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Gibt es eine Nazisubkultur?

ART Dresden


Moderation: Die Gruppe ART (Antifaschistisches Recherche Team) Dresden, hier vertreten durch Sven, Tobias und Michael wird zum Kongreßkomplex “politische Bedeutung der Kultur” das Thema referieren: “Gibt es eine Nazisubkultur? Bildet die Nazikultur eine eigenständige Subkultur mit eigenständigen Werten, die sich konträr zur Gesellschaft verhalten oder ist die Nazikultur nur die Übersteigerung eines gesellschaftlichen Norm- und Wertekonsens oder etwa beides?”.

ART: Ich werde zuerst die Struktur unseres Referats vorstellen.
1) Rückblick in die Historie; gab es rechte Subkulturen?
2) Welches Selbstbild hat die heutige Jugend von sich; Analyse von Umfrageergebnissen
3) Die spezifische Situation in den 90ern
4) Diskussion

Punkt 1 : Geschichtlicher Rückblick:

In verschiedenen Texten, wie z.B. auch im Kongreßaufruf findet sich die Aussage “Die neue SA marschiert. Zwischen Rostock und Dresden bestimmen junge Nazis die Jugendkultur.” Hinter dieser Aussage, steht Polemik oder der Glaube, daß alte historische Konstellationen wiederkehren könnten. Wir wollen auf den Vergleich zwischen rechtsextremer ostdeutscher Jugendkultur und SA an dieser Stelle eingehen, allerdings losgelöst von Polemik und dem Glauben an die Wiederkehr vergangener Zeiten.
Die SA stellt sich für uns als wirkliche Subkultur dar, woraus sich einige Dinge für das Hier und Jetzt ableiten lassen.
Ein zweiter historischer Exkurs wird unter dem Titel “Die Hippies, Charles Manson und der Satanismus” stehen. An ihm wollen wir bestimmte Initiationsmomente aufzeigen, welche die Verknüpfung von Nazikultur und anderen Jugendkulturen möglich machen.

Die SA
bildete eine Nazisubkultur im wortwörtlichen Sinne. Uns interessiert dabei ihr Verhältnis zu bürgerlichen und konservativen Kräften nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten.
Im Sommer 1933 kommt in verschiedenen Artikeln und Reden zum Ausdruck, wie um die Definitionsmacht des nationalsozialistischen Revolutionsbegriffs gerungen wird. Die NS-Hegemonie auf der Straße war erreicht, der SA gingen die unmittelbaren politischen Gegner aus. Am 6. Juli erklärte Hitler die nationalsozialistische Revolution für beendet. “Der frei gewordene Strom der Revolution muß in den sicheren Hort der Evolution übergeleitet werden”, so Hitler. Mit ihm stimmten Heß, Goebbels und andere Nazigrößen überein. Röhm dagegen, in seiner Funktion als Stabschef der SA, formulierte in den “Nationalsozialistischen Monatsheften”: ”Ob es ihnen paßt oder nicht, wir werden unseren Kampf weiterführen. Wenn sie endlich begreifen worum es geht, mit ihnen, wenn sie nicht wollen, ohne sie und wenn es sein muß, gegen sie.” Das war das Schlagwort der sogenannten “Zweiten Revolution”.
Konzipiert als militanter Kampfverband, trug die SA unter Ernst Röhm ihren Anteil an der Machtergreifung der Nazis bei, jedoch ging ihr die “Erste Revolution” nicht weit genug. Die deutsche Revolution weiterzutreiben hieß für Röhm zuallererst, den nationalen Konsens zwischen konservativen Kräften, der Wirtschaft, dem bürgerlichen Milieu und den Nazis aufzukündigen. Als eigentliche Gegner der Revolution stellte Röhm die Nörgler und Spießer dar, diejenigen, welche sich an nationalen Symbolen berauschen ohne selbst kämpfen zu wollen. Der antibürgerlichen SA-Subkultur, einem Gemisch aus jahrelanger, permanenter Gewalterfahrung, Antikapitalismus, Männergruppen und Männerhäusern, homosexuellen Tendenzen und Elitehabitus, gelang der Prozeß der Transformation in den geregelten Arbeitsablauf des nationalsozialistischen Deutschland nur unter Mühen. So gab es zwar Übereinstimmungen im Wertekanon, zwischen NSDAP und SA, doch predigte und verkörperte die SA, nicht zuletzt wegen der Homosexualität Röhms und anderer SA-Funktionäre, sowie des Bezuges auf den linken Flügel der NSDAP, letztendlich einen eigenen spezifischen Nationalsozialismus, der mit dem offiziellen, früher oder später in Konflikt geraten mußte und auch geriet.

