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jung.dynamisch.sexy.

    Noch nie war die Linke so unbedeutend wie heute. Mit solchen oder ähnlichen Sätzen ist wohl jedeR, die/der sich zu dieser sogenannten Linken zählt, in letzter Zeit nicht nur einmal konfrontiert worden. Und zwar zu Recht.

Betrachtet man sich jenen buntgemischten Haufen, um ihn auf Inhalte und Ziele zu prüfen, so fällt einem die Wahl zwischen lautstarkem Gelächter und erschüttertem Gewinsel oft alles andere als leicht. Die meisten Linken sind immer noch damit beschäftigt ihre Kommunen zu pflegen, Transpis gegen Amerika zu malen, Friedensdemos zu organisieren oder neue verrückte Theorien über „die Herrschenden“, „die Reichen“ oder andere Unmenschen, die diese eigentlich so schöne Welt ins Verderben stürzen wollen, auszuspinnen. Ist die Rede von „der Linken“, so kann dies leider immer noch kaum mehr bedeuten als Attac, die PDS, Antiimps und Autonome aller coleur oder andere mehr oder weniger organisierte Verrückte. „Die Linke“, dass ist in erster Linie immer noch ein belastend reaktionäres Pack. Und doch, hier und da, wenn man Glück hat, lassen sich doch noch Gruppen, Initiativen oder Personen finden, denen an einer freien Entwicklung des Individuums, einer Gesellschaft des materiellen Überflusses für alle, einer freien Assoziation von Menschen, die bewusst mit Ressourcen und Produktionsmitteln umgehen oder kurz: am Kommunismus doch noch was liegt. Menschen, denen aufgefallen ist, dass keine Revolution, keine Wagenburg und erst Recht kein Steinwurf o.ä. der kapitalistischen Gesellschaftsmaschinerie und ihrer ewig selbstzweckhaften, unmenschlichen Bewegung ernsthaft etwas anhaben konnte. Und auch wenn jene, die sich um eine kritische Analyse der bestehenden Verhältnisse mühen und diese wirklich radikal abzuschaffen gedenken eine verschwindend geringe Minderheit sind, so gibt es sie doch. Schließlich ist es keine neue Weisheit, dass, und dies sollte wohl jedem/r bewusst sein, um so tiefer man in der Scheiße steckt, umso nötiger es ist, sich wieder herauszuwühlen.

Für uns als Jugendgruppe ist dies alles andere als einfach. Denn das angestrebte Publikum, jene die wir für ihr eigenes Leiden und das Anderer sensibilisieren und ihnen die Möglichkeit der kritischen Auseinandersetzung mit Gesellschaft bieten wollen, hat alles andere als Gesellschaftskritik im Kopf. Ein jeder kennt das Gefühl: man denkt, man sei völlig am Boden und irgendjemand wirft einem eine Schaufel zu. Der Dialog über Gesellschaftskritik mit Jugendlichen erweist sich bei häufigem Versuch als wenn nicht nutzlos, so doch zumindestens als verdammt schwer. „Die Jugend von Heute“ scheint einfach keinen Bedarf dafür zu haben. Neben dem Privatleben der Popstars auf VIVA und der knuddeligen Hollywoodsternchen, Computerspielen, nagelneuen Handys, den Bravohits und nicht zu vergessen dem selbstverständlich lebenswichtigen und unverzichtbaren Schulalltag und dem noch weitaus wichtigerem Berufsleben ist einfach kein Platz mehr für so trockene, schwierige und überhaupt viel zu abgedrehte kommunistische Ideen wie einem schönen Leben für Alle ohne Geld, Arbeit, Staat und Kapital. Man braucht keine Shell-Studie mehr, um herauszufinden, dass die Jugendlichen von Heute schon genauso wie ihre Eltern sind. Wer, wie Robert Kurz, in einer Horde aufgeschreckter Teenies, die bei ihrer Lieblingssendung Interaktiv (oder Friedensaktiv) einander erzählen, wie doof Bush denn nun eigentlich ist, eine unverbrauchte oder gar kritische Bewegung sieht1, dem kann entweder nur völlige Realitätsferne oder Blindheit oder Beides vorgeworfen werden. Wir jedenfalls wünschen ihm keinen einzigen Tag in der Schule.

