Der Weg zum Olymp soll steinig werden [aus:PE #17]
Nun ist es noch knapp einen Monat hin bis am 12. April das Nationale Olympische Komitee (NOK) seine Entscheidung darüber trifft, welche bundesdeutsche Stadt aus dem Kreise der fünf Bewerber, neben Leipzig sind das Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart, ins internationale vorolympische Rennen um die Vergabe der Spiele 2012 geschickt wird. Der Presse ist zu entnehmen, dass die Begeisterung für Olympia in Deutschland sehr hoch ist und gleichzeitig bei nur 71 Prozent liegt. Verwirrend! Aber so wird das Spiel auf der Präsentationsmanege des olympischen Bewerbungszirkusses gespielt. Die realen Zustände werden durch flache Zukunftsperspektivpropaganda verschleiert. Fakten, die gegen die ökonomische Gigantomanie, gegen die tiefgreifenden negativen sozialen Auswirkungen, gegen die ökologische Zerstörung Olympia sprechen , werden ausgeblendet und hinter permanent freudiger Erwartung versteckt, zurechtgebogen, uminterpretiert oder in das Argumentationsschema eingebaut. Demnach brüsten sich auch alle Bewerberstädte mit einer erreichten Zustimmung der regionalen Bevölkerung von über 80 Prozent. Also gerade dem Grenzwert, der für eine erfolgreiche Bewerbung nötig ist. Weiterhin werden alle Vorzüge des jeweiligen Standtortes in den Vordergrund gerückt und erfahren ihren positiven Zuspruch durch allerhand prominente Meinungen und Statements. Leipzig hat sich aufgrund seines geschichtsträchtigen Images als Stadt der friedlichen Revolution, womit auf einer platten Völkerverständigungsebene sehr exzessiv geworben wird, politische Größen wie Helmut Kohl oder Michail Gorbatschow als Fürsprecher an Land gezogen. So funktioniert das natürlich in jeder der anderen Bewerberstädte auch. Nicht zuletzt darf natürlich auch das Volk auf schön eingerichteten OlympJA Internetvotesites seinen geprüften und inhaltlich unverwerflichen global-deutschen Senf hinzufügen. Meinungen gegen ein regionales Olympia oder gegen die internationale Olympische Idee finden sich hier natürlich nicht. Aber es gibt sie. Einige derer, die gegen Olympia argumentieren, haben sich zu Gruppen und Initiativen zusammengeschlossen und machen gegen das Olympische Begehren mobil. Dabei sind die Beweggründe teilweise sehr verschieden und der gemeinsame Nenner Antiolympia wird deshalb auch durch unterschiedliche, teilweise auch sich überschneidende und verschmelzende Argumente definiert. Im Folgenden soll ein kleiner und verkürzter Überblick über die in den anderen Städten aktiven AOKs und deren Aktivitäten gegeben werden. Gleichzeitig soll dies als Anreiz dienen, sich mit der Thematik Antiolympia auseinanderzusetzen und auch selbst einmal ins Internet und die Presse zu schauen.
"2012 - Frankfurt RheinMain für Deutschland" (14% Zustimmung)*
In der Mainmetropole Frankfurt, die übrigens wegen seiner in Europa einzigartigen Skyline als einzige Stadt geeignet ist Olympia auszurichten - so die Worte der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth - formierte sich eine Antiolympia Bewegung unter dem Motto: "Nolympia in Frankfurt 2012 - Der Spass ist und zu teuer!". In Bezug auf das Image der Stadt als deutsches, europäisches und internationales Finanzzentrum, passt dieser Slogan. Kurz gesagt, dieser Gegenkampagne geht es ums liebe Geld. Auf der Homepage wird auch gleich klar gestellt, dass es nicht gegen Sport im Allgemeinen oder gegen das Olympische Konzept ansich geht. Olympia in Frankfurt ist mit einem geplanten Investitionsvolumen von 1,7 Mrd. Euro einfach zu teuer. Die Kosten.Nutzen Kalkulation der Stadtoberen scheint fraglich zu sein und bezieht die derzeitige finanzielle Schieflage nur unter dem Aspekt, dass danach sowieso alles besser wird, mit ein. Die InitiatorInnen der Gegenbewegung sehen in der gegenwärtigen Wirtschaftsentwicklung keinen Platz für solche finanziellen Abenteuer. Ebenso wenig haben die durch Geldmangel auftretenden nachteiligen Folgen für soziale, bildende und kulturelle Einrichtungen, die Entwicklung der Infrastruktur, bezogen auf Wohnen, Mieten und Verkehr, Beachtung gefunden. Finanziell benachteiligt, durch fehlende Unterstützung aus dem Stadtsäckel, wäre wohl ohne Frage auch der Schul- und Breitensport. Neben dem finanziellen Sektor steht natürlich auch die