Die Hippies, Charles Manson und der Satanismus
Etwa 35 Jahre später stehen C. Manson und seine Mörderbande im Licht der Öffentlichkeit. Manson, im Gefängnis sozialisiert, mit tätowiertem Hakenkreuz auf der Stirn, stiftet in seiner Funktion als Guru geistig abhängige Hippiejünger zu ihren Untaten, den Tate-Fabianka-Morden an. Genauso wie diese Hippies im Blut ihrer Opfer wateten, wateten zur gleichen Zeit Hunderttausende durch den Schlamm von Woodstock. Die Kehrseite der klassischen Hippieattribute, wie Drogen, Musik, Arbeitsverweigerung, Liebe und Frieden war folgende: rassistische Morde, bestialische Raserei, Folter und Satanismus. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang, daß den Hippies anfangs nicht ihre Vermarktbarkeit vorgeworfen wurde, sondern ihr Charles Manson.
Ein Journalist namens Ted Sanders machte sich auf die Spur um die Fakten und die Ideologie derer aufzudecken, welche Manson und die Hippies in einen Topf warfen. Er fand ein weitverzweigtes Netz von Sekten, Satanisten, schwarzen Magiern, von Rassisten und Rechtsradikalen. Manson war also nicht ein Teil der Lüge, sondern das häßliche Gesicht der Wahrheit. Das Konglomerat aus Rechtsradikalismus und okkulten Praktiken, der spezifische Umgang mit Symbolen und Zeichen schlägt sich in den 90ern nicht zuletzt in der Liaison zwischen Darkwave und Naziszene wieder. Wo liegen hier die Gemeinsamkeiten in der Symbolsprache bzw. im Umgang mit den Symbolen?

Das Heute
Wieder 30 Jahre später. So wie Charles Manson ein Hakenkreuz auf der Stirn trug, ritzten Nazis 1992 einer jungen Einwanderin ein Hakenkreuz auf die Stirn. Die Stigmatisierung und Selbststigmatisierung zeigen, wie fest sich dieses Symbol im Bewußtsein festgesetzt hat. Ein Symbol ist per Definition ein Zeichen, welches auf ein anderes verweist. Nazis aber, und auch Grufties, haben ein zutiefst irrationales Symbolverständnis. Runen und magische Zeichen sind nach diesem Verständnis keine Verweise auf etwas anderes, sondern besitzen ein eigenes Wesen mit eigenständiger Kraft.
Dieses voraufklärerische Symbolverständnis läßt jedoch die Frage offen, wie Nazis linke Symbole okkupieren können.
Für die 90er bleibt festzuhalten, daß es vor allem zwei Jugendkulturen waren, welche gesellschaftliche Wirkung erlangten. Naziskins und Raver. Beide verkaufen den Mainstream als Minderheit.

Punkt 2: Die Jugend in Sachsen

Will man die Frage beantworten, ob es unterschiedliche politische Auffassungen zwischen der Jugend und dem Mainstream gibt, ist eine kurze Analyse der gegenwärtigen Lage notwendig. Die ideologischen Wechselwirkungen zwischen Jugend und Gesellschaft sollen im folgenden dargestellt werden, wobei die jugendlichen Lebensvorstellungen in den Mittelpunkt rücken. Ausgewertet werden offizielle Umfrageergebnisse, ohne deren politische Zielrichtung aus den Augen zu verlieren. Eigene Recherchen stehen an zweiter Stelle.
“Sachsens Jugendlich sind mit ihrem Leben zufrieden”, so befindet eine Studie des sächsischen Kultusministeriums 1998. Diese ergibt auf mehr als hundert Seiten ein aus antifaschistischer Sicht desolates Gesamtbild der Heranwachsenden. Zwei Schwerpunkte lassen sich feststellen: ”Egozentrische Lebensziele besetzen wiederholt die Spitze der Wertehierachie. Leistungen und Verantwortung für andere, gesellschaftsbezogene Aktivitäten sind deutlich nachrangig." Individualistische Lebensentwürfe bilden den Background für die überschwengliche Einschätzung. 69% gaben an, daß ihnen das gegenwärtige Leben gut bzw. sehr gut gefällt, 83%, daß sie glücklich sind und viel Freude haben wollen und 87% zählen Humor zu den wichtigen Dingen im Leben. Ebenso werden bestimmte Grundwerte wie Pflichtbewußtsein und Durchsetzungsvermögen mit über 80% als wichtig eingeschätzt.
Im Gegensatz dazu stehen die Zahlen, welche Hinweise auf soziale Beziehungen geben. Nur 31% der Jugendlichen würden für andere dasein oder anderen helfen.
Dies ist Beleg dafür, daß die in der BRD angedachte Solidargemeinschaft in den Köpfen der Jugendlichen nicht sehr weit gediehen ist.
"In den politischen Grundorientierungen der sächsischen Jugend ist seit 1995 eine Zunahme rechter Einstellungsmuster und eine Abnahme linker Orientierungen zu verzeichnen." 16% der befragten Jugendlichen ordneten sich selbst rechts der Mitte ein, wobei Männer häufiger rechts als links positioniert sind. Die beliebteste rechtsradikale Partei ist die NPD, der etwa 4% der Befragten nahestehen. Wichtig in diesem Zusammenhang sind die Untersuchungsergebnisse, welche sich mit dem Zusammenleben sächsischer Jugendlicher mit Nichtdeutschen befassen. 50% sind der Meinung, daß dies nicht funktioniert, weil die Probleme wachsen, bzw. weil die Unterschiede einfach zu groß sind. 39% glauben, daß es funktioniert, doch nur mit vielen Reibereien.
Wenn man "demokratische" Grundwerte als Ausgangspunkt der Analyse, ob die radikale Linke sich auf diese berufen soll, ist ja ebenfalls Gegenstand des Kongresses, betrachtet, so ist festzustellen, daß die Umfrageergebnisse, welche über 60% liegen, alle relativ unabhängig vom gesellschaftlichen und politischen System sind. Es zeigt sich, daß elementare Bausteine einer humanistischen Gesellschaft nur in einer Minderheit der befragten Jugendlichen verankert sind. Zu sagen ist aber, daß bei dieser Umfrage die Fragen nach humanistischen Werten eher kryptisch wirken.
Der Spiegel berichtete im August diesen Jahres von einer Umfrage der Uni Greifswald, in der über 1.000 Jugendliche befragt wurden. "Diese seien von einer ausgeprägten rechten Jugendkultur beeinflußt". Knapp die Hälfte der Befragten war der Auffassung, daß die Deutschen den anderen Völkern überlegen seien. Ein Drittel gab an, daß Deutsche mit Ausländern keine Kinder zeugen sollten. Eindeutige Fragen, eindeutige Antworten.
Zurück nach Sachsen: Im Vergleich zur Vorgängerstudie 1997 ergibt sich ein Zuwachs von 3% zu den sich selbst als rechts und rechtsradikal bezeichnenden Jugendlichen. Diese Ergebnisse dürften aber noch keinen Rückschluß auf die Wahlergebnisse zulassen, weil viele der Befragten noch nicht wahlberechtigt sind. Andere Medien, wie der MDR berichteten jedoch über den prozentualen Anteil der Naziparteien wählenden NeuwählerInnen und bezifferten ihn auf etwa 20%. Die NPD bekam zu den Landtagswahlen am 19. September 1,4% der Stimmen. Das sind die Fakten.