Allerdings ist zu hoffen, dass, das wofür „die Jugend“ eigentlich seit Jahrhunderten als verzogen, sittenlos oder romantisch geschimpft wurde, ihre Rebellion, ihre höhere Sensibilität für soziale Ungerechtigkeit, ihr Mut verschmähte Gedanken zu äußern etc., noch nicht völlig im bunten Grau des kapitalistischen Normalbetriebs versunken ist. Auch, wenn Alter (oder Jugend) nicht vor Dummheit schützt, so ist doch mit Jugendlichen gelegentlich besser und konstruktiver zu diskutieren. Ihre ideologischen Konstrukte stehen noch auf wackeligen Beinen, keiner von ihnen hat sich seine Lebensweisheiten bereits jahrelang selbst eingetrichtert um sie nie wieder abzulegen und gegen Kritik abzuschirmen. Einen Satz wie „Werd erst mal so alt wie ich!“ oder andere auf die sogenannte Lebenserfahrung bezogene Ausflüchte wird man von einem/r SchülerIn nie hören. KeinE JugendlicheR hat ein abstumpfendes, eintöniges und belastendes Arbeitsleben hinter sich. Und wie gesagt, teilweise ist bei Jugendlichen noch auf jene Rebellion zu stoßen, die gemeinhin als pubertäre Erscheinung belächelt wird. Die Gewalt, die jedem Mensch im Laufe seiner Sozialisation angetan wird und das Unbehagen in einer Gesellschaft wie der jetzigen aufzuwachsen, kann von jungen Leuten einfach besser erkannt und empfunden werden, da die Gewöhnung an den normalen Wahnsinn noch weitaus weniger fortgeschritten und eine gewisse Abfindung damit noch nicht eingetreten ist. Somit wird auch der Wunsch nach Verbesserung weniger schnell als utopisches Geplapper denunziert.

Dies sind einige der Gründe, weswegen wir unsere linksradikalen Bemühungen der Jugendbildung widmen. Denn, sich mit Jugendlichen beschäftigen heißt nicht nur, ein paar der Flyer, die eigentlich für diese oder jene Veranstaltung bestimmt waren, in der ein oder anderen Schule auszulegen. Jugendbildung muss heißen, sich auch mit Jugendlichen selbst auseinanderzusetzen. Schüler und Schülerinnen leiden an teilweise anderen Alltäglichkeiten als Erwachsene. Sie haben andere Interessen, Treffpunkte und Ansprechmöglichkeiten und nehmen beispielsweise tagespolitische Ereignisse auch anders auf, da sie von anderen Medien (Clique, Musikfernsehen etc.) damit konfrontiert werden und der Raum der Auseinandersetzung ein anderer ist. Jugendliche sind daher auch mit teilweise anderen Begrifflichkeiten zu erreichen und die Diskussionen mit ihnen haben andere Schwerpunkte. All dies macht Jugendbildung umso wichtiger. Wir, Tomorrow, versuchen daher an Jugendliche mit Missständen, die sie betreffen und die sie nachempfinden können, heranzutreten und diese für sie möglicherweise in einem anderen Kontext begreiflich zu machen. Nur als kleines Beispiel: Das Leid, welches ausnahmslos JedeR beispielsweise in der Schule empfindet (Autorität, Stress, Leistungsdruck, Regeln...) und das, wenn überhaupt, meist nur mit einem simplen „kotzt an“ geäußert wird, versuchen wir aufzugreifen und die Ursachen dessen in einer umfassenden Schulkritik (eingebettet in eine kommunistische Kritik kapitalistischer Zustände überhaupt) zu erläutern. Unsere Bestrebungen sind dabei, Jugendliche auf die alltägliche Gewalttätigkeit und Unzumutbarkeit kapitalistischer Zustände aufmerksam zu machen und sie dafür zu sensibilisieren. Zum Einen, um Leid und Gewalt besser erkennbar zu machen und zum Anderen um auch ihnen zu ermöglichen, das Unbehagen, in der jetzigen Gesellschaft leben zu müssen und die Qual Alltägliches zu ertragen, reflektieren zu können. Im Anschluss versuchen wir die Möglichkeit für Jugendliche zu bieten, radikale Gesellschaftskritik zu vertiefen und selbst zu betreiben. Zum Beispiel bei Vorträgen im Tomorrow-Theorie-Café oder bei Teilnahme an den Plena der Tomorrowgruppen.

