Bündnis gegen Rechts (Leipzig)
Pressemitteilung vom 24. 10. 1999zum linksradikalen Kongreß zu rechter Alltagskultur, Nazidominanz und antifaschistischen Interventionsmöglichkeiten vom 22.-24.10. in LeipzigMit einem Abschlußplenum ging heute der Verstärkerkongreß "Die postbananische Zustände" in der Universität Leipzig zu Ende. Bei dem vom Bündnis gegen Rechts organisierten Kongreß diskutierten von Freitag bis Sonntag 500 AntifaschistInnen aus der gesamten Bundesrepublik zum Thema: "Nazidominanz in öffentlichen Räumen, kulturelle Hegemonie und Möglichkeiten linksradikaler und antifaschistischer Strategien". Der Kongreß brachte positive Ergebnisse bei der Analyse der aktuellen Situation als rechte Alltagskultur und Ansätze für mögliche Konzepte und Strategien linksradikaler, antifaschistischer Politik. Während des Kongress schikanierte die Polizei, die massiv im Leipziger Süden präsent war, mutmaßliche KongreßteilnehmerInnen. So wurden Personen durch Zivilpolizei verfolgt und bei Kontrollen lange Zeit festgehalten, während vor alternativen Projekten Polizei in Kampfmontour aufzog. Das Bündnis gegen Rechts betrachtet den Gesamtverlauf des Vertärkerkongresses als Erfolg. Bündnis gegen Rechts, Leipzig
Erfolg wird selbst gemacht
Wenn Progreß Fortschritt bedeutet, dann heißt Kongreß
zusammentreten, nicht im Sinne von wer wen, sondern in der zivilisierteren
Variante, bei der am Ende alle zusammenstehen. Nun hat ein solches
Zusammentreten in der Geschichte politischen Handelns eine uralte Tradition und
trotzdem denken wir bei Kongreß zuerst an das Capitol in Washington oder
die verfahrenstechnische Bedeutung der Alphamyonenoptimierung, vielleicht noch
an die Antinatio... pardon die Antideutschen oder die kommunistische
Internationale, aber nicht an antifaschistische Positionen. Das hängt
sicher wesentlich damit zusammen, daß die Antifabewegung bis vor kurzem
einfach keine Kongresse ausrichtete und auch die Versuche des
Autonomiekongresses oder des in Leipzig veranstalteten BesetzerInnenkongresses
sind keine ewigen Fixpunkten der Kongreßkultur geworden. Das Bündnis gegen Rechts hatte gerufen und alle, alle waren gekommen: Antifa-Vollversammlung in Leipzig.Wenn jetzt das Bündnis gegen Rechts für den 22. bis zum 24. Oktober 1999 zum Verstärkerkongreß mit klar antifaschistischen Themen- und Fragekontexten einlud, mußte also die Frage erlaubt sein, was kann ich von einem solchen Vorhaben erwarten. Die niedrigste Erwartungshaltung ist sicher, daß sich, ähnlich wie bei der deutsch-französischen Gesellschaft für Paläontologie, die es immer wieder schafft selbst die verfeindetsten Paläontologinnen in einen Raum zu bekommen, alle treffen, die ein gesteigertes Interesse an antifaschistischer Politik, ihren Problemen und Lösungen haben. Die Themen werden in dieser Betrachtungsweise nebensächlich. Sie dienen nur dazu, allen einen Vorwand zu liefern, anzureisen, um sich dann zwischen den besuchten Foren auf Gängen, in Cafeterias und an vergleichbaren Nebenschauplätzen mit allen anderen zusammenzufinden, Anekdoten auszutauschen und ganz nebenbei gemeinsame Ziele und Projekte für die Zukunft vorzubereiten. Kurz: Politik zu machen.Der Effekt ist in der Kongreßgeschichte altbekannt, für die Antifaszene aber deshalb von besonderer Bedeutung, weil verschiedene Gruppen zwar bei bundesweiten Anlässen immer noch gemeinsam handeln, darüber hinaus aber keinerlei gemeinsamen Diskussionen zustande bringen. Pol dieser über Jahre gefestigten Nichtkommunikation ist die Antifaschistische Aktion / Bundesweite Organisation (AA/BO), der in Teilen oder in Gänze ein Organisations- und Politikverständnis nachgesagt wird, über das andere Gruppen nicht mehr diskutieren zu können glauben. Denken wir uns einen Konflikt wie eine Flasche Rotwein, so haben die Auseinandersetzungen