Punkt 3: Die spezifische Situation in den 90ern

Konnten sich die Nazis im Westen als Rebellen gegenüber einer allzu liberalen, allzu multikulturellen Gesellschaft fühlen und gegen das Denken von '68 rebellieren, trifft das auf die Ostnazis nur bedingt zu. Während, so zynisch das klingt, die Westnazis in den 70er und 80er Jahren aus ihrer Sicht heraus einen Grund hatten, gegen ihre Eltern zu rebellieren, ist diese Rebellion vor allem im Osten nach '89 nicht zu finden. Festgestellt wurde schon an anderer Stelle, daß die Nazi-Jugendkultur in den neuen Bundesländern von Beginn an konform lief und mit dem vermeintlichen Anspruch existierte, Avantgarde für die Wünsche ihrer Eltern zu sein und diese radikal umsetzte. Neben Parallelen im Wertekanon, weist die Nazikultur der 90er Jahre über die Wünsche der Eltern hinaus. Erwähnt werden muß an dieser Stelle vor allem die Ausdifferenzierung dieser Szene und das andocken an bisher fremde Szenen, wie Hardcore, Black Metal und Darkwave. Gerade die Radikalität ist Signum und Abgrenzung gegen das "feige bürgerliche Elternhaus".

Szene1: Mückern, Dorf in Ostsachsen Diskothek Wodan
Diese avancierte 1996 zum Synonym für Nazikonzerte. Bis zu 1.000 Naziglatzen feierten sich selbst mit allem, was an Dekoration und Gegröle dazugehört.
Dem nächsten geplanten Nazikonzert trat die Staatsmacht geballt entgegen. Etwa 1.000 Polizisten sind an der Durchsetzung des Verbotes beteiligt. In der gesamten Region genügt ein Kurzhaarschnitt um kontrolliert zu werden. Bereits im 30 km entfernten Bautzen errichten mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten Straßensperren und erteilen Platzverweise.
Das agieren in der Nazisubkultur hat immer wieder etwas mit Grenzerfahrung zu tun. CD-Veröffentlichungen auf dem heimischen Markt geht in der Regel ein Gespräch mit RechtsanwältInnen voraus. Fanzines bewegen sich meist am Rande der Indizierung, bzw. spielen ganz bewußt damit. Beispielsweise werden von bestimmten Parolen oder Wörtern nur noch die Anfangsbuchstaben angegeben und alle weiteren Buchstaben als Punkte gekennzeichnet. Insider wissen dann, wovon die Rede ist.
Verbote, Indizierungen und immer wiederkehrende Beschlagnahmungen führen nicht nur zu einer Mythologisierung des eigenen Rebellierens gegen die Gesellschaft, sondern auch zur Herausbildung gut funktionierender Strukturen. Der Handel mit im Ausland gepreßten CD' s erinnert stark an den Handel mit illegalisierten Drogen und läßt Fahndungsmaßnahmen immer wieder ins Leere laufen. Letztendlich wird eine Subkultur immer Mittel und Wege finden, ihre Produkte zu verbreiten. In der Radikalität der Produkte selbst, tritt die Naziszene in eigene Konkurrenz. Mit immer neuen Ideen auf Covern und Fanartikeln wird inzwischen im Jahr ein hoher zweistelliger Millionenbetrag umgesetzt.

