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Antideutsch - Tanz mit Rechtsaußen?

    Am 24. Januar 2005 fand in der Reilstraße 78 ein von der AG No Tears For Krauts veranstalteter Vortrag mit dem Titel "Antifa - Der Tanz ums Volk" statt. Der Referent war Ralf Fischer (Pseudonym) von der Gruppe Internationale Webteam aus Berlin.[ 1 ] Mit der Metapher "Zuerst das linke Bein nach vorne ... dann das rechte Bein nach links ... und eine Drehung um 180 Grad"[ 2 ] kritisierte Fischer die Antifakonzepte der Vergangenheit und Gegenwart. Nun muss er sich allerdings fragen lassen, ob er sich nicht auch mit dem rechten Bein um 180 Grad vertanzt hat.


Nicht erst seit Neonazis als "nationale Anarchisten" "linke" Codes übernommen haben, Neonazis für und Antifaschisten gegen den Frieden demonstrieren und kosmopolitische Antideutsche die europäische Linke als anti-semitisch outeten, verschwimmen die ohnehin unscharf konstruierten Kategorien "rechts" und "links" immer stärker. "Querfront" in Theorie und Praxis existiert in unterschiedlichen Formen seit der Weimarer Republik. Manchmal gibt es zwischen Nationalismus und Sozialismus, Liberalismus und Antisemitismus, Nationalsozialismus und Autonomie, zwischen Kapitalismus, Kommunismus und Anarchismus weniger Widersprüche in den Konzepten als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Das macht sich insbesondere die "neue Rechte" strategisch gern zu nutze, indem sie nicht nur selbst neue ideologische Verknüpfungen konstruiert, sondern auch dem "linken" Spektrum zur Überwindung dieser traditionellen Kategorien die Hand reicht.

O.g. Ralf Fischer gab dem neurechten ef-magazin (eigentümlich frei) in Ausgabe 48 ein Interview unter dem Titel: "Menschenverachtende Ideen! Phantasien eines 'antideutschen Antifaschisten'" [ 3 ] , welches im Dezember 2004 erschien.

Eigentümlich frei sind die Ansichten des Blattes in Bezug auf die Meinungsfreiheit, wie nicht nur anhand der Einstiegsfrage an Fischer illustriert werden kann: "Herr Fischer, sollten nicht sogar Neonazis oder Scientologen oder Kommunisten ihre Meinung in diesem Land frei äußern dürfen, frei nach Rosa Luxemburg?" In derselben Ausgabe wie Fischer erschien u.a. auch ein Interview mit Reinhardt Günzel, Ex-Bundestagsabgeordneter und Ex-Bundeswehrgeneral: Antisemiten Martin Hohmann und Reinhardt Günzel welcher als Brigadegeneral und Chef des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr der prominenteste Unterstützer der antisemitischen Thesen Martin Hohmanns war. Das hessische CDU-Mitglied Martin Hohmann hielt am 3. Oktober 2003 zum Tag der deutschen Einheit eine Rede, in der er die Juden im Zusammenhang mit der russischen Revolution als "Tätervolk" bezeichnete. Er sagte wörtlich: "Juden waren in großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei der Tscheka-Führungsebene aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als Tätervolk bezeichnen." [ 4 ] Damit stellte er die Shoah als Reaktion auf den russischen Bolschewismus dar und gab gleichzeitig den Juden die Schuld an ihrer eigenen Vernichtung. Aufgrund dieser Rede wurde er später aus der Bundestagsfraktion und der CDU ausgeschlossen. Reinhardt Günzel schrieb in einem Brief an Hohmann: "Für Ihren Vortrag zum Nationalfeiertag bedanke ich mich sehr herzlich. Eine ausgezeichnete Ansprache - wenn ich mir dieses Urteil erlauben darf - wie man sie mit diesem Mut zur Wahrheit und Klarheit in unserem Land nur noch sehr selten hört und liest." [ 5 ] Seit seiner "unehrenhaften Entlassung" aus der Bundeswehr aufgrund dieses Vorfalls nutzt Günzel u.a. Publikationen wie die Junge Freiheit [ 6 ] und Veranstaltungen im Kreis von Burschenschaften und der NPD [ 7 ], um sich als Opfer einer Hexenjagd darzustellen und weiter seine geschichtsrevisionistischen Ansichten zu vertreten. ef interviewte ihn unter dem Titel: "Ein Jahr nach dem 'Fall Hohmann': Behandelt wie ein Schwerkrimineller".[ 8 ]

eigentümlich frei und André F. Lichtschlag

ef steht für eigentümlich frei [ 9 ] und erscheint seit 1998 im niederrheinischen Grevenbroich. Herausgeber und Chefredakteur ist André F. Lichtschlag, ein ehemaliges Mitglied der Jungen Union, der Europäischen Förderalistischen Partei, der Rheinlandpartei sowie der FDP.