um den Ansatz der AA/BO ein Alter erreicht, in dem der Flascheninhalt längst zu Essig geworden ist. Die Frage, die sich nun in den letzten Jahren stellt, ist, was tun mit der alten Flasche, die zwar nominell noch einigen Wert haben mag, deren Inhalt aber auch in Zeiten des größten Durstes ungenießbar bleiben wird. Da das Bündnis gegen Rechts jung genug ist, sich in den Ursprungstagen des Konfliktes keinen eigenen Namen gemacht haben zu können und aus den pragmatischen Bedingungen des Alltags in die verschiedenen Lager Kontakte hat, erfüllte Leipzig die Bedingung, soweit als neutral angesehen werden zu können, daß niemand mit einer Teilnahme am Kongreß zu weit über den eigenen Schatten springen mußte. Und so waren sie dann auch alle, alle seit Ewigkeiten zum ersten Mal zu einer gemeinsamen, über konkrete Planungen hinausgehenden Diskussion zusammengekommen. Wie überfällig ein solcher Schritt gewesen ist, zeigte sich symptomatisch an der in verdächtigem Maße ausufernden Harmonie auf dem Kongreß. Hintergrund dürfte wohl sein, daß die existierenden Organisierungsansätze Bundesweites Antifatreffen (B.A.T.) und AA/BO ihre Potentiale ausgeschöpft und ihre Konzepte der Realität angepaßt haben, ohne derzeit Vorschläge für eine weitere Entwicklung zu haben, die auch nur in den eigenen Reihen überzeugen könnten. Die eigene Stagnation und der verpaßte Anschluß an die Entwicklung der anderen stimmen beim gewohnten Rumhacken auf der traditionell als gegnerisch eingeschätzen Position vorsichtig. Die einzelnen Stimmen, die auf dem Abschlußplenum die alte Blöckekonfrontation noch einmal heraufbeschwören wollten, wirkten hoffnungslos anachronistisch und hilflos. Der Unterschied zwischen BO und BAT besteht derzeit hauptsächlich darin, daß Gruppen der ersteren einen gewissen Vorsprung bei der Reflektion der eigenen Probleme und bestehender Notwendigkeiten für praktisches politisches Agieren haben. Entsprechend hatten die VertreterInnen in der BO organisierter Gruppen in der Diskussion während des Kongresses klarere Vorstellungen. Das daraus gezogene Fazit: "Die Gegenposition existiere faktisch nicht mehr", verkennt aber, daß auch innerhalb der BO ein Angleichungs- und Relativierungsprozeß stattgefunden hat und darüber hinaus mit einer verlorenen Position positiv noch nicht viel gewonnen ist. Strategien linksradikaler Politik unter den Bedingungen einer dominanten rechten AlltagskulturWäre der Verstärkerkongreß allein mit dem Ziel ausgerichtet worden, den Zustand eines überalterten Konfliktes zu checken, es wäre wohl niemand gekommen. Solche Strategien können sich vielleicht traditionsreiche Kongresse leisten, deren Publikum die Tickets im Zehnjahresabonnement bezieht. Einem erstmals ausgerichteten Kongreß würde solche Selbstsicherheit mit einem vollständigen Mangel an Interesse belohnt. Das Ende vom Lied wäre leicht prognostizierbar: leere Gänge, Minimalziel nicht erreicht, totales Desaster, aus die Maus.So aber war der Ausgangspunkt der Kongreßeinladungen nicht die Selbstbeweihräucherung der Antifa, sondern eines ihrer ernsthaftesten Probleme. Die Feststellung, daß ein Nazi kein Naturphänomen ist, das uns gleich einer Wespe heimsucht, auf daß wir uns mit ihm herumplagen, ist alt und heißt im Jargon: die Nazis sind ein gesellschaftliches Problem. Bei einem Wespennest, wie W. bei L., zeigte sich dies dann daran, daß eine militante Naziszene nur deshalb dauerhaft so erfolgreich agieren konnte, weil der Zuspruch der Allgemeinheit in der Regel eher ihr als ihren Opfern galt. Die Nazis waren und sind die echten Kinder der Stadt und auch wenn nicht alle ihre Ansichten und Aktionsformen bis ins letzte teilen, herrscht doch ein breiter, aktiver rechter Konsens, der die Nazis immer wieder heim ins bürgerliche Lager holt, in dem MigrantInnen oder Punks