Bei der Rezeption von expliziter Nazimusik lassen sich zwei Hörertypen unterscheiden. Einerseits normale Jugendliche, die neben "Mr. President" und "Mambo No. 5", "Endstufe" und "Störkraft" hören und der Nazi, welcher sich auf letztgenannte beschränkt.
Nähert man sich der bundesdeutschen Jugend über die Subkultur an, so fällt auf, daß alle Subkultur ihre rechten Zentren und AktivistInnen überwiegend im Osten der BRD haben. Legt man die Zahlen des Bundesamtes für Verfassungsschutz zugrunde, so leben in den neuen Bundesländern prozentual mehr rechtsextreme Skinheads als im Westen. Hinzu kommen noch regionale Zentren wie Sachsen oder Brandenburg, wo seit Jahren Konzerte mit bekannten Nazibands stattfinden oder kontinuierlich Fanzines etc. veröffentlicht werden. In den letzten Jahren sind die BesucherInnenzahlen jedoch kontinuierlich zurückgegangen, was wohl mit einer Sättigung des Marktes, bei knapp drei Veranstaltungen pro Wochenende, zu erklären ist. In Thüringen befinden sich das Zentrum der nationalsozialistischen Black Metal Bewegung. Maßgebliche Vorreiter dieser ultravölkischen und lebensfeindlichen Kreise, sind die Gebrüder Möbus aus Erfurt. Während Ronald, alias Wolf, dort das Label "Darkeren Black" betreibt, produziert sich Hendrik in der NS-Black Metal Gruppe "Absurd". Anfang der 90er machten die Mitglieder dieser Combo Schlagzeilen, weil sie in Mühlhausen einen ihrer Mitschüler gemeinsam ermordeten und später dafür verurteilt wurden. Seit der Entlassung von Hendrik ist eine verstärkte Organisierung und Radikalisierung von Teilen der Szene bemerkbar. Ergänzend dazu beteiligen sich die Beiden, in der deutschen Sektion der nationalsozialistischen "Heaven Front".
Bei den Grufties, sind Parallelen festzustellen. Hier befindet sich das Zentrum rechtsradikaler Aktivitäten in Sachsen, wo in Dresden ein Label, eine Zeitschrift und ein Versand beheimatet sind. Die Zeitschrift "Sigill" entwickelte sich hierbei zum führenden Organ der rechten Gruftszene der BRD. Inzwischen sind gute Kontakte zur europäischen rechtsextremen Szene geknüpft, wobei hier die ideologischen Verbindungen zur sog. Neuen Rechten im Vordergrund stehen, vereinzelt aber ebenfalls Schnittpunkte zu militanten RechtsextremistInnen nachweisbar sind.

Szene 2: Dresden Karstadt Musikabteilung, Deutschrock, Buchstabe B
Neben "BAP" und "Blumfeld" finden sich gleich fünf Fächer mit den "Bösen Onkels". 10 verschiedene CD' s stehen zur Auswahl. Die Industrie entdeckt die Möglichkeit, mit Nazimusik Geld zu verdienen. Was bei den Onkels noch Bedingung für den Erfolg war, eine mit viel Aufwand betriebene Öffentlichkeitskampagne zur Distanzierung von der eigenen rechten Vergangenheit, bis hin zu Auftritten bei "Rock gegen Rechts" Konzerten, ist überflüssig geworden. Nazibands werden völlig normal vermarktet und konsumiert. Mit Platten auf Major Labels, Videos auf MTV/ VIVA, Konzerttourneen, organisiert von renommierten Agenturen, vor Tausenden von Leuten. Eine unangenehme Vorstellung und zugegebenermaßen auch für uns eine unwahrscheinliche.

Aus antifaschistischer Sicht scheint es zwei Entwicklungen im Bereich der Subkulturen zu geben. Eingebettet sind diese in einen gesellschaftlichen Diskurs, welcher sich nicht zuletzt in den Wahlergebnissen, in Meinungsumfragen oder in den immer offener formulierten rechtsextremistischen Platitüden von PolitikerInnen äußert. Daß diese gesellschaftlichen Entwicklungen, keinen Einfluß auf die Jugend oder auf Subkulturen hätten, ist ein Irrglaube. Es ist davon auszugehen, daß emanzipatorische Lebensentwürfe nur noch marginal in den verschiedenen Subkulturen anzutreffen sind. "Linke" Ansätze, wie etwa die Auseinandersetzung mit Nazis, stehen in keinem Kontext mit einem emanzipatorischen Gesellschaftsbild, welches weitergehende Veränderungen, z.B. die Auflösung von sexistischem Rollenverhalten im Auge hat. Am Beispiel der Grufties zeigt sich, daß eine Jugendkultur, die aufgrund ihres Äußeren zwangsweise mit Nazis konfrontiert war, nicht per se links sein muß. Diese Tatsache ist fest mit den erwähnten Rahmenbedingungen der deutschen Gesellschaft verknüpft.
Jede linke Kritik an rechtslastigen subkulturellen Aktivitäten wird mit dem Verweis auf das eigene Unpolitische zurückgewiesen. Zugespitzt ergibt sich die Frage, weshalb ein/e AnhängerIn einer Subkultur, in Konflikt mit RechtsextremistInnen geraten muß, wenn keine persönliche Bedrohung von letzteren ausgeht. Diese Zuspitzung bringt das Dilemma von Subkultur vs. antifaschistische Grundsätze auf den Punkt. Parallel dazu läuft eine Öffnung von rechtsextremer Seite für die verschiedenen Subkulturen. Hierbei greifen rechtsradikale Kreise auf eigene Konzepte zurück, welche im Kern jedoch häufig auf Gramscis Ideen zur Erringung der kulturellen Hegemonie aufbauen. "Vor allen die Beschäftigung mit den Produkten lebendiger Jugendsubkulturen", philosophiert eine Simone Satzke "wird von den Linken als anmaßende Einmischung in ihre Domäne empfunden. Sollte sich tatsächlich Konkurrenz auf diesem Gebiet entwickeln, hätten sie um ihre kulturelle Hegemonie zu fürchten." Wie diese Beschäftigung aussieht und um welche Produkte es sich handelt, läßt sich seit mehreren Jahren im Flaggschiff der "neuen Rechten", der rechtsextremen Wochenzeitschrift "Junge Freiheit", nachlesen. Regelmäßige Berichte über Subkulturen, deren Musik und Aktivitäten haben einen festen Platz. Auch das Auftreten der Redaktion der "Jungen Freiheit" nach außen, auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse wieder exemplarisch vorgeführt, spricht für dieses Konzept: Jung, Spontan, Undogmatisch, Aktivistisch.
Wem ein Kampf um die Erringung der kulturellen Hegemonie nützt oder wen er instrumentalisiert, ist nur schwer ersichtlich. Faktisch bleiben Schnittstellen zwischen organisierten Rechtsradikalen und ProtagonistInnen der einzelnen Subkulturen, an denen ideologische Gemeinsamkeiten ausgetauscht und verfestigt werden.

