sich mit der entwicklung der "linken" in den letzten jahren zu beschaeftigen, heisst auch einzusehen, dass projekte, die ehemals ein stachel in einer buergerlich-militanten umgebung darstellten, inzwischen fest mit den dazugehoerigen stadtteilen verschweisst sind, dass ihr identitaerer anspruch "anders" sein zu wollen, durch die realitaet nicht belegt werden kann und auch liwi oder zorro nur teil einer als "cool" empfundenen leipziger party- und szenekultur sind. was auch gar nicht weiter schlimm ist, da es, wuerde es im bewusstsein der beteiligten ankommen, identitaetszerstoerende wirkung haette, da alle, die teil der "linken" subkultur sind, sich selbst und ihre individuellen konzepte in frage stellen muessten.

doch, soweit ist es wohl noch lange nicht. einerseits gibt es mit dem "roten stern" ein projekt, welches szeneuebergreifend verbindet und somit neue identitatesmoeglichkeiten jenseits politischer debatten bietet. andererseits differenzierte und differenziert sich "linke" politik und subkultur immer weiter aus, so dass fuer jeden etwas dabei ist, der einen raum sucht, in dem er unter seinesgleichen im weitesten sinne sein kann.

wie erfolgreich identitaetspolitik ist, zeigt sich beim roten stern. ein projekt dessen anspruch es war und ist sport und politik zu verbinden, betreibt in der praxis nur spass und sport und dies mit grossem erfolg. mit solch grossem erfolg, dass der aufnaeher des roten stern inzwischen andere "linksradikale" aufnaeherutensilien im strassenbild weit ueberfluegelt hat. und das ganze ist natuerlich nachvollziehbar. ein projekt, in dem sich eben nicht (ausser von einer handvoll interessierter) tagein, tagaus ueber adorno, marx und den richtigen weg in eine befreite gesellschaft gestritten wird, sondern in dem spiel und spass, ein kindliches vergnuegen also, im vordergrund des eigenen alltags stehen, hat es einfacher ein grosses publikum mit ansonsten eher unterschiedlichem weltbild an sich zu binden und identitaet zu schaffen, die dann im offiziellen spielbetrieb als fan und auf der strasse als aufnaehertraeger offensiv vertreten wird. so hat sich der rote stern inzwischen zu einer marke, zu einem label entwickelt, welches sport, spiel, spass und gute unterhaltung verspricht und auch haelt. die - eher verzweifelten - versuche, politik mit ins spiel zu bringen, sind zwar bestimmt nicht falsch und ein, zwei leute erreicht mensch meist doch damit, koennen jedoch nicht darueber hinwegtaeuschen, dass politik auf absehbare zeit nur ein randbaustein der rsl-identitaet sein wird.

neben dieser form der szeneuebergreifenden identitaetsbildung, die sich ueber das lebensgefuehl, statt ueber politik definiert, haben sich eine reihe voneinander abgeschlossener kreise gebildet, welche jeder fuer sich identitaetsstiftende momente haben und bei denen der unbewusste anpasssungsdruck deutlich wird. der leserInnenbrief "es lebe der machismo" aus incipito #02 zeigt das problem: "wer dies nicht glaubt, sollte mal (als mann) im rock und freund an der hand durchs conne island laufen. fiese blicke und sprüche hinterm rücken garantiert." es hat sich also - das problem trifft zorro, liwi, g 16, braustrasse und sonstige "linke" projekte (auch die incipito) gleichermassen - eine, im einzelnen projekt jeweils anders ausgepraegte, dominanzstruktur bzw. eine identitaet herausgebildet, die von den traegern der identitaet tag fuer tag reproduziert wird. daraus entwickelt haben sich gruppenstrukturen, in die einzusteigen meist mit dem uebernehmen gruppenidentitaerer merkmale einhergeht. im obigen fall des leserInnenbriefs wird auf die dominanz der heterosexualitaet verwiesen, was zwar nicht neu, aber durchaus spannend ist. warum - und auch dies ist kein problem nur des conne island - sind linke projekte, deren anspruch es ist, offen sein zu wollen fuer politsch interessierte, dominiert von heterosexualitaet, mackertum und dresscodes. die idee soll jetzt nicht sein, alle menschen zur homosexualitaet aufzufordern, sondern zu hinterfragen, warum heterosexualitaet als normal (unmarkiert) und warum homo-, bi-, transsexualitaet als etwas markiertes wahrgenommen wird, als etwas besonderes, nach dem geglotzt wird, wenn es erscheint, warum maennliche macker und macher akzeptanz geniessen und warum sich szenen ueber dresscodes nach aussen abgrenzen. z.b. waere es undenkbar einfach so mit stoeckelschuhen im zorro aufzutauchen, da dies sofort als spiessig und buergerlich abgestempelt, also von einer aeusseren eigenschaft auf eine identitaet geschlossen werden wuerde.