Eigentümlich frei ist Lichtschlag zufolge als "Zentralorgan" des sogenannten Libertarianismus gedacht. Dessen Anhänger lehnen laut Lichtschlag den Staat als Beschränkung der individuellen (Geschäfts-, d.A.)Freiheit und die Demokratie als "System des lynchenden Mobs" ab und bezeichnen sich selbst als "libertär" und "anarchokapitalistisch" [ 10 ] "Die Libertären treten [u.a.] ein für unbeschränkte Drogenfreigabe, für Legalisierung von Prostitution und Pornographie sowie für die Abschaffung staatlicher Zuwanderungsgrenzen. Gleichzeitig streiten sie [...] für Privatisierung der Schulen und Universitäten, für die Legalisierung des Waffenhandels und für den Verzicht auf staatliche Subventionen, Umverteilung und Sozial- 'Versicherung'". [ 11 ] Die USA als "ein [freiheitlicher] Minimalstaat, eine Art Anti-Staat, [welcher] seine Bürger und ihr Eigentum lediglich vor der Gewalt anderer schützt"[ 12 ], dient den deutschen Libertarianisten dabei als positiver Bezugspunkt. Lichtschlag sieht im sogenannten Anarcho-Kapitalismus einen "Zusammenschluss von Vertretern der radikalen Neuen Linken mit Vertretern der radikalen Neuen Rechten."[ 13 ]

In der neurechten Jungen Freiheit gibt Lichtschlag in einem Interview mit Manuel Ochsenreiter unverblümt Auskunft über sein Feindbild: "Diese Republik wird von einem leider sehr erfolgreichen Gemisch aus Bürokraten, Staatsfans, Umwelthysterikern, Männerhassern und Antifaschos nicht nur regiert, sondern allumfassend bis in den letzten Gedankenwinkel dominiert. Gegen diese Verpestung muß nun eine gemeinsame starke Frischluftwelle organisiert werden."[ 14 ] Dafür ruft Lichtschlag zum Bündnis mit dem deutschen Nationalkonservatismus auf, auch wenn ihm selbst das Interesse für nationale Kategorien sowie das entsprechende Bewusstsein angeblich fehlt. Das Problem für die individual-kapitalistische Selbstbestimmung sieht er eher in der staatlichen Bürokratie und Obrigkeitshörigkeit als im übertriebenen kollektiven Nationalstolz der Deutschen. Nationalstolz wäre jedoch ein Opfer, welches Lichtschlag bereit wäre mitzutragen, falls "der Staat sich erst einmal auf seine Grundaufgaben Recht und Sicherheit beschränkt und sich aus allen anderen Bereichen zurückzieht."[ 15 ]

Am 1. Mai 2003 und 2004 rief Lichtschlag zu Demonstrationen gegen Gewerkschaften und für freie Märkte auf, da seiner Meinung nach Umverteilung und "Gleichschaltung" zu Armut und Sklaverei führen.[ 16 ] Eigentümlich frei steckte auch hinter einer Webaktion, bei welcher angebliche "Nationaldemokraten bei ATTAC" eine Zusammenarbeit der Globalisierungskritiker mit der NPD suggerieren sollten.[ 17 ] Im November 2004 referierte Lichtschlag in Würzburg auf einer Tagung zu "Freiheitlichen Perspektiven in der FDP", zu der mehrere rechtsliberale Gruppen eingeladen hatten.[ 18 ]

Meinungseigentümlichkeiten und Meinungsfreiheit

Mit dem Untertitel "Eigentum Eigensinn Freisinn"[ 19 ] wirkt das sich radikal-kapitalistisch gebende ef-magazins wie ein Magnet auf selbsternannte "Freidenker" und Provokateure. Die neoliberale Gegnerschaft des Magazins zum Staat schafft Anknüpfungspunkte sowohl zu einem bürgerlich-liberalen als auch zu einem breiten neurechten Spektrum sowie auch scheinbar zu linken anarchistischen Ideen. Das Magazin bietet auch "nationalen Anarchisten" und Neonazis eine Plattform. Highlights waren dabei u.a. die Interviews mit dem NPD-Vorsitzenden Udo Voigt, den Junge-Freiheit-(Chef)Redakteuren Dieter Stein und Manuel Ochsenreiter sowie dem "nationalen Anarchisten" Peter Töpfer, dem damaligen Mitherausgeber der extrem rechten Zeitschrift Sleipnir, welche u.a. die Shoah leugnete.[ 20 ] Die ef-Redaktionsbeiratsmitglieder Roland Baader und Gerard Radnitzky schreiben für die neurechten Publikationen Junge Freiheit und Criticon. Im Magazin findet sich Werbung für national-liberale und neofaschistische Kreise.