Die Beantwortung der Frage: Gibt es eine Nazisubkultur?
Elementar hierbei ist die genaue Definition des Begriffes Subkultur. Ist Subkultur primär durch ihr Äußeres, sein Erscheinen bestimmt, definiert sie sich als Stil, so ist festzuhalten, daß es immer Subkulturen geben wird. Auch in den rechtsextremen Ausläufern der heutigen Subkulturen sind stiltypische Elemente wie Fanzines, Konzerte, Limitierungen bei Veröffentlichungen etc. vorhanden. Inwiefern dies auch für Outfit im allgemeinen zutrifft, wäre zu diskutieren. Zum Stil dürfte auch das radikale Auftreten der Jugendlichen und das Beschimpfen der Eltern als Feiglinge gehören. Punktum, definiert man Subkultur über den Stil, so ist zu sagen, daß es eine Nazisubkultur gibt.
Wird Subkultur hingegen als sozialer Zusammenhang begriffen, der über wie auch immer geartete Grundeinstellungen zueinander findet, so ändert sich die Antwort.
Wie bisher referiert, unterscheiden sich weite Teile der Gesellschaft ideologisch nicht von den jugendlichen Nazis, lediglich in der Außenwirkung sind Differenzen erkennbar. So ist aufgrund der ideologischen Nichtunterscheidbarkeit zwischen Erwachsenen und Jugendlichen eine eigenständige Nazisubkultur nicht zu konstatieren. Nicht zuletzt die Existenz von No-Go-Areas, auch als national befreite Zonen bekannt, untermauert diese These. Wenn dazu noch die NPD-Gazetten "Deutsche Stimme" und "Sachsenstimme" an Zeitungskiosken wie in Königsstein erhältlich sind, die FDP mit der DSU und der NPD in Stadtparlamenten wie in Sebnitz zusammenarbeitet, ein Bürgermeister, wie der in Wurzen, seine Nazis jahrelang gegen alle Angriffe von Außen verteidigt, wenn der Justizminister Sachsens, Steffen Heitmann im Landtag ungeniert die "Junge Freiheit" liest, sein Parteikollege Schimpf, die Bodenreform nach 1945 mit dem Holocaust vergleicht oder die Polizei, bei jeder noch so offensichtlich rechtsextremen Aktion, in alle Richtungen ermittelt, dann kann nur gesagt werden, daß es gegenwärtig gar keiner Nazisubkultur bedarf, um rassistische und sexistische, geschichtsrevisionistische und nationalistische Gedanken in der Gesellschaft zu verankern.


Punkt 4: Die Diskussion

Beitrag aus dem Publikum: Warum bezeichnet ihr sie SA als Subkultur?

Sven: Nach 1933 wurde die SA von der NS-Führung nicht mehr im Zaum gehalten. Ab da trifft die Bezeichnung Subkultur zu. Zum einen ging der SA die "Erste Revolution" nicht weit genug, sie wollten tiefgreifendere Umwälzungen, zum anderen verkörperte die SA Werte, welche mit der offiziellen NS-Linie nicht konform gingen, mit ihr unvereinbar waren. Hier wäre der Bezug auf den Strasser-Flügel in der NSDAP zu nennen. Die SA verkörperte einfach eine Nazisubkultur im wortwörtlichen Sinne. Aber es ist schon problematisch.
Michael: Der Aufhänger dieser ganzen SA-Geschichte war auch eher der, daß sich immer wieder Texte finden, in denen von einer neuen SA die Rede ist. Was da dran ist, das hatt' uns interessiert und wir konnten ja auch Parallelen feststellen. Konkret gab es zwischen NSDAP und SA einen Wertekonsens, welcher heutzutage zwischen Faschokids und ihren Eltern festzustellen ist. Und ähnlich wie Röhm und Konsorten die NSDAP als verspießt und verbürgerlicht beschimpft hat, machen das heutzutage auch die Stiefelfaschos.

Beitrag: Welche Bands aus dem großen Musikbiz mit faschistoiden Bezügen in Vergangenheit oder auch in der Gegenwart gibt es denn heutzutage?