ökologische Seite zur Debatte. Durch Olympia würden wohl eine Menge Grünflächen, Stadtparks, wie der Stadtwald oder die Grüne Mitte Maintal, in Mitleidenschaft gezogen oder sogar verschwinden. Es wird deutlich, dass es sich hierbei um eine durch bürgerliche Argumentation motivierte Initiative handelt, die sogar aus dem Frankfurter Stadtparlament und dem Nachbarort Maintal seitens der Politik durch PDS, SPD und Ökolinx - unter anderen - Rückendeckung erfährt. Das Ziel der Bewegung ist es letztlich den Magistrat der Stadt Frankfurt zum Zurückziehen der Bewerbung und der zugesagten finanziellen Mittel zu bewegen. Hierzu fanden diverse Veranstaltungen und Kundgebungen statt. In Form einer Unterschriftensammelkampagne soll der Protest hauptsächlich zum Ausdruck gebracht werden. Seit Neuestem werden aber auch in Frankfurt scheinbar radikalere Töne angestimmt, denn das NOK-Headquarter wurde Opfer eines kaltblütigen Akt des Terrors. Die verdrehte Doppelhelix des Bösen verlief in einer Art Tiefausläufer auch durch Deutschland und sorgte für eingeschlagenen Scheiben, für mit Farbbeuteln beschmissene und verwüstete Büros samt Inneneinrichtungen und beschmierte Fassaden, die den in roter Farbe verfassten Schriftzug: "Nolympia" nebst einem Anarchiezeichen trugen. Die TäterInnen blieben allerdings glücklicherweise unerkannt. Randalierende Bürger? Infos gibt es unter www.nolympia.de und www.gruenemitte.de.
"Unsere Spiele - so bunt wie die Welt" (21% Zustimmung)*
In Düsseldorf lief das alles von vornherein vielschichtiger ab. Immerhin kam es hier im letzten Jahr zu einem vorerst kleinen, sich dann ausweitenden Eklat. Die vor dem Düsseldorfer Rathaus hängende Olympische Fahne wurde samt ihrer fünf Ringe von unbekannten Tätern gekidnappt. Anfangs freuten sich die Stadtoberen darüber, da sie mit einem Delikt eines olympiaverrückten Anwohners rechneten. Also positive Publicity. Als jedoch ein Bekennerschreiben mit Foto der Flagge samt ihren Entführern in den hauseigenen Briefkasten flatterte, veränderte sich die Lage und die Sichtweise auf dieses Delikt schlagartig. An das Schreiben war die unmissverständliche Forderung geknüpft: "Bloß kein Olympia in D-Dorf oder anderswo!". Auf den Seiten www.de.indymedia.org. www.terz.org/texte/texte und www.antifakok.de finden sich der komplette Brief, ein Interview mit dem dahinterstehenden Kommando Tommie Smith und einige coole Fotos. Daraus lassen sich die Inhalte und Argumente dieser Gegenbewegung ersehen. Hauptargumente finden sich dabei in sozialen Backgrounds. Im Zuge von Olympia sind erhebliche Kürzungen der Sozialpolitik zu erwarten, was der angespannte Haushalt D-Dorf heute schon bestätigt. Immer mehr wird soziale Politik durch Repressionen und Kriminalisierung ersetzt. Dies bedeutet, dass jetzt schon eine kontinuierliche Säuberung der Stadt von Junkies, Obdachlosen und nicht ins Bild passenden Menschen betrieben wird. Dies wird sich durch Olympia erheblich dramatisieren. Olympia bedeutet eben neben seinen hohlen Phrasen vom friedlichen Miteinander eben auch Diskriminierung! Die ökonomischen und sozialdarwinistischen Planungsmodelle, die ökologischen Verschandelungen, die olympische Diskriminierung im Zeichen Olympias zeigen, dass dieses Event abgeschafft gehört! Das Ziel ist es Olympia in D-Dorf und überall sonst zu verhindern und zu boykottieren und zuerst dafür zu sorgen, dass Deutschland als Bewerberland allgemein keine Chance mehr hat Olympia ausrichten zu dürfen. Der Fahnenraub soll erst der Anfang einer Protestaktionsreihe gewesen sein! Von linker Seite aus wird auch das bürgerliches Begehren auf die Zurücknahme des Ratsbeschlusses, nach welchem 50 Mio. Euro im Falle der erfolgreichen Bewerbung garantiert werden, unterstützt. Die Initiative Kaiserswertherstrasse sucht UnterstützerInnen und sammelt mit anderen Gruppen Unterschriften gegen Olympia. Im Zuge dessen wird angekündigt, dass das IOC, das NOK, die Athleten und die Gäste im Fall der Fälle keine protestfreien Spiele erleben werden! Diese Initiative wird auch vom Bund Freunde der Erde unterstützt. Sie lehnen die Spiele im Rhein-Ruhr-Gebier aus ökologischen Gründen ab. Die Bewohner von D-Dorf-Loerick schließen sich dem an, da die olympischen Bebauungsplänen ihren friede-freude Eierkuchen-Wohnraum zerstören würden.
