STAATLICHE STRATEGIEN
Schulen - Thesen zum Referat

Grünau-AG
  1. Erklärt was wir wollen
  2. Erziehung als Anspruch
  3. Schule als institutionalisierte Autorität/Fit for fun – Wer darf wieviel wissen
  4. Das Schlangenei - Alternativschulen
  5. Optionen linksradikaler Intervention im bestehenden Schulsystem


Wie wird in Schulen Rechtsextremismus entgegengewirkt oder wird durch eine fehlende Auseinandersetzung mit dem NS einer neuen NS-Jugendbewegung Vorschub geleistet?
Was sollte ein linksradikaler Anspruch an das - in die gesellschaftlichen Verhältnisse eingebettete – Schulsystem sein? Gibt es einen solchen Anspruch überhaupt?

1. Erklärt was wir wollen

Als wir uns im Rahmen der Themenstruktur des “Verstärkerkongresses” dem der Schulen zuwandten, ordneten wir es wie selbstverständlich noch dem Schwerpunkt der sogenannten staatlichen Strategien unter. Im Rahmen der Bearbeitung des Themas konnten wir aber feststellen, daß dies nicht möglich sei unter der Prämisse, in den Schulen nur die Bildungsinhalte und deren (vermeintliche) Wirkung auf junge Menschen hinsichtlich einer Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zu untersuchen. Schon nach erster Betrachtung stellte sich ein Zusammenhang zwischen der staatliche Institution Schule und dem was darin stattfindet bzw. stattfinden könnte, dem Prozeß der Erziehung und Bildung als doppeltem Anspruch dar.
Es machte sich daher notwendig Schule insgesamt einer radikalen Kritik zu unterziehen, wobei wir zum einen die in der Institution Schule permanent reproduzierte Autorität und zum anderen dem aufklärerischen Anspruch den Schule hat, die Limitierung von Bildungsinhalten gegenüber stellen. Hinzu kam, in Anerkenntnis der Existenz von Schule als staatliche Strategie, trotzdem nach Optionen einer linksradikalen Intervention zu suchen.

Erziehung (...) als eine zu kritischer Selbstreflexion (Adorno) war für uns Determinante unserer Kritik.
Wenn wir im Referat von Schule sprechen, dann beziehen wir uns auf einen Zeitraum zwischen etwa dem sechsten und dem zwanzigsten Lebensjahr junger Menschen. Als zivilisatorische Spezifika läßt sich hier nahezu weltweit die organisierte Bildung und Erziehung, in differenzierten Zeiträumen und graduierten Resultaten konstatieren. In Deutschland sind es die Formen von Grund-, Haupt- und Realschule sowie Gymnasien die diese Spezifika in staatliche Struktur einbinden.

2. Erziehung als Anspruch

(Die Thesen dieses Abschnittes sind aus dem Vortrag “Erziehung nach Auschwitz” entnommen, den Theodor W. Adorno 1969 im Hessischen Rundfunk gehalten hatte)
Jede Debatte über Erziehungsideale ist nichtig und gleichgültig diesem einen gegenüber, daß Auschwitz nicht sich wiederhole. Es war die Barbarei, gegen die alle Erziehung geht. Man spricht vom drohenden Rückfall in die Barbarei. Aber er droht nicht, sondern Auschwitz war er; Barbarei besteht fort, solange die Bedingungen, die jenen Rückfall zeitigten, wesentlich fortdauern. (...) Wenn im Zivilisationsprinzip selbst die Barbarei angelegt ist, dann hat es etwas Desperates (Verzweifeltes d. AutorInnen), dagegen aufzubegehren. Die Besinnung darauf, wie die Wiederkehr von Auschwitz zu verhindern sei, wird verdüstert davon, daß man dieses Desperaten sich bewußt sein muß, wenn man nicht der idealistischen Phrase verfallen will.
Trotzdem ist es zu versuchen, auch angesichts dessen, daß die Grundstruktur der Gesellschaft und damit ihrer Angehörigen, die es dahin gebracht haben, heute die gleichen sind, wie vor fünfundzwanzig Jahren. (...)
Da die Möglichkeit, die objektive, nämlich die gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen, die solche Ereignisse ausbrüten, zu verändern, heute aufs äußerste beschränkt ist, sind Versuche der Wiederholung entgegenzuarbeiten, notwendig auf die subjektive Seite abgedrängt.