Tobias: Bei der Band "Weißglut", die bei Sony unter Vertrag ist, hat lange Zeit Joseph Klump mitgewirkt, der vorher bei "Forthcoming Fire" spielte. Dieser Herr ist Antisemit, ein Weltverschwörungstheoretiker erster Güte. "Weißglut" mußte sich nach massivem antifaschistischem Druck von Klump trennen. Und "Rammstein" haben meines Erachtens, vor allem mit ihrem Video "Striped" neues Terrain betreten, was sich auch nicht mehr mit dem Verweis auf das Provozieren wollen, abtun läßt. Dieses Video setzt sich ausschließlich aus Bildern des Olympia 1936 Films von Leni Riefenstahl zusammen. Damit haben Rammstein Riefenstahl eindeutig wieder hoffähig gemacht. Rammstein ist übrigens 1998 die erfolgreichste deutsche Band in Amerika gewesen.
Michael: In Schweden gibt es eine Band namens "Ultima Thule", die einen ähnlichen Werdegang wie die "Bösen Onkels" hinter sich haben und heutzutage in den Charts ganz weit oben sind.

Beitrag: Der Mord, an dem Mitglieder der Gruppe "Absurd" beteiligt waren, fand nicht in Mühlhausen, sondern in Sondershausen statt. Für den NS-Black-Metal trifft auf jeden Fall die Bezeichnung Subkultur zu, weil diese Szene verdeckt agieren muß. Ich bin der Meinung, daß der Staat in gewissen Bereichen schon mit seinen repressiven Mitteln eingreift. Man muß aber kritisch betrachten, daß er dabei oft nur pseudomäßig vorgeht. Vor zwei oder drei Wochen gab es ja bundesweit Durchsuchungen von Nazi-CD Vertrieben. Meine Frage wäre, inwieweit die Naziszene überhaupt keine Subkultur mehr ist, oder würdet ihr das differenzierter betrachten?

Sven: Es gibt zwei Hörertypen: Den ganz normalen Jugendlichen, der alles hört, der in seinen Rezeptionspluralismus Nazi-Rock mit einbezieht und denjenigen, der nur das hört. Ich denke bei dem Punkt geht es darum, daß die Radikalisierung beim Hören beim Black Metal aus diesem Rezeptionspluralismus herausfällt. Hier würde ich dir zustimmen, daß es sich beim NS-Black-Metal um eine Subkultur handelt.

Beitrag: Beziehen sich heutige faschistoide Tendenzen nicht auf scheinbare Opfer des Nationalsozialismus, also die, die sich an Auschwitz nicht direkt schuldig machten?

Sven: Du hast ein spannendes Phänomen aufgegriffen. Was mir aus den Gruftkreisen bekannt ist, ist, daß sich in den rechten Kreisen dieser Szene sehr oft auf Leute bezogen wird, die eher zu den "Opfern" des Nationalsozialismus und des Faschismus gehörten. Sie beziehen sich auf Philosophen, wie Ernst Jünger, die den Nationalsozialismus erst mitgetragen haben und dann zu Opfern wurden. "Death in June" sind ein gutes Beispiel, deren Name ja abgeleitet ist von der Ermordung Ernst Röhm. Das scheint auch eine Strategie zu sein, daß man sich auf die Leute bezieht, die umstritten sind. Es fällt auf, daß man nur die Leute erwähnt, die nicht durchgängig oder nicht 100%ig am Nationalsozialismus beteiligt waren. Es ist nicht ganz klar, ob das eine Strategie oder Zufall ist.
Um in dem Gruft-Bereich zu bleiben, würde ich einschätzen, daß sich die rechten Gruftkreise häufig auf Philosophen der konservativen Revolution beziehen, die eher als Vordenker des Nationalsozialismus gehandelt wurden, wie van den Breuck oder Carl Schmitt, die dann aber im Nationalsozialismus teilweise Probleme bekamen. Ob das aber an den Inhalten der Leute oder ihren Lebensstilen liegt, ist aber nun wiederum eine andere Diskussion.

Beitrag: Wie kommt ihr dazu die SA als eine Subkultur zu bezeichnen, ist sie nicht vielmehr eine von verschiedenen politischen Strömungen innerhalb der NSDAP?

Michael: Zugegebenermaßen steht das mit der SA auf ziemlich dünnen Eis.
Tobias: Aber das hast du doch geschrieben, das kommt doch von dir.
Michael: Das kommt ja auch nicht von uns, wir haben uns nur damit beschäftigt. Es geht um die Bezeichnung: "Die neue SA marschiert in der Ostzone.".
Tobias: Aha.

Beitrag: Aber was hat das mit Subkultur zu tun?

Micha: Darauf will ich gleich kommen. Die SA ist eine wirkliche Subkultur, sie ist eine Teilströmung bzw. Unterströmung einer nationalsozialistischen Bewegung. Mit dem heutigen Subkulturbegriff kann man sie aber nicht vergleichen. Was wir an dem Beispiel zeigen wollten, war der Wertekonsens zwischen Nationalsozialismus und SA, aber auch daß die SA später von dem Nationalsozialismus ausgeschaltet worden ist. Und das heißt nicht, auch wenn es heutzutage einen Wertekonsens zwischen den Jungnazis und ihren Eltern gibt, daß es nicht zur Abgrenzung seitens der jungen Generation zur Älteren kommen kann.

Beitrag: Ihr habt vorhin, daß irrationale Symbolverständis der Nazis aufgezeigt. Widerspricht sich Eure Aussage nicht mit dem Vortrag von Eiko und Volker?
Diese haben doch mehrfach darauf hingewiesen, wie bewußt Nazis vakant gewordene ehemals linke Symbole sich aneignen.