nichts verloren haben. Den rechten Konsens angreifen, hieß solche Verhältnisse ans Licht holen, hieß Orte und ihre Bevölkerung mittels der Wahrheit stigmatisieren, um Aufruhr in die gewaltätige Gemütlichkeit zu bringen. Es gab die Skandale, es gab das öffentliche Interesse, die Honoratioren tobten, die Öffentlichkeit distanzierte sich, aber verändert hat sich nichts. Selbst jene, die vielleicht kurzzeitig den rechten Konsens in Frage stellten, waren bald schon wieder bei der Gemeinschaft dabei, deren Probleme immer nur von außen kamen und nicht in Angriffen, Verstümmelungen oder Morden bestehen. Wie das sein kann? Eine Antwort, die auf dem Kongreß vorgeschlagen wurde, hängt eng mit einem weiteren verblüffenden Phänomen zusammen. Je mehr Nazis es in einer Gegend gibt, um so mehr Probleme bestehen für die BewohnerInnen jener Gegend im Alltag herauszubekommen, was ein Nazi ist. Wird in einer solchen Gegend auf einen jugendlichen Nazi gezeigt, so sieht die örtliche Bevölkerung einen ganz normalen Jugendlichen. Und es spricht einiges dafür, daß diese Wahrnehmung nicht vorgeschützt sondern echt ist. Normal heißt in einer solchen Gegend dann, daß auch die jeweils aktuelle Form nationalsozialistischer Ideologie und deren Elemente zur alltäglichen Wahrnehmung der Welt gehören, anstatt jenseits der Erträglichkeitsschwelle zu liegen. Normal ist also eine Alltäglichkeit, in der rassistische, nationalistische und sexistische Erklärungen die Situationen bestimmen. Normal ist es dann, sich entsprechend zu verhalten, entsprechende Urteile zu fällen und damit dafür zu sorgen, daß sich Rassismus, Nationalismus und Sexismus als gültige gesellschaftliche Realität erweisen. Wer so lebt, steigt nicht einfach aus dem rechten Konsens aus, nur weil es außerhalb welche gibt, die in einer anderen Welt leben, in der das Offensichtlichste nicht zu gelten scheint. Schlimm genug sollten wir meinen, doch wer Nazis kennt, weiß, daß das erst die halbe Wahrheit ist. Die andere Hälfte wird im Ausdruck der Dominanzkultur oder rechten Hegemonie eher versteckt als offenbart. Eine rechte Alltagskultur beschränkt sich nicht darauf, isoliert ihrem Wahn anzuhängen. Sie praktiziert ihn. Und wo sie ihn praktiziert, da kennt sie nichts neben sich. Gewalttätig vertreibt sie alles, was sich nicht in ihr Bild des reinen Deutschland integrieren läßt. Zwar gibt es in der Binnenperspektive der Nazis durchaus Unterschiede zwischen rassistischen Ladenbesitzerinnen, "unpolitischen" Rechtsrockern und strammen Parteisoldaten, aber jenseits dieses Teils der Gesellschaft gibt es keine Pluralität mehr. Dort beginnt dann das Unnormale und dafür gab es Demokratie noch nie. Die Nazis sind keine Wespen. Kann dann wenigstens die Antifa eine Orchidee sein, deren Schönheit jenes Andere der gesellschaftlichen Realität ist, deren Ansicht die Einzelnen vor die Wahl stellt, im Mainstream mitzuschwimmen oder Widerstand zu leisten? Unter den Bedingungen einer dominanten rechten Alltagskultur können sich linksradikale Strategien jedenfalls nicht auf die Nazis als krassesten Ausdruck des gesellschaftlichen Problems beschränken. Umstritten blieb während des Kongresses, ob Attraktivität durch die Exotik eines außernormalen Charakters oder durch verstärktes Anknüpfen im gesellschaftlichen Normalbereich entsteht. Arbeiterbewegung, [...] Revolution und [...] Kampf gegen den KapitalismusNeue Beschreibungen, neue Erklärungen stellen neue Probleme und sie werfen lieb gewonnene Gewohnheiten über den Haufen. In unserem Fall die Sicht all jener Antifas, die im DDR-Sozialismus immer noch die erstrebenswerte Alternative zum Kapitalismus sehen wollen, welche nur durch eine unglückliche Konstellation des Schicksals oder des Verhältnisses revolutionärer/konterrevolutionärer Kräfte von der Bildfläche ihrer Fernsehapparate