Kritik staatlicher Sozialarbeit: Sozialarbeit als Intervention?
Thesenpapier

Broschürengruppe "Rosen auf den Weg gestreut"
  1. Akzeptierende Jugendarbeit
  2. Antifaschistische Jugendarbeit
  3. Wie baue ich eine Jugendbewegung?


Kritik staatlicher Sozialarbeit: Sozialarbeit als Intervention?

? Sozialarbeit bewegt sich grundsätzlich im Widerspruch zwischen sozialer Kontrolle, "Polizeifunktion" und Hilfe.

? Die emanzipatorische Antwort, wie sie in den 70er Jahren entwickelt wurde, "Hilfe zur Selbsthilfe" ist nicht auf rechtsradikale Cliquen anzuwenden, insbesondere nicht auf Kader, oder gar in Zonen sogenannter kultureller Hegemonie der FaschistInnen.

? Projekte, wie z.B. das AGAG, sollten lediglich die auffällige Gewalttätigkeit dämpfen. Das herumdoktern an der auffälligen Gewalt berührt aber die Wurzeln, die Einstellung, nicht und hat damit in vielen Fällen nur zu einem "intelligenteren" Verhalten der FaschistInnen geführt. Eine Auseinandersetzung mit den Inhalten, Wertvorstellungen und mit den Taten findet nicht, oder nur sehr begrenzt statt.

? Eine Überwindung der faschistischen kulturellen "Hegemonie" in bestimmten Gebieten ist nicht zu leisten ohne die Billigung und Stützung durch Teile der Bevölkerung wie auch staatlicher Stellen ins Auge zu fassen, d.h. die Kritik zu erweitern auf die Lebens- und Wertvorstellungen dieser Gesellschaft. Stichworte dafür sind: Arbeitsethos (wer nicht arbeitet soll auch nicht essen), Rassismus, Nationalismus, Sexismus...

Akzeptierende Jugendarbeit

? Aus der Annahme heraus, daß die faschistischen Jugendlichen mit ihrer Gesinnung nur soziale Räume einforderten und sich ihre Einstellung verlöre, sobald diese Forderung erfüllt und mit "Beziehungsarbeit" unterfüttert werde kam es dazu, daß das zur Verfügung stellen von Räumen einer der zentralen Punkte der AJ wurde. Der vordergründige Erfolg liegt im zeitweiligen Verschwinden der auffälligen Jugendlichen von der Straße.

? Durch die infrastrukturelle Unterstützung und im Zusammenhang mit dem Konzept der Akzeptanz müssen wir von einer Unterstützung faschistischer Strukturen sprechen.

? Es findet in der AJ eine Entpolitisierung der FaschistInnen als Desorientierte statt. Die Sichtweise vom "Modernisierungsverlierer" macht die Täter zu Opfern und nimmt ihnen die Eigenverantwortung.

? FaschistIn zu sein setzt keine geschlossene Ideologie bzw. kein geschlossenes Weltbild voraus. Wir haben es in der Regel mit einem Konglomerat von autoritären, hierarchisierenden, ausgrenzenden, patriarchalen und nicht zuletzt rassistischen und nationalistischen Verhaltensmustern und Orientierungen zu tun. Das unterscheidet sie nicht vom durchschnittlichen Nationalsozialisten. Wir betrachten es als einen schweren Fehler diese fehlende Kohärenz mit Desorientierung, oder gar als unpolitisch, zu bezeichnen.

? Das Ziel der Einstellungsänderung wird hintenangestellt bis aufgegeben. Zumal sich diese Einstellungen oftmals weitgehend mit kleinbürgerlichen Vorstellungen decken, bzw. diese lediglich überhöhen.

? Kulturelle Prägungen in den von SozialarbeiterInnen geschaffenen "Freiräumen" z.B. Rechtsrock oder faschistischen Symbolen wird wenig bis keine Beachtung geschenkt. Ist aber ein starkes ideologiebildendes Rekrutierungsmoment.

? Akzeptanz faschistischer Cliquen führt in die Einbahnstraße der Förderung ihrer Strukturen. Der Inhalt dieser Form von "Sozialisationsinstanz" muß entweder überwunden/verändert werden oder diese Cliquen gehören aufgelöst.

? Die Kritik am Begriff der Akzeptanz als wesentliches Prinzip der AJ zieht in Bezug auf die Frage nach Alternativen den Schluß nach sich, daß Druck und Konfrontation auf bzw. mit faschistischen Jugendlichen nötig sind. Dabei geht es realistischerweise nicht um eine Aufforderung an die PädagogInnen, die Jugendlichen zu verteufeln und auszuschließen, und "Druck aufbauen" ist auch nicht in diese Richtung addressiert. Also nicht Druck, der autoritär von PädagogInnen, die im Jugendfreizeitheim mit Schlüssel- oder Kassenverfügung etc. an den Schalthebeln der Macht sitzen. Es geht nicht um die Institutionalisierung von Gewalt als Struktur im System - sondern um den Druck von gegnerischen Jugendgruppen, die Konfrontation zwischen verschiedenen Jugendkulturen. (Keine "Runden Tische"!) Wobei die Unterstützung der gegnerischen, der antifaschistischen kritischen Gruppe eine wesentliche Frage und vordringliche Aufgabe ist, der sich gewidmet werden muß.