Tobias: Ich habe diesen Beitrag über die Symbole als Ergänzung zu der Veranstaltung von vorhin verstanden, weil ich finde, besser als Eiko und Volker es gemacht haben, kann man es einfach nicht machen. Meine Meinung ist, daß für die Symbole der Nazis gilt: Der Schein ist das Sein. Dabei sehe ich Anknüpfungspunkte zwischen Gruftszene und Naziszene. Beide Szenen haben ein mythologisches Symbolverständnis, was aber gleichzeitig nicht ausschließt, daß es nebenher auch noch ein anderes Symbolverständnis bei den Nazis gibt[1].

Beitrag: Für mich sind Subkulturen dadurch definiert, daß sie gesellschaftliche Konventionen ablehnen. Nazimusikgruppen aber verkünden doch im Prinzip lediglich die Meinung des Stammtischs, sind bloß etwas lauter zu vernehmen. Wieso bezeichnet ihr sie dann als Subkultur?

Sven: Wie gesagt, wir haben uns, um die Frage zu der Subkultur zu beantworten, dem Thema aus zwei verschiedenen Sichtweisen genähert; einmal vom stilistischen und einmal vom ideologischen Teil.
Vom Stilistischen her, also sprich vom Outfit, Haarfrisur, Bomberjacke, Schwarze Klamotten etc., gibt es eine Subkultur. Wenn man sich aber ideologisch annähert, dann sagen wir, es gibt nur marginale Unterschiede und davor allem in der Außenwirkung, also sprich radikaleres Auftreten. Und da kann man auch die These vertreten, daß es keine Subkultur mehr ist, bzw. wie das schöne Buch heißt ein "Mainstream der Minderheiten". Es ist auch ziemlich schwer für den Begriff Subkultur eine allgemeingültige Definition zu finden. Autonome beispielsweise sind für mich nie eine Subkultur gewesen, sondern eine Gegenkultur. Ich denke das ist eine ganz komplizierte Kiste, da müßte man ganz viel ganz genau auseinanderfitzen.
Ich denke, es gibt keine allgemeingültige Definition für diesen Begriff.

Beitrag: Inwieweit spielen die Dinge, die ihr angesprochen habt, in eurer Praxis eine Rolle? Was habt ihr überhaupt als Gruppe für eine Praxiserfahrung?

Tobias: Wir haben uns als Antifa-Gruppe zunächst rein ausschließlich auf Recherche beschränkt. Wir hatten dadurch zwangsläufig in Sachsen mit Subkulturen zu tun. Vornehmlich begegnete uns eine Skinhead-Subkultur, wobei wir festgestellt haben, daß es für die Antifa kaum noch Mittel und Wege gibt da einen Fuß hineinzubekommen bzw. dort irgend etwas zu unterbinden. Wir hatten 1996 damit begonnen, Nazikonzerten zu beobachten, um dann zu versuchen, öffentlich zu machen, daß diese Konzerte stattfinden. Dies hatte zur Folge, daß die Polizei jedesmal mit einem riesigen Aufgebot anwesend war, Verbote erteilte und sehr massiv durchgriff. Womit wir dann ein Problem bekommen haben, weil wir feststellten, daß es gerade in Sachsen so war, daß die rechte Szene als Testballon gesehen wurde, an dem man Sachen durchexerzieren konnte. Im Prinzip diente sie also der Legitimation für eine Aufrüstung der Polizei.
Im Moment ist es so, daß wir versuchen vor Ort, etwa bei den Konzerten, etwas zu machen, was nie ein Konzert verhindern wird, sondern maximal dazu führt, daß man den BesucherInnen ein Stück weit Spaß nehmen kann, was uns allerdings nicht zufriedenstellt.
Micha: Ich denke etwas haben wir geschafft durch unsere Öffentlichkeitsarbeit gegen die Nazikonzerte. Es war bis 1996 so, daß Oi-Bands mit Nazi-Bands zusammen auf einer Bühne spielten. Durch unsere Öffentlichkeitsarbeit trat dann eine Spaltung ein, also entweder reine Nazikonzerte oder reine Oi-Konzerte.
Eine Perspektive für die Zukunft ist für uns, daß man versucht dieses Konzept auch auf andere Subkulturen auszuweiten, also strikte Trennung von Nazibands und eher unpolitischen Combos. Beim alljährlichen Wave-Gothic-Treffen in Leipzig, wäre dies bitter vonnöten.
Sven: Ansonsten kann man aber gegen durchschnittlich 300 KonzertbesucherInnen eigentlich nichts machen.

Beitrag: Meine Frage zielte eher dahin, ob das Thema welches jetzt gerade diskutiert wird, in der Praxis Relevanz hat.

