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Einleitungsveranstaltung

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Mir ist die ehrenvolle Aufgabe zu Teil gekommen, Euch recht herzlich zu begrüßen. Ich bin vom Leipziger Bündnis gegen Rechts (BgR) und würde einleitend etwas zu unseren Vorstellungen über die nächsten zwei, drei Tage sagen. Anschließend daran noch ein paar organisatorische Dinge und dann der fließende Übergang zu unserer ersten inhaltlichen Veranstaltung. Wir gehen natürlich davon aus, daß ihr alle wißt, warum ihr unserer Einladung zum Kongreß gefolgt seid. Unsere Motivation und Zielsetzung wird im folgenden kurz gesagt werden.
Wir sind bei unserer praktischen Arbeit irgendwann an Punkte gestoßen, wo ich denke, daß es hier für einer Vielzahl von Leuten genauso zutrifft, daß man mit den gängigen Interventionsmethoden an gewisse Grenzen stößt, wo sich dann ganz bestimmte Fragekomplexe auftun. Wir haben uns die Arbeit gemacht, am Ende fünf Komplexe herauszuarbeiten, die sich mehr oder weniger schwerpunktmäßig mit dem, was wir als rechte Alltagskultur bezeichnen - was nachher in dem Referat zur Sprache kommt - auseinandersetzten, haben uns diese Komplexe detaillierter angeschaut und uns da die Fragestellung genommen, wer kann da die eventl. am besten aus Praxis und inhaltlichen Diskussionen berichten. Wir haben dann im Endeffekt das, was sich hier an ReferentInnen in den nächsten Tagen hier euch vorstellen wird dazu angefragt und auch ganz klar eine Gewichtung für diesen Kongreß getroffen und gesagt, es soll ein Kongreß werden, bei dem es klar darum geht, ergebnisorientiert zu diskutieren.
Unter ergebnisorientiert diskutieren verstehen wir im Groben: Es gibt verschiedene Ansätze im Umgang mit dieser rechten Alltagskultur und es geht letzten Endes darum, woran es halt in verschiedenen Diskussionszusammenhängen, die es gibt und Organisationsformen, in denen man hängt, daß man einfach dazu kommt, einen Weg zu finden, diese verschiedenen Ansätze zu verbinden. Das heißt ganz klar, daß unsere Scherpunkte inhaltlich auf Strategien und Konzepte liegt. Deswegen nimmt das auch einen besonderen Raum ein. Dazu sage ich nachher noch mal kurz was.
Die Themenkomplexe werdet ihr ja größtenteils dem Reader und unserem Programm entnommen haben. Es geht also ganz konkret um eine Situationsanalyse, es geht um die Bedeutung der politischen Kultur, es geht um die Option Selbstverwaltung für Linksradikale und Nazis. Wir wollen versuchen, staatliche Strategien zu beleuchten und letzten Endes, wie ich schon erwähnt habe, wollen wir dazu kommen, unsere Konzepte und Strategien vorzustellen und zu diskutieren. Der Ablauf wird so sein, daß ich hier nachher das Podium verlassen werde und fließend dazu übergehen werde, die Situationsanalyse hier vorzustellen.


BgR & AAB: Situationsanalyse

Moderation: Ich freue mich, jetzt die erste inhaltliche Veranstaltung eröffnen zu dürfen. Es wird dabei um eine Gesellschafts- oder Situationsanalyse gehen, wobei das Verhältnis der Nazis zur sog. Normalgesellschaft oder Normalbevölkerung im Mittelpunkt stehen wird. Es wird mit dieser Veranstaltung der erste Teil des Kongreß eröffnet, der sich gerade solchen analytischen Fragen widmet und bis zum gewissen Teil natürlich auch eine Ursachenforschung streift. Diese Fragen werden jetzt bei dieser ersten Auftaktveranstaltung schon angestreift werden und sind sozusagen der Ausgangspunkt für das was dann morgen weiter passieren wird. Vielleicht sollte deswegen an dieser Stelle ein bißchen schon um Rücksicht gebeten werden, daß Fragen der Praxis und Interventionsmöglichkeiten heut noch nicht ganz den Schwerpunkt bilden, wie sie es dann auf jeden Fall am Sonntag tun werden, d.h. wenn es dann Fragen geben sollte oder es zur Diskussion kommt, wäre es nett, wenn die Schwerpunktsetztung von uns immer noch die Headline bzw. Ausgangspunkt unsere Fragestellung ist und sich der Situationsanalyse widmet, weil viele Antifagruppen wissen ja schon, daß bei solchen Diskussionen ganz oft die Praxis und konkrete Antifaaktionen im Mittelpunkt stehen und das war nicht ganz der Sinn von diesem ersten Analyseteil.
Bevor es jetzt gleich losgehen wird, da wir ja auch etwas Zeitdruck haben, vielleicht noch etwas zu den ReferentInnen. Ich freue mich, daß von der AAB die Katja und der Pit da sind. Die AAB ist ja nicht mehr so no-name in diesen Kreisen. Es gibt sie seit 7 Jahren, ich würde sagen, es ist eine Gruppe die aufgefallen ist, da sie obwohl sie eine Antifagruppe ist, eine inhaltliche Position vertritt, also sich auch an Diskussionen beteiligt. So viele gibt’s da wirklich nicht, das war jetzt ein Lob für die Gruppe. Sie ist weiterhin aufgefallen als eine Gruppe, die als erste konzeptionell Jugendarbeit gemacht hat und das auch in einer gewisser Weise propagiert. Das finde ich erwähnenswert und sie ist natürlich eine Gruppe, die was den Mobilisierungseffekt betrifft in der Szene zu den erfolgreichsten gehört, wenn man das sagen kann, und mit solchen eben Events wie am 1. Mai oder vielleicht bei der LL- Demo doch so etwas wie ein bißchen mehr Rippen vorweisen kann. Das muß man ja nicht hinter den Berg stellen, daß es ein Haufen Probleme, recht viele mit dieser Gruppe haben, aber darüber wollen wir heute nicht reden. Ich freue mich natürlich auch, daß ich die Sabine vom BgR vorstellen darf. Das BgR ist viel berühmter als die AAB.

Pit: Aber nicht so gut!

Moderation: BgR heißt Bündnis gegen Rechts. Wir haben uns 1995 gegründet, es war vor allen Dingen die Auseinandersetzung mit der Naziszene in Wurzen, die uns an einen Tisch gepreßt hat. Uns gibt es immer noch - die Naziszene in Wurzen auch. Und wir haben außer mit dieser großen Sache in Wurzen, also dieser Demo natürlich noch einiges anderes gemacht, wir versuchen uns auch immer wieder an inhaltlichen Diskussionen zu beteiligen. Mit dem Kongreß versuchen wir das ja auch ein bißchen fortzusetzen, oder dem ganzen eigentlich die Krone aufzusetzen und wir hatten dann den 1.Mai mit vielen Nazis hier und das waren sozusagen die Mobilisierungserfolge, die wir vielleicht vorweisen könnten. Ich möchte jetzt diese Referate beginnen lassen. Es wird anfangen die Ute vom BgR. Danach gleich das Referat von der AAB. Wir haben`s uns so gedacht, daß zwischendurch keine Fragen kommen und die Sachfragen dann am Ende der Referate, weil, wenn die jetzt zwischendurch kommen, dann besteht die Gefahr, daß wir uns gleich verzetteln und deswegen das vielleicht am Ende zu machen. Wie das dann funktionieren wird mit der mit den Mikrofonen und so das können wir vielleicht nachher noch klären, je nach dem ob es überhaupt ein Tohuwabo gibt, wie das vielleicht bei so vielen Leuten möglich ist.

Referat BgR:

Spätestens seit dem Wendepunkt 1989 ist eine allmähliche Verschiebung allgemeiner Wertevorstellungen in Richtung Rechts nachzuvollziehen.
Heute 1999 ist festzustellen, daß Konzepte antifaschistischer, linksradikaler Interventionen zwar teilweise das Fortschreiten einer rechten Hegemonie verlangsamen konnten, generell aber bleibt festzuhalten, daß keiner der praktizierten Ansätze längerfristig, breite gesellschaftliche Entwicklungen zu verhindern vermochte.
Deutschland nimmt aktiv und wegen Auschwitz am Kriegsgeschehen teil, Walser will von der Geschichte nichts mehr wissen, mittels akzeptierender Jugendarbeit werden rechte Jugendliche zu Nazis herangezogen, öffentliche Gelöbnisse finden unverhohlen in der neuen Regierungsresidenz statt, Nazis marschieren in mittlerweile jeder mittelmäßigen Kleinstadt ,Übergriffe auf nicht der deutschen Norm entsprechende Personen finden nur noch in besonders grausamen Ausnahmen ein Interesse in der Öffentlichkeit.
Das Lamentieren könnte endlos werden, richtiger ist an diesem Punkt Interventionsmöglichkeiten zu suchen, die nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen.
Als Ausgangspunkt sollte eine Situationsanalyse stehen, die nicht in einer Beschreibung der Realität verhaftet bleibt, sondern ermöglicht, langfristige, tiefgreifende Veränderungen in Gang zusetzen, oder zumindest, um den Mund nicht ganz so voll zu nehmen, ein Ende mit dem bloßen Reagieren auf staatliches oder dem äußersten rechten Rand entspringendem Vorpreschen zu machen.