verschwand. Doch wenn alltagskulturelle Prägungen als dauerhafte, sich langfristig fortsetzende Kräfte bestimmt werden, dann lassen sich die letzten 10 Jahre rassistischer Mob im Osten nicht allein mit der Bemerkung, es seien die kapitalistischen Verhältnisse, die Pogrome und Überfälle entfesselt hätten, erklären. In der Tat sind es die kapitalistischen Verhältnisse, unter denen die Entfesselung des Mobs stattfand. Aber es war eben nur seine Entfesselung. Seiner Entstehung liegen offensichtlich Strukturen im antifaschistischen aber trotzdem deutschen Staat DDR zugrunde.Das schockierte viele, die sich lieber die schon angetestete Version einer antikapitalistischen Alternative im Kopf erhalten hätten. In der Diskussion über die Schuld der DDR, ging der Beispielcharakter der Tradierung von autoritären Strukturen, Nationalismus und Arbeitswahn durch Praxis und Ideologie des real existierenden Sozialismus etwas unter. Ganz offenkundig haben alle deutsche Staaten sich ihr kulturelles Erbe erhalten. Nur blieb über das Erstaunen, daß es in der Tat beide deutsche Staaten waren, die Frage ungeklärt, ob die Teilung wenigstens partiell zu positiven Ergebnissen führte. Aber zumindest war anfänglich geklärt, warum Leute, die von der Wiedererrichtung der Pionierorganisation "Ernst Thälmann" träumen und auch noch wissen, was die Wirklichkeit dieser Organisation war, sich der NPD zuwenden und mit autonomen Gruppen nichts anfangen können. Die Schwierigkeiten beim positiven Bezug auf den historischen Widerstand gegen Nationalsozialismus und Kapitalismus waren damit aber eher aufgeworfen als gelöst. Die entsprechenden Themen wurden eher am Rande verhandelt und bewegten sich zwischen Festhalten an den Traditionen des Widerstands und klaren Distanzierungen von den Formen der dogmatischen, parteikommunistischen Linken. Auch die revolutionäre Frage wurde auf dem Kongreß kaum bis gar nicht verhandelt. Zwar war der Kapitalismus als Kurzformel für unsere Verhältnisse hoch im Kurs und somit auch der Kampf gegen ihn ein beliebtes Ziel, der Realitätssinn der TeilnehmerInnen reichte aber soweit, festzustellen, daß der Umsturz dieser Verhältnisse nicht unmittelbar bevorstehen konnte, entsprechende Diskussionen also bis auf weiteres aufgeschoben werden können. Nur gelegentlich wurden Stimmen laut, die meinten durch das etwas mühsame Studium des Marxschen Kapitals und die Vermittlung der entsprechenden Kenntnisse an die ArbeiterInnen (und ihre Verbündeten) sei auf diesem Gebiet Abhilfe zu schaffen. Kritik am herrschenden ArbeitsbegriffSollte jedoch eine Hitliste der Kongreßthemen erstellt werden, so wäre der überraschende Chartbreaker die Kritik am herrschenden Arbeitsbegriff. Überraschend deshalb, weil der Arbeitsbegriff im Vorfeld des Kongresses keine wesentliche Rolle gespielt hatte. Dann nutzen aber gleich mehrere Referate den Arbeitsbegriff als Referenz für ihre Thesen und lösten engagierte Diskussionen aus.Die Starqualitäten des Arbeitsbegriffs lagen nicht in der langen Tradition der ökonomischen Untersuchungen über ihn oder den vielfältigen Kämpfen um die gesellschaftliche Feststellung der Entlohnung von Arbeit, sondern in seinem ideologischen Gehalt in der Gegenwart. Während einerseits behauptet wird, der gegenwärtigen Gesellschaft ginge nach der x-ten Runde von Automation und technischer Revolution nun doch endlich die Arbeit aus oder selbige werde aus Kostengründen via Globalisierung ins Ausland transferiert, gilt scheinbar für alle relevanten gesellschaftlichen Kräfte, was der moderne Mensch brauche, sei Arbeit, Arbeit, Arbeit. Diese Melodie zu den aktuellen Zuständen wird uns mit solcher Vehemenz um die Ohren geblasen, daß bei allem angeborenen Mißtrauen gegen jede einzelne Strophe des Postfordismus-Globalerneoliberalismus-Arbeiarbeitarbeit-Liedes