? Dabei ist Gewalt, die logischerweise entsteht, keine Lösung. Ganz klar nicht, vor allem wenn sie sich gegen Personen richtet. Gegen Strukturen der rechten Szene mag sie teilweise noch Sinn haben, die Zerstörung. Aber nicht gegen den individuellen Opfertäter.

? Die Opferthese (vom herrschenden Zustand) muß differenziert werden in unserem Sinne. Also nicht im Sinne von Täterentlastung, sondern im Sinne von "Leiden in/an dieser Gesellschaft". Den Leuten muß man sagen können: Dir geht's Scheiße, das ist das System, tu was dagegen.

? Also Gossenlinke. Und immer komplizierter: Richte keine Gewalt gegen Schwächere. Setz deinen Fuß in kein Nazikonzert und keinen Aufmarsch - das ist nämlich der Punkt, an dem die Bekämpfung ruhig heftiger ausfallen kann.... Den Tätern Grenzen setzen.

? Aktionen gegen den organisierten Faschismus, bzw. gegen die Organisierung des Faschismus müssen unser Anliegen bleiben.

Antifaschistische Jugendarbeit

? Antifaschistische Jugendarbeit als Projekt antifaschistischer Gruppen, Basisorganisationen oder als Anliegen professioneller Sozialarbeit folgen zunächst unterschiedlichen Ansätzen, die professionelle pädagogische Variante bewegt sich im Widerspruch zwischen reglementierender- und emanzipatorischer Arbeit.

? Es gibt in der Antifa keine speziellen Strukturen, die für antifaschistische Jugendarbeit zuständig sind/sein wollen. Die anhaltende Schwäche der antifaschistischen Bewegung wirft den Aufbau solcher Strukturen eher auf kleine Privatinitiativen zurück.

? Die Antifa setzt sich zum Großteil aus Jugendlichen und "jungen Veranstaltungen als auch politische Zusammenschlüsse vielfach sowieso an jugendlichen Welten orientiert sind.

? Nur aufgrund der Schwäche der antifaschistischen Bewegung kommt den Vorstellungen von PädagogInnen, antifaschistische Jugendarbeit zu machen, größere Bedeutung zu.

? Die berufsperspektivische Sicht von PädagogInnen ist den Selbstorganisierungsprozessen Jugendlicher nicht immer dienlich gewesen.

? Diese kritische Sicht auf die "TechnologInnen der sozialen Befriedung" bedarf einer kritischen Hinterfragung wenn wir es mit fortschrittlichen Jugendbewegung zu tun haben.

Wie baue ich eine Jugendbewegung?

? Es gibt nicht mehr die Linke. Vielmehr sollten wir von verschiedenen emanzipatorischen Ansätzen/Bewegungen sprechen denen es (noch) nicht gelungen ist gemeinsam eine neue revolutionäre Utopie zu skizzieren. So bewegen wir uns noch eher auf der Ebene partikularistischer Kämpfe denen die überaus notwendige verbindende Klammer der Solidarität abhanden noch gar nicht entwickelt wurde.

? Jugendbewegungen galten in der jüngeren Vergangenheit immer auch als Synonym für emanzipative Bewegungen. Das dies nicht immer stimmen muß ist eine seit einigen Jahren schmerzhafte Erfahrung, hat uns jedoch auch schon die Geschichte des NS gelehrt. Das bedeutet die Frage also nicht nach der fehlenden Jugendbewegung auszurichten sondern nach einer neu zu konstituierenden revolutionären emanzipativen Bewegung und ihren Organisationsformen.

? Diese ist nicht zu entwickeln im überwiegenden Rückgriff auf linke Codes, z.B. aus einer Zeit in der Patriarchat noch für viele ein Fremdwort war. Ohne uns unsere historischen Wurzeln abschneiden zu wollen, sie leben ja schließlich fort in uns und bedürfen der Bearbeitung, geht es doch um die Schaffung neuer revolutionärer Bewegungen die zum Beispiel im internationalen Rahmen den Eurochauvinismus überwunden haben.

? Linke revolutionäre Politik sollte sich aus aktuellen, jugendopportunistischen Gründen nicht ausschließlich an subkulturellen Szenen orientieren. Es besteht so leicht die Gefahr, daß diese lediglich als ein (fader) Ersatz für tatsächliches revolutionäres Geschehen genommen werden.


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