Der folgende Versuch einer Analyse geht demnach von der Frage aus, warum werden die Grenzen zwischen extremen Rechte und Mitte und gar der Linken der Gesellschaft immer fließender werden, auf welchem Wege stabilisiert sich die Gesellschaft in sich und warum sind rechte Positionen innerhalb der gesellschaftlichen Diskurse zur Normalität geworden.

Soweit ein kurzer Abriß dessen, was im nachhinein Folgen soll.
Beginnen möchte ich, oder hinaus möchte ich auf die Einführung eines neuen Begriffes. Zunächst einmal den alten Begriff, nämlich den des "Rechten Konsens" der bestimmt geläufig ist. Ich möchte ihn erst noch mal an zwei Beispielen irgendwie klar machen, um hinterher zu einer Abgrenzung bzw. zu einer Erweiterung zu kommen. Es sind zwei praktische Beispiele. Im Wahlkampfjahr hat man gesehen auf diesen Wahltafeln, was irgendwie so als rechter Konsens ziemlich schnell rüberkommen kann. Jede Partei hat geworben mit Arbeit. Es ging dann von "Arbeit, Arbeit, Arbeit" bis "Arbeit zuerst für Deutsche" und überall war genau dieses zu bemerken. Der Konsens, der sich hier politisch artikuliert hat, nämlich der Schrei nach Arbeit, hat natürlich eine Basis. Die Basis ist ziemlich schnell zu erklären, wenn man sich dann auch einmal ein bißchen unterhält, oder die Wahlprogramme anschaut, ist klar, daß Arbeit nicht irgendwas ist, und auch nicht zum Kohle verdienen da ist, sondern daß es klar eine der wenigen Identifikationsmöglichkeiten ist, die es hier in der Gesellschaft gibt. Festzustellen war auch, daß es keine gesellschaftlich relevante Gruppe gibt, die sich auf ihre Fahnen geschrieben hat, gegen diesen Arbeitsethos, der uns auch im späteren noch mal begegnen wird aufzulehnen, bzw. sich hinzustellen und zu sagen: "Wer braucht schon Arbeit?" Ein zweites Beispiel kommt jetzt direkt aus der Geschichte der Gruppe der ich auch angehört habe, nämlich Wurzen, das wird bestimmt auch für die meisten ein Begriff sein.
Es ist relativ viel gelungen - denken wir erstmal. Was nicht gelungen ist - wie es schon einleitend gesagt wurde, es gibt da immer noch Nazis und es gibt da immer noch den Rechten Konsens. Die Arbeit war ganz "banal"- zu Wurzen. Wir haben einen Rechten Konsens festgestellt wir haben ihn aufgedeckt, wir haben ihn in die Öffentlichkeit gebracht, wir haben Druck ausgeübt, es kam partiell auch zu Erfolgen, es wurde ein Jugendhaus geschlossen und weitere Sachen sind passiert. Also man konnte da schon ein bißchen Tumult anrichten und auch vielleicht einiges verhindern, was jetzt vielleicht noch viel schlimmer wäre. Passiert ist was passieren mußte, in dem Moment, wo der Druck nachgelassen hat, also der öffentliche Druck, konnte sich das ganz schnell wieder zusammenfügen, und ist heute wieder nahtlos vorhanden.
Ausgehend von dieser Betrachtung zu Wurzen ist klar oder ist uns klar geworden, daß so eine Analyse des Rechten Konsens in dem Fall nicht mehr ausreichen kann. Es gibt etwas, was normalerweise gerne in den vorpolitischen Bereich gedrückt wird, daß aber von hier auch die Aufforderung ausgeht das auch als politisch wahrzunehmen. Gesellschaftliche Bereiche, in denen der Rechte Konsens trainiert und tradiert wird. Dafür soll im folgenden der Begriff der Rechten Alltagskultur dienen. Wenn man den Versuch unternimmt, den Rechten Konsens von der Rechten Alltagskultur zu trennen, kann man erst mal mit den Gemeinsamkeiten anfangen: Beide sind flächendeckend in der Bevölkerung vorhanden, mal mehr mal weniger, beide haben es nicht nötig, sich permanent zu artikulieren und schon gar nicht an die Öffentlichkeit zu treten. Das Zusammenspiel der Beiden kann funktionieren, daß man den Rechten Konsens angreift, aber da er in der rechten Alltagskultur weitertradiert und neu aufgefrischt wird, es an anderen Stellen zu ähnlichen Prinzipien kommen kann. Die Rechte Alltagskultur zeichnet durch einen Kanon oder durch ein Geflecht verschiedener Ideologeme der Ungleichheit aus. Die größten, die auch immer wieder in der Linken genannt werden oder nicht, aber zumindest weite Teile umfassende ist klar Rassismus, Antisemitismus, aber auch Geschlechterverhalten, also Patriarchat. Einhergehend mit diesen Ideologemen ist ziemlich oft oder gekoppelt sind sie oft an autoritäre Denkweisen, die sich wiederum in einem autoritären Staatsverständnis oder in einer autoritären Auffassung von Familien, ja Organisation äußern kann. Desweiteren schwingen ganz oft so eine Biologisierung von Gesellschaft bzw. von eigentlich politischen Bereichen mit. Also das Naturhafte kommt auch wieder ins Spiel. Als Ursache bzw. als Analyse - wie auch in der Überschrift abzulesen war ist ganz klar - oder war ganz klar eine Bestandsaufnahme von dem, was um uns herum passiert für diesen Begriff und das ist hier erstmal auch wenn man sich Wurzen oder andere Sachen angeguckt hat, daß wir uns hier in der ehemaligen DDR befinden, diese Rechte Alltagskultur kommt nicht von irgendwo her.
Ich möchte jetzt im Folgenden an 5 Beispielen skizzieren, wo es eventl. Parallelen, bzw. Herleitungen gibt oder Ursachen zu finden sind, worum sich diese Rechten Alltagskultur heute zehn Jahre nach dem Zusammenbruch oder der Okkupation doch sehr sattelfest hier bewegen kann.

Ursachen der Rechten Alltagskultur:

Auf der Suche nach Ursachen dafür, warum sich im Alltagsleben neonazistische Werte und sogenannte “deutsche Sekundärtugenden” gerade im Osten des wiedervereinigten Deutschlands in dieser Weise manifestieren konnten, kristallisieren sich Fragen heraus, die geradezu eine Auseinandersetzung fordern: Zum einen mit möglichen Nachwirkungen des gesellschaftlichen Systems der ehemaligen DDR als auch mit dem eventuellen Einfluß der Entwicklung Ostdeutschlands nach der sogenannten Wiedervereinigung auf die jetzige Situation. So wird bei der Betrachtung gesellschaftlicher Realität der DDR und propagierter DDR-Ideologie - wie ich noch aufzeigen werden - deutlich, daß hier nicht offensichtliche, aber entscheidende Grundlagen für eine prinzipielle Offenheit gegenüber neonazistischen Ideologien geschaffen und gefestigt wurden. Natürlich muß an dieser Stelle auch auf den permanenten Widerspruch zwischen staatlicher Ideologie, deren realer Umsetzung und deren tatsächlicher gesellschaftlicher Relevanz hingewiesen werden. Wir sehen darin eine Ursache für den derzeitigen gesellschaftlichen Zustand in Ostdeutschland, die ihren Ausdruck in der Realität einer rechten Alltagskultur findet. Auch wenn die Selbstdefinition der DDR-Gesellschaft eine klar antifaschistische war, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß sowohl struktureller Aufbau als auch inhaltliche Ausrichtung der Gesellschaft, genau dieser häufig nicht entsprachen. Trotzdem bestehen wir darauf, aus diesen Elementen keine Zwangsläufigkeit zu konstruieren. Egal, ob zu Zeiten tiefster DDR oder nach der sogenannten Wiedervereinigung, gibt es immer eine individuelle Entscheidungsfähigkeit jedes einzelnen Menschen, eigene Sozialisationsprozesse und -funktionen zu hinterfragen und sich infolgedessen von eben diesen emanzipieren.
Keinesfalls haben all die angeführten gesellschaftlichen Einflüsse eine entlastende Funktion nach dem Motto: "Wer in der DDR aufgewachsen ist, mußte rassistisch werden." Es bleibt aber auch festzuhalten, daß hier Rassismus und Antisemitismus nicht offen zum Ausbruch kamen, was einerseits auf den - zwar plakativen, platten - staatlich propagierten antifaschistischen und emanzipatorischen Anspruch zurückzuführen ist, und andererseits in der Bevölkerung nur unzureichend eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit stattgefunden hat. 1
Genauso wenig halten wir es für richtig, die Ausprägung einer rechten Alltagskultur nur auf eine spezifische DDR-Sozialisation zu reduzieren. Hatten wir gerade schon.