Micha: Die Praxis haben wir ja gerade diskutiert und wie gesagt, es sieht hier eher mau aus. Das einzige was hilft, ist die Strafjustiz, man muß den Leuten an die ökonomische Substanz gehen. Was so an CD-Beschlagnahmungen etc. passiert, ist wirksamer als das, was die Antifa leistet, aber natürlich auch sehr ambivalent zu sehen.
Tobias: Meiner Meinung nach, fehlen Analysen dieser Art bisher weitgehend. Nazis machen sich mit dem Hitlergruß bemerkbar, doch in anderen Subkulturen wird es schwieriger. Wenn man Antifazeitungen liest, kann man das Gefühl bekommen, daß inzwischen jeder Gruft ein Nazi ist, etc. Andererseits gibt es beim Hardcore gerade eine Entwicklung dahin; wenn also im Chemnitzer AJZ bei Konzerten immer öfter Nazis auftauchen und dort Party machen.
Uns geht es darum aufzuzeigen, daß andere Subkulturen nicht immun sind. Beispiel ist auch die Loveparade, wo ein Skin mit Blood&Honor-Tattoo auf der Brust, Lachgas verkaufen kann. Nazis sind fast überall anzutreffen und das ist eigentlich kaum bekannt, bzw. ist nicht klar, warum das so ist. Antifas sind von solchen Tendenzen oft überrascht und überrumpelt, Grufties und Black Metal hier nur als Beispiele. Wir wollen weg von diesem Klischee, daß Nazi eine Glatze hat. Gegenkonzepte wiederum sind derzeit echt schwierig, darum geht es uns um Analyse.
Sven: Von Konzepte ist die Rede? "Mauer drum und zubetonieren!"
Micha: Weil daß Beispiel Chemnitz hier gerade fiel: Das Conne Island hat in einem offenen Brief an das AJZ diese Zustände scharf kritisiert, aber soweit ich weiß, nie eine Antwort erhalten. Eine mögliche Perspektive der Antifa, wäre also zu schauen, in welchen Subkulturen sich Nazis gerade breit machen bzw. warum gerade dort und dann dagegen zu intervenieren.

Beitrag: Ist das wirklich alles an Strategien was euch gegen die Naziskins einfällt? Nach den Bullen zu rufen ist ja offensichtlich kein besonders emanzipatorischer Ansatz.

Sven: Zum einen ist da die sehr ambivalente Strafrechtsschiene, zum anderen gibt es aber auch popkulturelle Mechanismen, die eine bestimmte Struktur aufweisen. Subkulturen unterliegen Marktmechanismen, beginnen klein, werden groß, verschwinden allerdings irgendwann auch wieder von der Bildfläche. Insofern besteht Hoffnung.
Micha: Natürlich ist es für eine Antifa total beknackt, nach einem starken Staat zu rufen, wir haben ja auch schon gesagt, daß die rechte Szene als Mittel benutzt wurde, um Repression durchzusetzen. Gegen diese wenden wir uns natürlich.
Aber die Faschos sind inzwischen dermaßen konspirativ organisiert, wie z.B. Blood&Honor, daß man so gut wie gar nichts mehr mitbekommt. Wenn man Öffentlichkeitsarbeit machen will, brauchst man diese Informationen aber. Du hast ja recht, doch es fehlen uns echt die Möglichkeiten.

Beitrag: Wie konnte sich im Osten diese Entwicklung, weg von einer unpolitischen Jugendkultur hin zu einer rechtsextremen, vollziehen? Wie lief dieser Prozeß strukturell ab?

Tobias: Es kam, etwa bei gemeinsamen Auftritten von Oi- und Nazibands, zunehmend zu einem Normalisierungsprozeß hinsichtlich faschistoider Einstellungen. "Unpolitische" Skinheads kamen so in Berührung mit Naziskins und natürlich auch mit Propagandamaterial. An diesem Punkt funktioniert ein Einstieg.
Micha: In Lucka wurden Konzerte der Faschoband "Radikahl" ganz normal mit Plakaten beworben und zwar in einer Mainstreamdisco. Das ist ganz klar ein Beweis für diese Normalisierungsthese. In solchen Gegenden fehlt dann natürlich auch jegliche linke Gegenkultur. In diesem Zusammenhang gibt es dann auch ganz handfesten sozialen Druck auf die, welche nicht in Bomberjacken und mit kurzen Haaren rumlaufen.

Beitrag: In welchem Zusammenhang stehen für euch Politik und Kultur?

Sven: Viele Subkulturen verstehen sich heutzutage als unpolitisch. Sich als links zu bezeichnen gilt oft als verpönt. Dabei vertreten wir ganz klar die Ansicht, daß man das Kulturelle nicht aus seinem politischen Kontext lösen kann und das diese Subkulturen darum auch nicht unpolitisch sind. Mit der Musik werden Werte und Lebenseinstellungen transportiert. Dabei vertreten wir die Auffassung, daß Kultur nicht erst politisch gefüllt werden muß, bzw. instrumentalisiert werden muß, sondern schon an sich politische Struktur ist und sie vermittelt. Erst aus der Kultur, die uns umgibt, seien es Werte, Lebenseinstellungen oder Freundeskreise, leitet man seine politischen Handlungen heraus ab. Unpolitisch sein, ist unserer Meinung nach nicht möglich, weil man sich mit seinen Handlungen immer auch in einem politischen Kontext bewegt.
Tobias: In Sachsen hatten wir das Phänomen, daß hier 1996 und 1997 die prozentual meisten Skinheadkonzerte stattfanden und gleichzeitig die NPD großen Zulauf aufzuweisen hatte. Auch hier wirkte die Kultur ins Politische hinein.

Beitrag: Versuchen die Nazis bewußt andere Jugendsubkulturen zu unterwandern?

Micha: Ausgearbeitete schriftliche Pläne wirst du dazu kaum finden, weil damit würden die Nazis sich ja sozusagen outen. Sie werden auch nicht die Schienen fahren, von den einzelnen Jugendlichen zu fordern, ihr Outfit aufzugeben etc., weil dann die Unterwanderung nicht klappen würde. Darüber kann man also nur spekulieren.

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