Eiko und Volker
Das fatalistische Paradigma vom Scheiterns der Umsetzung gesellschaftlicher
Utopien, unter dessen Vorherrschaft sich auch traditionell kritische
Intellektuelle in den zivilgesellschaftlichen Chor eingereiht haben,
kennzeichnet sich unter anderem durch die Verkündung von
Endzeitgefühlen: Ende der Geschichte, der Kunst, der Ideologien (das
Feuilleton sieht darin gerne den Nachweis, daß die Rechts -
Linksunterscheidung obsolet geworden sei). Nichts scheint mehr so zu sein, wie
es noch nie war. Die Linke hat sich vorerst nur mit dem Ende der Subkulturen,
bzw. der mit ihr assoziierten Vorstellungen von Rebellion, Emanzipation und
einer praktischen Form des Antikapitalismus angefreundet. Das Ende des
"Subversionsmodells Pop" wurde emphatisch verkündet, der alles
vereinnahmende Markt als Sieger gekürt.
Wenn nun Substream und Mainculture nur noch miteinander, vielleicht auch
gegeneinander zu denken sind, da subkulturelle Erscheinungen sich durch die
Abgrenzung zum Mainstream, durch ein "anderssein" definieren, sind sie doch
gleichzeitig aber in ihrer Distribution auf die Strukturen der kapitalistisch
organisierten Kulturindustrie angewiesen wie der etablierte Mainstream. Fragt
sich wie schlimm das eigentlich ist und ob die richtige und alles andere als
neue Feststellung, daß es kein außerhalb kapitalistischer
Verhältnisse gibt, nicht reicht, das Jammern über Majors und den
Ausverkauf von diesem und jenem zu beenden.
Schon die These von der Kulturindustrie war angetreten zur Verteidigung der
(klassischen) Moderne, die noch auf der Unterscheidung zwischen Hoch- und
Massenkultur basierte, während dieser Antagonismus im Pop (und damit im
Markt) als überwunden galt.
Wichtiger scheint uns die Frage, wie sich überhaupt Bedeutung einschreibt,
vermittelt, verschiebt und verändert bis hin zur Umkehrung ins Gegenteil.
Dabei spielt die Frage nach Original und Authentizität eine zentrale
Rolle. Diese und andere essentielle Kategorien sind im Rahmen
poststrukturalistischer Theorien nachhaltig erschüttern worden. Für
weite Teile der Linken scheinen jedoch die "eigenen" kulturellen Erzeugnisse
nach wie vor fest um einen linken Kern gruppiert, das Zielpublikum festgelegt,
das Produkt außerhalb nicht verkäuflich. Leider ist festzustellen,
daß sich von anderer Seite nicht an das imaginierte Copyright gehalten
wird. In Bezug auf Sprache, rebellische Gesten und Musik könnte man von
einem Diebstahl linker Codes sprechen.
Dagegen denken wir, daß sich als links, emanzipatorisch, etc. verstehende
kulturelle Äußerungen darauf angewiesen sind, ihre Abgrenzung zum
(hoch)-kulturellen status quo neu zu bestimmen, jedes statische Verharren in
sogenannter Eigentlichkeit aufzugeben, den eigenen Kontext stets neu zu denken
und die Ästhetische Vermittlung politischer Positionen nicht auf einen
bestimmten Formenkanon festzuschreiben. "Sprich fremde Sprachen im eigenen
Land" (Fehlfarben) war die richtige Aufforderung, die Rebellion gegen und die
Abgrenzung von Eltern und Establishment durch eine eigene, dem Gegner
unbekannte Sprache radikal kenntlich zu machen, doch diese Strategie verkommt
wie im Falle der "Spex" zu einer Art krudem Geheimwissen, zu einem Habitus, der
sich selbst genug ist.
Wie Diedrich Diederichsen in seinem zur genüge kritisierten Essay "Der
Boden der Freundlichkeit" (vgl. Jungle World Nr. 20, 1998 und Die
Beute, Nr. 1, 1998 ) ausführlich nachgewiesen hat, macht die Linke
nach wie vor mit Kultur Politik und ist unserer Meinung auch darauf angewiesen,
ihre Positionen auch ästhetisch zu vermitteln. Ein reiner
Ideologietransfair ist schwer vorstellbar, mitunter auch langweilig. Auch die
Attraktivität der Linken ist gerade hinsichtlich der Integration
Jüngerer von ihrer kulturellen Praxis abhängig. Schon die Entstehung
der Neuen Linken war nicht durch eine ökonomische Position motiviert,
sondern vielmehr aus einer Mischung aus politischer Empörung und
Faszination einer anderen Alltagspraxis. Um diese andere Alltagspraxis, die
Verbindung von Politik und Leben ist die Linke seit über 30 Jahren
bemüht, sowohl die Situationisten, als auch die 68er, die Spontis und die
Autonomen in den 80er Jahren suchten danach, diese Fusion zu ermöglichen.
Dies unterschied sie von der Rechten ( u.a. versteht sich). Erst in letzter
Zeit ist nach dem Scheitern der Wohlfahrtsausschüsse in der Linken eine
Abkehr davon zu bemerken. Die unproduktive Unterscheidung in sogenannte
Kulturlinke und politische Linke ist unserer Meinung nach ein Ergebnis davon.
Gleichzeitig ist zu beobachten, daß die Naziszene sich mit Erfolg
bemüht eine eigene kulturelle Praxis zu entwickeln und dabei traditionell
linke Codes sich zu eigen macht. Bei genauerer Betrachtung ist festzustellen,
daß alle übernahmen, Bedeutungsverschiebungen etc. sich linker,
vakanter Codes bedienen. Wenn Nazikids heute ebensogut auf Hardcore-
und Punkkonzerte gehen können, wenn die JN die Diktion der Antiimps aus
den 80er Jahren kopiert ("den Imperialismus mit revolutionären
Nationalismus besiegen"), wenn die Kameradschaften das autonome
Kleingruppenmodell nachahmen, dann läßt sich trotz inhaltlicher
Unterschiede feststellen, daß allen genannten Beispielen ein starker
Bedeutungsverlust in der radikalen Linken vorrausging. Die Linke besitzt
nichts. Sie kann vielleicht eine Zeit lang die Definitionsmacht über ihre
kulturellen Aneignungen halten, ihre Symbole und Codes sind nicht essentiell.
Als am ersten Mai 1998 die Nazis am Völkerschlachtdenkmal in Leipzig eine
geordnete Kundgebung durchführen wollten und dabei von dezentral
agierenden Antifas mehr oder weniger gestört wurden, sagten wir zurecht,
daß symbolisch unser Chaos gegen ihre deutsche Ordnung stand. Es gibt
jedoch zahlreiche Beispiele, wo das Gegenteil der Fall ist. Das
Subversionsmodell ergibt sich stets aus der Relation, nie aus sich selbst
heraus.
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