Einen zynischen Höhepunkt der Interpretation ihres Freiheitsbegriffs erreicht eigentümlich frei mit einem Titelbild der Nummer 35 vom April 2003, auf welchem zum Thema Arbeitslosigkeit ein schmiedeeisernes Tor mit dem Schriftzug "Arbeit macht frei" (siehe Abb.) die Opfer der Arbeits- und Vernichtungslager verhöhnt.

In der Rubrik "Bücher zur Freiheit" rezensiert ef neben den eigenen neurechte Autoren wie Andre F. Lichtschlag und Roland Baader u.a. auch Franz Schönhuber: Welche Chancen hat die Rechte? (ef Nr. 30), Hans-Helmut Knütter / Stefan Winkler (Hrsg.): Handbuch des Linksextremismus. Die unterschätzte Gefahr (ef Nr. 22), Claus M. Wolfschlag: Das "antifaschistische Milieu" (ef Nr. 20), Claus Nordbruch: Der Verfassungsschutz. Organisation, Spitzel, Skandale (ef Nr. 22). Des weiteren finden sich Besprechungen von "ganz normalen" Antisemiten wie Jürgen W. Möllemann: Klartext. Für Deutschland (ef Nr. 35), Geschichtsrevisionisten wie Jörg Friedrich: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-45 (ef Nr. 32) und den staatlichen Totalitaristen Uwe Backes und Eckhard Jesse: Extremismus und Demokratie, 13. 14. und 15. Jahrgang (ef Nr. 21, 35, 40). Daneben werden aber auch Bücher von klassisch "linken" Autoren wie Henryk M. Broder: Kein Krieg nirgends. Die Deutschen und der Terror (ef Nr. 28), Jürgen Elsässer: Make Love and War. Wie Grüne und 68er die Republik verändern (ef Nr. 22) und Rudolf Rocker: Nationalismus und Kultur (ef Nr. 20) rezensiert.

"Phantasien eines ,antideutschen Antifaschisten'"

In seinem zweiseitigen und relativ nichtssagenden Interview, in dem viel aneinander vorbeigeredet wird, lässt Ralf Fischer "viele Fragen offen"[ 21 ] . Andere wie: "Also sind Sie gegen Meinungsfreiheit für Andersdenkende und damit für Totalitarismus wie bei Stalins und Hitlers?" (Rechtschreibung im Original) beantwortete er jedoch. Wertende Kommentare, antikommunistische Klischees und einer Reihe weiterer Unprofessionalitäten seitens der Interviewführung waren für Fischer kein Grund, diesen "intellektuellen Stuss" "von Rechtsaußen", welcher "nicht vergleichbar" ist mit den "sogenannten linken" "Leuchttürmen der kommunistischen Vernunft" Marx, Luxemburg, Horkheimer und Adorno, abzubrechen und die Vorführung zu beenden.

Stattdessen versuchte er in einer Aneinanderreihung von Schlagworten wie "Umsturz der herrschenden Verhältnisse" und "vereinigte Aktion der Bewohner wenigstens der zivilisierten Länder" einen vermeintlichen Weg zu seiner "kosmopolisch-kommunistischen" Utopie, die "Assoziation freier Individuen", aufzuzeigen. In dieser Assoziation wäre laut Fischer jeder gleich in seiner "maximalen individuellen Freiheit", was "natürlich" bedeute, "die persönliche Freiheit des anderen nicht zu beschränken." Davon ausgeschlossen seien "menschenverachtende und diskriminierende Zustände und Ideologien". Deshalb solle die Auseinandersetzung "mit Antisemiten, [...] egal ob nun linke, rechte oder unpolitische..." nicht "verbal geführt werden". Mit einer solchen Aussage im Kontext von ef disqualifiziert sich Fischer allerdings selbst.

Zur innerlinken Auseinandersetzung hofft er, dass die "völkische Linke", die "sich ohne rhetorische Verrenkung an die Seite der islamistischen Schlächter" stellt, Geschichte ist, "wenn der Krieg gegen den Terror vorbei ist". Innenpolitisch träumt Fischer für ef von Einwanderung durch die Legalisierung von Schlepperbanden, "der Aufteilung des Landes unter alliierter Kontrolle" sowie von "UN-Blauhelmsoldaten in Brandenburg oder Sachsen" zum "Schutz aller Feinde des deutschen Mobs in der Zone".