Dies ist umso wichtiger, da die Schule ja wohl kaum als humane Bildungseinrichtung bezeichnet werden kann. In ihrer Gestalt als Institution, die Kinder auf ihr späteres Leben im Kapitalismus vorbereiten soll, kann sie nicht mehr sein als eine affirmative Zuchtanstalt für willige Arbeitskräfte. Diese bürgerliche Erziehung muss zwingend einen unkritischen Umgang nicht nur mit dem vermittelten Schulstoff, sondern auch mit Alltäglichkeiten nach sich ziehen. Die Gewöhnung an Geschlechterrollen, die Zerlegung des Tages in Zeiteinheiten und das Zurückstecken sinnlicher Bedürfnisse, um nur ein paar Dinge zu nennen, werden nicht mehr hinterfragt, sondern als gegeben und normal hingenommen. Diesem unreflektierten Denken und somit auch unbewusst affirmativen Handeln soll ein Konzept der Jugendbildung entgegengesetzt werden, welches kritisches Auseinandersetzen mit der Gesellschaft forciert.

Allerdings sind wir uns im Klaren darüber, dass die Beschränkung auf Diskussionen, Vorträge oder Lesekreise allein nicht zum Umsturz kapitalistischer Verhältnisse führen kann. Wir wollen in diesem Zusammenhang keineswegs in das plumpe Geschrei nach „Praxis um jeden Preis“ mit einstimmen, da uns sehr wohl bewusst ist, dass vor einer richtigen Praxis zunächst eine richtige Kritik stehen muss. Jedoch sind auch wir bemüht eine gewisse Wirkungsmächtigkeit auch innerhalb bestehender Verhältnisse nicht aus den Augen zu verlieren. Um uns also nicht ganz ins Aus zu stellen, versuchen wir, soweit dies möglich ist, uns von realpolitischen Geschehnissen oder auch innerlinken Diskursen ein Bild zu machen, also diese kritisch zu beleuchten und angemessen zu reagieren.

So hübsch diese Ansprüche an uns und an die Realität auch sind, wissen wir gut genug, dass wir ihnen nicht genügend gerecht werden. Der Vorwurf, wir müssten offensiver werden, mehr publizieren, Veranstaltungen machen usw. ist berechtigt und wir richten ihn oft genug an uns selbst. Jedoch ist der Entstehungsprozess eines Artikels, Vortrags, Flugblatts o.ä. in einer Jugendgruppe ein sehr langwieriger. Die Vermittlung von Kritik, das Auseinandersetzen mit für Gesellschaftskritik relevanten Themen und die Erarbeitung eigener Positionen nimmt schließlich einen wichtigen teil der Plena ein. Jeder Veröffentlichung geht somit auch eine vermittelnde Auseinandersetzung mit dem Thema im Plenum voraus, was in einer Jugendgruppe enorm wichtig und unverzichtbar ist, die eben nicht nur aus Linken mit gefestigten und klaren Positionen besteht, sondern vorwiegend aus interessierten, sich Gesellschaftskritik annähernden Jugendlichen. Zudem besteht Tomorrow neben dem Theorie-Café aus derzeit zwei Jugendgruppen. Steht unter einer Veröffentlichung also „Tomorrow“, so müssen dieser zusätzlich gemeinsame Plena beider Gruppen und Auseinandersetzungen voranstehen.

Die Beschäftigung mit Jugendlichen sollte folglich eine Sonderrolle im Bereich linker Bildung einnehmen. Wir stehen dabei jeder inhaltlichen Kritik an uns, jedem Hinweis und jeder Hilfestellung offen gegenüber und begrüßen diese. In Diskussionen und bei der Entwicklung eigener Positionen unterstützt uns dies und hilft uns weiter. Leider haben wir in den letzten Jahren so gut wie gar nichts davon gehört. Kritiken an uns kamen kaum über Vorurteile, Ressentiments und inhaltsloses Geplapper hinaus. Die Kritik, die (meist nicht öffentlich, eher am Kneipentisch über Dritte oder über den szeneinternen Buschfunk) zu uns durchdringt, ist größtenteils einfach zu lächerlich, als dass man sich zu ihr positionieren müsste2. Wir haben schlicht und einfach keinen Bock uns dazu zu äußern, wenn wir als AKG-Jugendgruppe oder auch als Kadergruppe geschimpft werden oder das Theorie-Café in intellektuellenfeindlicher Manier als vorgezogenes Uniseminar belächelt wird. Ebenso tut es uns weh mit anzuhören, wenn diverse Personen sich ärgern, zuwenig mit uns gemacht zu haben und wir angeblich deshalb eine nicht wünschenswerte Gruppenposition annehmen. Wir sind nicht euer scheiß Nachwuchs und ihr nicht unsere scheiß Eltern, also spart euch diesen autoritären und bevormundenden Bullshit. Jede Unterstützung ist hilfreich und wir können sie mehr als benötigen (an dieser Stelle ein wirklich großes Danke an alle ReferentInnnen im und Organisatoren des Theorie-Cafés für ihre tatsächliche Hilfe). Doch wenn in Leipzig seit Jahren keine Sau bereit ist, sich mit Jugendlichen und linker Jugendbildung auseinanderzusetzen (Tendenz fallend), und diese sogenannte Kritik an uns über Vorurteile, Rumgenörgle oder ein plumpes „Macht mal mehr!“ nicht hinaus kommt, können wir gut und gerne auf sie verzichten und ihr sie euch stecken.