in der Diskussion immer Teile der Musik gegen andere angestimmt wurden. Weitgehende Einigkeit bestand jedoch insoweit, als die gesellschaftlich übliche Einschätzung, der Mensch sei zum arbeiten da, abgelehnt wurde. Nicht der Mensch braucht die Arbeit, sondern die Arbeit braucht den Menschen. Das einer solchen Binsenwahrheit von jedem Wahlplakat herunter Hohn gesprochen werden kann, sagt viel über die Gesellschaft aus. Was den Menschen in der Gesellschaft erst zum Menschen macht ist eine positiv besetzte Rolle in ihr. Wer da nicht von vornherein ein paar Macht verschaffende Privilegien bei der Hand hat, muß sich also wohl oder übel sein Menschsein erarbeiten - vorzugsweise durch Lohnarbeit. Bei Arbeitslosigkeitsraten von um die 20 Prozent ist das für ein Fünftel der Gesellschaft leichter gesagt als getan. Auch hier zeigt sich, wie wenig 40 Jahre DDR wirklich verändert haben, denn auch im Osten ist Arbeitslosigkeit nicht nur ein Problem des leeren Portemonnaies, sondern sinkender Selbstachtung und des Gefühls des Nicht-mehr-gebraucht-werdens. So erhebt sich gerade in der Zone nicht etwa der Ruf nach mehr Geld zum Leben, sondern nach Arbeitsplätzen. Der Selbsthaß, der all jene überfällt, die in der schönen neuen Freizeitgesellschaft per Zwang aus dem Kreislauf von Abrackern und Erholen rausfliegen und sich schon aus Mangel an Arbeit nicht mehr Erholen können, hat viel mit den Vorstellungen von der Volksgemeinschaft und ihren Feinden, den Juden, zu tun. Der Antisemitismus baut auf den Sterotypen auf, von jenen, die in ehrlicher vom Schweiß getränkter Arbeit ihrer Hände den gesellschaftlichen Reichtum erschaffen, und den anderen, die nur existieren, um die lebendige Arbeitskraft zu konsumieren, das Volk auszusaugen. Wie also könnten ordentliche Deutsche - Männer und Frauen - ein Leben ohne Arbeit voll Genuß führen? Der Arbeitsbegriff ist damit ein gesellschaftlicher Bereich von hoher Relevanz, in dem sich typische Elemente einer nationalsozialistischen Weltanschauung transformieren. Denn eines sollte klar sein, der heutige Arbeitsbegriff und der nationalsozialistische gleichen sich nicht wie ein Ei dem anderen. Vielmehr ist es gerade die veränderte Wahrnehmung moderner Arbeitsverhältnisse, die auch Anpassungen im Begriff der Arbeit nach sich ziehen müßte. Hier findet ein Ringen statt, daß deshalb so zäh und widersprüchlich verläuft, weil Gesellschafts- und Arbeitsstrukuren nicht voneinander zu trennen sind. Auch hier erlauben die alltäglichen Wahrheiten keine allzu raschen Veränderungen, es sei denn, sie werden mit Gewalt durchgesetzt. Jeweils als Beispiel eingeführt, fehlte der Diskussion um den Arbeitsbegriff eine grundlegende Analyse. So schwirrten einerseits immer wieder die bekannten Ideologiefragmente als vermeintliche Argumente durch den Raum und blieben andererseits wesentliche Aspekte unberücksichtigt. Wenn über Arbeit diskutiert wurde, dann grundsätzlich nur über jene das gesellschaftlich Bild bestimmende, wie sie Adolf Hennecke als männlicher, rußverschmierter, schwitzender, nackter Oberköper beispielhaft symbolisiert. Arbeit als Quelle von Lohn kam vor, Arbeit als stupide Reproduktion des häuslichen Lebens, wie sie vom Bild der Mutter und Hausfrau symbolisiert wird, nicht. Dabei hätten gerade Stichworte wie prekäres Arbeitsverhältnis oder Dienstleistungsgesellschaft Anlaß sein können, das Bild der männlichen Lohnarbeit auch aus dieser Perspektive anzugreifen. neben Kapitalismus auch immer über Rassismus und Patriarchat reden müssenEine Lücke zu sehen, heißt leider noch nicht, sie ausfüllen zu können. So wie beim Arbeitsbegriff die einseitige männliche Perspektive in der Diskussion zwar punktuell benannt wurde, eine Korrektur des Mankos jedoch nicht erfolgte, so schienen einige die Themen Rassismus und Patriarchat