Dass Fischer als freier Autor mit dem Schwerpunkt auf dem Phänomen der "nationalen Anarchisten" selbst schon zum Thema "Querfront" geschrieben hat und sich dabei ausführlich Peter Töpfer und seinen national-anarchistischen Aktivitäten widmete[ 22 ], hielt ihn nicht davon ab, mit einem Magazin zu reden, welches Töpfer wie auch anderen extremen Rechten und Antisemiten eine Plattform bietet. Nun bleibt es Spekulationen überlassen, wie der Kontakt zwischen Fischer und ef zustande kam und was Fischer zu diesem Interview bewogen haben mag. Er und die Gruppe Internationale Webteam müssen sich jedoch fragen lassen, ob sie in Vorbereitung des Interviews "nur" eine wenig aufwendige Internetrecherche zu eigentümlich frei versäumt haben, ob sie ganz gemein hereingelegt wurden oder worin die ideologischen Gemeinsamkeiten mit den neurechten Radikalkapitalisten vom ef-magazin liegen. Die AG No Tears For Krauts muss sich zumindest versäumte Recherche bzgl. ihres Referenten im Vorfeld ihrer Veranstaltung vorwerfen lassen.


[ 1 ] Ein weiteres Mal erschien Fischer am 7. Februar 05 als Gast zu einem Vortrag von Ralf Schröder (von der Gruppe critical society aus Berlin) mit dem Titel "Viva Amerika!", der ebenfalls von der AG No Tears For Krauts in der Reilstraße 78 veranstaltet wurde
[ 2 ] Der Vortrag Fischers ist nachzulesen in der Incipito #16, März 2005 unter dem Titel: "Antifa, der Tanz um den Erfolg?", S.56ff.
[ 3 ] vgl. www.ef-magazin.de; ef-magazin Nr.48, Dezember 2004, S.19f.
[ 4 ] zitiert nach ZDF, frontal 21 vom 04.11.2003
[ 5 ] ebenda
[ 6 ] vgl. Junge Freiheit Nr.23/04 vom 28.05.2004; vgl. www.jungefreiheit.de
[ 7 ] z.B. am 24.11.04 bei der Burschenschaft Holzminda, vgl. Internetseite der NPD Göttingen
[ 8 ] vgl. www.ef-magazin.de; ef-magazin Nr.48, Dezember 2004, S.10ff.
[ 9 ] "eigentümlich frei" erklärt Lichtschlag folgendermaßen: "Eigentum ... ist der Schlüssel zur Freiheit. ... Erst mit seinem Eigentum kann jeder tun und lassen, was er für richtig hält..." (vgl. LOTTA Nr.19, Winter 2004/05)
[ 10 ] vgl. Lichtschlag: Hilfe, die Libertären kommen. Dieser Artikel erschien fast zeitgleich in der neurechten Zeitschrift "Criticón" (Ausgabe Nr. 165, Frühjahr 2000) und in der links-anarchistischen "espero" (Ausgabe 23/24, April 2000)
[ 11 ] ebenda; Rechtschreibung im Original
[ 12 ] ebenda
[ 13 ] ebenda
[ 14 ] Lichtschlag im Interview mit Manuel Ochsenreiter unter dem Titel: "Bürokratie macht staatliche Verbrechen möglich", in: Junge Freiheit 31-32/03, 25. Juli 2003
[ 15 ] vgl. Junge Freiheit 25. Juli 2003
[ 16 ] vgl. LOTTA, Nr.19, Winter 2004/05, S.53
[ 17 ] ebenda
[ 18 ] ebenda
[ 19 ] Anfangs erschien ef mit dem Untertitel "Marktplatz für Liberalismus, Anarchismus und Kapitalismus".
[ 20 ] vgl. Jörg Kronauer, Joß Fritz: Eigentümlich rechts. In : LOTTA Nr.19, Winter 2004/05, S.52f. sowie peb: Querfront gegen Gewerkschaften. In: Antifaschistische Nachrichten vom 08.04.2004. sowie Tomas Sager: Vertreter des extrem rechten und rechtskonservativen Spektrums ziehen gegen den NRW-Verfassungsschutz zu Felde. In: blick nach rechts 2003, vgl. www.ef-magazin.de
[ 21 ] kursiv gedruckte, in Anführungszeichen gesetzte Wortgruppen in den folgenden Abschnitten kennzeichnen Zitate Fischers aus dem Interview, welches komplett im ef-magazin (eigentümlich frei) Nr.48, Dezember 2004, S.19f., nachzulesen ist
[ 22 ] vgl. Ralf Fischer: Nationaler Anarchismus? Anarchismus von Rechts! In: Campo de Criptana - Nr. 5, 1. Quartal 2004, S.13ff.

== Antifaarchiv Halle==
[Nummer:17/2005]
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Datei wurde angelegt am: 24.04.2005