Die Wurzeln sind in den Verfolgern zu suchen, nicht in den Opfern, die man unter armseligsten Vorwänden hat ermorden lassen. (...) Man muß die Mechanismen erkennen, die die Menschen so machen, daß sie solcher Taten fähig werden, man muß ihnen selbst diese Mechanismen aufzeigen und zu verhindern trachten, daß sie abermals so werden, indem man ein allgemeines Bewußtsein dieser Mechanismen erweckt. Nicht die Ermordeten sind schuldig, nicht einmal in dem sophistischen und karikierten Sinn, in dem manche es heute noch konstruieren möchten. Schuldig sind allein die, welche besinnungslos ihren Haß und ihre Angriffswut an ihnen ausgelassen habe. Solcher Besinnungslosigkeit ist entgegenzuarbeiten, die Menschen sind davon abzubringen, ohne Reflexion auf sich selbst nach außen zu schlagen. Erziehung wäre sinnvoll überhaupt nur als eine zu kritischer Selbstreflexion.

Das Pathos der Schule heute, ihr moralischer Ernst ist, das inmitten des Bestehenden nur sie, wenn sie sich dessen bewußt ist, unmittelbar auf die Entbarbarisierung der Menschen hinzuarbeiten vermag.

3. Schule als institutionalisierte Autorität/Fit for fun – Wer darf wieviel wissen

Es gibt kein System Schule außerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse. Selbst alternative Schul- und Erziehungsmodelle sind nicht autonom von staatlichen Strategien zu denken. Ihr anderer Anspruch relativiert sich durch Reglementieren der zu vermittelnden Bildungsinhalte durch den Staat und die Tatsache, daß die SchülerInnen solcher Eirichtungen aus einer autortär-familiären Struktur (wir berücksichtigen durchaus Versuche antiautoritärer Erziehung in familienähnlichen sozialen Zusammenhängen, können derzeit aber noch wenig über deren gesellschaftliche Relevanz sagen) in solche Schulen kommen und nach deren Abschluß – meist nach absolvierten Prüfungen mit staatlichen Vorgaben als Grundlage - in eine autoritär-staatliche Struktur entlassen werden.

Schule ist die Systematik per se, die das Verhältnis zur Autorität über das der natürlichen (z.B. Familie u. Alter) hinaus entwickelt. Sie bringt zum einen das ihr ausgesetzte Individuum in ein verändertes Verhältnis zur vorgegebenen natürlichen Autorität (rekognitive respektive Anti-Emanzipation), prägt parallel aber den allgemeinen Umgang mit Autorität als anerkennendend. Sie fügt dem natürlichen autoritären Verhältnis, welches sich mit fortschreitender Autonomie des Individuums abbauen solle, das neue der Autorität durch Kompetenz hinzu. Dabei geht Schule von der Statik dieser Kompetenz aus. Vermittlung von Bildung durch Schule ist lediglich Anspruch, dem die Limitierung von Bildungsinhalten nach Qualität und Quantität voraus geht.

Schule verhindert die Selbstreflexion der Individuen, obschon sie im Prinzip der faktischen aber unbewerteten Aufklärung als Anspruch optional angelegt ist. Dieser Anspruch ließe sich als Erziehung formulieren, basiert aber (s.o.) auf der unbedingten Aufrechterhaltung einer permanenten Kompetenz.