Zum Schluss nun noch ein paar Bemerkungen zu unseren Vorhaben für die nächsten Monate. Unsere Website ist gerade im Entstehen. Auf Ihr werden neben eigenen Veröffentlichungen von Früher, diskutierten Texten und Terminen auch Manuskripte von stattgefundenen Vorträgen aus dem Theorie-Café und aktuellen Äußerungen zur Tagespolitik zu lesen sein. Für den Spätsommer (Schuljahresanfang) ist ein Vortrag zur Kritik der Arbeit ausformuliert, der, wenn möglich, an verschiedenen Schulen und Jugendclubs gehalten werden soll. Etwa zeitgleich planen wir die Erstausgabe einer hoffentlich vierteljährigen Schülerzeitung, die an Schulen in ganz Leipzig verteilt werden soll. In ihr sollen Themen kritisch betrachtet werden, die sowohl im Unterricht als auch im Privatleben der SchülerInnen eine Rolle spielen. Wir erhoffen uns dadurch vielleicht einige neue Gesichter bei uns begrüßen zu dürfen. Sollte es sich ermöglichen, aufgrund von wachsendem Interesse der Jugendlichen das Vorhaben von vier Leipziger Tomorrowgruppen (Nord, Süd, West, Ost) in die Realität umzusetzen, benötigen wir definitiv strukturelle und organisatorische Unterstützung. Denn dies können wir derzeit als Jugendgruppe wahrscheinlich nicht alleine leisten (Gruß an „die Großen“). Das Theorie-Café3 besteht selbstverständlich fort und wird wie immer jeden Freitag (außer Sommerpause) offen sein für alle Jugendlichen, die Interesse an gesellschaftskritischen Referaten haben. Bis dahin.......

1 Zum Beispiel in seinem Pamphlet gegen die Antideutschen „Das Spiel ist aus“: „Aber es gibt auch Zeichen der Hoffnung, zum Beispiel den bundesweiten Schulstreik gegen den Krieg. Vielleicht sehen wir die ersten Lebenszeichen einer neuen Bewegungsgeneration, die schon bald beide Fossilien [nach Robert Kurz die „völkisch-antizionistisch und antisemitisch heruntergekommenen „Antiimperialisten“ einerseits und antideutschen, proimperial-kriegshetzerischen Helfershelfern der kapitalistischen Weltmachtmaschine samt deren nützlichen Bündnisidioten andererseits“] gleichermaßen so alt aussehen lassen wird, wie sie wirklich sind.“

2 Ausnahmsweise mal öffentlich publiziert hier ein Paradebeispiel des CEE IEH-Autors Yves, der es wie kein Anderer versteht seine peinlichen, inhaltslosen und überflüssigen Äußerungen zur Leipziger Linken als Kritik auszugeben. Er lässt uns in seinem Abschiedsbrief von der CEE IEH-Redaktion in der Ausgabe 100 („(K)eine Gratulation zum Hundertsten“) wissen, dass er bei einer Kaderschulung in Berlin war. Dort sollte er „sich mit den Schriften Marx auseinandersetzen und die HausbesetzerInnnenbewegung kennenlernen.“ Alle Achtung, dies verschafft ihm bei uns schon einmal gehörigen Respekt. Yves wusste und weiß: „Das war auch die richtige Mischung. (Während Tomorrow-Kids heute nur die Bibliotheksordnung auswendig lernen und nicht die Regeln des Straßenkampfes[…]“. Sorry Yves, aber mal im Ernst, hast du keinen Frisör oder so, dem du so einen Nonsens erzählen kannst und der dazu vielleicht auch noch ein interessiertes Gesicht macht, wenn das Trinkgeld stimmt?

3 Im B12 (Braustraße 20), Freitags 19:00 Uhr

== Tomorrow ==
[Nummer:08/2003 ]
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Datei wurde angelegt am: 13.09.2003