Im folgenden werde ich fünf Bereiche der Sozialisation skizzieren, weitere Beispiele ließen sich bestimmt hinzufügen:
Grundsätzlich muß ebenfalls auf die autoritär angelegten Strukturen innerhalb des Staatsgebildes der DDR und seinen Institutionen hingewiesen werden. Der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsform wurde nach 1945 in der SBZ quasi von oben durchgeführt. Dabei verlangte der praktizierte Massenansatz geradezu die Freisprechung der Bevölkerung von einer individuellen Verantwortung im Nationalsozialismus. Festzustellen bleibt, daß faschistisches, reaktionäres Potential in Familien mit der Staatsgründung der DDR nicht verschwand, sondern darauf aufgebaut wurde. Beispielhaft für autoritär angelegte Strukturen ist das Erziehungs- und Bildungssystem der DDR als eine zentrale Sozialisationsinstanz. Es schuf die Grundlage für eine Orientierung auf Gemeinschaft, Gruppenkonformität und deren Autoritäten statt auf Kreativität und Individualität. Daß es einen signifikanten Zusammenhang zwischen autoritärer Erziehung und Anfälligkeit für faschistische Denk- und Verhaltensweisen gibt, ist schon seit Adornos "Studien über den autoritären Charakter" bekannt. So ist z.B. im Bereich der Erziehung nachzuvollziehen, wie geringfügig eine Abgrenzung im Erziehungsmodell gegenüber der nationalsozialistischen Praxis stattfand. Trotz einer eindeutigen ideologischen Absage an den Nationalsozialismus, bezog man sich in der Praxis teilweise unhinterfragt auf dieselben Grundwerte. Deutlich wird dies besonders darin, welche Bedeutung die sogenannten deutschen Sekundärtugenden wie Disziplin, Ordnung, Sauberkeit und dem Gemeinschaftssinn gegenüber einer Stärkung des Individuums beigemessen wurde.
In der Auseinandersetzung mit dem vorhandenen historischen Deutsch-Nationalismus wurde versucht, diesem einen scheinbar positiv besetzten DDR-Nationalismus entgegenzusetzen. Dies ergab sich vor allem aus dem Versuch der Abgrenzung als eigenständige Nation gegenüber der BRD, als ein Ergebnis der Frontstellung der DDR in der politischen Blöckekonfrontation. Abgesehen davon, daß eine prinzipielle Abgrenzung von Nationalismus in der DDR nie erfolgte, stützte sich der DDR-Nationalismus in bezeichnender Kontinuität auf "typische altdeutsche Werte und Tugenden". Der DDR-spezifische Nationalismus findet sich in Bildern vom "besseren deutschen Staat" oder vom "Vaterland DDR" wieder. Gerade Ende der 80er fand dieser als Abgrenzungsversuch zur Perestroika verstärkte Ausprägung. Parolen wie "Sozialismus in den Farben der DDR" stehen dafür symbolisch. Nationalismus wurde sozusagen von staatlicher Seite verordnet und war kein gesellschaftliches Randphänomen, sondern Grundlage des Verständnisses der DDR-Politik.
Ebenso wurde von staatlicher Seite ein tradierter deutscher Arbeiterbegriff propagiert. So wurde ein Wohlstands- und Arbeitsethos aufrechterhalten, der - lediglich auf die Gesellschaftssituation zugeschnitten - im Mittelpunkt den fleißigen für die sozialistische Gemeinschaft arbeitenden DDR-Bürger oder die DDR-Bürgerin sah. Dies war nicht zuletzt auf Grund einer falschen Faschismusanalyse möglich, die im Großkapital die Ursache für Faschismus sah und diesem den sauberen, fleißigen und unschuldigen deutschen Arbeiter entgegensetzte. Gleichsam verknüpfte sich dieser ausgeprägte Arbeitsethos auch mit einer spezifischen Form des Rassismus und beförderte ebenso tendenziös antisemitische Einstellungen, wie wir im folgenden zumindest in Grundzügen aufzeigen wollen.
Rassismus war in der DDR keine unbekannten Erscheinung. Trotzdem wurde innerhalb der Gesellschaft jede tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Thema gemieden. Nur in seinen krassesten Ausformungen fand eine Thematisierung - dann allerdings in anderen Ländern, wie beispielsweise am Apartheidsregime in Südafrika, statt. Rassismus in der eigenen Bevölkerung in Form von stereotypen rassistischen Vorstellungen wie etwa Bilder vom "faulen Polacken" oder rassistische Übergriffe in Form gängiger Prügeleien gegen AusländerInnen auf Dorffesten wurden in der Öffentlichkeit nicht thematisiert. Es konnte nicht sein, was nicht sein durfte.
Zudem hatte die DDR-Politik einen stereotype Rassismen verfestigenden und normalisierenden Effekt: Durch die permanente Betonung, als das sozialistische Land mit dem höchsten Lebensstandard, produzierte man staatlich legitimierten Nationalstolz, der sich in einem Gefühl von "deutscher Überlegenheit" in das traditionelle Identitätsmuster nahtlos einfügt hat. Indem sich innerhalb der Bevölkerung nicht vergegenwärtigt wurde, daß der hohe Lebensstandard in der DDR lediglich der Strategie des "Schaufenstersozialismus" entsprach, vereinnahmte die Bevölkerung die vollen Schaufenster für sich, in dem sich aus dem im Verhältnis zu anderen sozialistischen Staaten hohen Lebensstandard ein übersteigertes nationales Selbstwertgefühl, entwickelte. Zudem führte man staatlicherseits rassistische Stereotype als Begründung für Konsumlücken an, erließ Einkaufsbeschränkungen für AusländerInnen, die sich dann im Alltagsbewußtsein dementsprechend wiederfanden: "Vietnamesen kaufen uns die Fahrräder weg und die Polen uns die Bekleidung". Verstärkt wurden diese Vorstellungen durch die Separation der in der DDR lebenden AusländerInnen in eigenen Wohnblocks oder Kasernen. Ein Zusammenleben war so faktisch nicht möglich und nicht erwünscht, kultureller Austausch blieb auf der Ebene von "Völkerverständigung" verhaftet. Eine solch enge Verflechtung von Rassismen legitimierender Politik und gelebtem "Volksempfinden" in der DDR ist eventuell eine Erklärung für die heutige kollektive Wahrnehmung von Rassismen als legitime, normale Gemeinplätze in der Alltagskultur der Ostdeutschen.
Ebenso waren antisemitische Tendenzen in der DDR unverkennbar. Am augenscheinlichsten kamen sie in der Form des Antizionismus vor. Dies darauf zurückzuführen, daß Israel im Blöckekonflikt auf der Seite der Westmächte stand, ist ganz sicher falsch, da in der DDR-Propaganda teilweise sogar antisemitische Parolen der PLO unhinterfragt übernommen wurden. Weiterhin problematisch erscheint in diesem Zusammenhang, daß die Thematik des Holocaust im Bezug auf die Staatsgründung Israels nie diskutiert wurde und deshalb die Existenz Israels von der DDR nur akzeptiert wurde, erst 1989 aber die staatliche Anerkennung erfolgte. Zuletzt muß zumindest noch einmal darauf hingewiesen werden, daß der propagierte Arbeitsethos zu DDR-Zeiten unhinterfragt auch Elemente des antisemitischen Arbeitsbegriffs des NS übernahm. Dies äußerte sich z.B. in Arbeiterverherrlichung, Intellektuellenfeindlichkeit und einer suspekten Vorstellung von KosmopolitInnen und WeltbürgerInnen. Nicht zuletzt existierte ein teilweise antisemitisch konotiertes Kapitalisten-Feindbild, das auch in der Argumentation gegenüber Israel eingesetzt wurde.

Tatsächlich können diese Bereiche, die ich jetzt kurz versucht habe anzuskizzieren, innerhalb von Sozialisationselementen nicht ausreichend sein. Sie sind zum Teil vielleicht auch falsch angekommen. Trotzdem ist klar an der Ausgangsfrage warum im Hier und Jetzt es keinen nennenswerten Widerstand oder keinen nennenswerten Gegenstandpunkt dazu gibt - zu Rechter Alltagskultur und zum Rechten Konsens der einer rechten kulturellen Hegemonie, warum dieser Widerstand nicht vorzufinden ist, könnten hier evtl. Antworten zu finden sein. Bewußt habe ich ein paar Sachen rausgelassen, die dann auch im nächsten Referat vorkommen werden und da auch näher behandelt werden, ich denke in Anbetracht der Zeit - also es gäbe noch einen großen Punkt, ist natürlich klar `89 - ein Wendepunkt an dem irgendwie niemand vorbeikommt, wo ich jetzt aber dafür plädieren würde dann später in der gemeinsamen Diskussion noch mal genauer zu beleuchten. Vielleicht auch mit einer Spezifik, die hier vorherrscht.