wenn es aber schon soweit ist, dass feinsaeuberlich getrennte szenen und gruppen sich nach aussen abgrenzen und eben nicht offen sind, wenn menschen aus dem conne island nicht ins zorro oder die g16 gehen wuerden und umgedreht, dann laeuft zwar einerseits etwas richtig, weil logische brueche vollzogen wurden, die sich meist inhaltlich begruendeten, andererseits aber viel falsch, da nur mehrere homogene gruppen entstanden sind, die sich auch wieder durch verbindende, identitaere momente auszeichnen, anstatt genau dies in frage zu stellen und identitaetskritik zu betreiben. dies muesste in erster linie selbstkritik sein, da sich machtstrukturen der gesellschaft in jedem einzelnen widerspiegeln und ueber gruppen auch noch einen anerkannten rahmen erhalten. diese selbstkritik beinhaltet dann auch seine aus vielen einzelteilen zusammengepuzzelte identitaet in frage zu stellen. nicht etwa mit dem ziel, dass es keine identitaeten mehr gibt, denn natuerlich setzt sich der mensch aus diversen interessen, vorlieben und eigenschaften zusammen, sondern mit dem ziel zu fragen, ob es z.b. sinn macht sich selbst "links" als diffuse identitaet zuzuschreiben oder inwiefern geschlechterverhaeltnisse und maennerdominanz in einem selbst den politisch korrekten neusprech ueberwintert haben oder inwieweit die "bekleidungsvorschriften" einer gruppe durch mich selbst verinnerlicht wurden. diese auf die individuelle ebene bezogene auseinandersetzung ist grundbaustein fuer eine gruppenuebergreifende identitaetskritik und grundbaustein fuer eine individuelle entwicklung, die eben nicht immer nur - aber trotzdem auch - auf die finale krise oder die zukunft des kapitalismus, sondern auf die eigene verantwortung fuer das eigene handeln verweist. das beinhaltet auch ein fragen nach den eigenen grenzen und im idealfall auch ein erkennen dieser und hat eventuell ein aufweichen gruppenidentitaerer momente zur folge. in diesem sinne ist identitaetskritik auch nichts, was mensch auf theoretischer ebene aushandeln koennte, sondern etwas, was zusammen mit theoretischer analyse eine unmittelbare praxis zur folge haben muss.


[1] Das wort "queer" meint ursprünglich im englischen jemand, der/die pervers ist und wurde vor allem im homophobischen zusammenhang benutzt. queer theory hat diesen Begriff umgedeutet und verwendet ihn als positive selbstbezeichnung. es gibt keine einheitliche definition von queer theory. im unterschied zu klassischen feministischen theorien richtet sie ihr augenmerk auf konstruktionen von sexualität und thematisiert gesellschaftliche heteronormativität. queer theory geht davon aus, das sexualität und identität nicht natürlich, sondern konstruiert sind. infolgedessen untersucht sie zum einen bedingungen zur ihrer konstruktion und zum anderen bedeutungen der verschiedenen sexualitätskonstruktionen. queer theory kritisiert die heteronormativität unserer gesellschaft, was bedeutet, dass heterosexualität privilegiert ist und als norm gilt. sie hinterfragt den angenommenen zusammenhang zwischen anatomischem geschlecht (sex), sozialem geschlecht (gender) und begehren. (www.soziologie.uni-freiburg.de)

== Laatsch (incipito)==
[Nummer:05/2002]
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Datei wurde angelegt am: 18.07.2004