Mit der Technologie des Buchdruckes wurde eine neue Art der Wissensvermittlung und –aneignung geschaffen. Lesen und Schreiben sind zu neuen Hürden geworden, die erst einmal genommen werden müssen, um als Erwachsene zu gelten. Die schriftliche Informationsweitergabe schaffte neue Wissenshierarchien – wer nicht daran teilnehmen kann, wird entwertet. (“Wer lesen kann ist klar im Vorteil...” ist mittlerweile umgangssprachlich Usus. Die Nachteile des Nichtlesenkönnens werden dabei fast nicht mehr mit gedacht.)

Mit der Herausbildung des frühen Kapitalismus und seiner in Technologie (z.B. Dampfmaschine) verwirklichten Produktivität, wird ein limitierter Wissensumfang für die in der geteilten Arbeit beschäftigten Menschen als notwendig erachtet. Erste Formen der Schulpflicht bereiten die Kinder auf diesen Einsatz, - und nur darauf vor.

Eine der wichtigsten Wissensaneignungen, welche die Kommunikation mit der Umwelt überhaupt erst ermöglicht, das Erlernen der Sprache, vollzieht das Kind bereits weit bevor es die Schule besucht. Eltern, d.h. Frauen/Mütter sind hier die besten LehrerInnen.

Eine historische Betrachtung des Berufsstandes der LehrerInnen führt zu der bedrückenden Einsicht, daß LehrerInnen in gesellschaftlich heiklen Situationen stets versagt haben.

Die Realität liefert zu vielem realen Grund, als das eine Entrüstung über Flucht aus ihr anstünde. Die schulische Realität allemal.

4. Das Schlangenei - Alternativschulen

Alternativschulen erfüllen die gleiche Aufgabe der Zurichtung für die kapitalistische Gesellschaft, nur in anderer (?) Form. Zudem werden oftmals Bildungsinhalte vermittelt die auf autoritären weltanschaulichen Bildern beruhen (Waldorf-Schulen mit der Steiner’schen Antroposophie als weltanschaulicher Grundlage)

(... hier wird im Referat eine Entzauberung dieses Alternativschulkonzepte erfolgen)

5. Optionen linksradikaler Intervention im bestehenden Schulsystem

Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule wird bestimmt durch das Recht eines jeden jungen Menschen auf eine seine Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Erziehung und Bildung ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage. (Schulgesetz Sachsen)

Im Fach Ethik werden den Schülern religionskundliches Wissen, Verständnis für gesellschaftliche Wertvorstellungen und Normen sowie Zugang zu philosophischen und religiösen Fragen vermittelt. (Schulgesetz Sachsen)

Der Beamte hat bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergibt. (Beamtengesetz Sachsen)
Sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muß der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert (Beamtengesetz Sachsen)

Pädagogische Programme, Konzepte und Ansätze vermitteln den Eindruck, daß sie in der Lage sind “rechte” Jugendliche wirklich zu erreichen und zu beeinflussen ... Dabei sollte eigentlich nach langjährigen Erfahrungen Konsens sein, daß chauvinistisch, rassistisch, rechtsextrem orientierte Jugendliche – im weitesten Sinne – durch pädagogische Einflüsse (Angebote) nicht erreicht werden und beeinflußbar sind.
Wenn Schule oder Pädagogik auf diesem Gebiet keine Ergebnisse sehen, streichen sie es kurzerhand aus ihrem Zuständigkeitsbereich heraus.

Angesichts der politischen Entwicklung muß politische Bildung sich eingestehen, welche Fehler sie in der Vergangenheit beging und Konzepte entwickeln.
Sogenannte Konzepte für den Umgang mit rechtsorientierten Jugendlichen sind auch Schulen, werden auch für Schulen entwickelt und erfreuen sich einer hohen Beliebtheit. Stellt sich hierbei nur die Frage, welche Gefahr sie in sich tragen, auch auf der Grundlage des Scheiterns der sogenannten akzeptierenden Jugendarbeit mit Rechten

Wäre mein Onkel noch am Leben, er würde heute sicherlich statt des "Ich bin ein Berliner" "Ich bin ein Ausländer" sagen. (TAZ vom 04.12.1992 Interview mit Joseph Kennedy)


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