Referat AAB:

Katja: Wir teilen unseren Vortrag in zwei Teile auf: ich werde anfangen mit einer Einschätzung, Bedeutung der Nazis und der Rechten, weitermachen mit einer Bewertung der Rechtsentwicklung seit `89, und Pit wird dann weitermachen mit einem Ost- Westvergleich und den Schlußfolgerungen daraus für die Antifa.
Um die Bedeutung der Rechten aktuell einschätzen zu können, ist es notwendig die Bereiche zu analysieren, in denen sie gesellschaftlich Einfluß nehmen können. Einfluß nehmen heißt, mit Positionen präsent zu sein und diese auch durchzusetzen. Wenn von einer kulturellen Hegemonie der Rechten die Rede ist, bedeutet das, daß die Positionen erfolgreich durchgesetzt sind, und das in Bereichen der Gesellschaft die rechten Maßstäbe setzten. Wir denken, das geht in die Richtung, was die Leipziger in ihrem Beitrag unter rechter Alltagskultur verstehen. Wir betrachten den Kampf um kulturelle Hegemonie als langst nicht entschieden, auch wenn es in einigen gesellschaftlichen Bereichen ganz danach aussieht. Wir denken, um wirksam gegen Nazis vorgehen zu können, ist es, neben dem notwendigen Abwehrkampf auf der Straße, wichtig zu vermitteln, daß wir als radikale Linke im absoluten Gegensatz zu den Positionen der Rechten stehen. Damit meinen wir auch eine Kritik an den reaktionären Positionen innerhalb der Gesellschaft. Daß man dabei nicht zwangsläufig bei den Nazis stehen bleiben darf, erhoffen wir uns als Ergebnis des Kongreß. Nun zu den gesellschaftlichen Bereichen, in denen Nazis präsent sind.
Der eine Bereich den Nazis mit ihren Positionen durchdringen, ist der parlamentarische Bereich, dort vertreten durch DVU, NPD, Reps, um einmal die wichtigsten zu nennen. Insbesondere im Wahlkampf kommt ihnen die Position der Stichwortgeber zu. Forderungen wie "Ausländer raus", "Arbeit zuerst für Deutsche" und der Versuch die soziale Frage von Rechts zu beantworten, werden und wurden von ihnen vorgegeben, sind aber längst von den etablierten Parteien umgesetzt. Nach Wahlen, wenn alle Wahlforschungsinstitute ihre Prognosen abgegeben haben, wenn alle ihre Betroffenheit gemurmelt haben, wird es meistens still um die rechten Parteien, sie nehmen im weiteren kaum Einfluß, da sie nach wie vor im parlamentarischen Geschehen isoliert werden, sieht man einmal von der CSU in Bayern ab. Die Möglichkeit allerdings für die Wähler, faschistische Parteien zu wählen, ermöglicht ihnen sich rechts zu positionieren. Durch reaktionären Parolen fühlen sich in erster Linie nicht diejenigen angesprochen, die Arbeitslos und kahl dabei sind, sondern diejenigen, die Angst vor dem vermeintlichen sozialen Abstieg haben, Angst Privilegien zu verlieren. Sowas, was man vielleicht unterer Mittelstand nennen könnte. Zusätzliches Potential ist da vorhanden, wo eine konservative, auf traditionelle Familienstrukturen aufgebaute Welt sich mit den Nazis trifft, vornehmlich auf dem Land und in den Kleinstädten. An den Stimmerfolgen läßt sich die große Zustimmung zu den Positionen dieser Parteien ablesen, wir betrachten sie als Gradmesser des rechten Potentials, auch wenn reale gesellschaftliche Macht nicht ausgeübt werden kann.
Der zweite Bereich in dem Nazis präsent sind, äußert sich vornehmlich auf der Straße. Vertreten durch die Stiefelnazis, die freien Kameradschaften und die Parteibasis z.B. der JN wird der stumpfe Vernichtungswille alles Nichtdeutschen, alles Anderen zum Ausdruck gebracht. Hierbei stellen die Nazis als allererstes eine physische Gefahr durch die Ausübung massiven Terrors dar. Sie rekrutieren und organisieren auf dieser Ebene ziemlich erfolgreich Jugendliche und haben sich durch die in großer Anzahl erfolgenden Aufmärsche, welche auch nicht mehr von der Antifa zu verhindern sind, auf der Straße durchgesetzt, was der Formierung einer rechten Jugendkultur dient. Die Akzeptanz der Rechten als ein Teil der Jugend ist durchgesetzt, d.h. sie werden vornehmlich als Jugend wahrgenommen und weniger als Rechte. Sie werden somit als zu integrierender Teil der Gesellschaft betrachtet, die nicht ausgegrenzt werden dürfen, damit sie nicht auf noch dümmere Ideen kommen.
An erster Stelle der gesellschaftlichen Reaktion auf die Nazis steht somit die Akzeptanz. Eine Akzeptanz die sich in der akzeptierenden Sozialarbeit ausdrückt, die antifaschistische Demos wie in Guben oder Saalfeld zu spüren bekommen. Sie macht es schwer auf der politischen Ebene gegen Nazis zu argumentieren, denn die Annahme eines rechten Weltbildes wird nicht mehr als eine individuelle Entscheidung des Einzelnen gesehen, sondern erscheint als Mitschwimmen im Mainstream, als Schicksal welches den Jugendlichen vor allem im Osten vorbestimmt ist. Sozialwissenschaftler fragen sich ja: Ist der Jugendprotest heute rechts? Je perspektivloser die Jugendlichen zu sein scheinen, umso kausaler erscheint der Zusammenhang.
Gerade in der Akzeptanz sehen wir einen Faktor welcher dazu beiträgt, daß die rechte Hegemonie gefestigt wird. Alternativen scheinen nicht in Sicht und ist der rechte Jugendclub der einzige im Ort, erscheint die Orientierung weiterer Jugendlicher daran, dann auch als keine große Kunst mehr. Gewaltexzesse der Nazis lösen gerade noch wenn sie in einem Mord enden, partielle Betroffenheit aus, ansonsten scheint klar, daß das eigentliche Opfer rechts steht. Die Integrierbarkeit der rechten Jugendkultur liegt auch in der Werteüberschneidung mit der Elterngeneration begründet. Die Sekundärtugenden sind erfüllt, der Wunsch, wieder wer sein zu wollen in der Welt, geteilt. Der blaue Iro hat hier nichts zu kichern, er ist sowohl Gegenpol zu den Rechten, als auch, daß er mit den Werten der Elterngeneration bricht. Wir sehen hier also einen notwendigen Ansatzpunkt für die Antifa den Kulturkampf aufzunehmen, durch die Zurückdrängung der Nazis, aber auch mit dem gleichzeitigen Anbieten einer linken, antifaschistischen Orientierung, die in der Lage ist eigene Akzente zu setzen und Strukturen aufzubauen.
Wir sehen aber, daß die Nazis nicht im politisch leeren Raum schweben, daß sie nicht unsere einzigen Gegner sind. Die Rede ist hier von der vielbesprochenen Rechtsentwicklung in der Gesellschaft sein '89. Die Frage ist, wo diese herkommt und wie sie sich ausdrückt.
Wir sind nicht der Meinung, daß die Nazis die Macher dieser Rechtsentwicklung sind, sondern denken, daß sie lediglich von dieser profitieren, indem ihre Positionen wieder diskutierbar werden. Die eigentlichen Profiteure der Entwicklung sind die Extremisten der Mitte, die etablierten Parteien. Diese sehen wir als Schrittmacher der Entwicklung an.
Die Rechtsentwicklung macht sich fest in der Abwesenheit von linken Positionen in gesellschaftlichen Debatten. Diskutiert wird lediglich noch die beste Methode zur Verwaltung des Kapitalismus. Inhalt der Diskussion ist der selbstgeschaffene Sachzwang - Standorte müssen erhalten werden, sonst geht es allen schlecht; wir müssen unsere Rolle in Europa militärisch durchsetzen etc.. Spätestens seit der Wiedervereinigung ist der Kapitalismus als bestes System akzeptiert und damit weder dikutier- noch veränderbar. Alle anderen gesellschaftlichen Utopien und Versuche gelten als gescheitert, die Geschichte ist Zeuge. So reihen sich die Verschärfung der inneren Sicherheit, die Begründung eines Angriffskrieges nicht trotz sondern wegen Auschwitz, die gnadenlose Abschiebung von Flüchtlingen oder die Äußerung eines Berliner Innensenators, jüdische Friedhöfe nicht schützen zu können, fast unwidersprochen aneinander. Die demokratische Linke zerfällt, die Reste werden integriert und die radikale Linke ist so laut zu hören wie ein Hühnerfurz. Die Frage ist: Wo eingreifen und wie?
Die einzige Möglichkeit, die wir für die radikale Linke sehen, ist immer wieder in politische Debatten einzugreifen. Dies bringt natürlich gewisse Schwierigkeiten mit sich: die Debatten laufen mehr und mehr im Rahmen des Feuileton ab und zeichnen
sich vor allem durch eine zunehmende Entpolitisierung aus, wie durch eine Konsequenzenlosigkeit. Das bedeutet für die Linke spektakulär sein zu müssen, sich Gehör zu verschaffen an Punkten, an denen eine Polarisierung noch möglich ist. Die Bedingungen dafür sind im Osten und Westen sehr unterschiedlich. Darum folgt jetzt ein Ost-West-Vergleich:

Pit: In der Geschichte hat es im Westen eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gegeben, welche weitgehend von einer personellen uns strukturellen Kontinuität geprägt war. Es gab keine wirkliche Entnazifizierung, viele Bereiche der Gesellschaft wie Militär, Justiz waren geprägt von Exnazis. Es gab Ende der 40er die Persilscheine, in den 50ern wurden die Kriegsverbrecher wieder freigelassen, kurzum auf diese Art und Weise wurden ehemalige Nazis wieder in die Gesellschaft integriert. Antifaschismus wurde als kommunistisch infiltriert angesehen und war dementsprechend nicht sehr angesehen, auch wenn er sich damals noch in einer bedeutenderen gesellschaftlichen Stellung befand als heute.
Bis heute gibt es eine Kultur der Verschleierung von Ursachen des Neofaschismus und Rassismus. Dazu einige Beispiele: Die NPD-Anhänger der 60er wurden als Ewiggestrige bezeichnet, d.h. die Gründe für das damalige Erstarken der NPD wurden in die vordemokratische Zeit verbannt, ein Phänomen das sich auch heute noch findet. In der Zeit des kalten Krieges war die Totalitarismustheorie (Kommi = Nazi) hoch angesehen, die ja auch heute wieder fröhliches Erwachen feiert. Auf diese muss ich, glaube ich nicht näher eingehen. Nur soviel, auch hier sollen die Ursachen des Faschismus und des Rassismus nicht in der Demokratie selber liegen. Durch die 68er wurde im Westen die Elterngeneration mit ihrer persönlichen individuellen Schuld konfrontiert. Erstmals wurden die Ursachen des Faschismus in breiteren Kreisen diskutiert. Dies stellt sich als gesellschaftlicher Bruch dar.
Die DDR und ihr gesellschaftlicher Kurs stellt sich als Konsequenz auf den Faschismus dar. Das was heute verortneter Antifaschismus genannt wird. Die Institutionen, welche im Westen mit den Tätern besetzt wurden, wurden im Osten gründlich entnazifiziert. Die heute oft als verbrecherisch dargestellten Prozesse von Waldheim z.B., waren Prozesse gegen Kriegsverbrecher und kleine Nazis. Ein Großteil der in den sogenannten Speziallagern nach dem Krieg internierten, waren NSDAP-Mitglieder und Kriegsverbrecher oder solcher Dinge Verdächtiger. Diese gründliche Entnazifizierung der Institutionen ging zu Lasten der Thematisierung persönlicher Schuld einzelner. Das Gedenken an den antifaschistischen Widerstand war beispielsweise völlig übergewichtet gegenüber der Judenvernichtung. Die gängige Erklärung für das Auftauchen des Nationalsozialismus und die Niederlage der Arbeiterbewegung war eine rein auf ökonomische Strukturen ausgerichtete Theorie. Realistischerweise muss festgestellt werden, daß es in der DDR zwar Nazis und Rassisten gab, diese aber real keinen gesellschaftlichen Einfluß hatten. Soweit der grobe geschichtliche Abriß.

Seit der Wiedervereinigung gibt es einen Anstieg von Faschismus und Rassismus. Im Osten allerdings ist dies besonders offensichtlich und zwar nicht deswegen weil es im Osten mehr Nazis und Rassisten gibt als im Westen, sondern weil diese Bewegung dort wesentlich militanter auftritt und weil ihnen weniger entgegengesetzt wird. Begleitet wird dieser Anstieg durch verschiedene Theorien über seine Ursachen, welche teilweise an vorhin schon genannte anschließen. Besonders oft zu hören sind a) die "Täter als Opfer Theorie", d.h. der arme Ossi wird arbeitslos und zündet deswegen Flüchtlingsheime an, b) die "die 68er waren es - Theorie", d.h. diese haben es durch antiautoritäre Erziehung zustande gebracht, daß Jugendliche Freude an der Benutzung des Baseballschlägers empfinden, c) - und da haben wir heute schon die linke Variante von gehört - die "DDR-Krippentöpfe Theorie", d.h. die autoritäre Erziehung in der DDR, insbesondere verknüpft mit dem verortneten Antifaschismus, erzeugt das unwiderstehliche Bedürfnis Andersfarbige zu liquidieren.
Gemeinsam ist diesen Erklärungen, daß sie die Ursachen entweder in die Geschichte verlagern oder die Täter zu Opfern irgendwelcher Umstände machen. Im Gegensatz zur letztgenannten Theorie denken wir, daß nicht die durchaus zu kritisierenden DDR-Verhältnisse als Ursachen gültig sind, sondern erst die Konfrontation der durch sie geprägten Menschen mit dem Kapitalismus. Die Zustände, welche heute herrschen halten wir für die entscheidenden.
Im Osten existiert eine wesentlich militantere Nazi- und Rassistenbewegung, sie ist radikalisierter als die im Westen. Die Einbindung der ostdeutschen Rassisten in das existierende Demokratiemodell gelingt im Osten immer weniger. Ursache dafür ist die im Westen als erfolgreich empfundene Erfahrung eines funktionierenden Sozialstaates. Im Osten wird dieses Modell als nicht das eigene begriffen und als nicht funktionierend angesehen, kein Wunder bei einer zehn Jahre andauernden 25%igen Arbeitslosigkeit. Für den Durchschnittsossi ist der Staat dafür da, ihm ein Auskommen zu sichern, kommt dieser dem nicht nach, verliert er und seine Spielregeln seine Gültigkeit. In gewissem Sinne ist die rassistische Bewegung also doch Reaktion auf soziale Zustände und Konkurrenzideologien. Jedoch kann sie nicht als Protest bezeichnet werden. Protest richtet sich per Definition von unten nach oben und das ist bei Rassisten aber nun einmal umgekehrt. Im Westen ist diese Bewegung, vor allem in ihren Mitteln, aber noch weitgehend integriert, siehe die Unterschriftenaktion der CDU Anfang 99. Das ist aber auch schon der größte Unterschied, danach fangen die Gemeinsamkeiten an. Ich würde nicht auf die Humanität des Westens im Falle einer schweren Wirtschaftskrise wetten. Es gibt aber einige wichtige Unterschiede in der Gesellschaftsstruktur zwischen Ost und West, die besonders für unsere Praxis wichtig sind. Zum einen gibt es im Westen einen relativ hohen Anteil von sogenannten integrierten Ausländern, die wohl auch in Zukunft zum Widerstand gegen Rassisten bereit sind. Immer noch gibt es im Westen eine gewachsene Alternativstruktur, welche auch dazu beiträgt das deutsche Tugenden nicht allzuhoch im Kurs stehen. Diese Strukturen stellen mögliche Bündnispartner bei antifaschistischen Aktivitäten dar. Hinzu kommen zwei entscheidende Punkte: Im Osten ist die Antifa noch viel mehr als im Westen isoliert, ihr steht oft nur die PDS als Bündnispartner zur Verfügung. Diese nimmt allerdings immer wieder Rücksicht auf ihre konservativ geprägte Anhängerschaft. Die Tatsache, daß ein Teil der PDS-Wählerschaft rassistische Vorurteile hegt, ist unserer Meinung nach kein Hindernis für Bündnisse, solange die PDS programmatisch das Gegenteil proklamiert. Allerdings nützen uns diese Bündnisse nicht bei unserem grundsätzlichen Problem, welches vor allem in der abnehmenden Mobilisierungsfähigkeit, in dem begrenzten Nutzen unserer Aktionsformen und in dem immer stärkeren verfall der Linken außerhalb der Antifa liegt. Die Alternativen für die wir als linksradikale Antifa stehen sind nicht mehr sichtbar und genau darum wird es in den kommenden Jahren gehen: Schaffen wir es, uns als radikale Gegner all dessen darzustellen, was als Rassismus gilt und sind wir fähig, dieses dargestellte Bewußtsein in Aktionsformen umzumünzen, die erfolgreich sind, gegen die Mainstreambewegung des Rassismus und Nationalismus. Unser Ratschlag ist folgender - hört, hört - : Die Antifa muss politischer werden, linker werden ohne sich zu isolieren. Daraus muss eine Wirkung nach außen folgen, nur recht zu haben und zu der Minderheit der Guten zu gehören reicht leider nicht. Wir empfehlen eine Politik, die eine politisierte Gegenkultur im weitesten Sinne schafft, mit genug Spaß und Erfolg da wo es möglich ist und vor allem mit genug Schärfe und Militanz da wo es nötig ist. [Applaus]

Die Diskussion/ Eröffnung

Moderation: Es bestände jetzt die Möglichkeit, Fragen zu den Inhalten der Referate zu stellen. Wir könnten die auch sammeln wenn die so zahlreich kämen, wie es nicht gerade aussieht. Ansonsten wird das so sein, daß hier links und rechts Saalmikrofone sind und wir würden es total gut finden, wenn darüber gesprochen wird. Die lassen sich abnehmen und dann reingegeben werden. Wir machen das deshalb einmal, um die Diskussion vielleicht ein bißchen zu strukturieren und zum anderen wegen der Dokumentation. Es könnte ja sein, das sich das lohnt, wenn das aufgenommen wird. Und wir machen das immer so, daß einmal aus dem linken Block, und dann aus dem rechten Block jemand dran ist. Ihr müßtest euch einfach melden und ich zeig` dann auf euch.

