Incipito
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Redebeitrag auf der Vollversammlung am 28.1.

Wenn Ihr Euch die letzten paar Wochen zusammengefunden habt, so waren die geplanten Ein-schnitte im Bildungsbereich nicht mehr als der Anlass, um zu beweisen, wie systemkonform Ihr seid. Ihr sorgt Euch um den Standort Deutschland mehr als Ihr Euch um Eure eigenen materiellen Interessen sorgt. Oder wie soll es sonst genannt werden, wenn Euch selbst so harmlose Forderungen wie die nach elternunabhängigem Bafög zu radikal sind?
Die Botschaft Eures Protest an die deutsche Mehrheitsgesellschaft lautet dann auch demgemäss: ?Ihr braucht uns, vergesst uns nicht.? Was Euch antreibt, ist die Sorge um den Standort Deutsch-land, da Ihr, in bester deutscher Tradition, die Interessen des Standorts als Eure eigenen definiert. Dementsprechend nennt Ihr Eure Veranstaltung dann auch einen ?konstruktiven Streik?. Weit da-von entfernt, die Produktion still zulegen, was den Begriff Streik rechtfertigen könnte, reicht es noch nicht einmal dazu, den universitären Betrieb zu stören. Stattdessen werden Konzepte erarbei-tet, wie die Universität effektiver werden könnte, wo alternativ gespart werden kann. Mitmachen bei der gesellschaftlichen Modernisierung heißt das Gebot der Stunde.
Einen eigenen Beitrag für das neue Deutschland wollt Ihr leisten, und Bildung ist genau das was Deutschland fit macht. Genau das heißt konstruktiv. Da ist es auch nur folgerichtig, dass Ihr Euch nicht mit Euren KommilitonInnen, die als Sozialschmarotzer exmatrikuliert werden sollen, solidari-siert. In bester sozialpartnerschaftlicher Manier biedert Ihr Euch den Herrschenden an, vermittelt Ihnen Eure Wichtigkeit für das gesamtgesellschaftliche Wohl. Ein gutes Leben jenseits von Verwertungslogik und gesellschaftlichen Zwängen könnt Ihr Euch nicht einmal im Traum vorstellen, für eine Perspektive jenseits von Kapitalismus und Deutschland ist der Protest an den Unis nicht zu haben.
Dafür habt Ihr aber begriffen, was dem Image eines neuen, weltoffenen, demokratisch gewandelten Deutschlands dienlich ist. Richtig schön zivilgesellschaftlich organisiert der vermeintliche Nach-wuchs der deutschen Elite kreative, nette Aktiönchen, alles im Rahmen des Grundgesetzes. Mit Eurer Filmproduktion wisst Ihr selbst die Instinkte der BILD-Zeitungsleser zu bedienen. Dass Ihr dabei mithelft, ein Rollenbild zu zementieren, dass Frauen als Sexualobjekte begreift, interessiert Euch nicht.
Eure vermeintlich lustige Aktion hat vollends demonstriert wie weit Ihr von dem Bedürfnis nach Emanzipation von gesellschaftlichen Zwängen entfernt seid.
Wenn Ihr Euch, wie geschehen, kollektiv die Haare abschneidet und sie dann an die deutsche In-dustrie verkauft, um Euch als Opfer einer neoliberalen Bildungspolitik zu gerieren, verdeutlicht Ihr damit nur um so mehr, dass von historischem Bewusstsein bei Euch nicht die Rede sein kann. Dass unsere Großeltern den Juden, nachdem sie sie ins KZ gesteckt hatten und bevor sie sie ermordeten, die Haare ab rasierten und der Verwertung zuführten, interessiert Euch nicht.
Vielleicht könnt Ihr ja über Euren phantasievollen Geschichtsrevisionimus noch Eure Nützlichkeit für das deutsche Gemeinwesen unter Beweis stellen und so Eure Ressourcen sichern.
Dass die Universität kein Ort ist, an dem kritische Gedanken beheimatet sind, habt Ihr zur Genüge bewiesen. Dafür wird es Deutschland mit Euch noch weit bringen.
Nicht einmal die Politik-StudentInnen unter Euch haben begriffen, dass politische Entscheidungen die Ergebnisse von Kompromissen sind. Sonst würdet Ihr wohl kaum mit weniger als Minimalfor-derungen eine Aktion beginnen, die nicht einmal der DGB als Streik bezeichnen würden. Was von Euren Forderungen übrig bleibt ist jetzt schon absehbar: nämlich nichts. Wer aber jenseits aller Standortlogik das gute Leben fordert, also die Abschaffung von Prüfungen, Exmatrikulationen etc, der wird mit viel Glück und Rabatz die Einführung von Studiengebühren verhindern, mal ganz da-von abgesehen, dass ein solcher Streik auch Solidarität verdient hätte.
Hört auf zu studieren, fangt an zu denken!
Kein Studium für Deutschland!

== Bündnis gegen Rechts Leipzig (BgR) ==
[Nummer:11/2004 ]
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Datei wurde angelegt am: 14.03.2004