"Stuttgart 2012" (18% Zustimmung)*
Der Bund Freunde der Erde ist auch in der Bewerberstadt Stuttgart aktiv. Hier stemmt er sich ebenfalls sehr massiv gegen den Traum von den propagierten "Grünen Spielen inmitten der Stadt". Die geplanten Bauvorhaben würden nämlich genau das Gegenteil mit sich führen, weil viele Naturareale, wie die Cannstatter Wasen zu beiden Seiten des Neckars, auch innerstädtische, zerstört oder wahllos umgestaltet werden würden. Gleichzeitig richten sich die Proteste gegen die im Zuge der Spiele geplante Erweiterung der Messe, die auch große Teile der Natur fressen würde. Wie sich diese angeführten Probleme mit dem Fakt vertragen, dass im Planungskomitee der Stadt Greenpeace Vertreter sitzen, mit denen gemeinsam grüne friedliche Spiele realisiert werden sollen, ist fraglich und scheint eher eine "Gegner vom Leib halte Taktik" zu sein. Eine ins Leben gerufene bürgerliche Initiative widmet sich diesen Themen und steuert den Protest durch Unterschriftenaktionen und Ähnlichem. Über weiter Gruppen und Aktivitäten ist leider nichts bekannt. Bedeutend ist vielleicht für die Chancen Stuttgarts auf Olympia, dass keine der ansässigen Firmen mit Weltruf finanzielle Mittel bereit stellen will. Innerhalb Baden-Würtembergs regte sich übrigens auch Protest, und so mussten die Ruderwettbewerbe von Ulm nach Karlsruhe verlegt werden.
"Feuer und Flamme für die Spiele 2012 in Hamburg" (19% Zustimmung)*
Zur Hamburger antiolympischen Aktivität gibt es kaum Informationen, dabei soll die Zustimmung der Bevölkerung der Stadt bei über 84 Prozent liegen. Im Dezember 2002 wurden allerdings offizielle Plakate der unsäglichen Feuer und Flamme Aktion in einer Nacht und Nebel Aktion umgestaltet. Es wurden Köpfe mit Bildern von Hamburger Politikern überklebt. Daneben standen Losungen wie: Regierung stürzen - schon aus familiärer Verpflichtung! Die Medien und die Stadtoberen sahen darin aber weniger eine Antiolympiaaktion, als ein Protest gegen den Hamburger Senat und Schill. Infos hierzu gibt es unter www.de.indymedia.org. Es scheint in Hamburg keine öffentliche Protestbewegung zu geben. Hier geht die Gefahr, so war zu vernehmen, wohl eher von autonomen Gruppierungen aus, die sich in ihren Aktionen besonders gegen Schill richten. Immerhin wurden die an einem Märzwochenende stattfindenden Dreharbeiten für einen Hamburger Olympiawerbefilm durch gezielte Aktionen sogenannter Krawallmacher und Chaoten, wie gerne hört mensch so etwas, gestört. Am 12.4., also dem Tag X, dem Dependent Day, dem Jugdement Day, rufen Hamburger Autonome zu einer überregionalen Protestkundgebung und zur Party unter dem Motto "Bambule statt Olympia" auf.
Auch wenn all diese Protestaktionen noch nicht die Gewalt und den Erfolg der Berliner Gegenbewegung vom Anfang der neunziger Jahre erreicht haben und wohl nie erreichen werden, schließlich bekam Berlin aufgrund der Bemühungen und Aktionen dieser Initiative die Spiele nicht, ist die Existent solcher Gruppen überaus wichtig und eben der Erfolg der BerlinerInnen sollte weiteren Antrieb geben. Dort wurde auch vorgemacht, wie sich in ihren Ansichten über die Gründe gegen Olympia zu sein teils tiefgreifend unterscheidende Motivationen und Gruppen zu einem Ziel bündeln lassen, ohne auch eine klare ideologische, inhaltliche Linie zu verlieren. Natürlich darf dies auch nicht wahllose Zusammenarbeit um jeden Preis bedeuten. Die Loericker Bürger beispielsweise gehen mir, mit Verlaub, momentan am Arsch vorbei und wären wohl für unsere leistungssportkritische Grundlage nicht zu gewinnen, so wie wahrscheinlich auch die Frankfurter WürstchenverkäuferInnen. Egal. Es gibt noch viel zu tun und es gibt dafür eigentlich auch ein weites Betätigungsfeld, was zu diversen Aktionen, die bestimmt auch immer wieder Spass machen und ein bißchen Leben in die alten Antifaärsche blasen, einlädt. Und schließlich ist ein Monat schnell rum. Es gilt der Entscheidung im April entgegenzufiebern. Ganz egal wie diese ausfällt: "Olympia, wir sind da und warten auf dich. Die Freude ist ganz unsererseits!"...
dela
P.S.: Wie die Presse schon weiß, wollen wir natürlich nichts kaputt machen!
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