Auditorium männlich1: Ja, okay. Zu Sabine: Also ich bin da gerade reingekommen und dann habe ich die Tiraden über die DDR gehört, das hat mich ziemlich schockiert und ich wollte fragen, ob es denn - mir kam es so vor als würde das wirklich nur gegen die DDR gerichtet sein, und es denn überhaupt keine Anknüpfungspunkte zum antifaschistischen Grundverständnis der DDR gibt. Und ob man da die Kritik jetzt da ein bißchen überbetont hat oder ob die DDR da jetzt genauso scheiße ist, wie die BRD.

weiblich1: Ich hab ne Frage eigentlich an alle, aber hauptsächlich an Sabine, weil die das so ein bißchen angerissen hatte. Ich würde ich mir wünschen, daß das was ihr zunächst einmal unter rechter Alltagskultur versteht ein bißchen klarer abgrenzt. Du hattest genannt, diese Geschichte mit der Arbeit, Identifikation durch die Arbeit und mit der Arbeit außerdem spezifisches Verhältnis zur Autorität und ich kann da nicht so direkt sehen, was daran spezifisch rechts sein soll und was dabei einfach bürgerlich ist. Und bei euch kam das ja so etwas dran, da fehlte mir auch eine etwas klarere Abgrenzung und vielleicht könnte man an der Stelle dann auch auf die Veränderungen nach `89 zu sprechen kommen.

m2: ich hätte eine Frage an den Genossen von der AAB: ob du genauer erklären könntest, was Du unter den Ursachen für den Rechtsextremismus im Osten ausgemacht hast, da hast du gesagt, daß die Konfrontation mit dem Kapitalismus, mit dem Westen auch wesentlich sei. Da habe ich Schwierigkeiten, wenn ich das so höre, zum einen läuft das wieder darauf hinaus, die Rechtsextremisten im Osten zu den sozialen Opfern zu machen. Das ist genau dieser Opferdiskurs, den man da hört.
Zum anderen würde ich gerne wissen, ob du glaubst, daß es in der DDR keinen offenen Faschismus gab, gleich dazu gesagt: Es gab bei Fußballspielen offen auftretende Nazis auch in der DDR, die da mit Transparenten und so aufgetreten sind.

Moderation: Wenn es jetzt keine weiteren Fragen gibt, würde ich vorschlagen, daß Sabine jetzt beginnt, zu der Problematik der DDR-Beschimpfung, der angeblichen, was zu sagen. Und vielleicht könnte man dann von dort auch auf diese `89 Problematik überleiten.

Sabine: Daß was du eine Tirade gegen die DDR genannt hast - es stimmt erst mal, daß da eine ziemlich heftige Gewichtung darauf lag, allerdings nicht im Sinne einer Tirade dagegen, oder das einfach nur so wegzufegen, sondern geschuldet dessen, daß die meisten in linken oder linksradikalen Zusammenhängen irgendwie ein Bild vorgehalten bekommen von der ehemaligen DDR, was im Gegensatz dazu mehr als beschönigt. Es ist klar, daß es Prinzipien gibt, die auf beiden Seiten der Grenze fortgesetzt wurden. Z.B. wenn es um diesen Arbeitsbegriff geht, da kann man nette Vergleiche anstellen, zwischen Wirtschaftswunderästhetik und dem Begriff des DDR-Arbeiters. Worum es erst einmal ging ist, da ziemlich scharf dagegen zu halten und zu sagen: So kann es auch nicht gewesen sein, wie man es in den meisten Bildern mitbekommt. Also antifaschistisch, emanzipatorisch. Es muß doch zu denken geben, daß wenn es heißt, das damals alles so gut war, warum es zehn Jahre danach plötzlich nicht mehr so ist und selbst auf den ersten Demos gegen die Mauer Nazi mitmarschierten.
Zur Frage der Abgrenzung des Bürgerlichen von der rechten Alltagskultur: Das ist schwierig, auch weil es hier wirklich alles nur sehr kurz angerissen ist. Man könnte sich ein Beispiel herauspicken, wie sich das Familienbild etwa in einer rechten Tradition oder in einer bürgerlichen darstellt. Das ist hier jetzt noch gar nicht besprochen.

Pit: (zu m2) Ich habe sehr wohl gesagt, daß es Nazis auch im Osten gab, aber diese hatten nun einmal keinen relevanten politischen Einfluß. Um genauer darauf einzugehen: Für mich gibt es einen Unterschied zwischen rassistischen Vorurteilen und Rassismus. Rassismus begreife ich als gesellschaftliches Verhältnis, das Privilegien sichern soll. Privilegien, welche von der DDR gegenüber Polen oder Vietnam gesichert werden sollten, sind mir nicht deutlich. Es gab mit Sicherheit im Osten rassistische Vorurteile, diese kann man aber auch nicht einfach abschaffen. Um für die DDR in die Bresche zu springen: Es geht einfach nicht, daß man ein Dekret erläßt und dann denken alle Leute richtig. Das war teilweise das Motto der Chefs im Osten, aber solche Sachen kann man nur durch Erziehung bekämpfen.
Zur Konfrontation mit dem Kapitalismus: Mit diesem sind erst einmal alle konfrontiert, seine sie nun seine Opfer oder nicht. Rassisten sind erst einmal keine Opfer sondern Täter. Die Werte die in der DDR propagiert wurden, wurden doch erst problematisch als sie mit dem Kapitalismus konfrontiert wurden. Wenn also ein von oben oktroyierter Arbeitsmythos der DDR mir dem Leistungsdenken des Kapitalismus zusammenprallt, gibt das eine schöne Mischung. Ähnlich verläuft die Konfrontation der in der DDR existenten rassistischen Vorurteile mit einer Konkurrenzgesellschaft. Da lassen sich die Vorurteile umsetzen in Vorteile. Der Nazi macht ja aus seiner Sicht das Richtige, er beseitigt Konkurrenz. Diese Brisanz konnte sich in der DDR einfach nicht entwickeln.

m3: Zu einem unterbelichteten Aspekt: Zu einer Situationsanalyse müssen insbesondere die Fragen der Auswirkungen durch die Kulturindustrie hinzugezogen werden. Denn es ist wichtig, ein Verständnis dafür zu entwickeln, was die dominierende Kultur in dieser Gesellschaft ist, in welchem Verhältnis sie sich zur Ökonomie setzt. Und zwar ist das die Popkultur, die Popularisierung als dominierende Kultur von allen und jedem. Unter dem Aspekt gibt es sicherlich Erscheinungen, die so bestehende Vorurteile abrufen, die so ne rechte Alltagskultur bestätigen, wie beispielsweise so ne Band wie Rammstein oder unter etwas anderem Aspekt auch die Böhsen Onkelz. Es gibt meines Erachtens einen Gegentrend der gewisse deutsche Speziefiken aushebeln kann.
Ich bin gestern in einem Schuhgeschäft gewesen und habe dort einen Schuhkarton mit entsprechenden Schuhen gesehen und der Schuh nannte sich Che Guevara. Das ist kein Witz. Auf dem Karton war das Konterfeit von Che und der Spruch: "shoes for heroes". Eine andere interessante Sache, die auch ein wenig die Schizophrenie aufzeigt, in der wir uns als Linksradikale bewegen wenn man über Symbolik redet: Es gibt derzeit ein interessantes Video von den Chemical Brothers "out of control". Da wird am Anfang ein ästhetischer sauberer Riot auf der Straße gezeigtm, wo die Bullen mit Mollis attackiert werden und während der ganzen Zeit spielt eine sog. Viva-Cola ne Rolle. Und diese Viva-Cola wird als Schlußsequenz gemeinsam von den Bullen und den linken Riotleuten getrunken. Dann stellt man aber fest, daß es sich nur um einen Werbespot handelt, daß plötzlich die Kamera zurückfährt und nun tatsächliche Bilder von einem Riot zu sehen sind. Das soll schon mal in eine Richtung weisen, wie man z.B. über symbolische Attacken diskutieren kann, denn im weiteren des Videos sieht man auch, wie ein Viva-Cola-Automat zerdroschen wird.
Ich will damit nur zeigen, wie linksradikale Codierungen in der Alltagskultur vermarktet werden. Ganz verrückt wird’s dann, wenn man feststellt, daß ich z.B. das nur rezipieren und sehen konnte durch den VIVA 2 -Musiksender. Das ist so eine innere Logik von Schizophrenie in der wir uns alle befinden, auf die ich gerne hinweisen möchte. Das Fazit ist, daß die Diskussion, wenn sie schon ergebnisorientiert geführt werden soll, dahin gegen muß, daß man sich heutzutage so radikal gebärden kann, wie man will, man ist als linksradikale Einzelperson nicht mehr als ein gewollter Farbtupfer in der Gesellschaft, den alle toll und schräg finden. Mehr kommt da nicht raus. Man kann sagen, man will den Staat abschaffen. Solange man das als Einzelperson tut, wird man in dieser Gesellschaft begrüßt und man spielt tatsächlich den schrägen Vogel. Überall wo wir auftauchen und wir nicht zeigen, daß wir eine Form von Organisation dahinter haben, die man ernst nehmen muß, machen wir uns letztlich nur lächerlich, indem wir das ganze Spiel mitspielen müssen. Diesen Aspekt möchte ich gleich von Anfang an mit aufwerfen.

Katja: Ich sag da was dazu, und zwar möchte ich uns selbst zitieren: nämlich daß sich Politik um die Frage der Macht dreht, aber Kultur dreht sich um die Frage des interessanten. Wenn man auf der Ebene der Kultur bleibt, ist völlig klar, daß jede Form von Symbolik vereinnahm- und vermarktbar ist und daß man diese Anziehungskraft über Symbole benutzen kann, um mehr zu wollen. Wir wollen ja nicht Leute ansprechen, die sich an diesen Symbole reiben, sondern danach muß eine Politisierung stattfinden, die die Leute an verbindlichere Strukturen bindet, um dann Politik zu machen und nicht auf dieser Kulturebene stehen zu bleiben. Aber trotzdem schließt sich das nicht aus, also Symboliken zu benutzen, um Leute anzusprechen.