insgesamt zu vermissen, ohne sie jedoch ihrerseits vehement in die Diskussion einzubringen. Meist reduzierten sich entsprechende Fragen und Bemerkungen auf die Bekenntnisse, das jeweilige Thema für wichtig zu erachten.Eine andere Kongreßvorbereitung hätte zweifelsohne von vornherein diese Themenkomplexe stärker in den Mittelpunkt rücken können. (Zu einer ausführlichen Kritik bezüglich der Sexismusdiskussion siehe auch "soundso" ab S. ) Die unausgefüllten Lücken in der Diskussion und die nur phrasenhafte Benennung dieser Lücken in Referaten und Diskussion, weisen auf einen grundsätzliches Defizit an verbindenden Analysen hin. Für den Zusammenhang zwischen Sexismus als Unterdrückungsverhältnis und Nazis als gesellschaftlichem Phänomen, reicht es weder, darauf hinzuweisen, daß Nazis auch sexistisch sind, noch die Namen Adorno und Horkheimer oder Theweleit fallen zu lassen. Lange Zeit war das Thema Frauen und Nationalsozialismus auf Eva Braun, die Geliebte des Führers, beschränkt geblieben. Die wenigen Untersuchungen aus den 90er Jahren zu Frauen in der Naziszene, haben bisher noch keine weitergehende Diskussion angestoßen, die verdeutlichen würde, wie der Zusammenhang zwischen rechter Alltagskultur und Sexismus zu beschreiben ist. Zum anderen stellt sich die Frage, ob ein solcher Zusammenhang als Zugang zum Thema Sexismus als angemessen angesehen wird. Zwar hätte sich dies aus der Logik der Kongreßthematik ergeben, aber es gibt auch noch einen anderen Weg, das Thema in die Diskussion einzuführen: welche sexistischen Strukturen bestimmen die Antifa. Etwas anders ist die Diskussion bezüglich Rassismus. Rassismus ist als grundlegendes Element von Nazivorstellungen akzeptiert. Auch der gesellschaftlich wirksame Rassismus wird als bekannt vorausgesetzt. Was jedoch unklar bleibt, ist die Frage, wie sich das auf antifaschistische Praxis auswirkt, solange innerhalb der autonomen Linken Antirassismus und Antifaschismus als zwei verschiedene Politikfelder betrachtet werden. Das in den letzten Jahren steigende Interesse von Antifa und Antira aneinander, drückte sich auf dem Kongreß nur in der vereinzelten Teilnahme von AktivistInnen der Antiraszene aus. Ein Zusammengehen auf inhaltlicher und organisatorischer Ebene ist jedoch noch nicht erfolgt. Vorträge mit mehr als zehn Fremdwörtern stießen [...] auf ZuspruchBei allen Mängeln, die den Diskussionen nachgesagt werden können, war die Gesamteinschätzung des Kongresses jedoch positiv. Unter der inhaltlichen Klammer rechter Dominanzkultur gelang es Probleme deutlich zu benennen, denen sich linksradikale Strategien stellen müssen. Die Lösung aller Probleme wurde vorerst noch nicht verraten, damit Politik machen auch in den nächsten Jahren noch spannend bleibt. Dafür wurde jedes Angebot inhaltlicher Auseinandersetzung dankbar angenommen. Dies äußerte sich weniger in heftigen Diskussionen, als vielmehr in einer ständigen Atmosphäre allgemeiner Interessiertheit,Der Diskussionskultur hingegen war anzumerken, daß dies eine Premiere für die Antifaszene war. Die zivilisatorischen Standards wurden fein säuberlich beachtet, nur inhaltlich hatten sich die allgemeinen Regeln, am Problem zu diskutieren, aufeinander Bezug zu nehmen und insgesamt das inhaltliche Vorwärtskommen als gemeinsames Hauptziel zu verfolgen, kaum durchgesetzt. Geredet wurde vielfach als Bekenntnis, als Agitation, als Alleinunterhaltung oder als Monolog, was letztlich den so vorgetragenen Positionen selbst am meisten schadete. Aus den Ohren aus den Sinn und der nächste Redner nahm den Faden häufig nicht auf. Positiv dürfte die Erfahrung des Kongresses auch für all jene Referierenden gewesen sein, die selbst nicht aus antifaschistischen Zusammenhängen kamen. Herrschte bei ihnen im Vorfeld starke Verunsicherung, was denn nun ausgerechnet