Moderation: Also ich stecke jetzt doch in der Bredouille, weil wir auf der einen Seite schon einen Bereich ansprechen, der erst morgen und übermorgen eine große Rolle spielen sollte. Andererseits gibt es wohl nicht so viel Interesse, daß Andere zu diskutieren.
Mich befriedigt die Erklärung noch nicht, was der Kapitalismus denn mit den Ossi gemacht hat. Denn sie waren ja auch schon vorher rechts, besonders gleich nach '89 und da gab es ja noch gar nicht so viel Kapitalismus. Von heute auf morgen, daß kann doch noch nicht so schnell geklappt haben. So wirkungsmächtig ist er dann doch nicht.
Darum würde ich jetzt mal die Moderatorenrolle kurz verlassen und Partei ergreifen für Erklärung vom BgR und würde sagen, die Zone hat doch schon ganz viel bei den Zonies versaubeutelt, weil die in der Schule alle im Kreis gehen mußten und das prägt und deswegen ist die autoritäre Erziehung doch z.T. mit daran schuld, daß die Nazis hier so schnelle Erfolge hatten.

m4: Was mir noch aufgefallen ist, was ich hier vernachlässigt sehe, ist die aktive Rolle des Staates. Alle reden immer darüber, daß in der Vergangenheit in der DDR dies und jenes eine Rolle gespielt hat und das sind Gründe dafür und unsere Soziallage sieht so aus. Aber was mir fehlt ist das aktive Tun, was unser Staat seit 1945 betreibt: Wiederherstellung von einem totalitären System, Remilitarisierung der Öffentlichkeit. Das ist mit alles noch sehr kurz gekommen. Ich denk, daß ist einer der wichtigsten Teile, wodurch sich die Naziszene auch so gut in die Gesellschaft einpassen kann. Denn sie ist Teil der Gesellschaft und sie ist nicht besonders auffällig. Sie ist eine Konsequenz aus unserer Gesellschaftspolitik und wir müssen noch genauer Positionen beziehen, die außerhalb dieser Gesellschaft sind. Wir müssen Gedankenmodelle aufstellen, die uns wirklich abtrennen von dem, was wir als Gesellschaftsbild vorfinden.

m5: Ich wollte noch eine ergänzende Anmerkung machen, weil der Focus jetzt sehr stark auf die ehem. DDR gelenkt wird. Der Prozeß, der sich in der jetzigen "Berliner Republik" vollzieht, wenn nicht unter dem Vorzeichen von Stiefelnazis, sondern unter anderen Vorzeichen, siehe z.B. Kameras in der Leipziger Innenstadt, ist nicht minder gefährlich. Das fällt mir hier leider ein bißchen unter den Tisch.
Es gibt auch diese Formel: Die DDR ist die BRD minus '68, aber da wäre ich sehr vorsichtig. Eine sanftere und damit wirksamere Repression hat sich erst im Westen und jetzt auch in der "Berliner Republik" durchgesetzt. Wenn man sich nur auf '68 und die antiautoritäre Erziehung im Westen beschränkt, wird das zu ungenau.

Katja: Du hast vorhin die Frage aufgeworfen, nach dem Unterschied zwischen der Rechten und der Bürgerlichkeit. Ich denke, daß die Bürgerlichkeit schon ziemlich weit rechts steht. Das als kleinen Erklärungsansatz, woher im Osten die ganzen Nazis rausgeschlüpft sind. Die deutsche Werte, also die bürgerlichen Sekundärtugenden, waren auch inhaltlicher Teil der DDR. Die wurden eigentlich unaufbereitet aus der NS-Zeit übernommen und so weitergegeben. So sehen sich jugendliche Nazis vielleicht genötigt, diesen "Volkswillen" zu vollstrecken.

Pit: Ich halte es für problematisch, den ganzen Mist mitzumachen, den uns da diverse Rechtextremismusexperten usw. vormachen, nämlich überall die Ursachen für Rassismus und Nazismus zu suchen nur nicht heute. Nazis DDR = Nazis heute. Ich bin mir relativ sicher, daß es nicht so ist. Es ist problematisch, sich einzelne Wertvorstellungen rauszugreifen und die so zu übersetzen, wie es heute irgendwelche Nazis machen und eine gleiche Motivation zu unterstellen.

Sabine: Ausgehend von der Frage, die ganz am Anfang stand, also Bürgerlichkeit und rechtes Denken usw. Klar muß sein, weil wir hier nicht in der Mitte diskutieren, daß es zwar einige Sachen gibt, die man aus einer bürgerlichen Gesellschaft als achtenswert empfinden kann und die vielleicht für danach mitgenommen werden können. Aber klar ist, das wir aus einem linksradikalen Standpunkt diskutieren sollten und uns da auch noch mal so eine Bürgerlichkeit mit ankucken. Die Meisten gehen wahrscheinlich doch erst mal von so extrem rechten Entscheidungen aus. Fakt ist immer noch, daß von den bürgerlichen Sachen so viel Mist ist, das sie bis jetzt noch nichts verhindert haben, von dem, was auf der Straße so abgeht. Und das haben sie historisch auch in den seltensten Fällen getan.
Für mich bleibt es weiterhin wichtig, sich ein paar Elemente noch mal anzukucken. Man kann ja auch erst mal diese Ost-West-Schiene rauslassen und einfach mal Gegenmodelle dazu aufzeigen, die gesellschaftlich existent waren oder sind. Ich glaube nicht, daß eine antiautoritäre Erziehung irgendwas verhindert.
Es kam noch eine Bemerkung, die eigentlich eher ergänzend sein sollte. Bei uns im Referat klingt auch schon an, daß man das auch erst mal auf verschiedenen Ebenen betrachten müßte, also was wird staatlich propagiert oder angestrebt auch in Bezug auf die "Berliner Republik", wie wird sich hier geäußert. Dann muß man genauer schauen, was passiert denn so in diesem Ganzen. Also in den Zeitungen, in irgendwelchen Jugendgangs usw.. Da gibt es doch erhebliche Unterschiede, die einen z.B. legitimieren den Kosovo-Krieg anders als andere.

m6: Ich bin leider etwas später gekommen, deswegen weiß ich nicht genau, ob ich jetzt was sage, was schon angesprochen wurde. Und zwar die Verflechtung der radikalen Linken mit den Leuten die jetzt an der Macht sind, also den Grünen in den Alten Bundesländern, die ja ne Zeit lange einiges zusammen politisch gemacht haben. Wo z.Z. ja noch personelle und materielle Verflechtungen herrschen. Viele Leute scheuen sich davor, Bindungen zu lösen, also die Konsequenz aus der Politik, die momentan gestaltet wird, zu ziehen. Eine ähnliche Entwicklung steht ja auch den neuen Bundesländern bevor, gerade die Bindung zwischen radikaler Linker und PDS. Es wurde schon angesprochen, daß die PDS, neben einzelnen GewerkschafterInnen der einzige Bündnisparter ist für Leute, die hier aktive Antifa-Politik machen wollen oder sich in anderen emanzipatorischen Bereichen engagieren wollen. Nun befürwortet die PDS, neben anderen problematischen Positionen, zunehmend auch Militäreinsätze. Ich finde es wichtig, daß wir uns dazu positionieren und entsprechende Konsequenzen daraus ziehen. Die PDS wird sich mehr und mehr auch den staatlichen Verhältnissen anbiedern. Meine Frage/ These an Euch: Sind die Verflechtungen mit staatstragenden Parteien und Organisationen ein Grund für unsere inhaltliche und personelle Schwäche, weil wir uns in Bündnissen zu sehr auf sie verlassen und immer wieder enttäuscht werden? Aus diesen Enttäuschungen heraus ziehen wir nicht die notwendigen Konsequenzen.
An die AAB: Ich weiß nicht so recht, was Ihr unter linksradikaler Politik versteht. Besonders in Regionen im Osten, wo die Nazis das Bild dominieren, weiß ich nicht, wie einzelne Leute dort offen linksradikale Positionen vertreten können. Das sind Widersprüche, die mal klar formuliert werden sollten.

m7: Ich möchte das noch mal aufgreifen, was die Genossin vom BgR gesagt hat. Ich sehe es nicht so, daß ein roter Faden zwischen der NS-Arbeiter-Mythologie und dem DDR-Proletarierkult besteht. Der staatlich verordnete Antifaschismus hat in der DDR-Gesellschaft eine unterschwellige Antihaltung gegenüber sozialistischen, antifaschistischen Thesen provoziert.
Und noch mal kurz zu PDS. Die PDS war immerhin die einzige Partei im Bundestag die sich gegen den NATO-Einsatz im Kosovo ausgesprochen und eindeutige Gegenposition bezogen hat.

m8: Ich bin ein wenig enttäuscht über die Erklärungs- und Analyseversuche, sowohl vom BgR als auch von der AAB, woher denn die Nazis nach 1989 nun gekommen sind. Es kommt mir so, vor als wenn jeder nur sagen würde, was er glaube, aber wichtig ist eigentlich bei Positionen, daß die nachvollziehbar sind. Die beiden Punkte, die Ihr vertretet widersprechen sich übrigens nicht unbedingt. Nicht nur der Kapitalismus brach über den Osten rein, sondern generell einen nationalistischen Taumel und ich glaube, daß das auch seine Wirkung im Osten hinterlassen hat.

Moderation: Ich schlage vor, wir machen jetzt noch einen Antwortenblock machen zu der Frage, wo denn die Nazis herkommen. Danach würde ich gerne noch ein Thema aufgreifen, was vorhin schon angedeutet wurde und zwar, was denn die Nazis heute noch für eine Rolle spielen. Denn wenn die Nazis nicht mehr so schlimm sind, dann hieße das ja, daß sich unsere Politik auf ganz andere Institutionen und Sphären konzentrieren müßte.

m9: Mir fällt dabei auf, daß der Unterschied zwischen Ost und West einen total hohen Stellenwert bekommt. Bei Analysen, woraus Nazis eigentlich bestehen, fällt mir vor allem das Geschlechterverhältnis auf, was gar nicht thematisiert wird. Warum ist Faschismus v.a. ein Problem von männlicher Gewalt? Ich könnte dann auch weiter fragen: Warum ist Antifaschismus v.a. eine männliche Domäne? Diese Frage würde ich auch gerne mit berücksichtigen.
Subkulturelle Konzepte und Konzepte von kultureller Hegemonie vermischt. Kulturelle Hegemonie macht sich für mich aber ganz anders fest. Z.B. in Erziehungswerten oder beim Stellenwert von Nation, Familie oder sonst was. Ich finde, in der DDR gab es immer diese rechte kulturelle Hegemonie. Das hatte ein linkes Gewand, aber wenn ich mit das ganze Fahnengeschwenke ankucke, die FDJ und das ganze Erziehungswesen, das ist für mich ein total rechtes kulturelles Hegemoniekonzept.
Die Linke ist meiner Ansicht nach ziemlich weit in der Gesellschaft integriert. Aber was sind unsere kulturellen Gegenkonzepte, wie wollen wir eigentlich leben, wie wollen wir diskutieren, wie wollen wir uns von männlichen Wertevorstellungen abgrenzen?

Moderation: Ich fände es gut, wenn wir auch auf Kongressen lernen würden, uns bei Wortbeiträgen zu beschränken. D.h. daß wir vielleicht heute die Probleme benennen, morgen sie vertiefen und am Sonntag dann die Lösungsvorschläge diskutieren.

Pit: Jetzt noch mal was zur Analyse, weil das oft kritisiert wurde. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kann man sagen, daß der Kapitalismus Ursache von Rechtsextremismus ist. Der empirische Nachweis wäre, daß ich keinen faschistischen Staat außerhalb des kapitalistischen Wirtschaftssystems kenne.
Ich bestreite, daß es im Osten mehr Nazis und Rassisten gibt, als im Westen. Der Unterschied ist das Auftreten, d.h. im Osten ist die Rassistenbewegung stärker radikalisiert und militanter. Eine der Ursachen sind unserer Meinung nach, soziale Ursachen, dieses konfrontiert werden mit dem Kapitalismus und damit einhergehende Verlustängste des sozialen Status. Das ist verkürzt die Analyse der AAB.

Katja: Es wird ja gesagt, was soll das überhaupt sein: linksradikale Politik machen und im Osten geht’s eh nicht. Wir denken, daß dabei aber gerade das Problem liegt: wenn man die Aufgabe der Antifa definiert als pure Zurückdrängung der Nazis, dann wird man damit keinen Erfolg haben. Es muß darüber hinaus gehen. Linksradikale Politik machen heißt für uns, daran festzuhalten, daß es Alternativen gibt zum Kapitalismus. Und das ist im Moment das, was eine linksradikale Politik ausmachen kann und wo man die Punkte findet, an den man das zum Ausdruck bringen kann, wo man durchdringen kann. Und da sind die Bedingungen im Osten schwieriger, weil die Bedrohung von linken Strukturen einfach größer ist. Um linksradikale Politik überhaupt machen zu können, muß man sich die Nazis natürlich vom Leib halten. Es gibt auch Beispiele, wo versucht wurde neben dem Antinaziding eigene Strukturen aufzubauen und sei es, eigene Zentren aufzubauen, weil dies auch die Bereiche sind, wo die Nazis keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen. Auf der reinen Abwehrebene wird sich die Linke aber nicht durchsetzen. Deswegen sehen wir eine linksradikale Politik als wirksamste Strategie gegen Nazis und eben nicht die reine Reduzierung auf "wir müssen uns die Nazis vom Leibe halten". Die Nazis verschwinden ja nicht, die kann man nur isolieren und das auch nur, wenn die Linke eine gewisse Stärke entwickelt.

Pit: Bei der Bündnispolitik kann ich überhaupt keine neue Situation erkennen. Wir haben schon immer mit Parteien zusammengearbeitet und daß sie Scheiße sind, wußten wir doch auch schon immer. Also was ist da das Problem? Wir müssen sehen, daß erkennbar ist, wer da mit wem ein Bündnis macht und da mußten wir immer schon drauf achten und da hatten wir auch schon immer Probleme gehabt, daß wir nicht hinten runter fallen, daß unsere Position erkennbar ist. Bei Antifademos wird das Bündnis ja nur für das Plakat beschlossen, denn von denen kommt ja sowieso niemand. Das ist aber nichts neues.

w2: Ich finde, daß wenig differenziert mit dem Begriff Nazis umgegangen wird. Ich würde mir da bei allen Redebeiträgen eine größere Differenzierung wünschen, also meint man die Stiefelnazis da oder die Leute am CDU-Stand gegen die doppelte Staatsbürgerschaft dort oder wie weit geht das.

m10: (zur AAB) Ich glaube, daß kann man so nicht stehen lassen, daß der Faschismus kausal mit dem Kapitalismus erklärt wird. Das ist die typische, in Eueren Strukturen beliebte, Dimitrowsche Faschismusanalyse und das ist einfach ein Widerspruch der mit Sicherheit bei uns allen besteht in der Analyse von Politik. Ich denke, daß dieses Hauptwiderspruchsdenken eigentlich der Vergangenheit angehört müßte. Konstituierend für den Faschismus sind ganz fundamental die Elemente Rassismus und Patriarchat.

Pit: Das ist schlicht und einfach ein Mißverständnis und ich unterstelle Dir, daß du das mit Absicht machst.

m11: Ich möchte diese langweilige Diskussion jetzt mal abkürzen. An das BgR: Ihr habt Euch ja ziemlich stark auf die DDR konzentriert, die Phänomene, die Ihr als faschistische Übergriffe beschreibt, die spielen aber meist nach 1989. Mich würde interessieren, welche Zustände macht ihr dafür verantwortlich, daß das gerade 1989 so stark geworden ist.

Sabine: Die Wiedervereinigung war ganz klar ein nationales Ereignis in West und Ost. Und es konnte auch nur als nationales Element empfunden bzw. aufgefaßt werden und hat sich dann auch so auf der Straße umgesetzt.

m3: Ich glaube es gibt so einen kausalen Gleichlauf zwischen Inhaltslosigkeit und quantitativer Schwäche. D.h., die Antifaszene als Bestandteil der linksradikalen oder autonomen Bewegung ist immer schwächer geworden. Und sie hat aufgrund dieser Schwäche gemerkt, daß sie dem Staat nicht mehr die Faust zeigen kann und hat inhaltlich schon vor Jahren kapituliert. Das hat sich insbesondere an solchen Ereignissen gezeigt, wie dem "Asylkompromiß". Das war vielleicht das letzte Zucken und man hatte kläglich versagt, weil man inhaltlich nichts anderes zu bieten hatte, als eine reine Anti-Nazi-Position. Und der ernüchternde Fakt ist, daß die Stiefelnazis eigentlich überhaupt keine gesellschaftliche Relevanz haben. Und wenn man sich dem mal stellt, dann merkt man, daß wir als Linke ein riesiges Problem haben. Wir müssen eine Antwort finden auf die Frage: Welche Existenzberechtigung haben wir denn eigentlich als Linke? Denn wir sind nicht mehr in der Lage überhaupt noch dem Kapitalismus in irgend einer Form zu definieren. Wir müssen uns auch zu Fragen der Ökonomie wieder hinwenden und davon ist die Antifaszene aber weit entfernt. Ich würde sogar rein faktisch zustimmen, daß die richtige Antwort gegen Rechtsradikalismus und Nazismus Linksradikalismus ist. Ich sehe bloß das Problem, daß es nicht möglich ist weiter zu kommen, wenn nicht endlich dieses unsägliche "Hinter dem Faschismus steht das Kapital" vom Tisch ist.
Wir stehen hier unter dem Druck, Ergebnisse erzielen zu müssen, den wir haben nicht mehr viele Chancen in Zukunft und wir stehen tatsächlich mit dem Rücken gegen die Wand als Linke.

Pit: Natürlich ist es Quatsch, Daimler-Benz zu unterstellen, sie würden die Nazis aufhetzen. Es ist im Gegenteil so, das dieser Nationalismus z.B. der NPD dem Kapital entgegen läuft. Sie sind unmodern und deshalb sind die in der Gesellschaft heutzutage nicht wichtig. Kapitalinteressen spielen sich heute abseits von Nationalismus ab.

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