sie auf einem Antifakongreß zu suchen hätten und ob ihre Themen bei einem solchen Publikum überhaupt ankämen, konnten derartige Befürchtungen im wahrsten Sinne des Wortes in Wohlgefallen aufgelöst werden. All jenen, die dem Ruf des Bündnis gegen Rechts nach einem Referat nicht folgten, ist ein großartiges Publikum entgangen. "Hirnwichse" für AntifasZu jenen, die sich den Kongreß entgehen ließen, gehören die Zeitschriften konkret und jungle World. Beide im Vorfeld ausdrücklich um Unterstützung bei der Realisierung eines Kongresses gebeten, der mehr sein wollte als ein Antifatreffen, fiel die Reaktion bei jungle World und konkret mehr als verhalten aus. So gab es keinerlei inhaltliche Unterstützung, Werbung oder sonstige Auseinandersetzung für den Kongreß, sieht man vom einmaligen Abdruck einer Anzeige in der jungle World und einem Bericht darüber daß der Kongreß stattfinden werde zwei Tage vor seinem Beginn ab. Mehr war nicht drin. So war es nur folgerichtig, daß die OrganisatorInnen während des Kongresses auch auf die Verwendung der Logos beider Zeitschriften als Unterstützerinnen verzichteten.Ist bei konkret schon seit Jahren (Jahrzehnten fast) zu verzeichnen, daß kein Verlangen danach besteht, Politikansätze zu unterstützen, welche theoretische Arbeit der Zeitschrift in die Praxis von Gruppen übersetzen, so war eine solche Haltung bei der jungle World kaum vorauszusehen. War es doch jener Teil der jungen Welt-Redaktion gewesen, der beklagte, daß beispielsweise antifaschistische Themen immer schwerer in der Tageszeitung zu plazieren seien, der dann die jungle World als Alternative vorstellte. Dieses Interesse an antifaschistischer Politik scheint sich in den letzten Monaten grundlegend gewandelt zu haben. Statt entsprechender Berichte und Diskussionen ist die Antifaseite gefüllt mit Rechercheergebnissen fragwürdiger Qualität. So war in der Zeit vor dem Kongreß keine Möglichkeit vorhanden, grundlegende Thesen zu rechter Alltagskultur und Nazidominanz zu veröffentlichen oder gar zu diskutieren. Gleichzeitig berichtete die jungle World jedoch über die Biersorten, welche in Nazikneipen verkauft werden. Wie wenig Interesse an den sich anbahnenden Diskussionen vorhanden war, wurde dann an dem Artikel zum Kongreß deutlich, der konträr zu jedem angestrebten Inhalt mit dem Bild eines unbedeutenden Naziaufmarschs illustriert wurde. Konkret konnte ein solcher Fauxpas natürlich nicht unterlaufen, da der von der Zeitschrift "unterstützte" Kongreß nichteinmal in der Terminspalte gefeatured wurde. Über Gründe für dieses Desinteresse kann nur spekuliert werden, obwohl sich andererseits jedes Spekulieren verbietet. Wenn in den weniger als 20 Zeilen, die der jungle World eine Berichterstattung nach dem Kongreß wert war, festgestellt wird, "alle, alle waren gekommen", so kann dieses Desinteresse nur heißen, daß auch die jungle World, wie konkret schon lange, keine Zeitschrift für die Antifa mehr sein will.Womit sich eigentlich die Frage stellt, wer denn dann solche Zeitschriften noch brauchen soll. Aber diese Frage ist angesichts einer Antifabewegung, die Inhaltliches sucht, schon wieder geklärt. Schade nur, daß die entsprechenden Aneignungsprozesse nur unter Überschriften wie ">>Hirnwichse<< für Antifas" kommentiert werden können und ansonsten die AutorInnen in ihrer geschützten Beobachtungsposition bleiben. Wer die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, daß sich in dieser Beziehung wieder was zum besseren wandeln könnte, kann diese Position 2000 überprüfen, denn ... Der "Verstärker-Kongress" soll nächstes Jahr wieder stattfinden.... und ein Nachbereitungsreader, der Referate und Diskussionen dokumentieren soll, ist für alle, die es diesmal verpaßt haben, in Vorbereitung.
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